Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 17⏐⏐24. April 2009 A799
P O L I T I K
W
orüber sich Tausende Auto- fahrer schon seit Monaten freuen, würde vielen Ärzten, Pfle- gekräften und Patienten sicher auch gefallen – eine Abwrackprämie für veraltete Klinikbetten oder EKG- Geräte. Denn Modernisierungsbe- darf besteht, obwohl etliche Kran- kenhäuser von Zuwendungen aus dem Konjunkturpaket II profitieren, mit denen vornehmlich die unter der Wirtschaftskrise leidende Bau- branche angekurbelt werden soll.Doch sind staatliche Subventio- nen für Unternehmen aus dem Ge- sundheitssektor eher unwahrschein- lich. Denn die Wirtschaftskrise ist im Gesundheitswesen bislang nicht so deutlich zu spüren wie in anderen Bereichen. Der Grund: Das System der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) schützt Patienten und Beschäftigte weitgehend vor den Auswirkungen des Abschwungs.
Hält dieser jedoch an, so befürchten Experten, wird die Rezession bald
auch in Arztpraxen und Kranken- häusern stärker spürbar.
„Wir gehen davon aus, dass die Krise nicht spurlos an der Kranken- versicherung vorbeigeht“, sagte die Vorsitzende des GKV-Spitzenver- bandes, Dr. Doris Pfeiffer. Die Kran- kenkassen befürchten ein Defizit von drei Milliarden Euro bis zum Jahresende. Auch eine Studie der Bundesbank kommt zu dem Ergeb- nis, dass wegen der schlechten wirt- schaftlichen Entwicklung deutlich weniger Geld in den Gesundheits- fonds fließen wird als erwartet. Für Zusatzverträge mit Ärzten und an- deren Leistungserbringern dürften die Kassen deshalb noch weniger Geld zur Verfügung haben als bisher.
Dafür ist die Regelversorgung trotz der wirtschaftlichen Turbulen- zen vorerst gesichert. Denn wenn das Geld im Fonds für die bereits festgelegten Zahlungen an die Kos- tenträger trotz Zusatzbeitrag der Kassen nicht ausreicht, springt der
Bund ein. Dies allerdings nur mit ei- nem Darlehen, das die Kassen bis Ende 2011 zurückzahlen müssen.
Sollte die Krise dann immer noch anhalten, sind verschiedene Szena- rien denkbar: Der Gesetzgeber hebt die Deckelung der Zusatzbeiträge auf (Prämienmodell), er verbreitert die Einnahmebasis (Bürgerversi- cherung), er pumpt zusätzliche Steuermilliarden in den Fonds, er erhöht den Einheitsbeitragssatz, oder er drückt die Ausgaben der Kassen.
Für Letzteres wird sich die Poli- tik gewiss stark machen. Dafür spricht, dass das Bundesgesund- heitsministerium die Kassen schon jetzt zu einer strengeren Ausgaben- kontrolle aufrief. So wies kürzlich ein Ministeriumssprecher ange- sichts der Krise darauf hin, dass die Kassen zahlreiche Instrumente zur Verfügung hätten, die Versorgung effizienter zu gestalten, die Qualität zu verbessern und Überversorgung abzubauen. Dafür würden die Kas- senvorstände „sehr gut bezahlt“.
Gerade recht dürften dem Mi- nisterium vor diesem Hintergrund Zahlen kommen, die das Statistische Bundesamt Anfang April veröffent- licht hat. Demnach sind die Ausga- ben für Gesundheitsleistungen 2007 mit 252 Milliarden Euro zum dritten- mal in Folge im Vergleich zum Vor- jahr gestiegen (um knapp acht Milli- arden Euro). Der größte Ausgaben- träger ist die GKV. Auch sie gab 5,6 Milliarden Euro mehr aus als 2006.
Diese Ausgaben bleiben jedoch weitgehend im Land und bilden an anderer Stelle Einnahmen. Insofern ist das Gesundheitswesen auch ein Konjunkturmotor. Diesen bei aller Notwendigkeit zum Sparen nicht abzuwürgen, wird eine der größten Herausforderungen von Politik und Selbstverwaltung sein. I Samir Rabbata
GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG
Krise erreicht Krankenkassen
Noch schützt das Krankenversicherungssystem Patienten und Beschäftigte im Gesundheitswesen vor den Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Doch hat sich bereits ein Milliardenloch bei
den Kassenfinanzen aufgetan, das auch für Arztpraxen und Kliniken nicht ohne Folgen bleibt.
Zeichnung:Ralf Brunner