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Lange Zeit war die Gesundheitsversorgung in Deutschland durch eine strikte Trennung der Sek-toren geprägt. Dies hat zu Qualitätsverlusten in der Versorgung und erhöhten Kosten geführt. In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen verändert. Die Grenzen zwi-schen den Sektoren haben dadurch eine zunehmende Öffnung erfahren, da der Gesetzgeber durch verschiedene Reformen sektorenübergreifende Versorgung gefördert hat. Die neuen Möglichkeiten, sektorenübergreifende Selektivverträge zu schließen, brachten dynamische Pro-zesse zur Qualitätsverbesserung in der Versorgung und zur Kostensenkung in Gang. Darüber hinaus erfolgten durch die Einführung der DRGs erhebliche Veränderungen in der Kranken-hauslandschaft. Vor diesem Hintergrund entstand auch bei den Universitätskliniken ein erhöhter Wettbewerbsdruck.

Das Ziel dieser Arbeit war es, einen Beitrag zur Versorgungsforschung zu leisten, indem das Feld der sektorenübergreifenden Versorgung dahingehend untersucht wurde, ob es für Univer-sitätskliniken von Bedeutung ist und ob sie sich demzufolge dort positionieren sollen. Zur Errei-chung dieser Zielsetzung erörterte die Verfasserin dieser Arbeit zunächst theoretische Grundla-gen, Voraussetzungen sowie Möglichkeiten der Strategie- und Wettbewerbsforschung, Koope-rationen und Vernetzungen, Transaktionskosten, neue Versorgungsformen sowie Universitäts-kliniken im Wettbewerb.

Darüber hinaus sind empirische Analysen durchgeführt worden, mit dem Ziel, das Meinungsbild der Krankenkassen in ihrer Funktion als Abnehmer von Universitätskliniken aufzuzeigen. Die Komplexität des Themas erforderte für eine genauere Betrachtung Eingrenzungen. So sind ne-ben der Untersuchung zur allgemeinen Situation drei Fallstudien zu ausgewählten Erkrankun-gen durchgeführt worden. Ziel dabei war es, einerseits allgemeine Erkenntnisse zur sektoren-übergreifenden Versorgung und andererseits spezielle Erkenntnisse zu den Fallstudien psychi-sche Erkrankungen, Hautkrebs sowie Lebertransplantation zu liefern. Anschließend wurden hierzu Handlungsempfehlungen für Universitätskliniken abgeleitet und diskutiert. Dabei basieren die grundsätzlichen strategischen Überlegungen hauptsächlich auf den Forschungen von Porter (1999b) zu seinen Strategietypen.

So sollen die theoretischen Untersuchungen gemeinsam mit den empirischen Analysen dieser Arbeit Anwendung in den Handlungsempfehlungen zu Wettbewerbsstrategien für Universitäts-kliniken finden.

Der theoretische Teil zeigt in Abschnitt 2, dass sehr umfassende Erkenntnisse zur allgemeinen Strategie- und Wettbewerbsforschung vorhanden sind. Dieser Abschnitt ist als erster Kernteil des theoretischen Teils zu sehen. Viele Wettbewerbsforscher sprechen sich in der Literatur klar dafür aus, dass eine Strategie für eine Positionierung erforderlich ist. Daher wurden die Ziele und Feststellungen zum Umgang damit differenziert dargestellt. In diesem Zusammenhang er-folgte eine Betrachtung von Porters Wettbewerbskräften, seiner Strategietypen sowie aufbau-ender Arbeiten zu diesem Thema. Das Ergebnis zeigt, dass nach Untersuchungen der fünf Wettbewerbskräfte immer eine Entscheidung zu einem Strategietyp erforderlich ist, um nicht 'zwischen den Stühlen' zu sitzen. Im Anschluss ermöglichten Einblicke in die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen, wie z. B. durch die Schaffung neuer Produkte, optimale Anwendungs-aspekte.

