Atteste für Ausreise von DDR-Bewohnern
Nach den „Anordnungen über Regelungen im Reiseverkehr von Bürgern der DDR", die die Regierung der DDR erlassen hat, haben Bewohner der DDR und von Berlin (Ost) die Mög- lichkeit, in die Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) auszureisen, wenn ihre dort wohnenden Enkel, Kinder, El- tern und Geschwister lebensge- fährlich erkrankt sind und dies durch amtsärztliche Bestäti- gung beziehungsweise amts- ärztlich bestätigtes Attest nach- gewiesen wird.
Dies bedeutet in der Praxis:
() Der behandelnde Arzt muß ein Attest ausstellen, das a) die präzise medizinische Dia- gnose enthält und
b) die Lebensgefährlichkeit der Erkrankung ausdrücklich be- scheinigt.
49 Dieses Attest ist dem zustän- digen Amtsarzt vorzulegen, der es bestätigt. Die amtsärztliche Bestätigung muß sich
a) auf das Attest des behan- delnden Arztes insg samt und b) auf die Lebensgefährlichkeit der attestierten Erkrankung ins- besondere erstrecken.
Atteste, die nur eine „schwe- re Erkrankung" bescheinigen und/ oder keine exakte medizi- nische Diagnose enthalten, rei- chen nicht aus. Das Fehlen der entsprechenden amtsärztlichen Bestätigung führt ebenfalls zur Unwirksamkeit des Attestes.
Im Interesse der Betroffenen Patienten und ihrer Angehöri- gen bittet das Bundesministe- rium für Jugend, Familie und Gesundheit dringend darum, das vorgeschriebene Verfahren genau zu beachten, da Angehö- rige sonst nicht ausreisen kön- nen. In Zweifelsfragen emp- fiehlt sich ein Anruf beim zu- ständigen Amtsarzt. WZ Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Arzneimittel-Negativliste noch nicht spruchreif
Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat zu der vom zuständigen Arbeitsausschuß zusammengestellten sog. Negativ- liste am 19. März in Frankfurt Sachverständige der medizini- schen und pharmazeutischen Wis- senschaft und Praxis, der pharma- zeutischen Industrie und der Be- rufsvertretungen der Apotheker gehört. Dem Bundesausschuß war laut § 368 p Abs. 8 der Reichsversi- cherungsordnung (RVO) aufgetra- gen worden, unter Berücksichti- gung der Therapiefreiheit und der Zumutbarkeit für die Versicherten Richtlinien darüber zu beschlie- ßen, welche Arzneimittel oder Arz- neimittelgruppen, Verband- und Heilmittel, die ihrer allgemeinen Anwendung nach bei geringfügi- gen Gesundheitsstörungen ver- ordnet werden, nicht oder nur bei
Vorliegen besonderer Vorausset- zungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden dürfen.
Mit dieser Formulierung hat der Gesetzgeber dem Bundesaus- schuß eine nur schwer oder, wie sich bei den zukünftigen Beratun- gen herausstellen muß, mögli- cherweise nicht realisierbare Auf- gabe zugeordnet, da das Kriterium für eine solche Liste, nämlich Arz- neimittel oder Arzneimittelgrup- pen zu finden, die in der Regel bei geringfügigen Gesundheitsstörun- gen verordnet werden, sich als un- brauchbar erweist, wenn es nicht gelingt, den Begriff „geringfügige Gesundheitsstörungen" zu . defi- nieren. Eine eindeutige Begriffs- deutung muß bei verantwortungs- vollen Ärzten und Kassenvertre- tern auf außerordentliche Schwie- rigkeiten stoßen. Auch den vom Bundesausschuß hinzugezogenen Sachverständigen ist es bisher
nicht gelungen, einen Ausweg auf- zuzeigen.
Hilfskonstruktionen mit Hilfskrite- rien, die möglicherweise den Ge- setzesauftrag erfüllen, so z. B.
die Anwendung des Kriteriums
„Laienwerbung" bei der Aufstel- lung einer „Negativ"liste, werden nicht nur auf gesundheitspoliti- sche, sondern auch auf rechtliche Bedenken stoßen, wobei in einem System der freien Marktwirtschaft Auswirkungen hinsichtlich mögli- cher Wettbewerbsverzerrungen in der Argumentation nicht vernach- lässigt werden sollten.
Gelingt es dem Bundesausschuß nicht, die Liste nach § 368 p Abs. 8 RVO auf der Grundlage gesetzes- konformer Kriterien aufzustellen, wird er diesen Auftrag zurückge- ben müssen. In diesem Fall hat der Bundesminister für Arbeit und So- zialordnung auf der Grundlage des § 368 p Abs. 2 RVO die Liste aufzustellen und die Verantwor- tung zu tragen.
Die Beratungen des Bundesaus- schusses sind vertraulich. Es ist jedoch nicht gelungen, Arbeitsun- terlagen und Entwürfe, so den Entwurf der „Negativ"liste, der den Sachverständigen in Frankfurt vorgelegen hat, ausschließlich im Kreis der Mitglieder des Bundes- ausschusses und der Sachver- ständigen zu diskutieren. Die Ver- breitung des Entwurfs der „Nega- tiv"liste und inkompetente Ver- öffentlichungen darüber haben zur Verunsicherung von Ärzten und der pharmazeutischen Indu- strie geführt. Es muß daher klar- gestellt werden, daß es bisher noch keine Arzneimittel-,,Negativ- liste" nach § 368 p Abs. 8 RVO gibt. Die Beratungen in den zu- ständigen Gremien des Bundes- ausschusses werden vielmehr fortgesetzt. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hat bisher noch keine endgültigen Be- schlüsse gefaßt. Alle Aktivitäten aufgrund der bisherigen Arbeits- unterlagen in dieser Sache haben demnach keinerlei rechtliche
Grundlage. HW
1060 Heft 16 vom 19. April 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT