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Archiv "Auf dem Weg zum „Barfußarzt“ Ist die ärztliche Weiterbildung bei den gegenwärtigen Studentenzahlen überhaupt noch möglich?" (01.02.1979)

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Auf dem Weg zum „Barfußarzt"

Ist die ärztliche Weiterbildung

bei den gegenwärtigen Studentenzahlen überhaupt noch möglich?

Horst Joachim Rheindorf

Die Weiterbildung zum Allge- mein- oder Facharzt geht heute noch davon aus, daß das Medizinstudium eine gründliche, praxisbezogene ärztliche Grundausbildung vermittelt. Angesichts der heutigen Studienbedingun- gen muß bezweifelt werden, ob diese Voraussetzung auf die Dauer haltbar ist. Wenn nicht, dann hätte das erhebli- che Konsequenzen für die Weiterbildung. Der Verfasser begründet das; sein Beitrag basiert auf einem Referat an- läßlich einer Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing zum Thema „Ärztliche Ausbildung".

Notwendiger Rückblick

1960, also zehn Jahre vor Verab- schiedung der Approbationsord- nung für Ärzte, die nach jahrelan- gem Tauziehen zwischen Hoch- schullehrern und Studenten unter der Regie des damaligen Staatsse- kretärs, des Arztes Professor von Manger-Koenig, die längst überfälli- ge Kommunikation von Theorie und Praxis unter besonderer Betonung letzterer bringen sollte, forderte der Verfasser, daß mit dem Erhalt der ärztlichen Approbation lediglich die Ausgangsbasis für die dann einset- zende Fächerung spezieller Weiter- bildungsgänge gegeben sein sollte.

Auf diesen Wegen sollte sich der junge Arzt entweder für die Allge- meinmedizin oder für {Fach-)Gebie- te, heute auch für Teilgebiete, ferner Bereiche, und schließlich für andere Aufgaben, etwa im öffentlichen Ge- sundheitswesen, im Dienst der Bun- deswehr, der forschenden Industrie weiterbilden. Gewiß, diese schein- bare Abwertung der Approbation, soweit sie den praktischen Arzt be- trifft, der ja von Staatswegen ein Testat zum Tätigwerden in freier Praxis besitzt, stieß damals auf man- nigfache Kritik.

Doch nicht nur das Zulassungs- recht, eingeführt, um den sozialver- sicherten Bürger vor kaum vorberei- teten Kassenärzten zu schützen, schrieb trotz zweijähriger Medizinal- assistentenzeit, aufgesetzt auf ein zehnsemestriges Studium, noch ei- ne 1 1/2jährige Vorbereitungszeit, in

Klinik und Praxis abzuleisten, vor, sondern auch die Erfahrungen und die freimütigen Äußerungen junger Kassenärzte lehrten, daß sie sich ei- gentlich erst nach vier- bis fünfjähri- ger Assistentenzeit in der Lage sa- hen, zudem auf sich allein gestellt, ohne ständige Angst vor Fehlern, zu praktizieren. Man muß sich verge- genwärtigen: damals verebbten eben erst die starken Medizinerjahr- gänge, die in überfüllten Hörsälen gesessen hatten, und mehr oder we- niger, wie das ja überhaupt von je- dem einzelnen abhängt, im prakti- schen Teil der Medizin die zu schlie- ßenden Lücken hatten.

Diese jungen Mediziner fanden aber genügend Weiterbildungsstellen an Kliniken, Krankenhäusern oder de- ren Abteilungen, die dank der sich überschlagenden Wirtschaftswun- derwoge entweder aus dem Boden schossen oder in alter Pracht wie- dererstanden und meist um Be- trächtliches erweitert werden konn- ten. Die deutschen Krankenhäuser waren zu echten Wahlschlagern im Ringen um die Gunst der Wähler ge- worden.

