A1362 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 20⏐⏐18. Mai 2007
P O L I T I K
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er Empfang war durchaus freundlich, aber nicht mehr ganz so herzlich wie in den Jahren zuvor: Auf dem 6. nordrheinischen Hausärztetag Ende April in Köln sah sich Bundesgesundheitsminis- terin Ulla Schmidt erstmals einer gewissen Kritik durch die Primär- versorger ausgesetzt.Rainer Kötzle, der Vorsitzen- de des Deutschen Hausärztever- bandes, machte keinen Hehl dar- aus, dass sein Verband doch einiges mehr vom GKV-Wettbewerbsstär- kungsgesetz (GKV-WSG) erwar- tet habe. Insbesondere zeigte sich Kötzle enttäuscht darüber, dass die Kassenärztlichen Vereinigun- gen (KVen) nach § 73 b SGB V als Vertragspartner für die hausarzt- zentrierte Versorgung auftreten könnten. „Dies sollte eigentlich ei- ne Domäne des Hausärzteverban- des sein“, beklagte der Hausärzte- chef. „Jetzt müssen wir mit den KVen reden.“ Ein Wettbewerb zwischen dem Verband und den KVen sei jedoch kaum sinnvoll.
Nach wie vor scheinen die Hausärzte auch mit ihrer Stellung
innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht zufrieden zu sein. Immer noch sei man von Mehrheiten abhängig. Aus diesem Grund stehe für Kötzle unverän- dert mehr Selbstbestimmung für die Hausärzte durch eine Sektio- nierung der KV in einen hausärzt- lichen und fachärztlichen Bereich auf der Agenda.
Ulla Schmidt räumte – jedoch nicht ohne einen Hinweis auf den Koalitionspartner – ein, dass die Forderungen der Hausärzte nicht in allen Punkten mit dem Gesetz verwirklicht worden seien. In Be- zug auf die Konkurrenzsituation bei den Verträgen um die haus- arztzentrierte Versorgung gab sie sich indes pragmatisch: „Niemand kann die Hausärzte zwingen, die KV mit einem Vertragsabschluss zu beauftragen. Das haben Sie selbst in der Hand.“
Eher bedeckt hielt sich die Minis- terin auch im Hinblick auf die Forderung, die für 2009 anstehen- de Honorarreform für die Haus- ärzte vorzuziehen. „Die Euro-Ge- bührenordnung kommt für uns fast
schon zu spät“, sagte Kötzle. „Wir sind mit unserem Konzept fertig und könnten unsere Gebühren- ordnung schon früher einführen.“
Dies bestätigte auch Ulrich Wei- geldt, Vorstandsmitglied der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung.
Er hält es für möglich, die Gebüh- renordnung für Hausärzte früher in Kraft zu setzen und die „kom- pliziertere Gebührenordnung für Fachärzte später zu beschließen“.
Einig zeigten sich Kötzle und Wei- geldt zudem in der Einschätzung, wonach die hausärztliche Grund- pauschale mit mindestens 75 Euro honoriert werden sollte.
Anders gelagerte Sorgen be- schäftigen derweil die Kranken- kassen. Bei der hochrangig besetz- ten Podiumsdiskussion auf dem Hausärztetag bezeichneten so- wohl Birgit Fischer, Vorstandsmit- glied der Barmer Ersatzkasse, als auch ihre Kollegin Cornelia Prü- fer-Storcks von der AOK Rhein- land/Hamburg das GKV-WSG als
„hochriskant“, wenn auch nicht zwingend negativ. Die Kassenver- treterinnen fürchten in erster Li- nie einen falsch ausgelegten Wett- bewerb, bei dem nicht die Versor- gung der Patienten im Vorder- grund stünde, sondern vielmehr ökonomische Ziele. Beide bezeich- neten überdies den Gesundheits- fonds als problematisch, weil dieser einen hohen finanziellen
Druck auf die Kassen lege. Ulla Schmidt hingegen wunderte sich über die negative Kritik: „Den großen Wurf kann es in der Ge- sundheitspolitik nicht geben“, sag- te sie. „Aber diese Reform war doch ein wichtiger Schritt.“ I Josef Maus
HAUSÄRZTETAG NORDRHEIN
Hausärzte wollen nicht auf die Honorarreform warten
Das herzliche Verhältnis zwischen der Bundesgesundheitsministerin und dem Deutschen Hausärzteverband scheint ein wenig abgekühlt.
Die Ärzte haben sich offenbar mehr von der jüngsten Reform erhofft.
Ein wenig mehr Distanz:
Ulla Schmidt und Rainer Kötzle beim nordrheinischen Hausärztetag Ende April in Köln
Ulrich Weigeldt und Birgit Fischer:
Ärzte und Kranken- kassen treiben anders gelagerte Sorgen im Zusammenhang mit der Gesundheits- reform um.
Fotos:Johannes Aevermann