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Archiv "Nitrattherapie bei koronarer Herzkrankheit" (19.03.1981)

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Nitrattherapie

bei koronarer Herzkrankheit

Wolfgang Schneider, Wulf-Dirk Bussmann und Martin Kaltenbach

Aus dem Zentrum der Inneren Medizin, Abteilung für Kardiologie (Leiter: Professor Dr. med. Martin Kaltenbach)

am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

Seit vielen Jahren spielen organische Nitrate in der Therapie der Angina pectoris eine führende Rolle. Ihre Wirk- samkeit ergibt sich aus dem extrakardialen Angriff am Gefäßsystem mit Senkung der Vor- und Nachbelastung des Herzens. Neben der klassi- schen Indikation bei der Angi- na pectoris werden Ni- trate heute auch beim Lungenödem und teilweise bei der chronischen Herzin- suffizienz eingesetzt.

Organische Nitrate, das heißt Ester der Salpetersäure mit ein- oder mehrwertigen Alkoholen (Darstel- lung 1) sind seit über 100 Jahren in der Therapie kardialer Erkrankun- gen, insbesondere der Angina pec- toris bekannt. Amylnitrit als Ester der salpetrigen Säure hat heute sei- ne frühere Bedeutung eingebüßt.

Nitroglycerin als Schlüsselsubstanz der Nitrate wird meist sublingual verabreicht und zur Prophylaxe des Einzelanfalles und zur Anfallskupie- rung angewandt.

1. Pharmakologische Aspekte der oralen Nitrattherapie Mit der Einführung oral applizierba- rer Nitrate, insbesondere des Isosor- biddinitrates (ISDN), das 1940 bis 1950 entwickelt wurde, entstanden erhebliche Meinungsverschieden- heiten über die Effektivität dieser Therapie, da das Medikament nach intestinaler Resorption einem star- ken „first-pass-Effekt" unterliegt und durch die Leberpassage zer- stört werde (26, 31, 61, 78)*). So konnte sowohl nach oraler wie auch portaler Applikation niedrig dosier- ter Nitrate nur eine geringe Konzen- tration dieser Substanzen im Blut gefunden werden; ein klinischer Ef- fekt fehlte (79). Spätere, vor allem klinische Untersuchungen belegten jedoch eindeutig die Wirksamkeit oral verabreichter Nitrate (2, 15, 21).

So konnte für oral appliziertes ISDN eine dosisabhängige Wirkung über 4 bis 8 Stunden auf die Kreislaufpara- meter nachgewiesen werden (33).

Zwar sind die Plasmaspiegel bei sublingual appliziertem ISDN dop- pelt so hoch wie die der oral gegebe- nen Substanz, jedoch kann dieser Nachteil durch die höhere orale Do- sis ausgeglichen werden, zumal eine lineare Beziehung zwischen der ver- abfolgten Dosis und der erreichten Plasmakonzentration besteht (5).

Das Kernproblem der oralen Nitrat- therapie stellt die hepatische Bio- transformation über die Glutathion- S-transferase (EC 2.5.1.18) dar, die als Intermediärprodukte die beiden Mononitrate 5-lsosorbidmononitrat (5-ISMN) und 2-lsosorbidmononitrat (2-ISMN) entstehen läßt (26). Die bei- den Metabolite sind bei niedriger (5 mg) und hoher (360 mg) ISDN- Dosis im Blut in höherer Konzentra- tion und länger nachweisbar als ISDN (31). Sie stimmen bezüglich ih- res Wirkungsprofiles mit ISDN über- ein (31), ihre Wirkung ist aber schwächer als die der Muttersub- stanz. Über die isodynamischen Do- sen liegen noch keine genauen An- gaben vor.

Eine Weiterentwicklung der oralen Nitratpräparate war die Einführung von Retardpräparaten, deren Wir- kung auf der protrahierten Wirk- stofffreisetzung mit gleichmäßigen

Plasmaspiegeln und Begleitwirkung durch die Metabolite beruht (15, 27).

Der Langzeiteffekt von Retardpräpa- raten der ISDN ist inzwischen akzep- tiert, die Frage der Dosis und Wir- kungsstärke ist teilweise noch offen (2, 7).