Es folgt die Darstellung von Forschungen zu der viel diskutierten Rolle des Zeitpunkts eines Markteintritts. Die Strategieforschung sieht hier einen wesentlichen Stellenwert für Wettbe-werbsvorteile, auch wenn Forscher inzwischen nachweisen konnten, dass die Position des Marktpioniers keine Garantie für eine Marktführerschaft darstellt.

Daneben sind Erkenntnisse der Konkurrenzforschung und damit verbundene Analysen aufge-zeigt worden. Dies ist als wichtig angesehen worden, da eine Position im Markt auch immer ab-hängig von den Konkurrenten ist. Für dieses Vorgehen konnte gezeigt werden, dass Unterneh-men zunächst eine Eingrenzung der Wettbewerber vornehUnterneh-men sollen, damit dann in Marktfüh-rer, Angreifer, Verfolger, Mitläufer und Nischenanbieter kategorisiert werden kann. Anschlie-ßend empfiehlt es sich, Kennzahlen, wie bspw. zur Preisgestaltung, Produktplanung, Kosten-struktur, zu Umsatzzahlen oder zur Forschung und Entwicklung, zu ermitteln, damit ein Reak-tionsprofil der Konkurrenten erstellt werden kann.

Zum Abschluss des Abschnitts sind Instrumente vorgestellt worden, mit denen Unternehmen strategische Planungen, Wettbewerbs- oder Geschäftssteuerungen durchführen können.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich darüber hinaus in Abschnitt 3 mit dem in der Literatur zunehmenden Trend von Kooperationen, Netzwerken und Wachstum auch über die eigene Branche hinaus. Hierzu sind auch Kooperationsmöglichkeiten und -ansätze, die nicht mit SGB V zusammenhängen, aufgezeigt worden. Zunächst findet eine Vorstellung der Kooperationsfor-men statt. Daneben sind kurz weitergefasstere Arten von ZusamKooperationsfor-menschlüssen erläutert wor-den. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Darstellung der Ziele von Kooperationen. So bieten sich innerhalb des Gesundheitswesens eine Reihe Kooperationsmöglichkeiten entlang der Versor-gungskette an, selbst wenn die Akteure sehr verschiedene Ausgangslagen haben. Auch Netz-werke schaffen eine Grundlage für Zusammenarbeit, die z. B. in Form von strategischen Allian-zen zur Stärkenbildung, Schwächenkompensation oder Risikominimierung im Rahmen von Wettbewerbsvorteilen genutzt werden können.

In Beziehung zu Netzwerken sind Untersuchungen zu Coopetition, also dem gleichzeitigen Ko-operieren und Konkurrieren, eingeordnet worden. Diese Vorgehensweise kann dazu genutzt werden, um die Wettbewerbssituation zu verändern. Das tun Unternehmen, indem sie komple-mentäre Produkte oder Dienstleistungen auf dem Markt einführen. So werden beide Produkte

attraktiver. Dabei erweitern Unternehmen folglich einen Markt, statt direkte Konkurrenzangebote zu schaffen und erlangen u. U. Wettbewerbsvorteile. Außerdem kann Coopetition ein aktiver Verzicht auf Marktanteile bedeuten. Hintergrund wäre hier die positive Beeinflussung des ge-samten Marktes durch einen Konkurrenten.

Im Weiteren erfolgt im Abschnitt 4 eine Betrachtung des Themas Transaktionskosten, da bei unternehmensübergreifenden Leistungen immer Kosten zur Koordination anfallen. So können, Forschern dieses Gebiets zufolge, Transaktionskosten zusammengefasst als Opportunitätskos-ten angesehen werden. Innerhalb der Überlegungen zur sektorenübergreifenden Versorgung sind solche Aspekte folglich zu berücksichtigen.

In Abschnitt 5 ist der zweite Kernpunkt innerhalb des theoretischen Teils die Betrachtung von neuen Versorgungsformen. Dabei erfolgte eine Untergliederung in Selektivverträge, die sekto-renübergreifende Versorgung leisten (§§ 63 - 65, 116b, 137f-g und 140a-d SGB V), Verträge in-nerhalb eines Sektors (§§ 115b, 73a-c SGB V) und Medizinische Versorgungszentren (MVZ).

