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Archiv "Statintherapie bei koronarer Herzkrankheit" (13.10.2006)

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D

ie Hypercholesterinämie ist ein wesentlicher Ri- sikofaktor zur Entwicklung kardiovaskulärer Er- krankungen (1). Durch Senkung von Cholesterin mit HMG-CoA-Reduktasehemmern (HMG-CoA, Hydro- xamethylglutaryl-CoA), den so genannten Statinen, kann das Risiko durch Reduzierung der Herzinfarktrate, der Schlaganfallshäufigkeit sowie der Sterblichkeit ver- mindert werden (2). Statine gehören weltweit zu den am häufigsten verordneten Medikamenten. In Deutschland wurden im Jahr 2004 etwa 1,355 Milliarden definierte Tagesdosen entsprechend einer täglichen Behandlung für circa 3,7 Millionen Menschen verschrieben. Durch den Ablauf des Patentschutzes für Simvastatin und Pra- vastatin im Jahr 2004 sowie durch die Festbetragsrege- lung des Jahres 2005 ist es zu großen Preisunterschieden bei den einzelnen Statinen gekommen. Dies hat erhebli- che Umwälzungen in der Verordnungshäufigkeit einzel- ner Präparate nach sich gezogen. Eine Preissenkung für Statine kann zu einer besseren Versorgung beitragen.

Die Diskussionen der letzten Monate haben jedoch zu einer Verunsicherung von Ärzten und Patienten geführt.

Daher werden hier folgende Fragen besprochen:

cWelche Patienten profitieren von einem Statin?

cWelche LDL-Zielwerte sollen im Rahmen einer Statintherapie bei koronarer Herzerkrankung ange- strebt werden?

cGibt es eine Differenzialindikation für verschie- dene Statine?

Die Darstellung erfolgt vor dem Hintergrund aller den Autoren bekannten randomisierten Studien mit Statinen, systematischen Übersichtsarbeiten und der Expertenmeinung der Klinischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.

Welche Patienten profitieren von einem Statin?

Die absolute Risikoreduktion durch eine Statinthera- pie hängt von dem globalen vaskulären Risiko eines Patienten ab. Je größer das absolute vaskuläre Risiko einer Patientengruppe ist, desto mehr vaskuläre Ereig- nisse können pro behandelten Patienten verhindert werden. Weil nur etwa 30 Prozent der vaskulären Er- eignisse durch Statine verhindert werden können, muss eine Statintherapie immer in ein Konzept einge- bunden werden, in dem alle Risikofaktoren reduziert werden. Das globale vaskuläre Risiko kann beispiels- weise mithilfe des HeartScore Germany berechnet werden (www.escardio.org). Um einen Herzinfarkt oder kardiovaskulären Tod in 15 Jahren zu verhin- ÜBERSICHT

Statintherapie bei koronarer Herzkrankheit

Ulrich Laufs, Christian Hamm, Michael Böhm

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Es wird diskutiert, welche Patienten von einer Therapie mit Statinen profitieren und welche LDL-Zielwer- te angestrebt werden sollen. Methoden: Diskussion der den Autoren bekannten randomisierten Studien, Über- sichtsarbeiten und Expertenmeinungen. Ergebnisse: Durch Senkung des Risikofaktors Cholesterin können Statine das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko und die Sterblichkeit reduzieren. Statine sind nebenwirkungs- und risikoarm.

Bei Einsatz von Statinen in Dosierungen mit gleicher LDL- Senkung gibt es bislang keinen Beleg für eine unterschied- liche Wirksamkeit auf klinische Endpunkte oder unter- schiedliche pleiotrope Effekte verschiedener Statine. Dis- kussion: Die absolute Risikoreduktion durch Statine hängt von dem individuellen Risiko des Patienten, dem LDL-Cho- lesterin vor der Therapie und der erzielten absoluten LDL- Senkung ab. Für alle Patienten mit koronarer Herzkrank- heit wird eine Senkung von Cholesterin unter 100 mg/dL durch ein Statin empfohlen. Das Prinzip der Ausrichtung ei- ner Statintherapie an Lipidzielwerten betont die Bedeutung von Lebensstilmaßnahmen (körperliche Aktivität,

Ernährung) für alle Patienten und auf jeder Stufe der The- rapie. Dtsch Arztebl 2006; 103(41): A 2714–8.

