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Archiv "Patientenorientierung: Empathie – Die Fähigkeit des Mitleidens" (25.04.2014)

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ich in die Vorstellungswelt anderer Menschen zu verset- zen, gilt als Schlüsselkompetenz al- ler, die mit Menschen zu tun haben.

Beim Arzt ist diese Fähigkeit zur Empathie sowohl im Patientenge- spräch als auch bei der Mitarbeiter- führung wichtig. Wie aber gelingt der Perspektivenwechsel in die Vor- stellungswelt anderer Menschen?

Empathie ist eine Haltung. Prof.

Dr. Werner Heppt, Direktor der HNO-Klinik am Städtischen Klini- kum in Karlsruhe, bringt es auf den Punkt. So mancher glaubt, damit sei lediglich die Fähigkeit des Mitfüh- lens, gar des Mitleidens gemeint.

Dies jedoch ist zu kurz gegriffen:

Es geht nicht um gefühlsseliges Mitfühlen, sondern um das einfüh- lende Verstehen oder verständnis- volle Sich-Einfühlen. Entscheidend ist das Spannungsfeld zwischen dem rationalen Verständnis dessen, was den anderen Menschen bewegt, und der emotionalen Versenkung in die Vorstellungs- und Gefühlswelt des Patienten.

Andere Menschen wertschätzen

Wer den Patienten empathisch be- gegnend, also sich einfühlend ver- stehen will, sollte die Fähigkeit zur Wertschätzung mitbringen oder die- se entwickeln. Dies konkretisiert sich zum Beispiel darin, dass der Patient sich vom Arzt ernst genom- men fühlt: Hört der Arzt dem Pa- tienten genau zu? Stellt er Fragen?

Fragt er nach, oder verfestigt sich auf Patientenseite der Eindruck, der Arzt hake Frage um Frage ab, um diese lediglich gestellt zu haben – ohne auf die Patientenantworten konkret einzugehen?

Spätestens wenn der Mitarbeiter mit einer „ganz wichtigen und eili-

gen Frage“ in den Behandlungs- raum stürmt oder der Arzt ans Tele- fon geht und ein eher nebensächli- ches Gespräch führt, liegt der Ver- dacht nahe, dass er ernsthafte Pro- bleme mit der Patientenwertschät- zung hat und kaum in der Lage ist, mit dem Patienten ein Gespräch auf Augenhöhe zu führen.

Wahrnehmungsweisen erkennen

Ein empathischer Arzt legt Wert dar auf, dass sich der Patient ein ei- genes Urteil bilden kann. Natürlich – er ist der Experte. Heppt führt aus: „Gerade darum jedoch sollte er Diagnose und Therapie in allge- mein verständlichen Worten erläu- tern und den Patienten durch um- fassende Information befähigen, sich eine eigene Meinung bilden zu können oder die des Arztes zumin- dest nachzuvollziehen.“

Jenes Expertentum ist mithin Teil des Problems: Auf der einen Seite befindet sich der medizinische Laie, auf der anderen der Fachex- perte. Dieser ist gesund, jener krank. Durch diese einfache Aus- gangskonstellation ergeben sich bei den beteiligten Menschen zwei völ- lig unterschiedliche Wahrneh- mungsweisen.

Ein Arzt, der dies begreift, hätte schon viel gewonnen, weil er nun einfühlend verstehen könnte, in wel- cher spezifischen Situation sich der Patient befindet. Dann wäre ein Ge- spräch zwischen zwei Ärzten über das, was man bei der „gestrigen OP auch hätte anders und besser machen können“ am Bett des Patienten nicht möglich, weil die Ärzte nachfühlen und verstehen könnten – also emo- tional, aber auch rational –, welche Gedanken und Gefühle den Patien- ten belasten, wenn er dieses Ge- spräch mit anhört.

Heppt drückt es so aus: „Der Arzt sollte zum Perspektivenwechsel be- reit und fähig sein, er muss sich die Patientenbrille aufsetzen und die Sichtweise, die Ängste, Befürchtun- gen und Hoffnungen des Patienten am eigenen Leib erspüren und nach- vollziehen können.“ Mit einiger Wahrscheinlichkeit würde ihm dann nicht mehr der fundamentale Fehler unterlaufen, den Patienten als ein PATIENTENORIENTIERUNG

Empathie: Die Fähigkeit des Mitleidens

So gelingt es dem Arzt, sich in andere Menschen hineinzuversetzen.

Foto: mauritius images

2 Deutsches Ärzteblatt I Heft 17 I 25. April 2014

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Objekt wahrzunehmen, sondern stets als eigenständiges Individuum.

Den Perspektivenwechsel trainieren

Selbst empathische Ärzte, die über eine wertschätzende Einstellung zum Patienten verfügen, haben zu- weilen mit dem Problem zu kämp- fen, diese Fähigkeit im hektischen Praxis- und Klinikalltag zu aktuali- sieren. In stressigen Belastungssitua- tionen fällt es schwer, sich die Zeit zum empathischen Zugang zum Pa- tienten zu nehmen. Darum: Welche Möglichkeiten gibt es, den Perspek- tivenwechsel und das einfühlende Verstehen zu trainieren und im Ver- haltensrepertoire fest zu verankern?

Ein Beispiel ist die Beschäfti- gung mit Kunst und Kunstwerken.