Eine Reihe Reformen für die gesetzliche Krankenversicherung zielten in den letzten Jahren in Richtung Überwindung sektoraler Grenzen ab. So schuf der Gesetzgeber Möglichkeiten zu wettbewerblicher Steuerung sowie Änderungen in den Vertragsbeziehungen zwischen Kran-kenkassen und Leistungserbringern. Der Preis-(Beitragssatz-)wettbewerb sollte hierdurch von einem Leistungs- und Servicewettbewerb ersetzt werden.

Als Ausgangspunkt dieser Veränderungsprozesse und Überlegungen ist Managed Care anzu-sehen. Um verschiedene Arten defizitärer Strukturen zu überwinden, wird Managed Care be-reits in Ländern wie den USA oder der Schweiz seit Jahren betrieben. Es ist als Vorbild auch in Deutschland übernommen worden, um eine bessere Integration in der Versorgung zu schaffen.

Als erste Art der Selektivverträge zur sektorenübergreifenden Versorgung werden in dieser Ar-beit die 'Modellvorhaben' genannt. Sie ermöglichen eine Weiterentwicklung von Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen.

Die zweite Vertragsform ist die 'ambulante Behandlung im Krankenhaus', mit ihr können Kran-kenhäuser mit Krankenkassen Vereinbarungen zur Behandlung oder Diagnostik seltener krankungen oder schwieriger Krankheitsverläufe schließen. Insbesondere für onkologische Er-krankungen spielt diese Vertragsform eine Rolle. Außerdem konnte gezeigt werden, dass dies eher für große Kliniken in Frage kommt, da bestimmte Voraussetzungen hierfür erforderlich sind.

'Strukturierte Behandlungsprogramme' werden als dritte Vertragsform aufgezeigt. Hier stehen chronische Erkrankungen im Fokus. Diese Selektivverträge sollen den Behandlungsablauf und die Qualität für die Patienten optimieren. Die Programme sehen dabei einen aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung von evidenzbasierten Leitlinien, Qualitäts-sicherungsmaßnahmen, Schulungen für Leistungserbringer sowie Versicherte, Dokumentation und Evaluation vor.

Auf die vierte Vertragsart, die 'Integrierte Versorgung' (IV), ist ein Schwerpunkt in der Darstel-lung gelegt worden, da die Verfasserin dieser Arbeit hierin ein hohes Potenzial für das zu be-trachtende Thema dieser Arbeit sah. Die Erwartungen des Gesetzgebers hierzu lagen in einer Versorgung mit hohem Qualitätsniveau für Patienten und in wirtschaftlichem Handeln der Leis-tungsfinanzierer. Zunächst war das Interesse an dieser Vertragsform sehr gering. Mit dem GMG 2004 bestand dann jedoch durch die Anschubfinanzierung ein entsprechender finanzieller An-reiz. Es folgte ein steter Anstieg dieser Verträge und ein großes Interesse. Die Anschubfinanzie-rung endete allerdings Ende 2008 und damit auch der Anreiz.

Zu Beginn waren Hausärzte die zentrale Schlüsselposition, sie sollten die Integration steuern.

Nach und nach wurden jedoch viel komplexere Verträge, Indikationen und Versorgungsketten organisiert. Es war mehr als die bloße Verzahnung zwischen Haus-, Facharzt und ggf. Kran-kenhaus. Die Art der Verträge kann in zwei Gruppen unterteilt werden, die indikations- und die populationsbezogenen Verträge. Vertragsbestandteil indikationsbezogener IV-Verträge sind hauptsächlich gut definierbare chirurgische Eingriffe. Die populationsbezogenen Verträge be-ziehen sich dagegen auf bestimmte Krankheitsarten oder Behandlungsbilder.