Schlüsselwörter: koronare Herzkrankheit, kardiovaskuläres Risiko, Statin, Cholesterinstoffwechsel, Lipidsenker

SUMMARY

STATIN TREATMENT IN CORONARY HEART DISEASE

Introduction: The indications for statin treatment and lipid taget levels are a matter of current debate. Methods: Dis- cussion of randomized trials, reviews and expert opinions known to the authors. Results: Lowering cholesterol via statin treatment can reduce the risk of myocardial infarc- tion, stroke, and death. At doses of equivalent cholesterol lowering, there is no evidence of differential clinical ef- fects or differential pleiotropic activity of different statins.

Discussion: The absolute risk reduction depends on indivi- dual patient risk, pre-treatment lipid levels and the abso- lute reduction of serum LDL-cholesterol. All patients with coronary artery disease benefit from lowering of LDL-cho- lesterol to < 100 mg/dL with a statin. Treatment to lipid targets emphasizes the importance of life style modifica- tion (diet, physical exercise) for all patients and on all levels of therapy. Dtsch Arztebl 2006; 103(41): A 2714–8.

Key words: coronary artery disease, cardiovascular risk, statin, cholesterol metabolism, lipid lowering drug Universitätsklinikum

des Saarlandes, Klinik für Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie und Internistische In- tensivmedizin (PD.

Dr. med. Laufs, Prof.

Dr. med. Böhm) Kerckhoff-Klinik GmbH Bad Nauheim, Abtei- lung Kardiologie (Prof.

Dr. med. Hamm)

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dern, beträgt bei einem 10-Jahres-Herzinfarktrisiko von zehn Prozent die NNT 21 (NNT, „number needed to treat“; Zahl der zu behandelnden Patienten, um ein Ereignis zu verhindern). Im Vergleich dazu liegt bei einem Globalrisiko von 30 Prozent die NNT bei 7 (3) (Tabelle). Weiterhin hängt die absolute Risikoredukti- on von der Höhe des LDL-Cholesterins vor der Thera- pie und der erzielten absoluten LDL-Cholesterinsen- kung ab. Dieser Tatsache werden durch die nach dem Risiko abgestuften Zielwerte der aktuellen Leitlinien Rechnung getragen (Kasten) (3–7).

Im Rahmen der Erstellung der nationalen Versor- gungsleitlinie für Patienten mit stabiler KHK vertrat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM) im Unterschied zu allen anderen Fachgesellschaften das Prinzip einer festen Statin-Dosierung (8). Die Expertenempfehlung aller übrigen Fachgesellschaften und internationalen Leitlinien übernehmen das Prinzip der Ausrichtung einer Statin-Therapie an Lipidzielwerten, weil das Ausmaß der LDL-Senkung mit einer Abnahme patien- tenrelevanter Endpunkte korreliert (2). Die absoluten Zahlenwerte der Empfehlungen (zum Beispiel LDL-C

< 100 mg/dL) sind nur indirekt durch prospektive Stu- dien belegt. Die Behandlung mit LDL-Zielwerten be- ruht auf der Rolle von LDL-Cholesterin in der Patho- genese der Arteriosklerose und betont eine individuel- le und maximale Risikoreduktion sowie die große Be- deutung von Lebensstilmaßnahmen (Ernährung, kör- perliche Aktivität) für alle Patienten und auf jeder Stu- fe der Therapie (3, 6, 8–10). Die LDL-Cholesterinsen- kung ist bei KHK-Patienten mit einer Verlangsamung der Arteriosklerose und Reduktion von kardiovas- kulären Ereignissen und Sterblichkeit verbunden. An- passung der Ernährung, Gewichtsreduktion und regel- mäßiges körperliches Training sollen die Basis jeder lipidmodifizierenden Therapie darstellen, sie sind aber in der Regel allein nicht ausreichend. Im Rahmen einer medikamentösen Lipidsenkung stellen Statine die Medikamente der ersten Wahl dar, weil für sie ei- ne Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Sterblichkeit belegt ist. Dies gilt für alle Patienten mit koronarer Herzkrankheit unabhängig vom Ausgangs- wert des LDL-Cholesterins. Für andere Lipidsenker (Fibrate, Anionenaustauscher, Nikotinsäurederivate, Cholesterinaufnahmehemmer) liegen zur Sekundär- prävention der KHK keine so konsistenten Daten wie für Statine vor, sie sind daher als Medikamente der zweiten Wahl anzusehen. Patienten mit Diabetes mel- litus oder Bauchaortenaneurysma sollen aufgrund ih- res hohen kardiovaskulären Risikos wie Patienten mit manifester KHK behandelt werden.

