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Archiv "Schweizer Richtlinien zur Sterbehilfe: Aktive Euthanasie bleibt verboten" (22.09.1995)

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Schweizer Richt inien zur Ster oehilfe

Aktive Euthanasie bleibt verboten

In den Niederlanden wird aktive Euthanasie mittlerweile unter ganz bestimmten Bedingungen nicht mehr bestraft. Die Delegier- ten des 98. Deutschen Ärztetages in Stuttgart (Mai 1995) haben sich vehement gegen solche Bestrebungen ausgesprochen. In der Schweiz wurden kürzlich unter anderem aufgrund der niederländi- schen Erfahrungen von der Schweizerischen Akademie der Medizi- nischen Wissenschaften die Richtlinien für die Sterbehilfe neu ge- faßt. Darin bleibt jedes aktive Töten eines Patienten verboten.

POLITIK

<rankenhäuser

Die „Bundeskrankenhauskonfe- renz", in der die Verbände der Kran- kenhausträger, der Verwaltungsleiter, der Marburger Bund, der Chefarzt- verband sowie die Schwestern- und Pflegeverbände kooperieren, haben Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer vor einer „erneuten kurzat- migen Reformhektik" gewarnt.

Zunächst müßten die Bestimmungen der neuen Bundespflegesatzverord- nung '95 umgesetzt werden, ehe weite- re Reformschritte eingeleitet werden.

Die Krankenhausträgerorganisa- tionen und die Verbände der Kran- kenhausberufe sind sichtlich darum bemüht, die Krankenhäuser vor der

„heißen Phase" der Strukturreform aus der Schußlinie der staatlichen Ko- stendämpfung zu nehmen. Insbeson- dere die Krankenkassen haben die Krankenhäuser als Hauptkostenver- ursacher im Gesundheitswesen an den Pranger gestellt und die Politik aufge- fordert, längst überfällige Sparopfer auch in diesem Bereich einzufordern.

Demgegenüber hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft darauf hin- gewiesen, daß der Anteil der Kran- kenhäuser an den Gesamtausgaben der Krankenkassen 1994 im Vergleich zum Vorjahr von 32,5 auf 31,9 Prozent in Westdeutschland und von 31,6 auf 31,4 Proient in den neuen Ländern zurückgegangen sei. Die Kranken- hauskonferenz beruft sich auf das Sondergutachten des Sachverständi- genrates und Aussagen von Bundes- gesundheitsminister Horst Seehofer, wonach im stationären Bereich in den alten Ländern 1993 und 1994 der we- sentliche Teil des Ausgabenanstiegs allein durch gesetzliche Ausnahmere- gelungen und Sondertatbestände (mehr als zehn) bedingt sei. Diese sei- en allein auf Wunsch der Länder und der Krankenhausträger im Gesetz verankert worden, um ein begrenztes Wachstum der Krankenhausbudgets oberhalb der Löhne und Gehälter der Versicherten zuzulassen.

Die Krankenhausträger sehen in

§ 6 der neuen Pflegesatzverordnung, der ab 1996 anzuwenden ist, die An-

AKTUELL

schlußbestimmung für die Ende 1995 auslaufende Budgetierung. Danach sollen die Ausgabenzuwächse für Krankenhäuser grundsätzlich auf die prognostizierte Grundlohnzuwachs- rate begrenzt werden. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn die Krankenkassen zustimmen oder Schiedsstellen oder Gerichte höhere Zuwachsraten billigen.

Die gesetzlichen Krankenkassen rechnen für das gesamte Jahr 1995 mit fünf bis sechs Milliarden DM Defizit, der SPD-Gesundheitsexperte Profes- sor Dr. Martin Pfaff, MdB aus Augs- burg, mit einem Jahresdefizit bis 1996 von über 14 Milliarden DM.

Namentlich die Krankenhausträ- ger und der Marburger Bund appel- lieren an den Gesetzgeber, Sorge dafür zu tragen, daß der dringende In- standhaltungsaufwand der Kranken- häuser gedeckt wird. Seit dem Bun- desverwaltungsgerichtsurteil vom 21.

Januar 1993 (über die teilweise

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uch künftig wird in der Schweiz grundsätzlich daran festgehal- ten, daß auch gegenüber „Ster- benden und zerebral schwerst Ge- schädigten aktive Maßnahmen zum Zwecke der Lebensbeendigung" ver- boten sind. Die „Medizinisch-ethi-

Ungültigkeit der „Abgrenzungsver- ordnung") seien ein Investitionsrück- stau von rund 2 Milliarden DM und jährliche Kosten von mindestens 700 Millionen DM aufgelaufen. Die Krankenhausträger seien nur bereit, eine Empfehlung der Konzertierten Aktion mitzutragen, die Ausgaben- entwicklung und Budgetabschlüsse auf der Basis der vorausgeschätzten Lohnänderungsrate einzuhalten, falls sämtliche fremdbeeinflußten Ausga- ben und die Instandhaltungskosten durch Krankenkassen und Länder übernommen werden. Nur so könn- ten die Krankenhäuser vor der Schließung und vor Qualitätsverlu- sten zu Lasten der Patientenversor- gung bewahrt werden.

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft e.V. Düsseldorf wird anläß- lich einer außerordentlichen Mitglie- derversammlung (am 21. September) darüber befinden, ob sie der Anre- gung von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer Folge leisten wird, ih- re Verbandsstruktur so zu ändern, daß künftig verbindlichere Regelun- gen für die Mitglieder der Kranken- hausorganisationen vorgeschrieben werden können. HC

schen Richtlinien für die ärztliche Be- treuung sterbender und zerebral schwerst geschädigter Patienten" ver- weisen dabei auf Artikel 114 des Schweizerischen Strafgesetzbuches.

