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Archiv "Statintherapie bei koronarer Herzkrankheit: Der Titration ist zu widersprechen" (09.02.2007)

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A356 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 6⏐⏐9. Februar 2007

M E D I Z I N

Wenn wir es geschafft haben, Hochrisiko-Patienten – auch bei normalen oder niedrigen LDL-Werten – mit evidenzbasierter Standarddosis zu versorgen, kann man über teuren „Labor-Barock“ diskutieren.

LITERATUR

1. LaRosa JC, Grundy SM, Waters DD, Shear C, Barter P, Fruchart JC et al.: Intensive lipid lowering with atorvastatin in patients with sta- ble coronary disease 1. N Engl J Med 2005; 352(14):1425–35.

2. MRC/BHF Heart Protection Study of cholesterol lowering with sim- vastatin in 20,536 high-risk individuals: a randomised placebo- controlled trial. Lancet 2002; 360(9326): 7–22.

Prof. Dr. med. Norbert Donner-Banzhoff, M.H.Sc.

Abteilung für Allgemeinmedizin Präventive und Rehabilitative Medizin Philipps-Universität Marburg 35032 Marburg

E-Mail: Norbert@med.uni-marburg.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Nutzen für über 70-Jährige unklar

Hausärzte und niedergelassene Kardiologen tragen als Verordner die medizinische und wirtschaftliche Ver- antwortung für eine Statintherapie. Aus diesem Grund drängen sich praxisrelevante Fragen auf, die leider in dem Beitrag keinen Eingang gefunden haben:

Ist es denn wirklich so, dass jeder Patient mit mani- fester KHK der Statintherapie bedarf? Für Patienten über 70 Jahre ist ein Nutzen bisher völlig unklar. Evi- denzbasierte Aussagen dazu liegen derzeit nicht vor (Hausärztliche Leitlinie Fettstoffwechselstörung der Leitlinien-Gruppe Hessen vom 1. März 2006). In den hausärztlichen Praxen sind diese Patienten die Schwer- punktgruppe mit manifester KHK.

Noch problematischer wird es, wenn man in dem Artikel liest, dass „Patienten mit Diabetes mellitus auf- grund ihres hohen kardiovaskulären Risikos wie Pati- enten mit manifester KHK behandelt werden sollen“.

Für die große Gruppe der Diabetiker heißt das doch, dass sich jeder Patient unabhängig vom sonstigen Risi- koprofil bei dem ich an zwei unterschiedlichen Tagen einen Nüchternblutzucker > 7,0 mmoL/L messe (ent- spricht diagnostischem Kriterien des Typ-2-Diabetes nach Handbuch DMP-Diabetes mellitus) und der trotz gesundem Lebensstil einen LDL- Wert > 2,6 mmoL/L hat, einer Statintherapie unterziehen muss. Oder an- ders ausgedrückt, jeder diätetisch geführte Typ-2-Dia- betiker mit LDL > 2,6 mmoL/L bekommt ein Statin.

Hier steht nicht nur das Kostenproblem zur Debat- te, sondern es stellt sich auch die Frage nach dem Nut- zen solcher pauschalen Indikationsstellungen ohne Berücksichtigung individueller Risikofaktoren.

Dr. med. Thomas Wiermann Liebenauer Straße 4 06110 Halle an der Saale

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Der Titration ist zu widersprechen

Es ist den Autoren darin zuzustimmen, dass die Indi- kation zu dieser Behandlung am globalen kardiovas- kulären Risiko und nicht am Cholesterin oder LDL auszurichten ist. Ihrer Forderung nach Dosis-Titration zur Erreichung bestimmter LDL-Ziel-Werte ist jedoch zu widersprechen.

In den zitierten Studien HPS, PROVE-IT, TNT und IDEAL wurden fixe Statin-Dosen eingesetzt, nie wur- de nach LDL titriert. In sämtlichen Studien erreichten zudem weniger als 50 Prozent der Patienten überhaupt ein LDL von < 70 Prozent. Wenn es keine Interventi- ons-Studien als Beleg für die Dosis-Titration gibt, könnte man auf Kohorten-Studien ausweichen.