LDL-Zielwerte bei koronarer Herzerkrankung

Aktuelle Studien werfen die Frage auf, ob eine ag- gressivere Lipidsenkung auf LDL-Zielwerte < 100 mg/dL zusätzliche günstige Wirkungen vermitteln kann. Diese Überlegungen beruhen auf den im Fol- genden diskutierten Studienergebnissen.

In der MIRACL-Studie führte bei Patienten mit aku- tem Koronarsyndrom (ACS) eine Behandlung mit Atorvastatin 80 mg im Mittel zu einer Senkung von LDL auf 72 mg/dL). Im Vergleich zur Placebogruppe erreichten weniger Verum-Patienten den kombinierten Endpunkt, definiert als Tod, Herzinfarkt, Herzstillstand mit Reanimation und Notaufnahme mit objektivierter Myokardischämie. Dies entspricht einer absoluten Ri- sikoreduktion (ARR) von 2,6 Prozent und einer relati- ven Risikoreduktion (RRR) von 16 Prozent (14).

In der PROVE-IT-Studie zeigte sich bei Patienten mit ACS eine Überlegenheit einer aggressiveren Li- pidsenkung mit Atorvastatin 80 mg (im Mittel auf LDL 62 mg/dL) im Vergleich zu Pravastatin 40 mg (LDL-Senkung auf ~95 mg/dL) in Bezug auf den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt. Dieser wurde wie folgt definiert: Tod, Herzinfarkt, Kranken- hausaufnahme mit instabiler Angina, Revaskularisie- rung innerhalb von 30 Tagen und Schlaganfall. Man

ermittelte eine ARR von 3,9 Prozent und eine RRR von 16 Prozent (15). Entsprechend profitierten in Be- zug auf den kombinierten Endpunkt durch die intensi- ve im Vergleich zu der moderaten Lipidsenkung zwei von 100 Patienten mit ACS pro Jahr. Diese Studie war allerdings darauf angelegt zu zeigen, dass die Behand- lung mit Pravastatin äquivalent mit Atorvastatin ist.

Die Unterschiede waren bald nach dem Therapiebe- ginn zu beobachten. Aufgrund von Nebenwirkungen (Lebertoxizität, Unverträglichkeit) wurde bei 1,9 Pro- zent der Atorvastatin- und 1,4 Prozent der Pravastatin- Gruppe die Dosis reduziert (p = 0,2). Die Alaninami- notransferase war bei 3,3 Prozent der Atorvastatin- und 1,1 Prozent der Pravastatin-Gruppe mehr als drei- fach erhöht (p < 0,001). Bei 3,3 Prozent der Atorva- statin- und 2,7 Prozent der Pravastatin-Gruppe musste die Behandlung wegen Myalgien oder Erhöhungen der Kreatinkinase beendet werden (p = 0,23). Eine Behandlung mit Arzneimitteln, die Substrate für das Zytochrom P450 3A4 sind, war ein Ausschlusskriteri- um der Studie. Das Zytochrom P450 3A4 spielt eine wichtige Rolle für den Abbau von Atorvastatin, daher ist ein Anstieg der Nebenwirkungsrate unter Praxisbe- dingungen möglich.