Ergebnisse einer Forschung belegen, dass Patienten, die an Integrierter Versorgung teilge-nommen haben, ihren Gesundheitszustand besser beurteilen als Patienten, die innerhalb der Regelversorgung behandelt wurden.475

Kritisiert wird allerdings immer noch in Studien zur Integrierten Versorgung die mangelnde Ma-nagementkompetenz aller Beteiligten, vor allem auf Seiten der Krankenhäuser. Außerdem fallen die Schwachstellen in der Kommunikation sowie gegenseitiges Misstrauen zwischen den Ver-tragspartnern immer wieder auf.

Insgesamt betrachtet liegt das Interesse der Krankenkassen auf der einen Seite darin, dass sie Möglichkeiten zur Leistungssteuerung haben. Dies betrifft Patientenströme, Leistungsmengen, Schwerpunktbildungen und die Leistungsgestaltung. Im Gegensatz zu früheren Jahren, in de-nen Kassen spartenweise optimiert haben, setzt die sektorenübergreifende Versorgung heute auf produktbezogene Steuerung, die entlang der Versorgungskette läuft. Grundlage ist die Pro-duktdefinition der Leistungen. Ein solches Denken und Handeln in Produktstrukturen war ein Novum. Die Produktdefinition setzt die Homogenität der Leistungen voraus, da nicht jeder Be-handlungsfall gleich ist. Ferner ist die Kostensenkung von Bedeutung. Daneben ist die Kunden-bildung für Krankenkassen ein immer wichtiger werdendes Themenfeld, da durch den einheitli-chen Beitragssatz der Service und das Leistungsangebot für die Versicherten zu Entschei-dungskriterien werden. Die einzelnen Kassen gehen sehr unterschiedlich mit Intergerierter sorgung um. Für größere Krankenkassen mit einem höheren Marktanteil ist es einfacher, Ver-träge zu schließen. AOKn hatten es, aufgrund ihrer Struktur, schon immer leichter, unmittelba-ren Einfluss auf Vertragsgestaltungen zu nehmen. Insgesamt können Krankenkassen sich an dieser Stelle jedoch als 'Einkäufer' von Leistungen verstehen.

475 Vgl. Universität Witten-Herdecke (2006; S. 4 - 6 und S. 10)

Bezüglich der Vergütungsformen kommen eine Reihe Möglichkeiten in Betracht. Besonders in-teressant sind hierbei die Vergütungen mit Zielvereinbarungen. Durch den Wegfall der An-schubfinanzierung können so finanzielle Risiken anderweitig minimiert oder verlagert werden.

Krankenkassen können dabei mit einem Leistungsanbieter einen Vertrag schließen, der für eine definierte Anzahl Patienten mit einer bestimmten Erkrankung ein zu erreichendes Ziel vorsieht.

Dies können Werte wie ein bestimmter HBA1C-Wert o. ä. sein. Bei Einhaltung erhält der Leis-tungserbringer einen vereinbarten Betrag, erreicht er ihn nicht, erfolgt eine Kürzung der Vergü-tung.

Die Leistungserbringer haben einen anderen Blickwinkel, sie sehen die Krankenkassen in einer starken Position, da sie Art, Umfang und die Partner bestimmen können. Dennoch bietet sich z. B. Krankenhäusern erstmals die Möglichkeit, mit den niedergelassenen Ärzten in direkten Wettbewerb zu treten. Indes stehen Maximalversorger in der Kritik, kein Interesse an sektoren-übergreifender Vorsorgung zu haben, die Vernetzung mit externen Leistungserbringern ist bis-her ebis-her selten.

Die KVn fühlen sich als Akteure zu diesem Thema durch die neuen Möglichkeiten der Versor-gung bedroht. Ein Umbrechen der Kollektivvertragssystematik hin zur Einbindung von Selektiv-verträgen hat bereits Unruhe in verschiedenen Bundesländern hervorgerufen.