Unter den damaligen Studienbedin- gungen war eine Weiterbildung zum Facharzt jederzeit möglich. In dieser Zeit fand die deutsche Medizin auch wieder Anschluß an die in der westli- chen Welt entwickelte, wie Smith und Pfeiffenberger nach einer län- geren Studienreise durch die Bun- desrepublik der American Medical Association in einem umfassenden

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ärztliche Weiterbildung

Gutachten berichteten. Doch die Zeit der Reformer und Reformen war über die junge Bundesrepublik her- eingebrochen. Nichts war mehr gut genug, und die Ausbildung des deutschen Arztes schon gar nicht.

Kritik der Ausbildung

Hoevels ist der Meinung, daß das Ausbildungsziel künftiger Ärzte, so- weit die Prüfungsgegenstände zu den schriftlichen Prüfungsteilen der Staatsprüfung betroffen sind, heute klarer überschaubar als zu irgendei- nem Zeitpunkt vorher ist. Ob es rich- tig formuliert ist, läßt er zumindest offen. Die Art und Weise aber, in der dem Ausbildungsziel entsprechend geprüft wird, sei mangelhaft und führe zu einem Lernverhalten, das differentialdiagnostische und diffe- rentialtherapeutische Gesichts- punkte vernachlässigt. So lasse sich jedenfalls das Ziel der Studienre- form: die bessere Ausbildung, nicht erreichen, zumal der Ansturm der Studenten die Unterrichtung in klei- nen Gruppen ausschließt.

Ungeheuer macht die anzutreffen- den Studienbedingungen für die nicht mehr gegebene qualifizierte Ausbildung verantwortlich. Er stellt fest:

1. Im zweiten Studienabschnitt wird zu wenig theoretischer Unterricht erteilt; der angebotene wird von den Studenten in zu geringem Umfang wahrgenommen.

2. Die meisten Vorlesungen sind nicht mehr scheinpflichtig und wer- den daher von den Studenten wenig besucht.

3. Das Fach Medizin wird im zwei- ten Studienabschnitt schon zu sehr in Subspezialitäten zergliedert; für den Studenten werden dadurch Überblick und Zusammenhang für die einzelnen Fächer erschwert.

4. Der praktische Unterricht am Krankenbett erfolgt daher oft ohne genügende theoretische Vorkennt- nis; das praktische Verständnis wird daher außerordentlich erschwert.

5. Durch die Überlastung der Uni- versitätskliniken und Lehrkranken- häuser durch ihre Aufgaben bei der Krankenversorgung ist die Abstel- lung qualifizierter Kräfte für den Un- terricht am Krankenbett kaum ge- währleistet.

6. Der Unterricht am Krankenbett wird zu einem Großteil von Lehrkräf- ten ausgeübt, die sich primär nicht für die Lehre entschieden und zum Teil noch nicht einmal die Fach- arztanerkennung für das betreffen- de Gebiet haben.

7. Die Mißstände im dritten Studien- abschnitt, im praktischen Jahr, sind weitgehend bekannt. Auch hier spie- len die Überlastung der Klinikärzte durch den Routinebetrieb und die übrigen mangelhaften Vorausset- zungen für die Lehre eine Rolle.

Ringleb beklagt die Vermassung des Medizinstudiums und erinnert an die Vorzüge und Möglichkeiten der theoretischen und praktischen Wis- sensvermittlung an den Medizini- schen Fakultäten, wo „jeder jeden kannte" und die Professoren noch persönlich prüften. Auch er kommt zu demselben Schluß, daß gleich- sam ventilartig immer dann, wenn die Zahl der Studenten insbesonde- re die praktische Wissensvermitt- lung in Frage stellte, als Konsequenz und zum Ausgleich sich dieses in der Gestaltung des oder der prakti- schen Jahre auswirkte, mochte der Absolvent Medizinalpraktikant, Pflichtassistent, Medizinalassistent oder Praktikant heißen.

Mit der Weiterbildung zum Facharzt, besser: zum Arzt für . . . hat das al- les aber nichts zu tun. Im Gegenteil.