Der absolute Behandlungseffekt der Statine hängt von dem vaskulären Risiko der behandelten Patienten ab. Die Tabelle zeigt die notwendige Behandlungszahl („number needed to treat, NNT“) für eine Therapie mit Statinen für 15 Jahre bei Beginn im Alter von 65 Jahren im Verhältnis zu den verhinderten Ereignissen im Alter von 80 Jahren in Abhängigkeit von dem 10-Jahres-Risiko.

Modifiziert nach NCEP ATP; NIH Publication No. 02-5215 TABELLE

NNT für Statintherapie bei unterschiedlichem Risiko 10-Jahres-Risiko NNT Tod NNT Herzinfarkt NNT

(Prozent) durch KHK Tod durch KHK KHK-Ereignisse

10 42 21 10

20 20 10 5

30 13 7 3

40 10 5 1–2

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In der A-to-Z-Studie wurden ebenfalls Patienten mit ACS eingeschlossen. Man verglich hier eine schnelle Lipidsenkung mit Simvastatin 40 mg für ei- nen Monat, gefolgt von Simvastatin 80 mg mit einer verzögerten Lipidsenkung, indem vier Monate ein Placebo, anschließend Simvastatin 20 mg verabreicht wurde. In Bezug auf den primären kombinierten End- punkt mit den Parametern kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Krankenhausaufnahme mit akutem Koro- narsyndrom und Schlaganfall war die schnelle Lipid- senkung nicht signifikant überlegen (16). Verschiede- ne Subgruppenanalysen demonstrierten jedoch einen Trend zugunsten der früheren und intensiveren Be- handlung.

Unterstützt werden die erwähnten Ergebnisse durch die TNT-Studie, an der im Unterschied zu PROVE-IT Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit teilnah- men (17). Man verglich Atorvastatin 10 mg (LDL- Sen- kung auf 101 mg/dL) mit Atorvastatin 80 mg (LDL- Senkung auf 77 mg/dL). Beide Interventionen waren wirksam; der kombinierte Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, Herzstillstand mit Reanimation und Schlaganfall) wurde in der Atorvastatin-10-mg-Gruppe in 10,9 Prozent der Fälle erreicht. Im Vergleich zu 10 mg reduzierte 80 mg Atorvastatin das Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses um 2,2 Prozent auf 8,7 Prozent (RRR: 22 Prozent, NNT: 80 mg versus 10 mg:

etwa 1 pro 200 pro Jahr). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch die Autoren der ALLIANCE-Studie (18) und der REVERSAL-Studie (19), in denen ein koronar- morphologischer Endpunkt maßgeblich war.

Die IDEAL-Studie verglich Simvastatin 20 mg (LDL-Senkung auf 104 mg/dL) mit Atorvastatin 80 mg (LDL-Senkung auf 81 mg/dL) in der Sekundär- prävention bei 8 888 Patienten mit einem Herzinfarkt in der Vorgeschichte über 4,8 Jahre (20). Beide Strate- gien waren wirksam, der kombinierte primäre End- punkt aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt und Herzstillstand mit Reanimation wurde unter Simva- statin nur bei 10,4 Prozent der Patienten erreicht. Die- se Rate ist verglichen mit der 4S-Studie gering. Hier erreichten den Endpunkt „major coronary event“ in der 4S-Placebogruppe 28 Prozent unter Simvastatin

19 Prozent (21). Unter Atorvastatin 80 mg erreichten 9,3 Prozent den primären Endpunkt. Die Differenz zur Simvastatin-Gruppe war nicht signifikant unter- schiedlich (ARR: 0,9 Prozent, RRR: 11 Prozent, p = 0,07). In Bezug auf die sekundären Endpunkte nicht- tödlicher Myokardinfarkt (ARR: 1,2 Prozent, RRR:

17 Prozent) und koronare Revaskularisierung (ARR:

3,7 Prozent, RRR: 13 Prozent) war Atorvastatin überlegen. Die NNT für Atorvastatin 80 mg versus Simvastatin 20 mg für den kombinierten Endpunkt kardiovaskuläres Ereignis errechneten die Autoren mit etwa 2,6 pro 200 pro Jahr. Dies bedeutet, dass von 200 mit Atorvastatin 80 mg behandelten Patienten pro Jahr 2,6 im Vergleich zu 200 mit Simvastatin 20 mg behandelten profitierten.

