A 1542 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 31–32|
6. August 2012BAYERISCHER HAUSÄRZTETAG
Ärzte starten Bundestagspetition
Die Hausärzte in Bayern wollen durchsetzen, dass Honorarzuwächse im Rahmen von Hausarztverträgen nicht mehr mit Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen. Das hatte die Verträge ursprünglich attraktiv gemacht.
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er Bayerische Hausärztever- band (BHÄV) hat seit 1. Juli zwar wieder Hausarztverträge nach altem Recht mit fast allen Kranken- kassen in Bayern, aber er ist sich des Erfolgs nicht sicher. Spätestens 2014 müssen Anschlussverträge ausgehandelt werden. Damit diese nicht nach neuem – für die Haus- ärzte ungünstigerem – Recht abge- schlossen werden, will der Verband auch politisch aktiv werden.Beim Bayerischen Hausärztetag Mitte Juli in Erlangen beschlossen die Delegierten eine Petition an den Bundestag mit dem Ziel, § 73 b Abs. 5 a im SGB V zu streichen.
Danach müssen Honorarzuwächse durch Einsparungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Der Verbandsvorsitzende, Dr. med. Die- ter Geis, formulierte es so: Haus- ärzten würden ihre Mehrleistungen im Rahmen von Hausarztverträgen nur dann adäquat honoriert, wenn sie gleichzeitig bei ihren Patienten einsparten: „Das ist unethisch und mit uns nicht zu machen.“
Geis rief die BHÄV-Mitglieder auf, die Petition bis Oktober in den Praxen auszulegen, damit auch die Patienten unterschreiben könnten.
Zugleich appellierte er an die Haus- ärzte, sich noch mehr als bisher an den Hausarztverträgen zu beteili- gen, um den Druck auf die Politik zu verstärken. „Je mehr Versicherte wir in unsere Hausarztverträge ein- schreiben, desto mehr Chancen ha- ben wir, die Hausarztverträge nach altem Recht über das Jahr 2014 hinaus durchzusetzen.“
Der BHÄV-Vorsitzende räumte ein, dass viele Kollegen zu Recht Mängel an den geltenden Verträgen kritisierten. Aber der Verband habe nur die Alternative: „Keine Verträ- ge? Schuften auf unsicherem KV- Niveau mit schwankendem RLV und QZV?“ Geis zeigte Verständnis für den Unmut vieler Kollegen über verspätete Honorarabrechnungen, bat aber zugleich um Nachsicht ge- genüber der mit der Abwicklung befassten Hausärztlichen Vertrags- gemeinschaft, die nach der Kündi- gung der Hausarztverträge in Bay- ern Ende 2010 stark geschrumpft sei und nur noch mit einer kleinen Mannschaft ihren Aufgaben nach- kommen könne: „Hier wollen und werden wir wieder besser werden.“
Zugleich will der Hausärztever- band den Druck auf die Landesre- gierung verstärken, an allen bayeri- schen Hochschulen Lehrstühle für Allgemeinmedizin zu schaffen.
Bislang gibt es erst einen Lehrstuhl an der TH München; in Erlangen entsteht in Kürze ein weiterer. Der
Mangel an Lehrstühlen für Allge- meinmedizin ist nach Ansicht des BHÄV einer der Hauptgründe für den Nachwuchsmangel bei den Hausärzten. Wie dringend der Be- darf ist, belegen Geis zufolge die Zahlen der Facharztprüfungen in Bayern von 2011: Von mehr als 1 800 Facharztprüfungen wurden lediglich knapp zehn Prozent im Fach Allgemeinmedizin abgelegt.
Dazu der BHÄV-Vorsitzende: „50 Prozent bräuchten wir. Das ist ein- fach ein Skandal.“
Die Medizinstudierenden beim Hausärztetag teilten diese Auffas- sung. Allerdings kritisierten sie auch, es gebe zu wenige Informa- tionen über den Beruf des Allge- meinarztes und die Realität in der Praxis. Seit Jahren höre man von den Verbänden nur, wie schlecht es den Allgemeinärzten gehe, dass sie zu wenig verdienten und ständig von existenzgefährdenden Regres- sen bedroht seien. Die Studierenden wünschten sich dagegen Aufklä- rung über die tatsächlichen Ver- dienstmöglichkeiten, die Kostensi- tuation und mögliche Verbesserun- gen bei der Praxisgründung und -führung. Die ständigen Klagen schreckten den Nachwuchs ab. Zu- dem sei es besser, die Studierenden möglichst früh an die Allgemein- medizin heranzuführen und zu leh- ren, wie man mit Patienten umgehe, statt Zwangstertiale oder Zwangs- quartale in Allgemeinmedizin ein- zuführen.
Der BHÄV-Vorsitzende Geis versprach Besserung: Der Verband wolle auf seiner Internetseite eine Famulaturbörse einrichten, eine ei- gene E-Mail-Adresse für Fragen von Ärzten in der Weiterbildung schaffen und ein Mentorenpro- gramm etablieren. Das Programm, das zurzeit als Modellprojekt an der Universität Erlangen erprobt wird, garantiert Studierenden, die im praktischen Jahr freiwillig ein Ter - tial Allgemeinmedizin absolvieren, einen Zuschuss von 500 Euro im Monat und einen Mentor, der sie begleitet.
An den Gesetzgeber appellierte der Verband, rein allgemeinärztli- che Versorgungszentren zu ermög- lichen. Denn viele junge Ärztinnen und Ärzte arbeiteten lieber im An- gestelltenverhältnis.
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Klaus Schmidt