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Archiv "Medizinische Qualitätsgemeinschaft Rendsburg: Mehr Lebensqualität durch mehr Kooperation" (22.11.1996)

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ie Initialzündung für ein Pra- xisnetz kam in Rendsburg zwar von der Kassenärztli- chen Vereinigung Schleswig- Holstein (KV), wurde aber spontan von den Ärzten aufgegriffen. Waren es beim ersten Treffen nur sechs Ärz- te, nahmen an der nächsten Veran- staltung bereits mehr als 80 der insge- samt 120 niedergelassenen Ärzte teil.

Sie wählten noch am selben Abend aus jeder Fachgruppe Vertreter, die den Netzgedanken weiterentwickeln sollten. Diese 24 Ärzte, 12 Fachärzte und 12 Hausärzte, erarbeiteten die Netzstrukturen. Von Anfang an wa- ren es also die Ärzte selbst, die ihr Netz aufbauten und Angebote sowie Selbstverpflichtungen definierten.

Die KV trat – von organisatorischen Hilfestellungen abgesehen – erst wie- der in Erscheinung, als die „Medizini- sche Qualitätsgemeinschaft Rends- burg“ Gestalt gewonnen hatte und es galt, eine Krankenkasse als Vertrags- partner für einen Modellversuch zu gewinnen. Die Rendsburger Ärzte waren zu keinem Zeitpunkt der Ver- handlungen ausgeschlossen. Sie hat- ten Vertreter (Leitungsbeirat und Vorstand) gewählt, die Honorierung und Leistungsangebot des Netzes be- stimmten.

Ein regionales Praxisnetz ist ein loser Verbund niedergelassener Ärz- te aller Fachrichtungen, die miteinan- der kooperieren, um die Qualität ih- rer Arbeit und ihre Lebensqualität zu erhöhen. Das erste regionale Praxis- netz entstand in Rendsburg. Das An- gebot und die Zielsetzung der Qua- litätsgemeinschaft haben den Ver-

band der Angestellten-Krankenkas- sen (VdAK) dazu veranlaßt, einen Modellversuch zu unterstützen. Der Vertrag der KV mit dem VdAK sieht eine Laufzeit von zwei Jahren (Start:

1. Juli 1996) vor. Er gewährt den Ärz- ten in Rendsburg für deren zusätzli- che Leistungen einen Zusatzetat von 3,3 Millionen DM, wovon 1,1 Mil- lionen DM in Investitionen und lau- fende Kosten fließen und 2,2 Millio- nen DM in das Honorarbudget der Qualitätsgemeinschaft. Am Beispiel Rendsburg soll das den regionalen Praxisnetzen zugrundeliegende Kon- zept dargestellt werden.

Umfassende Versorgung

Durch Kooperation, Transpa- renz und Arbeitsteilung wird den Pa- tienten eine qualifizierte und umfas- sende Versorgung garantiert. Ziel ist es, den Patienten mehr Sicherheit und Service zu bieten und ihnen medizi- nisch nicht erforderliche Kranken- hausaufenthalte zu ersparen:

! Eine Anlaufpraxis steht in den Abendstunden und an den Wochen- enden zur Verfügung.

! Ein ärztlicher und ein nicht- ärztlicher Besuchsdienst wird neben den üblichen Hausbesuchen, zum Beispiel nach ambulanten Operatio- nen, eingesetzt.

! Eine Leitstelle vermittelt dem Arzt rund um die Uhr einen Pflege- dienst, eine Kurzbetreuung, ein Kli- nikbett oder eine Rehabilitations- maßnahme und nennt dem Patienten

außerhalb der Sprechstundenzeiten die Anlaufpraxis oder vermittelt den Bereitschaftsdienst und den fachärzt- lichen Hintergrunddienst.

! Ein Überweisungsbegleitbrief wird ohne Verzögerung (Telefax) je- der Überweisung beigefügt und von jedem weiteren Arzt ergänzt.

! Bei regelmäßigen Netzkonfe- renzen und Qualitätszirkeln werden Wirtschaftlichkeitsfragen sowie The- rapie- und Diagnoseempfehlungen besprochen.

Mit dieser Leistungspalette hat die Qualitätsgemeinschaft sicherge- stellt, daß die Patienten, von den we- nigen „sicheren“ Krankenhausfällen abgesehen, qualifziert zu Hause ver- sorgt werden können. Dabei sorgt ei- ne ISDN-Anlage in jeder Arztpraxis dafür, daß der Patient, der einen Arzt außerhalb der Sprechstunden benö- tigt, nicht mehrfach telefonieren muß, bis er Hilfe erhält. Er wählt entweder die Nummer der Leitstelle oder die Telefonnummer seines Arztes, dessen Apparat zur Leitstelle weitergeschal- tet ist.

