haltliche Verknüpfung mit unterschied- licher Schwerpunktbildung könne man nicht verzichten. Die vom Wissen- schaftsrat vorgeschlagenen neuen Qua- lifizierungswege berücksichtigten diese Einheit nicht genügend. Dieser hatte gefordert, beginnend während des Stu- diums, eine wissenschaftliche und eine klinische Laufbahn für Mediziner ein- zurichten. An der Spitze einer Klinik stünden künftig ein Forschungsprofes- sor und ein Klinischer Professor. „Das angloamerikanische Consultant Modell als Pas de deux erscheint für die Lei- tung deutscher Universitätskliniken wenig erfolgversprechend“, kritisierte Encke. Eine solche Teilung der Aufga- ben sei zwar einleuchtend, aber nicht bis in die höchsten Ebenen durchsetz- bar.
Juniorprofessur: Ausnahme für klinische Medizin
Bessere Forschungsergebnisse könn- ten jedoch erzielt werden, wenn die Universitätskliniken „nicht zu sehr“ in die Krankenversorgung eingebunden wären, meinte Prof. Dr. med. Matthias Rothmund. Der künftige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (ab 1. Juli 2004), der außerdem Mit- glied in der AWMF sowie im Medizin- ausschuss des Wissenschaftsrates ist, wies auf das mangelnde Ansehen der medizinischen Forschung im Ausland hin. Dort gelte Deutschland gemein- sam mit Frankreich als „rigid center“.
Während im nordwestlichen Europa auf Wissenschaftlichkeit gesetzt wür- de, „ertrinkt Deutschland in der Kran- kenversorgung“. Zeit für Forschung bliebe kaum.
Die Habilitation möchte die AWMF unbedingt erhalten. Dass Ärztinnen und Ärzte adäquate Publikationen und wis- senschaftliche Vorleistungen vorweisen können, sei für einen qualifizierten wis- senschaftlichen Karriereweg in der Me- dizin eine wesentliche Voraussetzung.
Die alternative Juniorprofessur indes eigne sich für die klinische Medizin nur ausnahmsweise, meinte Encke. Vor allem in den großen klinischen Fächern mit unmittelbarer Krankenversorgung sei sie in der Praxis sicher nicht zu realisieren. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann
P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2625. Juni 2004 AA1861
Ärztliche Berufshaftpflicht
Immer mehr Kündigungen
Die Versicherer reagieren auf steigende Schadenssummen und „sanieren“ inzwischen auch schadensfreie Altverträge.
D
r. med. Degenhard Friszewsky, Ueckermünde, hielt das Schrei- ben der Continentale Sachversi- cherung AG, Dortmund, zunächst für ein Irrtum: Seit 1995 niedergelassen und Betreiber einer Praxisklinik für ambulante Operationen hatte er seine Berufshaftpflichtversicherung bei der Gesellschaft nie in Anspruch genom- men. Warum sollte die Continentale ihm also kündigen? Er hatte doch regel- mäßig seine Prämien gezahlt und die Versicherung keinen Cent gekostet.Nein, bei der Kündigung handele es sich nicht um ein Missverständnis, vielmehr erfolge eine „Flurbereinung“ in dieser Sparte, lautete die Antwort des zustän- digen Sachbearbeiters auf Friszewskys telefonische Nachfrage. Die Suche nach einem neuen Versicherungsschutz zu vergleichbaren Konditionen gestaltete sich für den Arzt schwierig.
Die Kündigungspraxis der Continen- tale im Bereich Berufshaftpflichtversi- cherungen für Ärzte ist kein Einzelfall in der Branche. „Die alten Verträge ent- sprechen oft einfach nicht mehr der ak- tuellen Risikolage in der Sparte“, argu- mentierte Sabine Lafrenz von der AXA Konzern AG, Köln, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Zwar sei die Zahl der Schadensfälle (also der ärztli- chen Behandlungsfehler; Anmerkung der Redaktion) seit Jahren relativ kon- stant, nicht jedoch die von den Versi- cherungen zu erstattenden Schadens- summen. Deren Höhe wachse überpro- portional. Schuld daran seien ein gestei- gertes Anspruchsbewusstsein der Klä- ger sowie die Rechtsprechung, erläuter- te Lafrenz. Die AXA „saniere“ derzeit ihre schadenbehafteten Verträge (das heißt, die AXA kündigt den Vertrag und unterbreitet dem Arzt ein Vertrags-
angebot zu schlechteren Konditionen Anmerkung der Redaktion), greife aber auch schadensfreie Versicherungsver- träge auf, die älter als zehn Jahre seien.
Lafrenz: „Solche Sanierungsmaßnah- men sind auch in anderen Versiche- rungssparten üblich und betriebswirt- schaftlich absolut notwendig.“
Leidtragender dieser Praxis ist auch Dr. med. Jürgen Remy, Essen: „Vor et- wa Jahresfrist erhielt ich als Pensionär (67 Jahre) mit nur noch geringfügiger ärztlicher Tätigkeit in Sachen Arbeits- medizin von der AXA Versicherung ei- ne ähnlich lautende Information. We- gen Verdoppelung der Risikosummen im Versicherungsrecht müssten die Ge- bühren (um circa 100 Prozent) angeho- ben werden. Wenn ich dieser Erhöhung meine Zustimmung verweigere, würde mein Vertrag gekündigt.“ Auch über andere Versicherungsgesellschaften (ne- ben der Continentale und der AXA) liegen der Redaktion vergleichbare Er- fahrungsberichte von Ärzten vor.
Amerikanische Verhältnisse?
Steigende Schadensersatzsummen, stei- gende Prämien für die ärztliche Berufs- haftpflichtversicherung und Arztgrup- pen, die es schwer haben überhaupt ei- nen adäquaten Versicherungsschutz für den Fall eines Behandlungsfehlers zu finden – „steuern wir hier auf amerikani- sche Verhältnisse zu und müssen damit rechnen, dass bald kein Kollege mehr bereit sein wird, ein risikoreiches Fach zu betreiben, weil die Versicherungen ihn entweder gar nicht versichern oder die Prämien in eine Höhe schrauben, die niemand bezahlen kann oder will?“, vergleicht eine Radiologin, die nicht na- mentlich genannt werden will, die deut- schen Verhältnisse bereits mit den in den Vereinigten Staaten. Dort haben es die Anwälte (sie sind in den USA am er- strittenen Schmerzensgeld beteiligt)
„geschafft“, die Schadensersatzsum- men und somit auch die Prämien für die ärztliche Berufshaftpflichtversicherung in astronomische Höhe zu treiben. In- zwischen sind die vielen Millionenkla- gen in den USA ein nationales Pro- blem: Die medizinische Versorgung ist in manchen Bereichen bereits gefähr- det (vgl. DÄ, Heft 37/2003). Jens Flintrop