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Archiv "Entwurf der neuen Negativliste: „Tradition mangelnder Traute“" (22.09.2000)

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P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 38½½½½22. September 2000 AA2423

D

ie neue Negativliste ist ein Mini- mäuschen. Sie bereinigt den Markt um Schrott und trägt in kei- ner Weise dazu bei, die Budgetproble- matik zu lösen.“ Geradezu erbost kom- mentierte Dr. med. Jürgen Bausch die Erweiterung der Verordnung über un- wirtschaftliche Arzneimittel, kurz Ne- gativliste genannt. Das Bundesgesund- heitsministerium (BMG) hatte am Montag mitgeteilt, man habe sie dem Bundesrat zugeleitet, der ihr noch zu- stimmen muss.

Insgesamt umfasst die überarbeitete Liste mehr als 400 Arzneistoffe oder Zu- bereitungen zusätzlich. Untergliedert ist sie in chemisch definierte Stoffe; Stoffge- mische, Enzyme und andere Zuberei- tungen aus Naturstoffen; Infusionslö- sungen; Badezusätze und Bäder; Arz- neimittel der besonderen Therapierich- tung Phytotherapie sowie Homöopathie (die Ergänzungen sind auf den Internet- seiten des Deutschen Ärzteblattes unter www.aerzteblatt.de zu finden).

Was Bausch, Arzneimittelexperte im Vorstand der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) und KV-Vorsitzen- der in Hessen, vor allem ärgert: auf der Liste sei keine der Präparategruppen zu finden, die im Arzneiverordnungs-Re- port als umstritten bezeichnet werden.

Ihm fehle der Ausschluss von Venen- präparaten, topischen Anti-Rheumati- ka, sämtlichen durchblutungsfördern- den Mittel bis hin zu Antidementiva,

„eben alles, was uns Ärzten im Arznei- verordnungs-Report immer vorgehal- ten wird“.

Bausch verweist darauf, dass Politik und Krankenkassen seit Jahren bemän- geln, die Ärzte würden vorhandene Einsparreserven nicht ausschöpfen.

Die neue Negativliste erleichtert ihnen die Budgeteinhaltung nicht und macht die Therapie nicht rationaler: „Die mit dieser Auflistung verbundene Markt-

bereinigung war längst fällig.“ Sie un- terstütze die Krankenkassen auch nicht in der Forderung, unwirtschaftliche Arzneimittel aus dem Verordnungska- talog zu eliminieren.

Anders gesagt: Ärztinnen und Ärzte können selbstverständlich von Verord- nungen absehen, die umstritten sind.

Daran hindert sie die Negativliste nicht.

Sie führt aber dazu, dass der Arzt in sol-

chen Fällen gegenüber Patienten nicht auf die Gesetzeslage verweisen kann – womit Andrea Fischer und die Bundes- regierung sich vor den Konsequenzen drücken, die sie von der Ärzteschaft re- gelmäßig einfordern.

Nicht umsonst macht das BMG auch keine konkrete Angabe zu Einsparun- gen durch die neue Negativliste. Es ist lediglich von einem Volumen in Höhe von 360 Millionen DM zu Endverbrau- cherpreisen die Rede. Bausch geht da- von aus, dass die Neuregelung höch- stens zu Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe führen wird.

Die gesetzlichen Krankenkassen sind mit der neuen Liste ebenfalls un- zufrieden. „Absolut unzureichend“, befand Wolfgang Kaesbach am Mon- tag während einer Pressekonferenz.

Kaesbach ist Abteilungsleiter Arznei- mittel beim Bundesverband der Be- triebskrankenkassen, der innerhalb der GKV-Spitzenverbände für den Bereich Arzneimittel federführend ist. Auf der Liste fänden sich im We- sentlichen Substanzen, die bereits ne- gativ monographiert seien, sagte er.

Bekanntlich sei diese Arbeit jedoch bereits vor fünf Jahren eingestellt worden, sodass die Liste überfällig sei.

Wolfgang Schmeinck, Vorstands- vorsitzender des BKK-Bundesverban- des, wurde deutlicher: „Es gibt eine unangenehme Tradition von mangeln- der Traute in der Politik.“ Schmeinck rechnete vor, dass in Deutschland noch immer knapp zwölf Prozent des GKV-Arzneimittelumsatzes auf Medi- kamente mit umstrittener Wirksam- keit entfielen. Dies sei ein Volumen von rund 4,5 Milliarden DM jährlich.

Selbst wenn ein Teil dieser Verord- nungen sinnvoll substituiert würde, ließen sich noch 2,8 Miliarden DM eingesparen.

Auch Prof. Dr. med. Bruno Müller- Oerlinghausen hat den Entwurf kriti- siert. Er ist Vorsitzender der Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzte- schaft. Die neue Negativliste bleibe in vielem hinter dem zurück, was die Arz- neimittelkommission als sinnvoll anse- he, beispielsweise bei den Phytophar- maka, sagte er. Hier hätten sich die Au- toren der Liste elegant aus der Schlinge gezogen, urteilte Müller-Oerlinghau- sen. Was die so genannte E-Kommissi- on seinerzeit positiv monographiert ha- be, fände sich nicht auf der neuen Nega-

tivliste. Sabine Rieser

Entwurf der neuen Negativliste

„Tradition mangelnder Traute“

Das Bundesgesundheitsministerium hat dem Bundesrat eine neue Negativliste zugeleitet. Die ersten Beurteilungen sind negativ.

10 Jahre Negativliste

1990 wurde erstmals eine so genann- te Negativliste nach § 34 Absatz 3 SGB V erlassen. Mithilfe dieser Ver- ordnung sollen unwirksame und da- mit unwirtschaftliche Arzneimittel von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen werden. Dies trifft zu, wenn

– sie für das Therapieziel oder zur Minderung von Risiken nicht erfor- derliche Bestandteile enthalten,

– ihre Wirkung wegen der Viel- zahl der enthaltenen Wirkstoffe nicht mit ausreichender Sicherheit beurteilt werden kann oder

– der therapeutische Nutzen nicht

nachgewiesen ist.

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