2. Der Wirkungsmechanismus der Nitrate

Über die Angriffspunkte der Nitrate im Organismus herrscht weitgehend Übereinstimmung: Grundwirkung der Nitrate ist eine Relaxation der glatten Muskulatur (14). Bezüglich der Wirkung am Gefäßsystem gibt es segmentale und regionale Unter- schiede (17). So kommt es durch Nitrate zu einer starken Vasodilata- tion der großen postkapillären Kapa- zitätsgefäße und damit einherge- hend zu einer Senkung der Vorbela- stung (preload) des Herzens (14, 17).

Daneben wird die Komponente des Auswurfwiderstandes, die durch die begrenzte Dehnbarkeit (Elastizität) der Aorta bedingt ist (Windkessel- funktion) bei gleichbleibendem arte- riellen Mitteldruck und peripheren Widerstand durch Nitroglycerin um einen Betrag von etwa 20 Prozent reduziert. Durch intravenös appli- ziertes ISDN kommt es zu einer Sen- kung der Vorbelastung um 45 Pro- zent und einer geringeren Abnahme

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 12 vom 19. März 1981 563

(2)

H 2 C-0—NO 2 H.-C

HC—O—NO 2 HC-0—NO 2 1 '

I i

H 2C-0—NO 2 CH

, 0

Nitroglyzerin HG

(Glyceryl-Trinitrat)

°

02N-0-CI H CH2 Isosorbid-Dinitrat 1-1 2C-0—NO 2

HC-0—NO 2 HC—O—NO 2 H 2 C-0—NO 2

Erythrityl-Tetranitrat H 2 C-0—NO 2

0 2 N-0—CH 0 2 N-0—CH

0 2 N-0—H 2 C CH 2-0—NO 2 HC-0—NO 2

/C\ HC-0—NO 2

0 2 N—O—H 2C \

CH 2-0—NO 2 H 2C—O—NO 2

Pentaerythrit-Tetranitrat Mannitol-Hexanitrat

CH 2CH 2-0—NO 2 N—CH 2CH 2-0—NO 2 CH 2CH 2-0—NO 2

2H 3 PO4 Trolnitrat

Tabelle 1: Zusammenfassung der wesentlichen Nitratwirkungen:

Die Hauptmerkmale der Nitratwirkung bestehen in einer Abnahme der Vorbelastung (preload) durch Senkung des Füllungsdruckes und in einer Verminderung der Nachbelastung (afterload) durch Sen- kung des elastischen Widerstandes.

Verminderung Füllungsdruck

der Herzgröße

Vorbelastung Wandspannung

Verminderung Aortendruck (1)

der peripherer Widerstand (I)

Nachbelastung elastischer Widerstand I

Verbesserung der regionalen Myokarddurchblutung

Füllungsdruck Wandspannung

wirksamer koronarer Perfusions- druck

Darstellung 1: Strukturformeln der in der Therapie der koronaren Herzkrankheit verwendeten organischen Nitrate

der Nachbelastung des Herzens (af- terload), deren Umfang mit etwa 7 Prozent berechnet wurde (17, 22, 23) (Tabelle 1).

Am Koronargefäßsystem kommt es unter Nitraten zu einer Dilatation der großen extramuralen Gefäße (1). Die Gesamtdurchblutung des Myokards nimmt jedoch eher ab (17, 21).

Dieser Durchblutungsabnahme, die sich am besten in gesunden Gefäß- gebieten nachweisen läßt, steht ei- ne leichte Durchblutungszunahme oder eine Konstanz der Durchblu- tungsgröße in Myokardbezirken, die von stenosierten Gefäßen versorgt werden, gegenüber (28), so daß es zu einem Ausgleich des Blutflusses in beiden Gefäßbezirken kommen kann.

