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Archiv "Endogene Fibrinolyse bei Diabetes mellitus und koronarer Herzkrankheit: Pathophysiologische Verknüpfung und Ansatzpunkt zur therapeutischen Intervention" (08.02.2002)

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A354 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 6½½½½8. Februar 2002

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ie Rolle des hämostaseologi- schen Systems bei der Entwick- lung der koronaren Herzkrank- heit und ihrer akuten Komplikationen instabile Angina pectoris, akuter Myo- kardinfarkt und plötzlicher Herztod, hat in den letzten Jahren zunehmendes Interesse gefunden. Neben den klassi- schen Risikofaktoren Hyperlipopro- teinämie, Rauchen, arterielle Hyper- tonie, positive Familienanamnese und Diabetes mellitus werden nun auch einzelne hämostaseologische Faktoren als Risikofaktoren der koronaren Herzkrankheit angesehen. In den großen prospektiven Studien korre- lierte die Plasmakonzentration von Fi- brinogen unabhängig von anderen Faktoren sowohl bei gesunden Pro- banden als auch bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit mit der Inzi- denz von akutem Myokardinfarkt und plötzlichem Herztod (5, 12, 25, 43).

Selbst bei hohem LDL-Cholesterin im Serum war das koronare Risiko bei niedrigem Fibrinogen im Plasma re- lativ gering (12, 43). In den prospekti-

ven Northwick-Park-Heart- und PRO- CAM-Studien konnte darüber hinaus bei gesunden Männern eine Korrelati- on zwischen der Faktor-7-Aktivität und der Häufigkeit von tödlichen Myokardinfarkten oder plötzlichem Herztod beobachtet werden (12, 25).

Schließlich zeigte die ebenfalls pro- spektive ECAT-Angina-pectoris-Stu- die bei Patienten mit koronarer Herz- krankheit eine parallele Zunahme der Konzentration des von-Willebrand- Faktors und der Häufigkeit von Myo- kardinfarkt und plötzlichem Herztod (43).

Vergleichbare Zusammenhänge sind zwischen der fibrinolytischen Kompo- nente des hämostaseologischen Sy- stems und den akuten koronaren Ereig- nissen dokumentiert worden. Bei den Probanden der Northwick-Park-Heart- Studie wurde die fibrinolytische Akti- vität mittels der Zeit bis zur spontanen

Lyse des aus verdünntem Vollblut ge- bildeten Gerinnsels gemessen. Bei Männern, die im Alter von 40 bis 54 Jahren in die Studie eingeschlossen worden waren, fand sich eine deutliche, unabhängige Beziehung zwischen nied- riger fibrinolytischer Aktivität und er- höhtem Risiko für akuten Herzinfarkt und plötzlichen Herztod. Diese Asso- ziation blieb sogar nach statistischer Normalisierung bezüglich der Fibrino- genwerte erhalten (25).

Endogene Fibrinolyse und koronare Herzkrankheit

Die endogene fibrinolytische Aktivität wird im Plasma primär durch das freie und aktive t-PA („tissue-type plasmino- gen activator“) bestimmt (Grafik 1).

Die im Plasma messbare t-PA-Aktivität ist jedoch relativ gering. Der größte Teil des im Plasma vorkommenden t-PA ist inaktiv und überwiegend an PAI-1 („plasminogen activator inhibitor type- 1“) gebunden (zum kleineren Teil an

Endogene Fibrinolyse bei Diabetes mellitus und

koronarer Herzkrankheit

Pathophysiologische Verknüpfung und Ansatzpunkt zur therapeutischen Intervention

Zusammenfassung

Die beim Typ-2-Diabetes-mellitus erhöhte In- zidenz und das verstärkte Ausmaß der ko- ronaren Herzkrankheit ist durch die klassi- schen Risikofaktoren Hyperlipidämie, arteri- elle Hypertonie, Rauchen und genetische Disposition nur zum Teil erklärbar. Unter den hämostaseologischen Faktoren, die die Athe- rogenese beeinflussen, ist der Plasminogen- aktivator-Inhibitor Typ 1 (PAI-1), der wich- tigste Regulator des endogenen fibrinolyti- schen Systems, maßgeblich an der pathophy- siologischen Verknüpfung von Diabetes und koronarer Herzkrankheit beteiligt. Ergebnis- se aus grundlagenwissenschaftlichen und kli- nischen Untersuchungen zur Regulation von PAI-1 zeigen Ansatzpunkte für eine therapeu- tische Intervention auf. Risiko und Verlauf

einer koronaren Herzkrankheit bei Typ-2-Dia- betes und anderen mit einer Hyperinsulin- ämie einhergehenden Erkrankungen könnten dadurch zukünftig günstig beeinflusst wer- den.