Für den Beleg von Korrelationen für Titrations- Empfehlungen eignen sich die Kontroll-Gruppen der Interventions-Studien wegen des starken Selektions- Effektes jedoch nur sehr eingeschränkt. Kohorten- Studien müssen zudem per Protokoll ausgewertet werden, während die Interventions-Studien nach dem

„Intention-to-treat“-Prinzip bewertet wurden. Verlo- ren gegangene oder das Behandlungsregime wech- selnde Patienten können nicht mehr ausgewertet wer- den. Statine können zu Muskel-Schmerzen führen.

Analog könnte man nach Durchführung einer unkon- trollierten Kohortenstudie behaupten, dass Patienten mit Muskelschmerzen weniger kardiovaskuläre Er- eignisse erleiden würden als solche ohne diese.

In einer Studie über Atorvastatin bei dialysierten Diabetikern (1), also einem Hoch-Risiko-Kollektiv, nutzte das Statin trotz einer 42-prozentigen LDL-Sen- kung nicht. Nach den Daten des NCEP-Panels (2) geht eine LDL-Senkung von 220 auf 190 mg/dL mit einer deutlich geringeren absoluten Risikoreduktion als bei Absenkung von 100 auf 70 mg/dL einher – dabei ist die LDL-Senkung nur eine neben den weiterhin uner- forschten pleiotropen Statin-Wirkungen.

Die Haltung der Gesellschaft für Allgemeinmedi- zin (DEGAM), bei gegebener Indikation Statine in Fixdosis einzusetzen, kann nur unterstützt werden.

LITERATUR

1. Wanner C, Krane V, Marz W et al: Atorvastatin in patients with type 2 diabetes mellitus undergoing hemodialysis. N Engl J Med 2005;

335: 238–48.

2. Grundy SM, Cleeman JI, Brewer HB et al.: Implications of recent trials fort the National Cholesterol Education Program Adult Panel III guidelines. Circulation 2004; 110: 227–39.

Günther Egidi Huchtinger Heerstraße 41 28259 Bremen

E-Mail: familie-egidi@nord-com.net

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Schlusswort

Die Übersichtsarbeit stellt den wissenschaftlichen Hintergrund zu unserer Stellungnahme zu den aktuel- len Äußerungen des Instituts für Qualität und Wirt-

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 6⏐⏐9. Februar 2007 A357

M E D I Z I N

schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) (Dtsch Arztebl 2006; 103[34–35]: A 2252–3) dar. Wir bedan- ken uns für die Zusendung von einigen Leserbriefen zu der Übersichtsarbeit.

Zu Dr. Böhm, Prof. Dr. Donner-Banzhoff und Dr. Egidi und Dr. Wiermann

Ältere und Frauen sind in klinischen Studien leider generell unterrepräsentiert. Eine Finanzierung für ei- ne perfekte Titrations-Studie mit Statinen ist leider nicht in Sicht. Die Wirkung von Statinen bei Frauen und älteren und sehr alten Patienten ist jedoch belegt und kosteneffektiv (1). Die Abhängigkeit der Risi- koreduktion von Ausgangs-LDL und Ausmaß der LDL-Senkung ist ebenfalls zweifelsfrei nachgewie- sen (2). Hochrisikopatienten, das heißt insbesondere Patienten mit koronarer Herzerkrankung und oder Diabetes, profitieren von Statinen auch bei niedrigem Ausgangs-LDL-Cholesterin (3).

Zu Dr. Böhm

Ein Senkung der Coenzym-Q10-Konzentration unter Statinbehandlung ist beschrieben, allerdings ist ihre Bedeutung für eine Myopathie nicht klar. Eine orale Supplementation mit Coenzym Q10 ist nicht zur Prävention oder Behandlung einer Statin-Myopathie wirksam. Bei koronar stabilen Patienten mit Myopa- thie unter Statinen mit geringer CK-Erhöhung (< 5×

Normwert) wird vorgeschlagen: Statin-Medikation pausieren und andere Ursachen für Muskelschmerzen ausschließen. Arzneimittelinteraktionen müssen be- achtet werden (4). Anschließend Wiederaufnahme der Statintherapie mit sehr geringer Dosis (zum Beispiel Simvastatin 5 mg) und Hochtitration zum LDL-Ziel- wert. Bei erneuten Schmerzen unter höherer Dosie- rung und unzureichender Lipid-Senkung gegebenen- falls Kombinationstherapie einer niedrigen Statin-Do- sis mit Ezetimib erwägen.