Zusammengefasst bestätigen diese Studien, dass al- le Patienten mit koronarer Herzkrankheit mit einem Statin behandelt werden sollten. Einzelne Patienten mit hohem vaskulärem Risiko, insbesondere unter den Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom, profi- tieren von einer früheren und aggressiveren LDL-Sen- kung < 70 mg/dL. Für die große Gruppe der Patienten mit stabiler KHK ist der absolute Vorteil einer aggres- siveren Therapie im Vergleich zu einer „moderaten“

LDL-Senkung geringer ausgeprägt und bisher nicht eindeutig nachgewiesen. Für individuell zu identifi- zierende Patienten stellt ein LDL < 70 mg/dL jedoch ein sinnvolles therapeutisches Ziel dar (Kasten) (9).

Die noch ungelöste Herausforderung für die klinische Umsetzung besteht darin, diese Patienten zu identifi- zieren, womit die Frage nach validierten Instrumenten oder Markern zur Risikostratifizierung von Patienten mit bereits manifesten arteriosklerotischen Gefäßer- krankungen aufgeworfen wird. Bei der Identifizie- rung von einzelnen Hochrisikopatienten besteht ein ärztlicher Ermessensspielraum. Infrage kommen zum Beispiel Patienten mit rascher Progression einer sym- ptomatischen Koronarsklerose und Patienten mit multiplen oder unzureichend kontrollierten Risiko- faktoren. Weitere ungeklärte Punkte für die Praxis sind die notwendige Dauer einer aggressiven Statin- Dosierung nach einem akuten Koronarsyndrom und der Stellenwert der Kombination von Statinen mit an- deren lipidsenkenden Pharmaka.

Keine klinischen Unterschiede bei äquipotenten Dosen

Pharmakologie

Statine hemmen den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der endogenen Cholesterinsynthese, die De- acylierung von HMG-CoA zu Mevalonsäure durch die HMG-CoA-Reduktase (22). Alle Statine besitzen den- selben Wirkmechanismus: die kompetitive Hemmung der HMG-CoA-Reduktase durch Blockade der Bin- dungsstelle für HMG CoA (23). Die Hemmung der Cholesterinsynthese in der Leber führt zu einer Hoch- regulation der hepatischen LDL-Rezeptoren und da- durch zu einer vermehrten Aufnahme von LDL-Cho- lesterin aus dem Blut (24). Nach derzeitigem Kennt- nisstand werden die unerwünschten Wirkungen eben- KASTEN

Zielwerte bei Hypercholesterinämie

< 160 mg/dL (4,1 mmol/L) ohne zusätzliche Risikofaktoren

< 130 mg/dL (3,4 mmol/L) mit Risikofaktoren und einem 10-Jahres-Risiko von 10 bis 20 Prozent

<100 mg/dL (2,6 mmol/L) bei koronarer Herzkrankheit oder äquivalentem Risiko (Diabetes mellitus, Bauchaortenaneurysma)

< 70 mg/dL als therapeutische Option bei hohem Risiko, beispielsweise bei akutem Koronarsyndrom

Sekundäre Lipidwerte: HDL > 35 mg/dL, Triglyzeride < 200 mg/dL

NCEP-Report, Circulation 2004; 110: 227–39

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falls durch die Hemmung der HMG-CoA-Reduktase vermittelt. Die neueren, synthetischen Statine (zum Beispiel Atorvastatin, Rosuvastatin) sind im Ver- gleich zu den älteren Präparaten (wie Lovastatin) durch eine bessere Bindung innerhalb der HMG-Bin- dungstasche gekennzeichnet und sind daher potentere Hemmer der HMG-CoA-Bindung (23). Statine unter- scheiden sich somit in ihrer auf die Substanzmenge bezogenen relativen Wirkungsstärke, nicht jedoch in ihrem Wirkmechanismus. Weiterhin unterscheiden sich die Statine in Bezug auf ihre Wasserlöslichkeit und Pharmakokinetik. Weil Statine vorwiegend in der Leber wirken, ist die systemische Plasmakonzentrati- on für die lipidsenkende Wirkung nach derzeitigem Kenntnisstand klinisch von untergeordneter Bedeu- tung.