Denn diese sind nie eindeutig – ein Gedicht oder Roman, vor allem je- doch ein Gemälde kann angesichts seiner Mehrdimensionalität und Mehrdeutigkeit vom Betrachter auf völlig verschiedene Weise betrach- tet und beschrieben werden. Im Se- minar etwa beschreiben die Teil- nehmer ein und dasselbe Bild – und gelangen zu höchst unterschiedli-

chen Bewertungen. Das schärft das Verständnis für die Mehrdimensio- nalität der Kunstwerke im Besonde- ren und der menschlichen Ansich- ten im Allgemeinen. Heppt erläu- tert: „Indem der Arzt diese Einsicht auf das Patienten-Arzt-Verhältnis überträgt, lernt er es zu akzeptieren, dass der Patient in einer gänzlich anderen Vorstellungswelt lebt.“

Eine vom Arzt rasch umsetzbare Variante besteht darin, sich vorzu- nehmen, auf der nächsten Party al- len Menschen nur Fragen zu stellen und zuzuhören. Das heißt, er äußert bewusst keine eigene Meinung und erzählt nichts von sich selbst. Wahr- scheinlich werden die anderen Gäs- te über ihn sagen, dass man sich mit ihm „so richtig gut unterhalten“

könne. Und es gilt: Patienten lieben nichts mehr als einen Arzt, der ih- nen wahrhaftig zuhört.

Dem Mitarbeiter empathisch begegnen

Die Fähigkeit zur Empathie ist selbstverständlich auch bei der Mit- arbeiterführung hilfreich. Wenn es etwa in einer Konfliktsituation dar - auf ankommt, die Sichtweise eines

Pflegers oder gleich mehrerer Kon- fliktparteien nachzuvollziehen und einzunehmen, kann sich der Arzt mit Hilfe seines empathischen Ein- fühlungsvermögens eher eine eige- ne Meinung bilden.

Hinzu kommt: Die meisten Ärzte arbeiten zugleich mit einer Füh- rungskraft zusammen und sehen sich Tag für Tag mit der Situation konfrontiert, von einem VOR-Ge- setzten Anweisungen entgegenneh- men zu müssen. Wenn der Stations- arzt vom Oberarzt ungerechtfertig- ter Weise zusammengestaucht wird, sollte er nachvollziehen können, wie sich der Assistenzarzt fühlt, wenn er, der Stationsarzt, bei sei- nem „Untergebenen“ ebenso agiert – und diese Vorgehensweise als kontraproduktiv ablehnen.

So fällt dem Arzt der Seiten- oder Perspektivenwechsel im Ver- hältnis zum Patienten leichter:

„Wie würde ich mich fühlen, wenn ich im Patientenbett liegen würde und mich der Arzt wie ein Objekt oder als ,nicht anwesende Person‘

behandeln würde?“

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will die Zahl der Krankenhausbetten in Deutschland reduzieren. Trotz steigender Patien- tenzahlen seien im Jahresdurchschnitt nur 77 Prozent der Kapazitäten in den Kliniken ausgelastet.

Welche Auswirkung hätte die Kürzung der Zahl der Klinikbetten auf die Qualität der Patientenversorgung?

Windhorst: Die Diskussion um die Auslastung der Krankenhausbetten ist komplett fehlgeleitet. Die Qualität der Patientenversorgung in den Kliniken lässt sich nicht über Belegungsstatistiken und Bettenzahlen definieren. Wer so wie der Bundesgesundheitsminister den Statistik- Hammer schwingt, geht den falschen Weg. In Westfalen-Lippe zum Beispiel sind die Krankenhausbetten zu 76,3 Prozent ausgelastet. Dies liegt leicht unter dem statistischen Bundesdurchschnitt. Allerdings nur, wenn man die Wochenenden mit einberechnet. Ohne die Einbeziehung der Samstage und Sonntage sind die Krankenhäuser zu 85 Prozent belegt. Das ist schon eine ganz andere Hausnummer. Bei der Kapazi- tätsplanung der Kliniken muss berücksichtigt werden, dass es in Notfällen, wie etwa Grippewellen oder Epidemien, zu einer unvorher- gesehenen Beanspruchung der Kliniken kommen kann. Dann sind die

Häuser überbelegt, die Betten stehen in den Gängen. Das sind hygienisch unhalt- bare Zustände. Die Krankenhäuser sind bereits jetzt auf Auslastungsspitzen durch Notfalleinweisungen nicht ausreichend vorbereitet.

Das deutsche Gesundheitssystem ba-

siert auf einem dualen System, welches gesetzlich abgesichert die Da- seinsfürsorge auf Länderebene regelt. Dazu gehören Investitionskosten, die aber nur zu 50 Prozent durch die Länder erfolgen. Dies ist die Ur - sache dafür, dass die Krankenhäuser nicht aus eigener Kraft investieren und sich modernisieren können. Die öffentliche Daseinsfürsorge muss ausreichend Vorsorgekapazitäten in den Kliniken umfassen. Zudem wird eine demografische Entwicklung in der Bettendiskussion nicht berück- sichtigt. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts steigt die Zahl der Singlehaushalte stetig. Wenn die alleinlebenden Menschen behandelt werden müssen, geschieht dies immer öfter stationär. Maßstab für die politischen Entscheidungen darf nicht die Bettenmenge sein, sondern eine Krankenhausplanung, der Bedarfskriterien zugrunde liegen und keine blinden rasenmäherartigen Kürzungen. Ol

FRAGE DER WOCHE AN . . .

Dr. med. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen Lippe

Patric P. Kutscher MasterClass Education, Zellertal

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 17 I 25. April 2014

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