Durch eine Zunahme der myokardia- len Wandbewegung unter Nitraten, die sich bei Hypokinesien häufig, bei Akinesien selten und bei Dyskine- sien nie nachweisen läßt (28), kann eine reversible von einer irreversi- blen Kontraktionsstörung und damit ischämisches Myokard vom Narben- gewebe getrennt werden (28). Ver- schiedentlich wurde auch über eine positiv-inotrope Wirkung der Nitrate (32) und auf der anderen Seite über eine mögliche negativ-inotrope Wir- kung berichtet (11). Bei der Beurtei- lung inotroper Nitratwirkungen sind jedoch die extrakardialen Effekte zu berücksichtigen, die über die geän- derten Druck- und Volumenverhält- nisse in bestimmten Fällen eine Kon- traktionssteigerung zur Folge haben (23). Im therapeutischen Dosisbe- reich spielen die inotropen Eigen- schaften der Nitrate jedenfalls keine Rolle (21).

Bezüglich des molekularen Wir- kungsmechanismus wurde die Vor- stellung entwickelt, daß Nitrate den transmembranösen Calciumein- strom an der depolarisierten Mem- bran der Muskelzelle hemmen, das heißt mit der elektromechanischen Koppelung interferieren (12). Neuere Arbeiten schreiben die vasocNatato- rische Wirkung der Nitrate einer cal- ciumunabhängigen Hemmung des Chloridefflux aus der Zelle zu (18).>

(3)

5 min nach 0,8 mg Nitroglyzerin s.l.

mmHg 40 -

0

Angina-pectoris- Anfall

5 Min. nach 1 Kps.

Nitrolingual

Darstellung 2 a: (oben) Nitroglycerinwir- kung auf die Drücke im linken Ventrikel und in der Aorta im Angina-pectoris-An- fall — Oben: Pathologisch erhöhter links- ventrikulärer enddiastolischer Füllungs- druck während eines spontanen Angina- pectoris-Anfalles — Unten: Abnahme des enddiastolischen Iinksventrikulären Fül- lungsdruckes und Verkleinerung der Blutdruckamplitude infolge Elastizitäts- zunahme der Windkesselgefäße nach Ni- troglycerin

Darstellung 2 b: (rechts) Beeinflussung des linksventrikulären enddiastolischen Füllungsdruckes im Angina-pectoris-An- fall durch Nitroglycerin. (Die systolischen Ventrikeldrücke sind wegen des gewähl- ten Druckbereiches nicht dargestellt)

—Links:

Pathologisch erhöhter linksventri- kulärer Füllungsdruck im Angina-pecto- ris-Anfall — Rechts: Senkung des links- ventrikulären Füllungsdruckes durch Ni- troglycerin

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom 19. März 1981 565

(4)

Darstellung 3: Die Änderung der intramyokardialen Blutverteilung durch Nitroglycerin (NG) im Angina-pectoris-Anfall (Die Zahlen bedeuten den mittleren Druck im Koronar- gefäßsystem beziehungsweise den enddiastolischen Druck im linken Ventrikel [EDP]

in mmHg) — Oben: Zustand der Ischämie mit hohen enddiastolischen Drücken im linken Ventrikel (Ischämischer Bezirk schraffiert dargestellt) — Unten: Die Senkung des enddiastolischen Füllungsdruckes durch NG führt zu einer Verbesserung der Durchblutung im poststenotischen Versorgungsbereich (Nach Pitt, 84)

Für die verschiedenen Nitrate wur- den Wirkungsunterschiede bezüg- lich der Beeinflussung hämodyna- mischer Parameter herausgearbei- tet. Insbesondere wurde dem Nitro- prussidnatrium (NNP) eine stärkere Senkung des peripheren System- druckes und dem ISDN eine stärkere Senkung des links- und rechtsventri- kulären Füllungsdruckes zuge- schrieben (13)

3. Klinische Aspekte der Nitrattherapie

In der klinischen Anwendung konnte die ursprünglich auf die Kupierung des Angina-pectoris-Anfalles be- schränkte Indikation auf die Prophy- laxe der Angina pectoris, die isch- ämiebedingte Herzinsuffizienz und den Myokardinfarkt ausgeweitet werden.

Als wahrscheinliche Indikationen sind das Cor pulmonale, die pulmo- nale Hypertonie und der kardiogene Schock im Rahmen eines Myokard- infarktes zu nennen (16).

3.1 Angina pectoris

Die Wirkung der Nitrate bei der koro- naren Herzkrankheit geht von der Vorstellung aus, daß es im Angina- pectoris-Anfall durch Störungen des Kontraktions- und Relaxationsab- laufes zum Anstieg des enddiastoli- schen Druckes kommt, welcher die extravasale Komponente des Koro- nararterienwiderstandes widerspie- gelt (28).