Unerwünschte Wirkungen

Leichtere gastrointestinale Störungen und Kopf- schmerzen werden sowohl nach Gabe von Statinen als auch unter Placebo von etwa zehn Prozent angegeben.

Bei 20 bis 30 Prozent der Patienten erhöhen sich die Kreatinkinaseaktivität und die Serum-Transaminasen.

Sie sind in der Regel nach Absetzen der Therapie re- versibel und erfordern oft keinen Therapieabbruch, wenn sie nicht das Zehnfache beziehungsweise das Dreifache der Norm überschreiten. In seltenen Fällen kann sich eine schwere Myopathie bis hin zur Rhab- domyolyse entwickeln (2, 3, 5, 25). Weitere seltene unerwünschte Wirkungen sind schwere Leberschä- den. Daher sind Statine bei aktiven Lebererkrankun- gen, Cholestase und Myopathien sowie – aufgrund mangelnder Erfahrungen – in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert.

Die Wirkstoffe Atorvastatin, Lovastatin und Sim- vastatin werden über das Zytochrom P450 Isoenzym 3A4 abgebaut. Fluvastatin wird vor allem über das Isoenzym CYP 2C9 verstoffwechselt, Pravastatin wird unabhängig von 3A4 und 2C9 über „organic an- ion transporting polypeptide“ (OATP) beziehungs- weise über MRP2-Transportproteine (MRP2, „multi- drug resistance-protein“) eliminiert. Eine Hemmung des Zytochrom P450 beispielsweise durch andere Pharmaka erhöht die Konzentration von 3A4-abhän- gigen Statinen. Besondere Vorsicht ist daher in der Kombination von 3A4-abhängigen Statinen mit Ma- krolidantibiotika, Azol-Antimykotika, HIV-Protease- Inhibitoren, Cyclosporin oder auch Pampelmusen- saft geboten. Eine Kombination von Statinen mit Gemfibrozil führt zu einer erheblichen Steigerung der Plasmaspiegel (Hemmung von Transportproteinen) und ist daher kontraindiziert. In den ersten Behand- lungsmonaten, bei Dosiserhöhung und potenziellen Interaktionen sind Kontrollen der Kreatinkinaseakti- vität und der Serum-Transaminasen indiziert. In schwierigen Therapiesituationen sollte die Vorstel- lung in einer Spezialambulanz für Fettstoffwechsel- störungen erwogen werden.

Fazit: Statine haben sich bisher auch in hohen Do- sierungen unter den Bedingungen der referierten Stu-

dien für die meisten Patienten als nebenwirkungsarm erwiesen. Klinisch bedeutsame Unterschiede zwi- schen den eingeführten Substanzen bestehen bei äqui- potenter Dosierung nicht.

Keine unterschiedlichen pleiotropen Effekte

Wie aus präklinischen Studien hervorgeht, haben Sta- tine zusätzlich zu der Lipidsenkung günstige Chole- sterin-unabhängige, so genannte pleiotrope Effekte (22). Hierzu zählen insbesondere die Verbesserung der NO-abhängigen Endothelfunktion, antioxidative und antiinflammatorische Effekte sowie die Steige- rung von gefäßprotektiven Progenitorzellen. Diese Wirkungen könnten dadurch erklärt werden, dass die Hemmung der Mevalonatsynthese durch Statine nicht nur die Cholesterinsynthese, sondern auch die Formation der Intermediärprodukte des Syntheseweg- es – die Isoprenoide – vermindert. Die Isoprenoide besitzen eine wichtige Funktion im Rahmen der post- translationalen Modifikation von Signaltransduk- tionsproteinen der Rho- und Ras-Familie (22). Auch bei Menschen scheint es direkte Statin-Effekte zu ge- ben, Hinweise gibt es aus Subgruppenanalysen klini- scher Studien, Beobachtung schneller Effekte zu Be- ginn und nach Absetzen einer Statin-Therapie, der Modulation von Rho-Proteinen bei Patienten unter Statin-Behandlung und durch differenzielle vaskuläre Effekte im Vergleich zur LDL-Senkung mit Ezetimib (22, e1). Die Untersuchung Cholesterin-unabhängiger Effekte bei Menschen ist jedoch durch die Tatsache erschwert, dass Statine auch bei niedrigen LDL-Aus- gangswerten das Cholesterin weiter senken. Die pleiotropen Effekte der Statine im Tierversuch sind dosisabhängig. Weil sie ebenso wie die Hemmung der Cholesterinbildung durch die Hemmung der Mevalo- nat-Synthese vermittelt werden, ist eine stärkere Li- pidsenkung auch mit einer vermehrten pleiotropen Wirkung assoziiert. Inwieweit diese Mechanismen bei Menschen zusätzlich zur Lipidsenkung quantitativ von Bedeutung sind, kann momentan noch nicht be- antwortet werden. Die beobachtete pleiotrope Wir- kung unterstützt die Empfehlung, Statine als Lipid- senker der ersten Wahl einzusetzen. Sie unterstreichen weiterhin das Konzept des globalen vaskulären Risi- kos als Basis für eine Statinbehandlung.