Schlüsselwörter: Hyperinsulinämie, Plasmino- genaktivator-Inhibitor, Atherogenese, Athero- sklerose, Fibrate, Glitazone

Summary

Endogenous Fibrinolysis in Diabetes Mellitus and Coronary Artery Disease: An Approach for Therapeutic Intervention Increased incidence and extent of coronary artery disease associated with type 2 diabetes mellitus can be explained in part only by

the classic risk factors hyperlipidemia, arterial hypertension, smoking, and genetic disposition.

Among the hemostatic factors involved in ather- ogenesis, particularly plasminogen activator inhibitor type-1 (PAI-1), the main regulator of endogenous fibrinolysis, contributes to the pathophysiologic link between diabetes and coronary artery disease. Results from both basic and clinical research studies about the regulation of PAI-1 point towards possible therapeutic interventions. In future they may be used to beneficially influence the risk and course of coronary artery disease associated with type 2 diabetes and other forms of hyper- insulinemic disease.

Key words: hyperinsulinemia, plasminogen ac- tivator inhibitor, atherogenesis, atherosclero- sis, fibrates, glitazones

Abteilung Innere Medizin III (Kardiologie und Angiologie) (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Christoph Bode) des Universitätsklinikums Freiburg

Thomas Nordt

Christoph Bode

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a2-Antiplasmin und a2-Makroglobulin) (14). PAI-1 ist der einzige Plasminogen- aktivator-Inhibitor, der in humanem Plasma an t-PA gebunden vorkommt.

Die Geschwindigkeitskonstante für die Interaktion zwischen PAI-1 und t-PA (und auch der vor allem im Gewebe vorkommenden Urokinase) ist etwa 20 000-fach größer als die anderer Plas- minogenaktivator-Inhibitoren. Deshalb gilt PAI-1 als der Wichtigste unter den verschiedenen, bis heute bekannten Plasminogenaktivator-Inhibitoren. Dar- über hinaus besteht unter den Faktoren des fibrinolytischen Systems für PAI-1 der engste Zusammenhang mit ver- schiedenen vaskulären Erkrankungen (30) (Grafik 2), sodass PAI-1 als der be- deutsamste Regulator der endogenen Fibrinolyse angesehen wird.

Die Teilnehmer der Physicians’- Health-Studie, die später einen Myo- kardinfarkt erlitten, hatten interessan- terweise erhöhte (nicht erniedrigte) t-PA-Konzentrationen im Plasma (36).

Ähnliche Ergebnisse erbrachten zwei prospektive Studien bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (14, 43). Das erhöht gemessene t-PA stammte je- doch in erster Linie aus zirkulierenden t-PA/PAI-1-Komplexen. Somit kann da- von ausgegangen werden, dass auch die PAI-1-Konzentration im Plasma erhöht war. Die erhöhte Zahl von Myokardin- farkten wurde durch eine erhöhte PAI- 1-Aktivität und dadurch reduzierte fi- brinolytische Aktivität erklärt (9). So korrelierte in einer Fallkontrollstudie im Rahmen der prospektiven PLAT-

Studie eine erhöhte t-PA- Konzentration mit einer er- höhten PAI-1-Aktivität, mit einer verminderten fibrinoly- tischen Aktivität und mit ei- ner größeren Häufigkeit von ischämischen Ereignissen bei Patienten mit nachgewiesener koronarer, zerebraler oder pe- ripherer Atherosklerose (4).

Hamsten et al. identifizierten bei jungen Männern eine ho- he PAI-1-Aktivität im Plasma als unabhängigen Risikofak- tor für einen erneuten Myo- kardinfarkt innerhalb von drei Jahren (11). Schließlich konnte kürzlich gezeigt wer- den, dass bei gesunden Män- nern und Frauen erhöhte Plasmakon- zentrationen von PAI-1 als unabhängi- ger Risikofaktor dem erstmaligen Auf- treten eines akuten Myokardinfarkts vorausgingen (42).