Die Spezialisierung als solche ist es ja gerade, die sich immer mehr vom allgemeinen Ausgangswissen aller Ärzte entfernt und zum Prinzip er- hebt: „Wer eine Gebietsbezeich- nung führt, darf grundsätzlich nur in diesem Gebiet, wer eine Teilgebiets- bezeichnung führt, darf im wesentli- chen nur in diesem Teilgebiet tätig werden."

Da die Teilgebiete aber wiederum an ihre maternen Gebiete gekoppelt sind, ist diese liberale Komponente

„im wesentlichen" doch sehr einge- engt. Um es zu verdeutlichen: Ohne zuvor die Anerkennung als Internist zu haben, kann keiner die Genehmi- gung zur Führung etwa der Teilge- biete Endokrinologie, Gastroentero- logie, Hämatologie, Kardiologie und Lungen- und Bronchialheilkunde beantragen. Für eine Reihe anderer Gebiete und Teilgebiete gilt glei- ches.

Anders ist es bei Untersuchungspro- grammen zur Vorsorge oder zur Früherkennung von Krankheiten, die in verschiedene Gebiete fallen.

Diese dürfen diejenigen Ärzte durchführen, zu deren Gebieten we- sentliche Teile des Programms ge- hören, wenn die Ärzte die notwendi- gen Kenntnisse, Erfahrungen und Einrichtungen auch für die Durch- führung des übrigen Programms be- sitzen. Dazu muß dann die Ärzte- kammer noch ihr Plazet geben.

Die Weiterbildung sorgt für Praxis Sieht man von den Auswahlprinzi- pien allgemeiner Art einmal ab, so hat der junge approbierte Arzt alle- mal die Chance, ohne erneute Prü- fung in eine von ihm gewünschte Weiterbildung einzutreten und sich je nach Gebiet in Mindestzeiten von vier, fünf oder sechs Jahren zu spe- zialisieren. Hier gilt die Einschrän- kung „hatte"; denn diese mehrjähri- ge Weiterbildung steht selbstredend in Abhängigkeit von dafür freien As- sistenzarztstellen an Krankenhäu- sern oder deren Abteilungen, an theoretischen Instituten und, zeitlich begrenzt, auch in der freien Praxis.

Die Weiterbildungsstätten müssen zugelassen und deren Leitende Ärz- te zur Durchführung der Weiterbil- dung ermächtigt sein. Es versteht sich von selbst, daß es bevorzugte Gebiete gab und gibt, und daß auch Wartezeiten in Kauf genommen wer- den mußten oder, wenn mit der Wei- terbildung zugleich das Ziel ange- sprochen wurde, sich zu habilitieren und akademischer Lehrer zu wer- den, eine mehrjährige Vorbildung in theoretischen Fächern als Voraus- setzung dafür in Rechnung gestellt werden mußte.

302 Heft 5 vom 1. Februar 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Anders als im Medizinstudium kann das Weiterbildungsziel, ohne die Gefahr, nicht "ranzukommen", sich also nicht praktisch weiterbilden zu können, erreicht werden. Dafür sor- gen schon die Stellenpläne, die jetzt nicht mehr so üppig weiterwuchern, wie in den goldenen sechziger Jah- ren, sondern in den beiden letzten Jahren dem Rotstift, sogenannte

"Prüfungskommissionen" der für die Krankenhäuser zuständigen So- zialminister, ausgesetzt waren. Par- allel zur präzisen Zielansprache wie beim Studium erfolgte auch in der Weiterbildung eine Umschreibung der verschiedenen Gebiete und da- mit ihre wechselseitige Abgrenzung, so daß sich daraus der Inhalt der Weiterbildung ergibt und ohne Mü- he ablesen läßt.

Als Beispiel möge die Innere Medi- zin dienen. Für den Adepten geht es in seiner Weiterbildung um Adept, Vermittlung und Erwerb eingehen- der Kenntnisse und Erfahrungen in der Ätiologie, Pathogenese, Patho- physiologie, Symptomatologie, der Diagnostik, Differentialdiagnostik und Therapie interner Erkrankun- gen, der einschlägigen Laborato- riumsdiagnostik und der internen Röntgendiagnostik, ferner von Kenntnissen in der Diagnostik mit radioaktiven Substanzen, der Dia- gnostik und Therapie von Erkran- kungen des Nervensystems, der Psy- chosomatik und Humangenetik.