Somit entsteht eine zusätzliche lschämie der subendokardialen Myokardschichten (Darstellung 2).

Durch die oben beschriebenen peri- pheren Nitratwirkungen kommt es zu einer Reduktion der extravasalen Komponente des Koronararterienwi- derstandes und damit zu einer bes- seren Durchblutung der unterver- sorgten Myokardbezirke (8, 28) und einer Wiederherstellung des für die Durchblutung erforderlichen Druck- gefälles zwischen poststenotischem Gefäß und den Innenschichten des Myokards (17,21,28) (Darstellung 3).

Die beschriebenen hämodynami- schen Veränderungen können so- wohl bei Angina pectoris in Ruhe (34) als auch bei belastungsinduzier- ter Angina pectoris beobachtet wer- den (20).

Die Besserung der myokardialen Si- tuation zeigt sich in einer Senkung des Sauerstoffverbrauches des Her- zens um etwa 25 Prozent (22).

Die antianginöse Wirkung der Nitra- te kommt also in erster Linie einem peripheren vaskulären Effekt zu (22, 28), wie auch durch die Unwirksam- keit intrakoronar verabreichter Ni- trate im Angina-pectoris-Anfall be- stätigt wird (9). Im Gegensatz hierzu besteht die Wirkung der Nitrate beim Koronarspasmus in einer direkten Beeinflussung der Kranzgefäße (50, 69).

(5)

LVFPmmHg

C mg 20 mg

CO, Vmin MAP mmHg

}1 SEM

10 mg 20 mg C 10 mg 20mg

30

20

10

10 mg 20 mg PASPmmHg

- groupl LVF1:420mmHg(n=11) • pc0.05 —p<0.02-0.01

- groupil LVFP)20mmHg (n =10) •••p c0.005- 0.001 C =control

Darstellung 4: Die Wirkung von lsosorbiddinitrat (ISDN) auf die Kreislaufparameter beim frischen Herzinfarkt in Abhängigkeit vom linksventrikulären Füllungsdruck (LVFP) — Dosisabhängige Senkung des systolischen Pulmonalarteriendruckes (PASP) und des diastolischen Pulmonalarteriendruckes, der dem linksventrikulären Füllungs- druck entspricht. Das Herzzeitvolumen (CO) nimmt in der Gruppe mit erhöhten Füllungsdrücken zu, in der Gruppe mit normalen Füllungsdrücken leicht ab. Der arterielle Mitteldruck (MAP) ändert sich nicht

3.2 Ischämiebedingte Herzinsuffizienz

Die Wirkung von Nitraten auf das Fördervolumen des rechten und lin- ken Ventrikels ist nicht einheitlich.

So wurde im allgemeinen über eine Abnahme des Schlagvolumens und des Herzzeitvolumens unter Nitraten berichtet (8). Erst die Messung der kardialen Drücke konnte diese Fra- ge genauer beantworten: Bei end- diastolischen Füllungsdrücken über 20 mmHg und Zeichen der Links- herzinsuffizienz kommt es unter Ni- traten zu einer Steigerung des Herz- zeitvolumens und einer Senkung des Füllungsdruckes (2, 3). Ein- schränkend muß gesagt werden, daß diese Befunde bei Patienten mit Linksherzinsuffizienz im Rahmen ei- nes frischen Infarktgeschehens er- hoben wurden (2, 3) (Darstellung 4).

Dabei werden bei der schwe- ren Linksherzinsuffizienz (Lungen- ödem) NG-Dosen von 3-6 mg/Stun- de eingesetzt.

Neuere Befunde sprechen für eine Abnahme der Infarktgröße unter der NG-Therapie (3), während früher ei- ne Vergrößerung der Nekrosezone befürchtet wurde (24). Die Verkleine- rung der Nekrosezone wird auf eine Abnahme des linksventrikulären enddiastolischen Füllungsdruckes und eine Erhöhung des Kollateral- flusses zurückgeführt.