Tötung auf Verlangen ist danach selbst dann strafbar, „wenn es auf

Gegen Reformhektik

A-2450 (16) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 38, 22. September 1995

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Im „Dr. Mildred Scheel Haus" in Köln werden todkranke Patienten palliativmedizinisch betreut.

Foto: Deutsche Krebshilfe

POLITIK

ernsthaftes und eindringliches Ver- langen eines urteilsfähigen Patienten vorgenommen würde", heißt es im Kommentar zu den Sterbehilfe- Richtlinien. Beihilfe zum Suizid sei ebenfalls „kein Teil der ärztlichen Tätigkeit".

Urteilsunfähige Patienten

Der Arzt ist jedoch nicht ver- pflichtet, bei Sterbenden, auf den Tod Kranken oder lebensgefährlich Ver- letzten „alle der Lebensverlängerung dienenden therapeutischen Möglich- keiten einzusetzen". Das hatte die Schweizerische Akademie der Medi- zinischen Wissenschaften (SAMW) schon in den ersten „Richtlinien für die Sterbehilfe" im Jahr 1976 festge- legt. Auf ihnen beruhten die im April 1979 verabschiedeten Richtlinien für die Sterbehilfe der Bundesärztekam- mer, die im Jahr 1993 aktualisiert wur- den (Deutsches Ärzteblatt 37/1993).

Die inzwischen zum zweitenmal revi- dierte Fassung der Schweizer Richtli- nien wurde seit 1993 unter anderem aufgrund der niederländischen Erfah- rungen mit der Euthanasiegesetzge- bung überarbeitet und im Februar dieses Jahres vom Senat der SAMW verabschiedet. Die Schweizerische Ärztezeitung hat sie Ende Juli veröf- fentlicht. Die Richtlinien beziehen sich ausdrücklich nicht nur auf Ster- bende, sondern auch auf zerebral schwerst Geschädigte mit irreversi- blen, fokalen oder diffusen Hirnschä- digungen. Ein solcher chronisch-vege- tativer Zustand bestehe, so der Kom- mentar, im „(nach mehrmonatiger Be- obachtungszeit wiederholt bestätig- ten) irreversiblen und definitiven Ver- lust der kognitiven Fähigkeiten, der Willensäußerungen und der Kommu- nikation". Er könne nach Schädel- trauma oder Hirnblutung, bei Ge- fäßleiden, entzündlicher oder degene- rativer Hirnkrankheit, infolge eines Tumors oder einer Anoxie auftreten.

Ein Verzicht auf lebenserhalten- de Maßnahmen ist also nicht nur bei Sterbenden, sondern auch bei Men- schen im irreversiblen Koma erlaubt.

Als lebenserhaltende Maßnahmen gelten künstliche Wasser- und Nah- rungszufuhr, Sauerstoffzufuhr, künst-

AKTUELL

liche Beatmung, Medikation, Blut- transfusion und Dialyse.

Bei urteilsunfähigen Patienten müsse der Arzt primär entsprechend der Diagnose und der mutmaßlichen Prognose handeln, heißt es in den Richtlinien. Lediglich bei unbestimm- ter Prognose solle der Arzt sich am mutmaßlichen Willen des Patienten orientieren.

Besonders wichtig sei die Pro- gnose bei Neugeborenen mit schwe- ren kongenitalen Mißbildungen und

perinatalen Läsionen. Aufgrund der Richtlinien dürfen „bei schweren Mißbildungen und perinatalen Schä- den des Zentralnervensystems, wel- che zu irreparablen Entwicklungs- störungen führen würden, und wenn ein Neugeborenes beziehungsweise ein Säugling nur dank des fortdauern- den Einsatzes außergewöhnlicher technischer Hilfsmittel leben kann, nach Rücksprache mit den Eltern von der erstmaligen oder anhaltenden Anwendung solcher Hilfsmittel abge- sehen werden".

Patientenverfügung Patientenverfügungen sind zu re- spektieren, die letztendliche Ent- scheidung trifft allerdings häufig der Arzt: „Liegt dem Arzt eine Patienten- verfügung vor, die der Patient in ei- nem früheren Zeitpunkt als Urteils-

fähiger abgefaßt hat, so ist diese ver- bindlich; unbeachtlich sind jedoch Begehren, die dem Arzt ein rechts- widriges Verhalten zumuten oder den Abbruch lebenserhaltender Maßnah- men verlangen, obwohl der Zustand des Patienten nach allgemeiner Er- fahrung die Wiederkehr der zwi- schenmenschlichen Kommunikation und das Wiedererstarken des Lebens- willens erwarten läßt".

Bevor der Arzt eine irreversible Entscheidung trifft, soll er mit den

Angehörigen und dem Pflegeperso- nal das Gespräch suchen und im vor- aus abklären, „ob das von ihm beab- sichtigte Vorgehen von den An- gehörigen gebilligt wird", wird im Kommentar gefordert.

Der Arzt dürfe grundsätzlich alle palliativ-medizinischen Techniken anwenden, auch wenn sie in einzelnen Fällen mit dem Risiko einer Lebens- verkürzung verbunden sein sollten.

Er sei verpflichtet, Schmerz, Angst, Verwirrung und Atemnot entgegen- zuwirken. Dazu der Kommentar:

„Schmerzzustände jeglicher Art am Lebensende, die viele Patienten be- fürchten, können in nahezu allen Fäl- len erfolgreich bekämpft werden."

Falls der Patient trotz Schmerz- bekämpfung weiter über ungelinder- ten Schmerz und Angst klagen müsse, seien Spezialisten der Schmerz- bekämpfung und Psychiater hinzuzu- ziehen. Gisela Klinkhammer Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 38, 22. September 1995 (17) A-2451

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