Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 36|
4. September 2009 A 1691D
en Anfang machte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ): „Immer mehr Ärzte verkaufen ihre Patienten“, überschrieb das Blatt ungewohnt deut- lich einen Bericht im Wirtschaftsteil am 31. August.Ärzte, heißt es dort, wiesen zunehmend ihre Patienten in Krankenhäuser ein, die ihnen dafür eine Prämie zahl- ten. Das ist starker Tobak, aber gewiss keine Erfindung der Medien. Den Anstoß für diese Diskussion zum jet- zigen Zeitpunkt lieferte vielmehr die Deutsche Gesell- schaft für Urologie. Deren Präsident, Prof. Dr. med.
Manfred Wirth, machte in einer Pressemitteilung auf ein „heißes Eisen“ aufmerksam, das bei der 61. Jahres- tagung seiner Gesellschaft vom 16. bis zum 19. Sep- tember in Dresden breit und öffentlich diskutiert wer- den soll: eben jenen „verkauften Patienten“.
Für Wirth ist die Kopfprämie oder Zuweiserpauscha- le zwar noch nicht im Visier der Öffentlichkeit, aber dennoch längst Realität. Nach seiner Darstellung han- delt es sich dabei beispielsweise um „bezahlte Leistun- gen nach GOÄ, die das Zehn- bis Zwanzigfache dessen ausmachen, was ein Urologe ansonsten pro Quartal für die Behandlung eines Patienten vergütet erhält“. Mit anderen Worten: Manche Krankenhäuser lassen es sich etwas kosten, wenn ihnen niedergelassene Ärzte Pa- tienten einweisen. Eine höchst bedenkliche Praxis, die nicht nur die Urologen betreffen soll, sondern auch an- dere Arztgruppen. Rudolf Kösters, der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, bestätigte das ge- genüber der FAZ: „Das sind nicht mehr nur Einzelfälle wie vor zwei oder drei Jahren.“
Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe machte in einer ersten Reaktion die fortschreitende Kommerzialisie- rung der Medizin für derartige Praktiken verantwort- lich. „Da halten die Ehrenkodexe nicht mehr“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer und verwies zu- gleich auf die ärztliche Berufsordnung, die Zuweisun- gen von Patienten gegen Entgelt ausdrücklich verbietet.
Auch Dr. med. Andreas Köhler, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), verurteilt solche Fangprämien: „Wir lehnen es klar ab, wenn nie- dergelassene Ärzte Einweisungen in Krankenhäuser gegen Geldzahlungen vornehmen. Ich begrüße es sehr,
dass die Deutsche Gesellschaft für Urologie eine öf- fentliche Diskussion zu diesem Thema angestoßen hat.“ KBV und Krankenhausgesellschaft arbeiten nach Angaben von Köhler derzeit an einem gemeinsamen Rundschreiben als Reaktion auf die Vorwürfe.
Tatsächlich wäre der Schaden für das Arzt-Patien- ten-Verhältnis kaum abzuschätzen, wenn Patienten in Zukunft nicht mehr davon ausgehen könnten, dass ihr Arzt sie in das Krankenhaus einweist, das am besten für den jeweiligen Fall geeignet ist, sondern in die Klinik, die am meisten dafür zahlt. Aber genau da liegt der Kern des Problems: Der von der Politik forcierte Wett- bewerb im Gesundheitswesen hat den Krankenhäusern ein Entgeltsystem beschert, das die Zahl und die Schwere der Fälle zum entscheidenden Kriterium macht. Wer ökonomisch überleben will, braucht Fälle.
Diese Art von Wettbewerb kann nicht gesund sein. Das muss auch der Politik allmählich klar sein.
Wenn auch noch keine Erkenntnisse über das tat- sächliche Ausmaß der Zuweisungspauschalen vorlie- gen, tun alle Verantwortlichen dennoch gut daran, eine solche Entwicklung mit allem Nachdruck einzudäm- men – bevor sie weitere Kreise zieht und das zu Recht hoch angesehene Gesundheitswesen auf das Niveau ei- ner beliebigen Kopfgeldbranche sinken lässt.
KRANKENHAUSEINWEISUNGEN
Fangprämie
Josef Maus
Josef Maus Stellvertretender Chefredakteur Leiter gesundheits- und sozialpolitische Redaktion