Wenn man so will, sind das für jeden Weiterzubildenden in diesem Fall die zweiten sechs Jahre Medizin, die nach Abschluß mit einer Überprü- fung vor der Ärztekammer enden. ln einer Reihe von Gebieten sind diese Zeiten um ein oder zwei Jahre kür- zer. Auch der Arzt für Allgemeinme- dizin braucht vier Jahre Weiterbil- dung. Dabei soll nicht verschwiegen werden, daß seine Vertreter, die sich in den letzten Jahren ihren Platz an den Fachbereichen durch Lehrauf- träge, Institute und Lehrstühle er- obert haben, noch sehr darum rin- gen, ihren medizinischen Sonder- status wissenschaftlich zu begrün- den und nach adäquaten Weiterbil- dungswegen suchen. Jetzt muß der Allgemeinmediziner nachweisen:

~ 1 V2 Jahre Innere Medizin im Sta- tionsdlenst. Angerechnet werden können 6 Monate Kinderheilkunde;

~ ein Jahr Chirurgie, angerechnet werden können bis zu sechs Mona- ten Weiterbildung in Frauenheilkun- de und Geburtshilfe;

~ drei Monate in einer Allgemein- praxis;

~ ein Jahr drei Monate in Allge- meinmedizin oder in einem anderen Gebiet nach freier Wahl, wobei auch Tätigkeitsabschnitte von minde- stens drei Monaten angerechnet werden können.

Wir sehen an den skizzierten Bei- spielen, daß das ärztliche Berufs- recht, hier: die Berufsordnung, den Entwicklungen der Medizin Rech- nung trägt.

Noch ist Weiterbildung möglich ...

Zurück zu der Frage: "Ist die Fach- arztweiterbildung unter jetzigen Studienbedingungen überhaupt noch möglich?" Was würde denn geschehen, wenn wir zu einem

"nein" kämen? Wenn wir die vom Staat nach immerhin vier Prüfungs- abschnitten erteilte ärztliche Appro- bation nicht einmal als Basis für eine mehrjährige, unter Kontrolle qualifi- zierter Wissenschaftler und Kliniker durchgeführte Weiterbildung, in der man sich weiterbildet und weiterge- bildet wird, anerkennen würden?

Das erscheint undenkbar, ja ausge- schlossen, auch wenn uns die be- rechtigte und notwendige Kritik an den Mißständen des gegenwärtigen Medizinstudiums dazu verleitet zu sagen: So darf und so kann nicht das "produit final", das wir in der Bundesrepublik Deutschland heran- bilden, aussehen.

Das bringt uns nicht weiter, solange nicht die ärztlichen Hochschullehrer aufstehen und es ablehnen, dermal einst für die Pervertierung einer zweifellos gutgemeinten Studienre- form, die· sie ob der Unzulänglich- keiten im personellen, sachlichen und gestalterischen Bereich nicht wurde, dadurch verantwortlich ge-

304 Heft 5 vom 1. Februar 1979

DEUTSCHES ARZTEBLATT

macht werden, daß sie noch mitge- macht haben, als schon zu erkennen war und sichtbar wurde, daß das Klassenziel so einfach nicht zu errei- chen war. Solange aber ist es gera- dezu ein Glücksumstand, daß es bis zur Stunde noch vielerlei Möglich- keiten gibt, sich unter Anleitung er- fahrener Ärzte noch eine Reihe von Jahren weiterzubilden und aufzuho- len, was auf dem Sektor praktischer Ausbildung im Studium selbst nicht zu erlernen war. Nichts, aber auch gar nichts spricht dafür, daß diese Mängel nicht alle während der Wei- terbildung zu beheben sind. Es sind ja die gleichen Einrichtungen, die für die praktische Ausbildung im dritten Abschnitt der ärztlichen Prü- fung vorgesehen sind; es sind die gleichen ärztlichen Lehrer.