Ausstieg aus dem

„Hamsterrad“

Neben dem vertraglich zugesi- cherten Krankenkassenzuschuß von 3,3 Millionen DM erhalten die Mit- glieder der Qualitätsgemeinschaft die Hälfte der eingesparten Kranken- haus- und Verordnungskosten. Dieses

„Erfolgsgeld“ wird zu 60 Prozent an die Ärzte ausbezahlt, 40 Prozent wer- den für den Erhalt der Netzstrukturen aufgewendet. Noch entscheidender dürfte für die Ärzte die Chance sein, endgültig aus dem Hamsterrad der Mengenvermehrung aussteigen zu können. Die Rendsburger Ärzte er- halten ihr eigenes Honorarbudget (berechnet nach der Teilnehmerzahl und deren bisherigen Umsätzen) und sind damit von der Honorarentwick- lung in Schleswig-Holstein unabhän- gig. Sie haben es selbst in der Hand, ihren Punktwert stabil zu halten.

Vorteile bietet das Netz aber auch durch steigende Lebensqualität.

Das Praxisnetz bietet die Chance, durch unterschiedliche Sprechstun- denzeiten (Time-Sharing) und medi- zinische Schwerpunkte die Arbeitsbe- A-3094 (26) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 47, 22. November 1996

P O L I T I K AKTUELL

Medizinische Qualitätsgemeinschaft Rendsburg

Mehr Lebensqualität

durch mehr Kooperation

Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KV) und der Verband der Ange- stellten-Krankenkassen (VdAK) haben im Juli dieses Jahres einen auf zwei Jahre be- grenzten Modellversuch gestartet: In einem „Praxisnetz“ kooperieren niedergelas- sene Ärzte aller Fachrichtungen. Ziel ist es, die Patientenversorgung zu verbessern.

Zugleich sollen verminderte Krankenhauseinweisungen und weniger Verordnungen

sowie die Vermeidung teurer Doppeluntersuchungen zu Kosteneinsparungen führen.

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lastung ohne wirtschaftliche Verluste zu verringern.

Positiv wirkt sich die enge Ko- operation auch auf die Kosten des einzelnen Praxisbetreibers aus. Sie lassen sich beispielsweise durch einen Personal- und Apparatepool senken.

Die Praxis selbst kann zudem durch Qualitätsmanagement und Reorgani- sation erhebliche Kosten einsparen.

Beide Maßnahmen greifen dann in- einander und verstärken die Wirkung.

Soviel ambulant wie möglich

Neben einem besseren Service für seine Versicherten stellt das Netz sicher, daß kein Patient ins Kranken- haus kommt, der nicht auch ambulant behandelt werden könnte. Dazu trägt einerseits die Anlaufpraxis bei, die vor allem in den Abendstunden und an den Wochenenden die Selbstein- weisungsquote der Krankenhäuser vermindert. Andererseits trägt auch die Leitstelle dazu bei, indem sie dem Arzt einen Großteil des Patientenma- nagements (Organisation von Pflege, Fahrern, sozialen Diensten und ärztli- chen oder nichtärztlichen Hausbesu- chen) abnimmt. Durch die bessere Kooperation der Ärzte untereinander werden zudem teure Doppeluntersu- chungen vermieden. In einem Über- weisungsbegleitbrief, der dem Patien- ten mitgegeben wird, informieren sich der überweisende und der überwei- sungsnehmende Arzt über Diagnose, Verordnungen und veranlaßte Maß- nahmen.

Im Krankenhaus- und im Verord- nungssektor können die Krankenkas- sen also mit Einsparungen rechnen.

In Rendsburg verbleibt die Hälfte der Einsparungen bei den Krankenkas- sen, die nach Expertenmeinung weit höher als die Kosten des Modellver- suchs ausfallen dürften. Darüber hin- aus haben die Krankenkassen die Chance, im Rahmen der Vertragsver- handlungen am Aufbau eines Praxis- netzes mitzuwirken. Es liegt an ihnen, das Angebot eines Netzes zu akzep- tieren, einzelne Bausteine abzuleh- nen oder auch eigene Vorschläge ein- zubringen. Sie sind an einer Projekt- gruppe beteiligt, die sich mit der Ent- wicklung des Netzes beschäftigt. Die

Gruppe, der auch die KV angehört, trifft sich mehrmals im Jahr, und der Vorstand der Qualitätsgemeinschaft muß ihr regelmäßig Bericht über die Arbeitsschritte und die Zielerrei- chung erstatten.