Zu Dr. Popert, Dr. Egidi und Prof. Dr. Donner-Banzhoff

Wir unterstützen nachdrücklich die Empfehlung der DEGAM, allen Patienten mit KHK ein Statin zu emp- fehlen, weil Morbidität und Sterblichkeit reduziert werden. Wir teilen die Sorge um die Unterversorgung der Hochrisikopatienten. Durch Senkung des LDL- Cholesterin auf Zielwerte < 100 mg/dL werden über die Effekte einer festen Statin-Dosis hinaus relevante kardiovaskuläre Ereignisse verhindert. Folgt man der Empfehlung der DEGAM, würde man den Betroffe- nen eine optimale Reduktion ihres Risikos vorenthal- ten.

Im Unterschied zur Empfehlung der Deutschen Ge- sellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sehen wir eine lipidsenkende Therapie als Komponente eines ganzheitlichen Ansatz zur Risi- koreduktion, der insbesondere Lebensstil, Ernährung und körperliche Aktivität aber auch das gesamte Spektrum pharmakologischer Optionen im Dialog mit dem Patienten einbezieht. Das paternalistische „fire

and forget“-Konzept der DEGAM unterstützt eine gedankenlose Tabletteneinnahme ohne Imperativ zur individuellen Modifikation des Lebensstils. Eine Hoch- leistungsmedizin sollte unserer Meinung nach den An- spruch einer individuellen Patientenversorgung auf- recht erhalten.

Zu Dr. Traut

In der HPS-Studie betrug die absolute Risikoredukti- on für ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereig- nis 5,4 Prozent, das heißt 552 von 10 269 Patienten profitierten von Statinen innerhalb von fünf Jahren (24 Prozent relative Risikoreduktion) (3). Die positi- ven Effekte werden unterschätzt, da 85 Prozent der Verum- und 17 Prozent der Placebogruppe ein Statin einnahmen. Für den härtesten aller Endpunkte, die Lebensdauer, bedeutet dies bezogen auf eine lebens- lange Therapie für junge Menschen (40 bis 49 Jahre) mit geringem Risiko eine durchschnittliche Lebens- verlängerung um 1,7 Jahre, bei hohem Risiko um 2,5 Jahre. Selbst bei sehr alten Patienten (> 70 Jahre) ergibt sich bei geringem Risiko eine durchschnittliche Lebensverlängerung um 0,6 Jahre, bei hohem Risi- ko um ein Jahr (1, 3). Die Behandlung ist selbst bei sehr alten Patienten kosteneffektiv (1). Medizinge- schichtlich existiert nur für wenige ärztliche Maßnah- men ein der Statintherapie vergleichbarer evidenzba- sierter Wirksamkeitsnachweis. Die Negation des LDL-Cholesterin als vaskulären Risikofaktor und die Ignoranz gegenüber einer adäquaten risikoadaptierten Senkung halten wir aus ärztlicher Sicht für ethisch fragwürdig.

LITERATUR

1. Heart Protection Study Collaborative Group: Lifetime cost effectiveness of simvastatin in a range of risk groups and age groups derived from a randomised trial of 20 536 people.

BMJ 2006; 333: Epub 2006 Nov 10.

2. Baigent C, Keech A, Kearney PM, Blackwell L, Buck G, Pollicino C, Kirby A, Sourjina T, Peto R, Collins R, Simes R: Efficacy and safety of cholesterol-lowering treatment: prospective meta-analysis of data from 90,056 participants in 14 randomised trials of statins.

Lancet 2005; 366: 1267–78.

3. Heart Protection Study Group: MRC/BHF heart protection study of cholesterol lowering with simvastatin in 20,536 high-risk individu- als: a randomised placebo-controlled trial. Lancet. 2002; 360:

7–22.

4. Pasternak RC, Smith SC, Jr, Bairey-Merz CN, Grundy SM, Cleeman JI, Lenfant C: ACC/AHA/NHLBI Clinical Advisory on the use and safety of statins. Circulation 2002; 106: 1024–8.

Anschrift für die Verfasser PD. Dr. med. Ulrich Laufs Klinik für Innere Medizin III

Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin Universitätsklinikum des Saarlandes

66421 Homburg/Saar E-Mail: ulrich@laufs.com

Interessenkonflikt

PD Laufs hat Vortragshonorare oder Drittmittel erhalten von AstraZeneca, Essex, Bristol-Myers-Squibb, MSD Sharp & Dohme, Novartis und Pfizer.

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