Wir wissen, daß die Studienbedin- gungen einer Approbationsordnung aus dem Jahre 1970 von drei Fakto- ren bestimmt werden:

1. der Qualität und der ausreichen- den Zahl der Lehrkr-äfte,

2. der Ausstattung der Ausbildungs- einrichtung und dem Krankengut, 3. der Zahl der Studenten.

Es ist kein Geheimnis, daß es an Lehrkräften fehlt, ebenso an der Ein- haltung der Zusage, die notwendi- gen Mittel für die Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Unlösbar aber wird das Erreichen der hochge- steckten Ziele durch den einfach nicht mehr zu verantwortenden Zu- strom an Medizinstudenten, der die Reform der Ausbildung von 1970 zum Scheitern verurteilt oder sie durch ständige Novellierungen oder gar "Nivellierungen" zum Flickwerk macht, was sie nicht verdient hat.

Die Ursachen dieser Studentenflut sind nur zu bekannt; denn noch im- mer nimmt der Arztberuf in der Mei- nung der Bevölkerung eine Spitzen- stellung ein. Nicht allein des gegen- wärtigen Einkommens wegen, das wissen auch die, deren Ziel es ist, dieses zu halbieren oder zu dritteln und den Arzt aus dieser Sonderstel- lung zu entlassen, indem sie ihm in

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Mit- glieder Gesamt

niedergel.

prakt. Ärzte

niedergel.

Fachärzte

Khs.-Ärzte ohne Fachg.

(1)

Khs.-Ärzte mit Fachg.

restliche Ärzte (5)

Anteil der ausländ.

Ärzte Stand 1. 1. 1957

Anteil in Prozent Relation Einwohner/

Arzt (4,598 Mio.)

6 939 (100) 663

2 807 (40,5) 1 638

1 438 (20,7) 3 197

1 095 (15,8) 4 199

663 (9,5) 6 935

0,1%

Stand 1. 1. 1962 Anteil in Prozent Relation Einwohner/

Arzt (5,003 Mio.)

1 231 (15,6) 4 064

1 015 (12,9) 4 929 7 884

(100) 635

2 800 (35,5) 1 768

1 618 (20,5) 3 092

0,9%

Stand 1. 1. 1967 Anteil in Prozent Relation Einwohner/

Arzt (5,210 Mio.)

9 472(2) (100)

550

2 102(2) (22,2) 2 479 2 895

(30,6) 1 800

1 838 (19,4) 2 835

1 234 (13,0) 4 222

3,3%

Stand 1. 1. 1972 Anteil in Prozent Relation Einwohner/

Arzt (5,463 Mio.)

11 940 (100)

457

3 764(3) (31,5) 1 451 2 680

(22,5) 2 038

2 091 (17,5) 2 613

1 637 (13,7) 3 337

5,6%

Stand 1. 1. 1977 Anteil in Prozent Relation Einwohner/

Arzt (5,534 Mio.)

13 811 (100)

401

3 800(4) (27,5) 1 456 2 636

(19,1) 2 100

2 718 (19,7) 2 036

2 277 (16,5) 2 430

7,9%

936 (13,5)

1 220 (15,5)

1 403 (14,8)

1 768 (14,8)

2 380 (17,2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ärztliche Weiterbildung

Tabelle: Änderung der Ärztestruktur 1957-1977 am Beispiel Hessen

Anmerkungen: zu (1) = einschließlich Med. Ass. zu (2) = hier wurden 400 MA's mit e'ngerechnet, da für diese keine zu (3) = MA.-Anteil 900 Meldepflicht bestand und keine exakten Zahlen vorlagen.

zu (4) = MA.-Anteil 675 zu (5) = bei Behörden, Industrie oder Sonst. tätig, und ohne Tätigkeit.