PAI-1: Marker oder

pathophysiologischer Faktor?

Die Beantwortung der Frage, ob PAI-1 lediglich einen Marker für ein erhöhtes Risiko für die koronare Herzkrankheit darstellt oder ob PAI-1 eine Rolle bei der Entwicklung der koronaren Herz- krankheit und ihren akuten Komplika- tionen selbst spielt, ist zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos nicht ent- scheidend. Ein kausaler Zusammen-

hang würde jedoch neue Perspekti- ven zur prophylaktischen Intervention eröffnen. Für letzteren Zusammenhang spricht der Nachweis einer vermehrten Expression des PAI-1-Gens und des PAI-1-Proteins in atherosklerotisch veränderten, menschlichen Arterien (21, 34, 37). Insbesondere überwiegt auch hier die PAI-1-Konzentration der von t-PA und Urokinase (34). Eine er- höhte PAI-1-Aktivität in atherosklero- tischen Läsionen hemmt die Bildung von Plasmin und trägt so wahrschein- lich zum verminderten Abbau oder zur vermehrten Anhäufung von extrazel- lulärer Matrix in den Läsionen bei (9).

Eine erhöhte PAI-1-Aktivität in der atherosklerotisch veränderten Ge- fäßwand und im Plasma führt ferner über eine Verschiebung des dynami- schen Gleichgewichts zwischen Fibrin- bildung und endogener Fibrinolyse zu einer vermehrten Exposition der Ge- fäßwand mit atherogenen Mikrothrom- ben (33).

Unter den allgemein akzeptierten Kriterien für einen kausalen Zusam- menhang ist damit das Kriterium der biologischen Plausibilität erfüllt. Glei- ches gilt für die Kriterien Dosisabhän- gigkeit und Konsistenz des Effekts von verminderter fibrinolytischer Aktivität oder vermehrter PAI-1-Aktivität auf die Häufigkeit akuter koronarer Ereig- nisse (4, 11, 25). Die Erfüllung des Kri- teriums Zeitbedingtheit ist bis jetzt nicht sicher möglich gewesen, dagegen scheint das Kriterium der Spezifität er- Grafik 1

Endogenes fibrinolytisches System. t-PA, „tissue-type plas- minogen activator“ (dominiert im Plasma!), u-PA, „urokina- se-type plasminogen activator“ (dominiert im Gewebe)

Grafik 2

Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen

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füllbar zu sein: zumindest bezüglich der zum Zeitpunkt der Studie bekannten Einflussfaktoren war die fibrinolytische oder PAI-1-Aktivität unabhängig von anderen hämostaseologischen Fakto- ren (11, 25). Somit kann eine erhöhte PAI-1-Aktivität nach dem Stand des heutigen Wissens als kausaler Risiko- faktor für die koronare Herzkrankheit gesehen werden.

Diabetes mellitus und PAI-1

Das Verständnis der molekularen und zellulären Mechanismen, die die Syn- these und die Sekretion von PAI-1 steu- ern, würde therapeutische Strategien zur Beeinflussung der endogenen fibri- nolytischen Aktivität und damit des kardiovaskulären Risikos ermöglichen.

Dabei ist der Typ-2-Diabetes-mellitus von besonderem Interesse: Bei Patien- ten mit Typ-2-Diabetes werden sowohl im Plasma höhere PAI-1-Aktivitäten gemessen (15) als auch atheroskleroti- sche Gefäßveränderungen früher und in stärkerem Umfang beobachtet als bei vergleichbaren Nichtdiabetikern. Die Identifizierung der Faktoren, die beim Diabetes zu erhöhten PAI-1-Aktivitä- ten im Plasma führen, könnte zu thera- peutischen Konzepten zur Verringe- rung der Atheroskleroseanfälligkeit führen.

