DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Slow-Viren
in Zellpräparaten?
Es ist kaum zu glauben! In ei- nem Seminar auf der Medica im No- vember 1986 über alternative Me- thoden in der Krebstherapie verwies Prof. zur Hausen (Deutsches Krebs- forschungszentrum, Heidelberg) auf die Möglichkeit der Kontamination von Zellpräparaten durch Slow-Vi- ren. Seine Aussagen basieren kei- nesfalls auf eigenen Untersuchun- gen, wie wahrheitswidrig in dem ge- nannten Artikel behauptet wird, sondern auf einer unzulässigen Ana- logisierung der Risiken, wie sie sich bei der Herstellung biotechnologi- scher Produkte aus Zellen in vitro ergeben, insbesondere, wenn es sich um humane Zellen handelt. Zur Hausen hat dies übrigens in seinem Vortrag nie behauptet und distan- ziert sich auch von solchen Übertrei- bungen. Bei der Herstellung von Siccacell- und Resistocell-Lyophili- saten wird schon seit über einem Jahr kontinuierlich das maternale und fetale Serum der Spendertiere auf alle wichtigen Viren, einschließ- lich Retroviren und insbesondere Slow-Viren überprüft. Bisher wurde von der tierärztlich überwachten Kontrollherde keine Kontamination festgestellt.
Auch ergab eine Umfrage von 190 Ärzten, die über 260 000 Patien- ten mehrfach behandelt haben und durchschnittlich über 13,5 Jahre die Wirkung der Zelltherapie beobach- teten, keinen einzigen Fall einer Slow-Virus-Infektion vom Jakob- Creutzfeld-Typ. Der in dem Artikel angesprochene, einzige Fall einer Enzephalomyelitis nach Anwendung von Siccacell ist mit Sicherheit nicht auf eine Slow-Virus-Infektion zu-
rückzuführen, die drei Wochen nach der Behandlung aufgetreten sein müßte, sondern entweder auf eine latente MS oder auf eine immun- komplexbedingte Vaskulitis. Gegen- über unkonventionellen Methoden bitte ich um eine faire Diskussion.
Cytobiologische
Laboratorien GmbH Heidelberg med.-wiss. Abteilung
Dr. med. Thomas Frank Hauptstraße 1
6900 Heidelberg 1
Richtigstellung
Der Bericht von Dr. Bernd Kleine-Gunk bedarf — soweit es mei- nen Vortrag auf der Medica betrifft
— gewisser Richtigstellungen:
Es ist nicht richtig, daß in mei- ner Arbeitsgruppe experimentelle Überprüfungen der „Zelltherapie"
auf Virusinfektionen vorgenommen wurden. Dementsprechend haben wir auch nicht in spezifischen Präpa- raten Viren nachgewiesen.
Richtig ist vielmehr, daß ich auf die Empfehlung der Expertenkom- mission der Weltgesundheitsorgani- sation hingewiesen habe, spezifisch Schaf- und Ziegenzellen wegen des Risikos der Verunreinigung mit po- tentiell humanpathogenen Viren nicht für Impfstoffherstellungen (bei denen nur minimale Mengen von Zellmaterialien verabreicht würden) zu verwenden. Ich habe gleichzeitig darauf hingewiesen, daß Schafzellen vergleichsweise wenig auf persistie- rende Viren untersucht wurden und vermutlich eine Reihe von „neuen"
Erregern bei solchen Analysen ge- funden werden könnten. Die vor wenigen Wochen auf einem Virus- workshop in Oxford berichtete Iso-
lierung einer weit verbreiteten Par- vovirus-Infektion bei Schafen sowie die kürzlich publizierte Isolierung ei- nes neuen Schaf-Lentivirus (Virolo- gy 158, 158-167, 1987) unterstützen diese Annahme deutlich. — Weiter- hin meine ich, daß die serologischen Untersuchungsverfahren, wie sie derzeit zum Auffinden von Visna- Maedi-Infektion verwandt werden, im Hinblick auf die antigene Modu- lation dieser Viren nicht ausreichend sind und keinen klaren Anhalt über die Durchseuchung der Herden mit diesen Erregern geben.
Mir ist auch nicht bekannt, daß von den Verwendern „zelltherapeu- tischer" Präparate irgendwo Teste auf Schafzytomegaloviren, die eben- falls weit verbreitet sein dürften, durchgeführt wurden. Für Scrapie- Infektionen existieren keine serolo- gischen Verfahren. Sicherlich sollte man diese Diskussion nicht nur auf potentielle virale Erreger beschrän- ken, sondern auch Protozoen, insbe- sondere Toxoplasmen, einbeziehen, deren Infektion auch von foetalem Schafsgewebe bereits direkt nachge- wiesen wurde (z. B. Am. J. Vet.
Res. 48, 348-351, 1987).
Zur Stellungnahme von Herrn Dr. Frank ist hervorzuheben, daß hier von „einer unzulässigen Über- tragung der Risiken" aus Zellkultur- versuchen gesprochen wird. Sollten Schafzellen, die für die Impfstoff- herstellung infrage kommen, sich von den Schafzellen der „Frischzell- therapeuten" unterscheiden? Si- cherlich sind die quantitativen Ver- abreichungen bei letzteren ungleich höher. Wenn er schließlich berichte- te Fälle von Enzephalomyelitiden
„mit Sicherheit nicht auf eine Slow- Virus-Infektion" zurückführt, so überrascht mich der dogmatische Ton. Wir sollten uns nicht davon ab- halten lassen, solche Fälle mit be- sonderer Sorgfalt zu untersuchen.
Die geforderte „faire Diskussion"
wird sicher nicht durch solche Stel- lungnahmen gefördert.
Professor Dr. med. Dr. h. c.
Harald zur Hausen
Deutsches Krebsforschungszentrum Stiftungsvorstand
Im Neuenheimer Feld 280 6900 Heidelberg 1
Außenseitermethoden kritisch hinterfragt
Zu dem Beitrag von Dr. med. Bernd Kleine-Gunk in Heft 30 vom 23. Juli 1987
A-3296 (42) Dt. Ärztebl. 84, Heft 48, 26. November 1987