Es wird nicht jede Krankenkasse in der Lage sein, die Vorfinanzierung eines solchen Netzes komplett zu übernehmen. Es wird auch nicht jede Ärztegruppe in der Lage sein, ein so umfassendes Praxisnetz auf die Beine zu stellen. Es wird auch vorkommen, daß neue ärztliche Kooperationsfor- men erprobt werden, ohne daß Kran- kenkassen als zahlender Vertrags- partner zur Verfügung stehen bzw. er- wünscht sind. Es ist deshalb sinnvoll, die Elemente des Praxisnetzes als Bausteine zu betrachten, die je nach regionaler Situation genutzt werden können.

Stellen die Krankenkassen keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung, kann von den Ärzten keine Mehrar- beit erwartet werden. Eine fächer- übergreifende Kooperation macht aber trotzdem Sinn, wenn wir an die zuvor genannten Vorteile denken.

Vor allem die Überwindung der Grä- ben zwischen den Fachgruppen führt zu einer neuen Kollegialität, die schon während der ersten Treffen der Ärzte Früchte trägt. Es wird Ärger ab- und Verständnis aufgebaut. Bis- her harte Konkurrenten werden zu Partnern, die sich gegenseitig vertre- ten, um die wöchentliche Belastung zu senken.

Leistungsmenge auf Normalmaß

Sobald sich genügend Ärzte der wichtigsten Fachgruppen einem Pro- jekt anschließen, ist auch hier ein ei- genes Honorarbudget vorstellbar.

Dann muß kein Arzt fürchten, unter der Leistungsvermehrung seines Kol- legen zu leiden. Im Gegenteil, die Gruppe kann durch kluge Abspra- chen die Leistungsmenge auf ein Nor- malmaß zurückfahren und dabei auch mit dem Krankenhaus kooperieren.

In der Projektgruppe kann der Punkt- wert also wieder steigen. Auch die kleinere Gemeinschaft kann einen Mitarbeiter- und Apparatepool ins Leben rufen. Hier werden eben nicht

Netzmitarbeiter, sondern Angestellte der Praxen (nach vertraglicher Ver- einbarung) als Springer eingesetzt.

Mit einer Finanzierungszusage der Krankenkassen werden neue, ärztliche Kooperationen möglich sein, die sich in ihrer Leistungspalette am zusätzlichen Finanzvolumen und dem Leistungsvermögen der Ärzte- gruppe orientieren. So kann die Gruppe – neben den ohne zusätzliche Finanzmittel realisierbaren Baustei- nen – Zug um Zug jene Bausteine ein- setzen, die die Krankenkasse(n) zu fi- nanzieren bereit ist (sind).

„Bausteine“ für die Regionen

Beispiele: In einer ländlichen Re- gion spielt die Selbsteinweisungs- quote im Krankenhaus keine Rolle, da aufgrund der Entfernung kaum ein Patient freiwillig in die Klinik fährt.

Der Notdienst der Ärzte ist gut ausge- baut. Die Einweisungsquote und vor allem die Verweildauer ist trotzdem hoch, da vor allem alte Patienten zu Hause nur ungenügend versorgt wer- den können und die Ärzte, außer in Notfällen, an den Wochenenden kei- ne Hausbesuche machen können. In dieser Situation lohnt sich die Ein- richtung einer Anlaufpraxis nicht. Ei- ne Leitstelle hingegen, die mit einem Pflegedienst kooperiert und der ein ärztlicher und nichtärztlicher Be- suchsdienst der niedergelassenen Ärzte zugeordnet ist, könnte die Ein- weisungsquote erheblich senken.

In einer städtischen Region wäre die Einrichtung einer Anlaufpraxis sinnvoll, in der einem Hausarzt ein Chirurg zur Seite steht. Diese kann durchaus auch in einer Klinik unter- gebracht sein. In einer stark überal- terten Region könnte allein ein ärztli- cher Besuchsdienst, eventuell ver- bunden mit einer Einrichtung für Kurzzeitpflege, stationäre Aufent- halte vermeiden oder wenigstens ver- kürzen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Eckhard Weisner

1. Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein Bismarckallee 1–3

23795 Bad Segeberg A-3096

P O L I T I K AKTUELL

(28) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 47, 22. November 1996

Referenzen

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