Zur Aufklärung der Rolle der für den Diabetes mellitus typischen Hyper- glykämie wurden In-vitro-Studien mit Gefäßendothelzellen durchgeführt (2, 22, 27). Dabei wurden Endothelzellen in Zellkultur mit für den Diabetes typi- schen Konzentrationen von Glucose und Insulin inkubiert. Die Aktivität von PAI-1 im Zellüberstand stieg mit zu- nehmender Glucosekonzentration und unabhängig von der Insulinkonzentra- tion an (Grafik 3). Die beim Diabetes mellitus auftretende Hyperglykämie kann somit zumindest lokal zur vermin- derten endogenen fibrinolytischen Akti- vität beitragen. Hepatozyten sind neben Endothelzellen der wichtigste Produkti- onsort für das im Plasma zirkulierende PAI-1. An Hepatozyten in Zellkultur zeigte die umgebende Glucosekonzen- tration im Gegensatz zu Endothelzellen keinen Einfluss auf die Synthese und Se- kretion von PAI-1 (27).

Zur Aufklärung der Rolle der für den Typ-2-Diabetes (und auch für die Adipositas und die essenzielle arteriel- le Hypertonie) typischen Hyperinsu- linämie wurde die Wirkung von Insu- lin untersucht, dessen stark erhöhte Konzentrationen im Plasma mit ei- ner Erhöhung der PAI-1-Aktivität im Plasma korreliert (14). Mehrere große prospektive epidemiologische Studien

zeigten – unabhängig von den etablierten Risikofakto- ren Hyperlipidämie, Rauchen und arterielle Hypertonie – ei- ne Assoziation zwischen der Hyperinsulinämie und dem Risiko, eine koronare Herz- krankheit zu entwickeln. Die diesem Zusammenhang zu- grunde liegenden Mechanis- men sind noch weitgehend unbekannt (10). Tatsächlich konnte in Zellkultur-Versu- chen eine stimulierende Wir- kung von Insulin auf die PAI- 1-Synthese in Hepatozyten (1, 19), nicht aber in Endothelzel- len gezeigt werden (33).

Bei einer Hyperinsulin- ämie treten die Insulinvor- stufen Proinsulin, des(31,32)- Proinsulin und des(64,65)- Proinsulin in überproportio- nal hohen Konzentrationen auf (40, 47). Die Proinsulinspaltprodukte des- (31, 32)Proinsulin und des(64,65)- Proinsulin entstehen durch die Ab- spaltung von je einem basischen Di- peptid (Aminosäuren Nr. 31 und 32 oder 64 und 65). Nach Abspaltung bei- der Dipeptide entstehen schließlich In- sulin und das biologisch inaktive C- Peptid (Grafik 4). Es stellt sich daher

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Grafik 3

PAI-1-Aktivität im Zellüberstand von arteriellen Endothel- zellen (24 h)

Proinsulin

Insulin C-Peptid

des(31,32)Proinsulin des(64,65)Proinsulin

Pankreas:

b-Zellen Grafik 4

Bildung der Proinsulin-Spaltprodukte des(31,32)- und des(64,65)Proinsulin in den pankreatischen bbbb- Zellen durch die Abspaltung von je einem basischen Dipeptid. Nach Abspaltung beider Dipeptide ent- stehen schließlich Insulin und C-Peptid.

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die Frage, ob die PAI-1-Synthese auch durch die Insulinvorstufen beeinflusst wird. Wiederum konnte in kultivierten Hepatozyten eine Steigerung der PAI- 1-Synthese durch Proinsulin, des(31, 32)Proinsulin und des(64, 65)Proinsu- lin, nicht aber durch C-Peptid gefunden werden (33). Insulin und seine Vorläu- fer können die Synthese von PAI-1 durch Leberzellen direkt stimulieren und auf diese Weise systemisch die en- dogene fibrinolytische Aktivität verrin- gern.

In In-vivo-Studien wurde die Über- tragbarkeit der Ergebnisse von der zel- lulären Ebene auf die Ebene des Ge- samtorganismus geprüft (32). Kanin- chen wurden mit Proinsulin, Insulin, C-Peptid oder Placebo behandelt und dabei mittels Clamp-Technik eugly- kämisch gehalten. Innerhalb von drei Stunden kam es bei Proinsulin und In- sulin, nicht jedoch in den anderen Gruppen zu einem signifikanten An- stieg der PAI-1-Aktivität im Plasma.

Mittels In-situ-Hybridisierung konnte in der Aortenwand die vermehrte Ex- pression des PAI-1-Gens vor allem im Endothel lokalisiert werden (31) (Ab- bildung). Eine Hyperinsulinämie führt somit zu einer direkten Zunahme der PAI-1-Aktivität und damit auch zu ei- ner Abnahme der endogenen fibrinoly- tischen Aktivität im Plasma.

Diese Ergebnisse stehen im Ein- klang mit der Beobachtung, dass Inter- ventionen wie eine Gewichtsreduktion oder eine Behandlung mit Metformin oder Troglitazon, die eine bestehende Hyperinsulinämie verringern, auch zu einer verminderten PAI-1-Aktivität im Plasma führen (16, 20). Die bis zu 18- fach erhöhte Häufigkeit von kardiovas- kulären Ereignissen wie einem akutem Myokardinfarkt bei Diabetikern, die im Rahmen klinischer Studien für minde- stens ein Jahr mit Proinsulin behandelt wurden, ist bisher unerklärt und könnte zum Teil auf eine erhöhte PAI-1-Akti- vität und dadurch verringerte endogene fibrinolytische Aktivität deuten (32). In Atherektomiepräparaten von Koronar- arterien bei Diabetikern konnte inter- essanterweise eine deutlich höhere PAI-1-Expression gefunden werden als bei vergleichbaren Nichtdiabetikern (39). Somit ist es nahe liegend, dass zu- mindest ein Teil der beim Typ-2-Diabe-

tes-mellitus auftretenden, bisher nicht ausreichend geklärten Atherosklerose- anfälligkeit auf eine vermehrte PAI-1- Synthese infolge erhöhter Konzentra- tionen von insulinartigen Molekülen im Blut zurückgeführt werden kann.

Renin-Angiotensin-System und PAI-1

Experimentelle und klinische Untersu- chungen haben einen direkten Zusam- menhang zwischen dem Renin-Angio- tensin-System und dem endogenen fi- brinolytischen System gezeigt. Ge- fäßendothelzellen in Zellkultur stei- gern in Gegenwart von Angiotensin 2 ihre PAI-1-Synthese und -Ausschüt- tung (44). In einer klinischen Studie mit normotensiven Probanden und mit hy- pertensiven Patienten führte die Infusi- on von Angiotensin 2 zu einem Anstieg der PAI-1-Aktivität im Plasma (35). Bei einem Teil der Patienten der SAVE- Studie (Patienten mit linksventrikulä- rer Dysfunktion nach Myokardinfarkt) wurde zusätzlich das endogene fibrino- lytische System untersucht, und es fand sich eine Korrelation zwischen den Plasmaspiegeln von Renin und Aldo- steron auf der einen Seite und von PAI- 1 auf der anderen Seite (45), was den Zusammenhang zwischen Angiotensin 2 und PAI-1 indirekt bestätigte.

Durch die Gabe des ACE-Hemmers Captopril konnte im Tiermodell der Ratte die PAI-1-Expression sowohl in der normalen Intima als auch in der postinterventionellen Neointima der Aorta reduziert werden (8). Bei Patien- ten mit kürzlich zurückliegendem Myo- kardinfarkt konnte durch die Behand- lung mit Captopril die PAI-1-Aktivität im Plasma reduziert werden (48). Ver- gleichbare Ergebnisse zeigten sich in ei- ner Untergruppe der HEART-Studie, in der bei Patienten mit akutem Vorder- wandinfarkt der Einfluss des ACE- Hemmers Ramipril auch auf die endo- gene Fibrinolyse untersucht wurde.

Wiederum kam es in der mit Ramipril behandelten Gruppe zu einer Abnah- me der PAI-1-Aktivität im Plasma, nicht jedoch in der mit Placebo behan- delten Kontrollgruppe (46).

In weiteren klinischen Studien wur- den Patienten mit mäßig eingeschränk- ter linksventrikulärer Pumpfunktion mit dem ACE-Hemmer Enalapril und dem AT1-Rezeptorblocker Losartan jeweils einmalig behandelt. Dabei kam es zu einer Abnahme der PAI-1-Akti- vität im Plasma, die nach Gabe des AT1-Rezeptorblockers jedoch ausge- prägter war als nach der Gabe des ACE-Hemmers (6). Über den kombi- nierten Einsatz von ACE-Hemmern und AT1-Rezeptorblockern und seinen möglicherweise gesteigerten günstigen Grafik 5

Therapeutische Ansatzpunkte zur Normalisierung einer pathologisch erhöhten PAI-1-Aktivität

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Einfluss auf die endogene Fibrinolyse liegen bisher noch keine vergleichba- ren Studien vor. Die Dauerbehandlung von Patienten mit essenzieller arteriel- ler Hypertonie führte in der Gruppe mit dem AT1-Rezeptorblocker Irbe- sartan zu einer signifikant größeren Reduktion der PAI-1-Konzentration im Plasma als in der mit Atenolol behandelten Vergleichsgruppe (23).

Schließlich führte auch der AT1-Re- zeptorblocker Candesartan zu einer verminderten PAI-1-Expression in der Aortenwand der hypertensiven Ratte (3) und der AT1-Rezeptorblocker Val- sartan zu einer verminderten PAI-1- Ausschüttung durch vaskuläre glatte Muskelzellen der Ratte und des Men- schen (38). Somit bewirken erhöhte Konzentrationen von Angiotensin 2 über den AT1-Rezeptor eine vermehr- te Produktion und Freisetzung von PAI-1 und tragen damit zu einer ver- minderten endogenen fibrinolytischen Aktivität bei.

Die dargestellten Untersuchungser- gebnisse sprechen dafür, dass die für die ACE-Hemmer und die AT1-Re- zeptorblocker nachgewiesenen günsti- gen Effekte durch eine vorteilhafte Be- einflussung der endogenen fibrinolyti- schen Aktivität verstärkt werden (Gra- fik 5).

Klinische Perspektiven

Die erhöhte Aktivität von PAI-1 wird heute als ein neuer Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen angese- hen. Die Normalisierung einer patholo- gisch erhöhten PAI-1-Aktivität wird in Zukunft wahrscheinlich ein wichtiges therapeutisches Ziel in der Primär- und Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen sein. Zwischen den pa- thophysiologischen Veränderungen bei einer Hyperinsulinämie (zum Beispiel im Rahmen eines Typ-2-Diabetes-mel- litus) und bei einer gesteigerten Akti- vität des Renin-Angiotensin-Systems einerseits und der Regulation der PAI- 1-Synthese andererseits bestehen zahl- reiche direkte Zusammenhänge. Diese stellen wichtige Ansatzpunkte für eine therapeutische Intervention dar (Gra- fik 5).

Eine therapeutische Interaktion mit der „(Pro-)Insulin-PAI-1-Achse“ könn- te sich bei Patienten mit Typ-2-Diabe- tes-mellitus und anderen Erkrankun- gen, die mit einer Hyperinsulinämie einhergehen (Adipositas und essen- zielle arterielle Hypertonie), günstig auf die Atherosklerose auswirken. Da- bei bieten sich zwei Ansätze an. Der erste Ansatz beinhaltet die Reduktion der Plasmakonzentrationen von Insu-

lin, Proinsulin und seinen Spaltproduk- ten. Dies könnte erreicht werden durch den vermehrten Einsatz von Bigua- niden wie dem Metformin, wodurch die Blutzuckereinstellung verbessert wird, ohne gleichzeitig die Hyperinsulinämie zu verstärken. Der Einsatz von Bigua- niden ist aber wegen der Niereninsuffi- zienz als wichtiger Kontraindikation (Gefahr des laktatazidotischen Ko- mas!) eingeschränkt. Die Verringerung der Hyperinsulinämie wird in Zukunft durch den Einsatz der neuen oralen In- sulin-Sensitizer (Pioglitazon und Rosig- litazon) wahrscheinlich in größerem Umfang erreicht werden (24). Durch die Normalisierung der peripheren In- sulinresistenz wird eine verbesserte Blutzuckereinstellung und gleichzeitig (im Gegensatz zur Therapie mit Sul- fonylharnstoffen oder mit exogenem Insulin) eine Verringerung der Hy- per(pro)insulinämie und damit der er- höhten PAI-1-Aktivität erreicht. Dies konnte für Troglitazon in zwei klini- schen Studien mit Typ-2-Diabetikern vor kurzem eindrucksvoll bestätigt wer- den (18, 20). In experimentellen Unter- suchungen konnte darüber hinaus auch eine direkte Hemmung der PAI-1-Syn- these durch Troglitazon in vaskulären Endothelzellen (17, 29), in vaskulären glatten Muskelzellen (29) und in Adi- pozyten (7) beobachtet werden.

Der zweite Ansatz zur Interaktion mit der „(Pro-)Insulin-PAI-1-Achse“

beinhaltet die Hemmung der PAI-1- Synthese, die durch Insulin und Proin- sulin stimuliert wird. In experimentel- len Untersuchungen mit kultivierten Hepatozyten konnte gezeigt werden, dass das Fibrat Gemfibrozil die durch Insulin, Proinsulin und seine Spaltpro- dukte stimulierte PAI-1-Synthese spezi- fisch hemmen kann (28). Dies steht im Einklang mit den Ergebnissen klini- scher Studien, in denen die Behandlung mit Gemfibrozil mit einer Verringerung der PAI-1-Aktivität im Plasma einher- ging (28). In einer Nachuntersuchung der Helsinki-Heart-Studie (Reduktion der Inzidenz von Myokardinfarkt und kardial bedingtem Tod bei primärer Hypercholesterinämie durch Gemfi- brozil) wurde gezeigt, dass die Redukti- on des primären Endpunktes der Studie vor allem bei Patienten mit einer Hy- perinsulinämie auftrat und dass Gemfi- A

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a b

c d

Abbildung: In-situ-Hybridisierung der PAI-1-mRNA (dunkle Punkte in a bis c) und immunhistochemi- scher Nachweis des PAI-1-Proteins (braune Farbe in d) im Endothel der Aortenwand von Kaninchen.

a) Repräsentatives Beispiel eines Kontrolltieres, b) eines mit Insulin, c) und d) eines mit Proinsulin be- handelten Tieres. Unter Insulin- und Proinsulinbehandlung zeigt sich eine Zunahme der Expression des PAI-1-Gens (b und c).

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brozil neben den Lipoproteinen auch die endogene fibrinolytische Aktivität günstig beeinflusste (13, 41). Andere experimentelle Untersuchungen zeig- ten eine Hemmung der PAI-1-Synthese durch die Fibrate Gemfibrozil und Fe- nofibrat auch in kultivierten vaskulären Endothelzellen (26).

Mit den vorliegenden Ergebnissen experimenteller und klinischer Unter- suchungen ergibt sich somit zur primären und sekundären Prophylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen fol- gende klinische Perspektive: Neben der Beeinflussung etablierter und anderer neuer kardiovaskulärer Risikofaktoren kommt der Normalisierung der erhöh- ten PAI-1-Aktivität bei den hyperinsu- linämischen Erkrankungen Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas und essenzi- elle arterielle Hypertonie eine zuneh- mende Bedeutung zu. Durch eine Ver- ringerung der Hyperinsulinämie bevor- zugt durch Glitazone und durch eine Hemmung der stimulierten PAI-1-Syn- these durch Fibrate und deren Ab- kömmlinge wird sich eine pathologisch erhöhte PAI-1-Aktivität im Plasma bei diesen weit verbreiteten Erkrankungen günstig beeinflussen lassen. Neueste Studien haben gezeigt, dass die Glitazo- ne über den nukleären Rezeptor PPAR-g, die Fibrate über den nu- kleären Rezeptor PPAR-awirken. Vor diesem Hintergrund lassen die zurzeit laufenden präklinischen Studien mit kombinierten PPAR-a/PPAR-g-Agoni- sten weitere Fortschritte bei der Re- duktion des kardiovaskulären Risikos bei Erkrankungen des metabolischen Syndroms erwarten.

Manuskript eingereicht: 30. 1. 2001, revidierte Fassung angenommen: 6. 7. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 354–364 [Heft 6]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Nordt Medizinische Universitätsklinik Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg E-Mail: nordt@mm31.ukl.uni-freiburg.de

Der Morbus Alzheimer ist ein histolo- gisch klar umrissenes Krankheitsbild, bei dem sich um Plaques entzündliche Infiltrate finden, die möglicherweise durch nichtsteroidale Antirheumatika gebremst werden können.

Die Autoren führten eine Analyse bei 6 989 Patienten im Alter von 55 Jahren und älter durch, die initial keine Hinwei- se auf eine Demenz boten. Während ei- ner Beobachtungszeit von 6,8 Jahren entwickelten 394 Patienten eine De- menz, 293 einen Morbus Alzheimer, 56 eine vaskuläre Demenz und 45 andere Demenzformen. Analysiert wurde, ob eine Assoziation zwischen der Einnah- me von nichtsteroidalen Antirheuma- tika und dem Auftreten demenzieller Syndrome bestand, wobei die NSAR- Einnahme in drei Gruppen analysiert wurde: kurzfristige Einnahme (1 Monat oder kürzer), mittelfristige Einnahme (1 bis 24 Monate) und langfristige Einnah-

me (mehr als 24 Monate). Das relative Risiko für einen Morbus Alzheimer be- trug 0,95 bei kurzfristiger NSAR-Ein- nahme, 0,83 bei mittelfristiger Einnah- me und 0,20 bei langfristiger Einnah- me, wenn Alter, Geschlecht, Bildungs- stand, Nikotinkonsum sowie Einnahme von ASS, H2-Blockern, Antihypertoni- ka und Blutzucker senkenden Substan- zen berücksichtigt wurden.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine langfristige Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika vor ei- nem Morbus Alzheimer, nicht jedoch vor einer vaskulären Demenz schützen kön-

nen. w

In’t Veld B A, Ruttenberg A, Stricker B H C et al.: Non- steroidal antiinflammatory drugs and the risk of Alzhei- mer’s disease. N Engl J Med. 2001; 345: 1515– 1521.

Dr. B. H. C. Stricker, Department of Epidemiology and Biostatistics, Erasmus Medical Center, P. O. Box 1738, NL 3000 DR Rotterdam, Niederlande.

Rheumamittel schützen vor Alzheimer

Referiert

Die Ergebnisse der Fibrinolyse beim akuten Myokardinfarkt werden durch eine zusätzliche medikamentöse Thera- pie zur Offenhaltung des Infarktge- fäßes und Verhinderung eines erneuten thrombotischen Verschlusses verbes- sert. Neben der etablierten Therapie mit unfraktionierten Heparinen, die mit einer relativen Blutungsgefährdung des Patienten einhergeht, werden nun auch Kombinationen mit niedermole- kularen Heparinen und Glykoprotein- IIb/IIIa-Inhibitoren eingesetzt. Welche Therapiekombination die größte Effek- tivität und das günstigste Sicherheits- profil aufweist, ist derzeit noch offen.

In der großen, weltweit durchgeführ- ten Multicenterstudie ASSENT-3 wur- den 6 095 Patienten mit akutem Myo- kardinfarkt eingeschlossen. Der erste Therapiearm bestand aus Tenecteplase mit niedermolekularem Heparin (Eno- xaparin), der zweite Therapiearm aus einer halben Dosierung von Tenecte-

plase, gewichtsadaptiertem unfraktio- nierten Heparin sowie einer zwölfstün- digen Abciximab-Infusion. Als Kon- trollarm diente eine Therapie mit Tenecteplase und gewichtsadaptiertem unfraktionierten Heparin.

Sowohl bezüglich erneuter kardiovas- kulärer Ereignisse als auch bezüglich un- erwünschter Nebenwirkungen waren die Therapiearme mit niedermolekula- rem Heparin (Enoxaparin) oder mit den GIIb/IIIa-Antagonisten der Standard- therapie signifikant überlegen. Auf- grund der eindeutig einfacheren Hand- habung empfehlen die Autoren, bei aku- tem Myokardinfarkt der Thromboly- setherapie mit Tenecteplase und Enoxa- parin den Vorzug zu geben. acc The assessment of the safety and efficacy of a new thrombolytic regimen (ASSENT)-3 Investigators. Lancet 2001; 358: 605–613.

Prof. de Werf, Department of Cardiology, Gasthuisberg Uni- versity Hospital, Herestraat 49, B-3000 Leuven, Belgien.

Tenecteplase, Enoxiparin und Abciximab bei akutem Myokardinfarkt

Referiert

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