Im infarktbedingten kardiogenen Schock ist auch eine Kombination mit adrenergen Pharmaka (zum Bei- spiel Dopamin) möglich. Auch in der chronischen ischämiebedingten Herzinsuffizienz hat es inzwischen therapeutische Versuche mit Nitra- ten gegeben (19).

4. Hochdosierte orale Nitrattherapie

Zunehmende Bedeutung hat in der letzten Zeit die hochdosierte orale Nitrattherapie erlangt. Darunter sind Tagesdosen von 100 bis 800 mg ISDN zu verstehen (31). Neben empi- risch gewonnenen Daten über die bessere Wirksamkeit hoher Nitratdo- sen finden sich in der Literatur ein-

zelne Angaben über Dosis-Wir- kungsbeziehungen (10). So konnte unter 20 mg ISDN (Retardpräparat) eine Verbesserung der Ischämie- reaktion im Belastungs-EKG um 25 Prozent registriert werden, die über 5 Stunden konstant blieb. Die Gabe von 40 mg beziehungsweise 60 mg konnte eine Verminderung der Ischämiereaktion um 47 Prozent be- ziehungsweise 67 Prozent bewirken.

Die zugehörigen Plasmaspiegel be- trugen (Maximalwerte): 2,1 ng/ml (20 mg), 3,7 ng/ml (40 mg) und 5,5 ng/ml (60 mg) (36). In praxi heißt das, daß hohe orale Dosen von ISDN in der Lage sind, einen wirksamen ISDN-Blutspiegel von 4 bis 6 ng/ml aufzubauen (29). Ein Vergleich der ISDN-Plasmakinetik bei der hochdo- sierten Therapie zeigt für die nicht- retardierte Form einen Maximalwert DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom 19. März 1981 569

(6)

1 Stunde nach der Applikation, der deutlich über dem nach 4 Stunden beschriebenen Spitzenwert bei der Retardzubereitung liegt. Die beiden Plasmaspiegel erreichen 4 Stunden nach Applikation etwa den gleichen Wert und zeigen im weiteren Verlauf der Elimination eine sehr ähnliche Plasmakinetik.

Von Shane (1973, 1978) wird über eine allmähliche Steigerung der täg- lichen ISDN-Dosis auf 360 und 720 mg pro die bei Patienten mit ko- ronarer Herzkrankheit berichtet (30, 31). Dabei konnten Plasmaspitzen- werte für ISDN von 41 bis 224 ng/ml bestimmt werden, mit großen inter- individuellen Schwankungen, aber guter Dosis-Plasmaspiegel-Relation (31).

Bemerkenswert ist, daß bei diesen Dosen von ISDN in nichtretardierter Form persistierend hohe Plasma- spiegel für die Muttersubstanz ge- messen wurden (31). Toxizitätszei- chen konnten bei dieser hochdosier- ten Therapie nicht festgestellt wer- den (30, 31). Auch beeinträchtigt die tägliche Zufuhr hoher Dosen an ISDN die Ansprechbarkeit auf akut zugeführte Substanz nicht (7), und eine Enzyminduktion der Gluta- thion-S-transferase konnte nicht be- obachtet werden.

Ein interessantes Phänomen bei der hochdosierten Nitrattherapie ist das Auftreten eines zweiten Gipfels der Plasmakonzentration etwa 2 Stun- den nach dem ersten Gipfel, der mit einer Rückdiffusion von ISDN aus dem Gewebe erklärt wird (31).

Im Gegensatz dazu kann bei niedri- ger ISDN-Therapie (5 mg) nur ein schwacher Gipfel im Blut registriert werden, während die Metaboliten noch für mindestens 6 Stunden nachweisbar waren (22).

Die zuverlässige klinische Wirksam- keit, die bei der hochdosierten Ni- trattherapie beobachtet wird, ist am ehesten in den länger nachweisba- ren (therapeutischen) Plasmaspie- geln der Grundsubstanz (ISDN) und den hohen, nur langsam abfallenden

Spiegeln für die Mononitrate zu se- hen. Möglicherweise ist die Grund- substanz für die initiale, rasch ein- setzende Wirkung nach oraler oder sublingualer Verabfolgung von ISDN verantwortlich, während der protra- hierte Effekt den Mononitraten zuzu- schreiben ist.

