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Archiv "Nicht hinzunehmende Subgruppen" (19.03.2010)

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196 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 11

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19. März 2010

M E D I Z I N

sem Hintergrund als ausgesprochen doppelbödig. Ei- ne Therapie, die weltweit „Goldstandard“ ist, aber von der Kasse nicht mehr bezahlt wird, lässt sich na- türlich sehr gut als individuelle Gesundheitsleistung verkaufen.

Auf der Strecke bleibt im Wirrwarr der unter- schiedlichen Meinungen und Interessenkonflikte der ahnungslose Patient, der sich nicht selten diese indi- viduellen Gesundheitsleistungen vom Munde abspart.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0195c LITERATUR

1. Suckfüll M: Perspectives on the pathophysiology and treatment of sudden idiopathic sensorineural hearing loss [Hörsturz – Erwägung zur Pathophysiologie und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106 (41): 669–76.

Dr. med. Andreas Stiebler Am Bach 2

23972 Lübow

E-Mail: andreas.stiebler@web.de

Gemeinsamer Bundesausschuss

Herr Professor Suckfüll nimmt in seinem Artikel auch Bezug auf eine Veröffentlichung des Deutschen Be- rufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte, der propa- giere, künftig die Therapie des Hörsturzes als indivi- duelle IGeL-Leistung abzurechnen.

Das ist richtig, aber die Gründe für diese Vorge- hensweise liefert ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Die zum 1. 4. 2009 gültige Arzneimittelrichtlinie legt fest, dass Medikamente, die bisher zur Therapie des Hörsturzes verwendet wurden, nicht mehr als Kassenleistung verordnungsfähig sind oder nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen.

Herr Suckfüll hat die Behandlungsoptionen aus- führlich dargestellt. Für die niedergelassenen HNO- Ärztinnen und -Ärzte hieße die weitere Verordnung unausweichlich Regress.

Allein diesem Tatbestand ist es geschuldet, dass der Berufsverband, unterstützt von der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, zur Abrechnung als Indivi- duelle Gesundheitsleistung rät.

Einmal mehr wird damit deutlich, dass die Thera- piefreiheit des niedergelassenen Arztes im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch rechtli- che Vorgaben limitiert wird und die Ressourcen- knappheit nicht offen dargestellt wird. Der Leidtra- gende bleibt der Patient.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0196a

LITERATUR

1. Suckfüll M: Perspectives on the pathophysiology and treatment of sudden idiopathic sensorineural hearing loss [Hörsturz – Erwägung zur Pathophysiologie und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106 (41): 669–76.

Dr. med. Ellen Lundershausen Vizepräsidentin

Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.

Postfach 1427 24504 Neumünster E-Mail: bv@hno-aerzte.de

Unwirksame Therapien sind schädlich

Zu den vorgeschlagenen Therapiemaßnahmen bei Hör- sturz, in erster Linie Infusionen mit diversen Substan- zen, haben alle vorliegenden Studien mit einem Min- destanspruch an die methodische Qualität ein negatives Ergebnis erbracht. Trotz dieser eindeutigen Beleglage wurde auch von den entsprechenden Fachkreisen lange an Empfehlungen zu ihrem Einsatz festgehalten. Das klare Bekenntnis von Herrn Suckfüll bezüglich der feh- lenden Wirksamkeitsbelege ist daher zu begrüßen.

Unwirksame Therapien sind nicht „neutral“, sie sind schädlich. Alle genannten Therapieoptionen sind auch mit Risiken verbunden. Ich selbst habe gutachterlich ei- nen Todesfall nach Sepsis durch eine infizierte Dauer- kanüle bei der Infusionsbehandlung eines Hörsturzes bearbeitet.

Mit einer gewissen Erschütterung ist daher der folgen- de Satz in der Arbeit von Suckfüll zur Kenntnis zu neh- men: „Seit Kurzem propagiert daher der Deutsche Berufs- verband der Hals-Nasen-Ohren-Fachärzte, … die Be- handlung des Hörsturzes nicht als Kassenleistung, son- dern als individuelle Gesundheitsleistung abzurechnen.“

Hier wird offen bekannt, dass Therapien, die die Kri- terien von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht er- füllen, weiterhin propagiert oder zumindest angeboten werden. Ein solches Vorgehen ist geeignet, das Vertrau- en in die Ärzteschaft nachhaltig zu erschüttern. Herr Suckfüll stellt selbst die Frage, ob diese Entwicklung Bestand hat. Bedauerlicherweise scheint aber die Ent- wicklung in Richtung der unheilvollen IGeL-Medizin, die sehr häufig nicht mehr primär das Wohl des Patien- ten im Auge hat, weit fortgeschritten zu sein. IGeL darf auf keinen Fall zum Sammelbecken solcher Methoden werden, die wegen fehlender Qualitätsanforderungen nicht mehr als Kassenleistung abrechenbar sind.

Eine selbstkritische Reflexion und eine Korrektur dieser Entwicklung aus der Ärzteschaft heraus ist drin- gend angeraten, bevor externe Regelungen geschaffen werden, die diesem Vorgehen einen Riegel vorschie- ben.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0196b LITERATUR

1. Suckfüll M: Perspectives on the pathophysiology and treatment of sudden idiopathic sensorineural hearing loss [Hörsturz – Erwägung zur Pathophysiologie und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106 (41): 669–76.

Prof. Dr. med. Johannes Köbberling

Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates des IQWiG Am Freudenberg 85

42119 Wuppertal

E-Mail: Johannes@koebberling.de

Nicht hinzunehmende Subgruppen

Herr Professor Suckfüll postuliert in seinem Fortbil- dungs-Artikel zur Behandlung des Hörsturzes angeb- lich erforderliche diagnostische Maßnahmen von Ohr- mikroskopie über Tympanometrie bis zur Messung von akustisch evozierten Potenzialen. Den Beleg für den Nutzen dieser im „Konsens-Verfahren“ beschlossenen Empfehlungen bleibt er schuldig.