Auszüge aus den Jahresstatistiken der Landesärztekammer Hessen.

einem „integrierten Gesundheitswe- sen" eine andere Rolle zugedacht haben als die, sich freiberuflich das Vertrauen gesunder und kranker Bürger zu erwerben.

. . . doch steigende Studentenzahlen .. .

Die Väter der Approbationsordnung hatten im Auge, jährlich etwa 5000 Studenten an den Fachbereichen für Humanmedizin zum Studium zuzu- lassen. 1977 waren es aber bereits 11 300. Ringleb folgert daraus — und als Dekan sieht er sich hautnah da- mit konfrontiert — daß schon wegen der begrenzten Belastbarkeit der Patienten in den Kliniken und Lehr- krankenhäusern das Ausbildungs- ziel nicht erreicht werden kann und die übergroße Masse der jungen

Ärzte um ihre praktisch-ärztliche In- suffizienz weiß.

Das bedeutet dann aber, daß unter den jetzigen Studienbedingungen eine Weiterbildung notwendig ist und sie, will man sich an unseren Bürgern nicht versündigen, in die zeitlich drängenden Überlegungen einzubeziehen hat.

Doch lassen wir jetzt einige Zahlen sprechen, um überzuleiten zu der Frage: „Ist eine Weiterbildung über- haupt noch möglich?" (siehe Ta- belle).

Wenn wir davon ausgehen können, daß in fünf Jahren etwa 11 000 Stu- denten ihre Approbation erhalten — und das setzt sich nach unseren Be- rechnungen eine ganze Reihe von Jahren so fort —, stehen allenfalls der

Hälfte von ihnen Assistenzarztstel- len zur Verfügung. Dabei schieben wir einmal achtlos beiseite, daß der Sozialminister von Nordrhein-West- falen, Farthmann, allein in seinem Land schon heute von einem Über- hang von 20 000 Krankenhausbetten spricht, daß seine Ministerkollegen in den anderen Bundesländern, in Relation, versteht sich, gleiches sa- gen und die Bevölkerungszahl mög- licherweise noch viele Jahre rück- läufig sein kann. Dann bahnt sich eine echte Katastrophe an, wenn wir an die ärztliche Versorgung in unse- rem Lande denken.

. . lassen ein Ende der traditio- nellen Weiterbildung befürchten

Unter diesen Aspekten ist von der Zahl her eine für alle Ärzte notwen-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 5 vom 1. Februar 1979 305

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dige Weiterbildung nicht mehr mög- lich. So nimmt es denn auch nicht Wunder, wenn in aller Offenheit und in der Öffentlichkeit vom „Barfuß- arzt" der achtziger Jahre gespro- chen wird und die Beteiligten, das sind die Bildungs-, Gesundheits- und Sozialpolitiker auf der einen und die Ärzteschaft auf der anderen Seite, sich ratlos gegenüberstehen und angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung und ihrer Folgen und einhergehend mit notwendig gewordenen Überlegun- gen, wie man aus dem selbstgeba- stelten Wolkenkuckucksheim wie- der herunterkommt, nach Lösungen Ausschau halten.

Bleiben wir beim Dritten Abschnitt der ärztlichen Prüfung. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht:

Schon seit April 1978 bekommt nicht mehr jeder Student seine Praktikan- tenstellen. Er muß warten, ebenso wie seine Nachfolger, und damit bricht das Kernstück der prakti- schen Ausbildung zusammen, ehe es überhaupt zur Bewährung freige- geben werden konnte.

Wollte man das Praktische Jahr schließlich doch, koste es, was es wolle, bewerkstelligen, hieße das, ein Drittel aller Akutbetten müßte sich in Universitätskliniken oder Lehrkrankenhäusern befinden oder in das Ausbildungssystem integriert werden. Die Kosten dafür sind uner- schwinglich.

Was tun?