Für die Beobachtung, daß die Grundsubstanz länger im Blut nach- weisbar ist, wurde folgende Erklä- rung angeboten: Die früher be- schriebene Extraktion von ISDN aus dem Pfortaderblut bei oraler Gabe durch die hepatische Biotransfor- mation („first-pass-effect"), die zu einer weitgehenden Elimination der Grundsubstanz führt, kommt in ge- wissem Umfang auch bei der hoch- dosierten Nitrattherapie zum Tra- gen. Aber hierbei wird das hepati- sche Enzymsystem durch Übersätti- gung „überspielt", und mehr Grund- substanz gelangt zu den Wirkstellen und kann über Stunden die hohe Plasmakonzentration beibehalten.

Um einen bestimmten Gipfelblut- spiegel zu erreichen, sind 10 mg der nichtretardierten Form von ISDN et- wa 30 mg der Retardform gleichzu- setzen. Dabei können bei der chroni- schen hochdosierten ISDN-Therapie (in nichtretardierter Form) sogar ge- wisse Kumulationsphänomene im Plasma beobachtet werden. Über gute Ergebnisse wurde auch bei der Verwendung hoher ISDN-Dosen bei Patienten mit schwerer Linksherzin- suffizienz berichtet.

Eigene klinische Erfahrungen mit Tagesdosen von 100 bis 200 mg ISDN in nichtretardierter Form über einen Zeitraum von etwa 3 Jahren bei mehr als 100 Patienten mit schwerer Angina pectoris auf dem Boden einer koronarangiographisch dokumentierten koronaren Herz- krankheit können die Notwendigkeit einer hochdosierten Nitrattherapie voll bestätigen. Die immer wieder beobachtete bessere Wirkung der reinen Substanz auf die Prophylaxe des ischämisch ausgelösten Herz- schmerzes im Vergleich zur gleich hoch dosierten Gabe von ISDN in Retardform kann durch die unter- schiedliche Plasmakinetik erklärt werden.

Insgesamt läßt sich die hochdosierte orale Nitrattherapie wie folgt beur- teilen:

() Viele Patienten mit Angina pecto- ris benötigen zur Anfallsprophylaxe sehr hohe Nitratdosen (160-720 mg ISDN). Die Nitrattherapie sollte also nicht als erfolglos bezeichnet wer- den, bevor die individuellen Höchst- dosen eingesetzt wurden. Als unter- ste Tagesdosis sind für die Dauer- therapie etwa 50 mg ISDN und als mittlere Richtdosis 120 bis 200 mg ISDN täglich anzusehen.

• Die Zahl der Patienten, die we- gen Nebenwirkungen, das heißt in erster Linie wegen vasodilatatorisch bedingter Kopfschmerzen, nicht mit Nitraten behandelt werden können, liegt bei der hochdosierten Therapie nicht höher als bei der niedrig do- Sieden Therapie. Auch mit dem Auf- treten toxischer Nebenwirkungen ist bei der hochdosierten Behandlungs- form nicht zu rechnen.

(1) Bei der Einstellung auf hohe Ni- tratdosen ist in der Regel eine lang- same Dosissteigerung zu empfeh- len. Dabei haben sich folgende Do- sisschritte praktisch bewährt: 15 mg

—30 mg — 60 mg — 120 mg — 240 mg

—320 mg (Tagesdosen in 3 bis 6 Ein- zeldosen).

• Die hochdosierte Nitrattherapie (ISDN) bietet Vorteile durch initial hohe Konzentrationen der Grund- substanz und durch protrahierte, hohe Plasmaspiegel der ebenfalls antianginös wirksamen Mononi- trate.

(1) Der Nachweis der Wirkung der hochdosierten ISDN-Therapie über 4 bis 8 Stunden läßt wegen der phar- makokinetischen Überlegenheit der Reinsubstanz den Einsatz von Re- tardpräparaten als entbehrlich er- scheinen.

Literatur bei den Verfassern Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Wolfgang Schneider Prof. Dr. med. Wulf-Dirk Bußmann Prof. Dr. med. Martin Kaltenbach Zentrum der Inneren Medizin Abteilung für Kardiologie Theodor-Stern-Kai 7 6000 Frankfurt 70

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