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ach harten Verhandlungen haben sich die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Spitzenver- bände der Krankenkassen nun auf eine Empfehlung für Arzneimittel- Richtgrößen geeinigt. Das „Hecken- schnitt-Instrument“ Budget ist da- mit grundsätzlich vom Tisch. In den Jahren der Arzneimittelbudgetie- rung hatten die Krankenkassen alle Vorteile auf ihrer Seite. Die strikte Deckelung garantierte eine Ausga- benobergrenze. Für Überschreitun- gen mußten alleVertragsärzte gera- destehen – unabhängig vom indivi- duellen Verordnungsverhalten.Eine grundlegende Änderung sieht das am 1. Juli dieses Jahres in Kraft getretene 2. GKV-Neuord- nungsgesetz vor: Die kollektiven Arzneimittelbudgets müssen durch Richtgrößen abgelöst werden. Den- noch haben die Spitzenverbände der Krankenkassen hartnäckig versucht, prinzipiell am Budget festzuhalten.
Letztlich vergebens. Von Januar 1998 an können arztgruppenspezifi- sche Arzneimittel-Richtgrößen fest- gelegt werden – ein Erfolg aus Sicht der KBV.
Die Empfehlung regelt ledig- lich die Rahmenbedingungen für re- gionale Richtgrößenverträge zwi- schen KVen und Kassen. Ihr Ver- bindlichkeitsgrad ist deshalb eher gering. Wollen einzelne KVen das Budget beibehalten – wenn auch vom Gesetzgeber anders beabsich- tigt –, können sie dies im Einverneh- men mit den Kassen vorübergehend tun. Auf diese Möglichkeit werden
vornehmlich die KVen zurückgrei- fen, bei denen es bisher nicht zu Budgetüberschreitungen gekom- men ist. Die überwiegende Mehrheit wird sich jedoch für Richtgrößen entscheiden.
Die Empfehlung sieht vor, für alle Kassenarten einheitliche Richt- größen festzulegen. Differenziert werden soll nach Altersgruppen.
Die Richtgrößen werden auf der Ba- sis der Bruttoausgaben festgelegt und beziehen sich auf die Fälle und Ausgaben eines Kalenderjahres.
Von der Richtgrößenbildung wer- den Wirkstoffe ausgenommen, bei denen keine Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Anwendung außerhalb der zugelassenen Indika- tion oder für eine Mengenauswei- tung bestehen.
Ziel: Differenzierung nach Indikationen KBV und Krankenkassen pla- nen, „alsbald zu Richtgrößenrege- lungen zu kommen, die bei Arznei- mitteln nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen gegliedert sind“.
Aus datentechnischen Gründen ist dies zur Zeit nicht realisierbar. Da- her sollen zunächst am durchschnitt- lichen Fallkostenwert orientierte Richtgrößen vereinbart werden: Als Berechnungsgrundlage für die Er- mittlung der Richtgrößen für das Jahr 1998 dient die weiterentwickel- te Ausgabenobergrenze des Jahres 1997. Der Ausgabenanteil der jewei- ligen Arztgruppe wird durch die
Zahl der Behandlungsfälle geteilt.
Daraus ergibt sich die arztgruppen- spezifische Richtgröße für die Ver- ordnungskosten pro Fall.
Um sein Verordnungsverhalten aber wirksam überprüfen und steu- ern zu können, braucht der Arzt zeitnahe Informationen über seine tatsächlichen Arzneiverordnungs- kosten. Diese sollen die Kran- kenkassen an die KVen liefern – der Empfehlung zufolge spätestens sechs Wochen nach Quartalsende.
Nach Abschluß des Kalender- jahres folgt die Endabrechnung: Die KV stellt die tatsächlichen Ausga- ben den Richtgrößen gegenüber.
Sollte ein Arzt seine Richtgröße aufs Jahr bezogen überschritten haben, kommt es zur Wirtschaftlichkeits- prüfung. Dabei werden die be- sonderen Versorgungsverhältnisse einer Praxis, die einen erhöhten Versorgungsaufwand rechtfertigen, berücksichtigt. Ein Regreß wird nur dann fällig, wenn der Arzt die Mehr- verordnungen nicht medizinisch be- gründen kann. Für die Kassen be- deutet dies: sie tragen wieder einen Teil des Morbiditätsrisikos. Zu Recht, denn sie zahlen für medizi- nisch Notwendiges.
Der Vertragsarzt muß im Falle eines Regresses nur für die Netto- kosten aufkommen. Die gesetzli- chen Zuzahlungen und der Apothe- kenrabatt werden von den Brutto- kosten abgezogen. Die Empfehlung wird mit Erläuterungen der KBV in einer der nächsten Ausgaben des Deutschen Ärzteblattes veröffent- licht. Dr. Sabine Glöser A-2301
P O L I T I K LEITARTIKEL
Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 37, 12. September 1997 (17)