Aktuell gibt es jedoch keinen eindeutigen klini- schen Beleg für differenzielle pleiotrope Effekte zwi- schen verschiedenen Statinen.

Keine Belege für differenziellen Einsatz verschiedener Statine Statine gehören zu den bestuntersuchten Arzneimit- teln in der Geschichte der Medizin. Für relevante Pa- tientengruppen liegen für Simvastatin und Pravastatin randomisierte kontrollierte Studien mit dem Endpunkt Sterblichkeit vor. Für Atorvastatin, Lovastatin und Fluvastatin) und andere ausgewählte Patientengrup- pen sind randomisierte kontrollierte Studien mit sinn- vollen kardiovaskulären Endpunkten verfügbar. Die Durchführung von Studien mit dem alleinigen End- punkt Sterblichkeit ist wünschenswert, jedoch für alle

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denkbaren Patientengruppen mit allen Statinen prak- tisch nicht durchführbar. Die Verbesserung der Le- bensqualität und Reduktion der Morbidität stellen ne- ben der Senkung der Sterblichkeit relevante Therapie- ziele dar. Da klinische Studien immer eine Subgruppe aller Patienten abbilden, ist eine Extrapolation für je- de individuelle ärztliche Handlung erforderlich. Aktu- ell gibt es keine klinischen Studien, die zwei unter- schiedliche Statine in einer Dosierung mit gleicher LDL-senkender Wirkung vergleichen.

Fazit: In Zusammenschau der vorliegenden Studien gibt es beim Einsatz von Dosierungen mit gleicher LDL-Senkung bislang keinen Beleg für eine unter- schiedliche Wirksamkeit verschiedener Statine in Be- zug auf kardiovaskuläre Endpunkte. Das Ausmaß der LDL-Senkung korreliert mit einer Abnahme patien- tenrelevanter Endpunkte.

Interessenkonflikt

PD Laufs hat Vortragshonorare oder Drittmittel erhalten von AstraZeneca, Essex, Bristol-Myers Squibb, MSD Sharp & Dohme, Novartis und Pfizer. Prof.

Hamm hat Vortragshonorare entgegengenommen von AstraZeneca, Bristol- Myers Squibb, Merck USA, MSD Sharp & Dohme und Pfizer. Prof. Böhm nahm Vortrags- und Beraterhonorare entgegen von Astra-Zeneca, Boehrin- ger-Ingelheim, Bristol-Myers Squibb, MSD Sharp & Dohme, Pfizer, Abbott, Servier, Sanofi und Aventis.

Manuskriptdaten

eingereicht: 27. 3. 2006, revidierte Fassung angenommen: 21. 8. 2006

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Anschrift für die Verfasser PD Dr. med. Ulrich Laufs Klinik für Innere Medizin III Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin Universitätsklinikum des Saarlandes 66421 Homburg/Saar

E-Mail: ulrich@laufs.com

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit4106

@

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Statintherapie bei koronarer Herzkrankheit

Ulrich Laufs, Christian Hamm, Michael Böhm

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