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Sehr richtig weist er darauf hin, dass es für die The- rapie des Hörsturzes keine sicheren Belege gebe. Hier rächt sich die Methode einer selektiven Literaturrecher- che. Die Arbeiten von Desloovere (1), die neben der zi- tierten von Klemm et al. einen Nutzen einer Behand- lung mit Plasmaexpandern widerlegen, bleiben dabei nicht erwähnt. Nicht hinzunehmen ist, aus Studien mit Negativevidenz ex post Subgruppen herauszusuchen, um daraus doch noch positive Empfehlungen abzulei- ten. Die Empfehlung, HAES-Infusionen, von denen man weiß, dass sie mit Nierenschäden (2) und lebens- lang persistierendem Juckreiz (3) einhergehen können, als IGeL-Angebot auf den Markt zu bringen, hat mei- nes Erachtens in einem Fortbildungsartikel nichts ver- loren,

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0196c LITERATUR

1. Desloovere C, Lörz M, Klima A: Sudden sensorineural hearing loss—influence of hemodynamical and hemorheological factors on spontaneous recovery and therapy results. Acta Otorhinolaryngol Belg 1989; 43(1): 31–7.

2. Bundesärztekammer – Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte- schaft: Rückenschmerzen bei Anwendung Hydroxyethylstärke-halti- ger Infusionslösungen. Dtsch Arztebl 1995; 92(19): A-1402.

3. Reimann S, et al.: Hydroxyethylstärke-Speicherung in der Haut unter besonderer Berücksichtigung des Hydroxyethylstärke-assoziierten Juckreizes. Dtsch Med Wschr 2000; 125: 280–5.

4. Suckfüll M: Perspectives on the pathophysiology and treatment of sudden idiopathic sensorineural hearing loss [Hörsturz – Erwägung zur Pathophysiologie und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106 (41): 669–76.

Dr. med. Günther Egidi Huchtinger Heerstraße 41 28259 Bremen

E-Mail: familie-egidi@nord-com.net

Unsicherheit und Angst

Durch die Übersicht des Kollegen Suckfüll zum Hör- sturz wird deutlich, dass sowohl Ätiologie als auch Ri- sikofaktoren und vor allem Behandlungsmöglichkeiten bei diesem immerhin häufigen Krankheitsbild (160 auf 100 000 Einwohner) (1) noch nicht wirklich wissen- schaftlich erforscht sind und gleichzeitig der Anteil von Spontanheilungen beträchtlich ist.

Auffällig heraus ragt (dafür) in der Literaturüber- sicht die zugespitzte und durch eine CME-Frage ver- stärkte Formulierung, „...dass das Phänomen des Hör- sturzes ein frühes Warnsignal für einen Schlaganfall darstellen“ soll. Suckfüll zitiert dazu eine Veröffentli- chung (2), die anhand eines in Taiwan etablierten Mel- desystems retrospektiv und nach genauer Alters- und Geschlechterzuordnung 1 423 Patienten, bei denen ein

„sudden sensorineuronal hearing loss“ verschlüsselt wurde, mit 16 413 Appendektomie-Patienten vergli- chen hat.

Dabei erlitten nach mehr als zwei bis zu fünf Jahren 12,7 % einen Schlaganfall, während dies nur bei 7,8 % der Appendektomie-Patienten eintrat. Daraus wird ein

„1,64-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko“ abgeleitet.

Während die Autoren der Originalarbeit diesen – noch als Spekulation benannten – Zusammenhang wesent-

lich vorsichtiger beurteilen und auf die „Limitierun- gen“ ihrer Datenbasis hinweisen, verstärkt Suckfüll die Aussage und fragt diesen Zusammenhang in der CME Anlage mit einer eindeutigen Aussage ab.

Es ist durchaus sinnvoll, gerade Hörsturzpatienten internistisch und neurologisch zu untersuchen, um vor- liegende vaskuläre Risikofaktoren frühzeitig erkennen und gegebenenfalls behandeln zu können. Dies war in der Originalarbeit von Lin (2) die wesentlichste Schlussfolgerung.

Wir sind besorgt, dass durch einen undifferenzierten und als bewiesen hingestellten Zusammenhang zwi- schen Hörsturz und Apoplex bei den nicht ständig mit dem Thema beschäftigen Ärzten vor allem Unsicher- heit und Angst in der Beratung der Patienten größer werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2010.0197 LITERATUR

1. Klemm E, Deutscher A, Mösges R: A present investigation of the epi- demiology in idiopathic sudden sensorineural hearing loss. Laryngo- Rhino-Otol 2009; 88: 524–7.

2. Lin HC, Chao PZ, Lee HC: Sudden sensorineural hearing loss increas es the risk of stroke: a 5-year follow-up study. Stroke 2008;

39(10): 2744–8.

3. Suckfüll M: Perspectives on the pathophysiology and treatment of sudden idiopathic sensorineural hearing loss [Hörsturz – Erwägung zur Pathophysiologie und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106 (41): 669–76.

Prof. Dr. med. Gerhard Hesse Dr. med. Helmut Schaaf

Chefarzt Ohr und Hörinstitut Hesse(n) und der Tinnitus Klinik im Krankenhaus Arolsen Große Allee 50

34454 Arolsen

E-Mail: ghesse@tinnitus-klinik.net

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Die Autoren des Beitrags haben auf ein Schlusswort verzichtet.

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