Die Ärzteschaft, in Sonderheit die ärztliche Berufsvertretung, sieht sich in dieser Situation vor nahezu unlösbaren Aufgaben, die sich so stellen:

1. Sie muß die Medizinerschwemme hinnehmen, weil sie, was in ökono- mischer Hinsicht dringend zu korri- gieren wäre, eine vernünftige Rela- tion zwischen Zu- und Abgang von Ärzten nicht regulieren kann.

2. Sie muß ihre Anstrengungen dar- auf richten, daß

a) in der freien Praxis qualifizierte Ärzte tätig sind und

b) ein ausgewogenes Verhältnis im Sinne der Zuordnung und Vertei- lung der verschiedenen Fach-Gebie- te, insbesondere zur Allgemeinme- dizin, bestehen bleibt.

3. Sie muß dafür Sorge tragen, daß die stationäre Versorgung in erster Linie durch erfahrene Krankenhaus- ärzte erfolgt und nicht durch eine vielfach übersetzte Zahl von in Wei- terbildung stehenden Ärzten, die oft nur durch Zufall in eine Weiterbil- dung gedrängt wurden und später in diesem Gebiet praktisch nicht tätig werden können.

4. Sie muß dennoch nach Wegen suchen, um möglichst vielen Ärzten, insbesondere denen, die allgemein- ärztlich tätig werden wollen, Weiter- bildungsmöglichkeiten zu ver- schaffen.

5. Sie muß schließlich und endlich erreichen, daß der Flut der Speziali- sierung Einhalt geboten wird und an den kleinen und mittleren Kranken- häusern Allgemeinärzte herangebil- det werden.

6. Sie muß schließlich überlegen, ob sie die Tür zu einer berufsbeglei- tenden Weiterbildung aufstoßen muß, um auf diese Weise die Wis- senslücken weiterbildungswilliger Ärzte zu schließen. Der Einsatz ihrer Fortbildungsakademien hierfür ist daher vordringlich.

Zusammenfassung

Die Weiterbildung, sprich: Speziali- sierung, ist unter den jetzigen Stu- dienbedingungen, unter denen die theoretische und reduzierte prakti- sche Ausbildung zu verstehen ist, (noch) möglich.

Begründung: Das Weiterbildungs- ziel ist eines sui generis. Vorausset- zung, dieses zu erreichen, ist die theoretische und praktische Ausbil- dung zum Arzt und eine sich an- schließende theoretische und prak-

tische Weiterbildung an geeigneten Weiterbildungsstätten unter Leitung qualifizierter Ärzte. Mit einer genü- gend langen und genutzten Weiter- bildungszeit und der Vorbereitung auf die sich anschließende Prüfung ist dieses zu erreichen.

Eine Weiterbildung unter den gege- benen Studienbedingungen, bezo- gen auf die jedes vernünftige Maß überschreitende Zahl von Absolven- ten des Medizinstudiums für alle weiterbildungswilligen Ärzte ist nicht möglich.

Begründung: Die vorhandenen Wei- terbildungsstellen an den Weiterbil- dungsstätten reichen allenfalls für eine Zahl von jährlich eben 5000 Ab- solventen des Medizinstudiums aus.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Horst Joachim Rheindorf Geschäftsführender Arzt

der Landesärztekammer Hessen Broßstraße 6

6000 Frankfurt am Main 1

ZITAT

Selbstbeteiligung als Kostenbremse

„Wer sich Gedanken über ei- ne Kostenbremse bei den

Krankenversicherungen macht, kann aber bei Unfäl- len und selbstverschuldeten Leiden nicht stehenbleiben.

Er kommt um eine fühlbare Selbstbeteiligung der Versi- cherten an den Krankheits- kosten nicht herum. Sozial- politiker und Gewerk- schaftsfunktionäre, die im- mer noch behaupten, die Selbstbeteiligung wirke nicht als Kostenbremse, sa- gen bewußt die Unwahrheit, sei es aus politischen oder gar ideologischen Grün- den."

Wolfgang Hilger, in: Monats- blätter für freiheitliche Wirt- schaftspolitik.

306 Heft 5 vom 1. Februar 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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