Botschaften auf den anderen Transpa- renten waren eindeutig:
„
Die Zukunft nicht kaputtsparen“„Qualität erhalten statt Budget verwalten“
„Wir halten täglich die Gesundheit der Menschen in unseren Händen –
warum
also Daumenschrauben?“
„Wir wollen arbeiten, auch nach der Ausbildung“
„Deutsche Ergotherapie: Hier werden Sie nicht mehr geholfen“.
Besonders viel Mühe hatten sich 45 Mitarbeiter des Marienhospitals Ankum-Bersenbrück bei Osnabrück gegeben. Sie liefen als rot-grüne Schlange mit. Die Passanten am
Straßenrand blickten mehrheitlich überrascht auf den Zug des Gesund- heitsbündnisses. Um sie über die Pro- testaktion zu informieren, verteilten Helfer Handzettel.
Bei der Ankunft des Zuges am Gendarmenmarkt war bereits eine große Bühne aufgebaut, von der aus eine Musikband die Demonstranten empfing. Die stärkten sich mit mitge- brachten Broten, gekauften Bratwür- sten und Getränken bis zur nächsten Kleinaktion. Die Traber-Brüder, be- kannte Artisten, stellten in einem Hochseilakt die Tücken der geplanten Gesundheitsreform dar. Marcel Tra- ber, mit blauem Anzug und weißer Kopfbinde verkleidet als Patient, ging auf dem Seil den wackeligen Weg über die Schilder „Referenzwerte“,
„Globalbudget“, „Datenallmacht“.
Kurz vor dem Schild „Reformgesetz“
strauchelte der „Patient“ und wählte
den Weg zurück – symbo- lisch also die Rückkehr in das vertraute System.
Im Anschluß an diese Darbietung ging Gertrud Stöcker, Vorsitzende des Deutschen Pflegerates, noch einmal auf die Kritik an der Reform ein. Sie forderte ein zukunftswei- sendes, politisches Gesamt- konzept für die Reform.
Verteilungskämpfe machten die Berufsgruppen im Ge- sundheitswesen nur zu Kon- kurrenten. Gegen die „Dif- famierung“, es gehe den Gesundheits- berufen immer nur um Geld und Lob- byismus, wandte sich Pföhler. Es gehe vielmehr „um ein Maß an Menschlich- keit im Gesundheitswesen, das ge- wachsen ist und das gefährdet ist“.
Ähnlich wertete es Hoppe. Die Arbeit der Gesundheitsberufe werde jährlich in Frage gestellt von Politi- kern, und das, obwohl der Beruf für viele immer noch Berufung sei. Stän- dig führe man eine Rationaliserungs- reserve von 25 Milliarden DM im Ge- sundheitswesen an, ohne diese Zahl detailliert zu begründen. Hoppe mut- maßte, die wenig wissenschaftliche Ausgangsbasis sei wohl die Überle- gung, 10 Prozent von 250 Milliarden DM an GKV-Ausgaben werde man doch wohl einsparen können. Seine ärztliche Diagnose zum Schluß: Die Reform leide unter „erheblicher poli- tischer Dysfunktion“. Sabine Rieser
A-2407
P O L I T I K AKTUELL
Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999 (19)
Krankenkassen-Vorwurf: „Panikmache“
Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen bewerten die Demon- stration des „Bündnis Gesundheit 2000“ als Panikmache und gezielte Desinfor- mation der Patienten. Mit ihren Protesten stellten die Ärzte auch die Gesetzliche Krankenversicherung als Ganzes in Frage. Das erklärte Hilmar Langenbach, stell- vertretender Vorsitzender des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen, einen Tag nach der Demonstration in Berlin.
Im Gegenzug haben die Krankenkassen eine eigene Informationskampagne un- ter dem Motto „Schluß mit den Märchen“ gestartet. „Das vordringlichste Problem des deutschen Gesundheitswesens ist nicht zu wenig Geld. Die Hauptprobleme be- stehen in Überkapazitäten, unwirtschaftlichen Strukturen und falschen Anreizen für die Leistungserbringer“, sagte Rolf Stuppardt, Vorstandsvorsitzender des Bun- desverbandes der Innungskrankenkassen. Es sei unbestreitbar, daß eine wachsende Zahl von Medizinern sowie eine Über- und Fehlversorgung im Krankenhausbereich unnötig viel Geld der Beitragszahler verschlinge. Dringend notwendig sei eine bes- sere Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Bereich.
Der „Atmosphäre der gezielten Verunsicherung“ wollen die Krankenkassen
mit „sachlicher Information“ entgegentreten. JF
Die rot-grüne Schlange trifft ein. Hoppe verliest die Resolution der Gesundheitsberufe.
Hochseilakt: Persiflage auf die Reform
Fotos: Johannes Aevermann