Zusammenfassend fehlt es den Verträgen noch an Integrationstiefe. Durchschnittlich sind erst drei Sektoren (Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus) in die Verträge eingebunden. Es muss demnach eine Ausdehnung auf weitere Sektoren folgen. Auch die Anzahl der eingeschriebenen Versicherten muss sich erhöhen. 4 Mio. eingeschriebene Versicherte in 6.183 IV-Verträgen476 ist bezogen auf das gesamte Versorgungsgeschehen relativ gering. Das mag daran liegen, dass für Patienten kein finanzieller Anreiz besteht und eine bessere Qualität für sie kaum beur-teilbar ist. Serviceleistungen erkennen Patienten dagegen sehr wohl.

Als erste Art der Selektivverträge innerhalb eines Sektors sind in dieser Arbeit zunächst das 'ambulante Operieren' und die 'stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus' genannt worden.

Sie dienen der Verkürzung der durchschnittlichen Verweildauer im Krankenhaus. Hierfür wer-den vor allem kleinere Eingriffe vom stationären in wer-den ambulanten Sektor verlagert.

Darüber hinaus existieren als zweite Vertragsform die 'Verträge zu Versorgungs- und Vergü-tungsstrukturen'. Die Haus- und Fachärzte sind hier die Vertragspartner der Krankenkassen.

Die Kassen können in dieser Vertragsart die Verantwortung zur Gewährleistung der Qualität und Wirtschaftlichkeit auf Vertragsärzte übertragen. Dabei können Leistungen und Budget ver-handelt werden. Die Verträge sind im Gegensatz zu den Modellvorhaben zeitlich nicht befristet und müssen nicht wissenschaftlich evaluiert werden. Die Erwartungen des Gesetzgebers lagen darin, dass neue organisatorische Versorgungs- und Vergütungsformen entstehen.

476 Vgl. Bundesstelle für Qualitätssicherung (2008)

Die dritte Vertragsform, die in dieser Arbeit aufgeführt wird, ist die 'hausarztzentrierte Versor-gung'. Innerhalb dessen erklären sich die Versicherten dazu bereit, nur im Rahmen einer Über-weisung durch ihren Hausarzt weitere vertragsärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Ziel ist es dabei, den Hausarzt als 'Lotsen' einzusetzen, um kostenintensive Facharztkontakte zu re-duzieren. Die Hausärzte haben hier die Möglichkeit, ihre Vergütung selbst auszuhandeln. Die Kassen stehen dieser Vertragsart jedoch kritisch gegenüber. So haben insbesondere die gro-ßen Krankenkassen keine bundesweiten Verträge, da sie Kostenexplosionen vermuten.

Die 'Förderung der Qualität in der vertragsärztlichen Versorgung' ist die vierte und letzte erläu-terte Versorgungsform in diesem Bereich. Die Krankenkassen dürfen sich dabei, auch ohne die KV zu berücksichtigen, Vertragspartner auszusuchen, um spezielle im Vertrag definierte Leis-tungen einzukaufen.

Zu den neuen Versorgungsformen sind neben den Selektivverträgen auch die MVZ zu zählen.

Nachdem die Polikliniken der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung in Deutschland als Auslaufmodelle galten, erfuhren sie mit den MVZ eine Wiederbelebung. Dieser Zusammen-schluss beinhaltet eine fachübergreifende Zusammenarbeit unter ärztlicher Leitung. Darüber hinaus dürfen Ärzte dort angestellt werden. Außerdem können sie einen Teil ihrer Arbeitszeit als Arzt im Krankenhaus und einen Teil als Vertragsarzt in einer Praxis verbringen.

Die Gründung von MVZ ist auch durch Krankenhäuser möglich. Was von niedergelassenen Ärz-ten oftmals als Bedrohung empfunden wird, birgt für Krankenhäuser hingegen die Chance, in den ambulanten Markt vorzudringen. Viele Kliniken haben daher inzwischen MVZ bei sich etab-liert. Interessant ist weiterhin, dass Krankenkassen sogar in diesen Markt einsteigen und das dann gleich mit Selektivverträgen kombinieren.

In Abschnitt 6 folgt die Betrachtung der Entwicklung von Universitätskliniken, ihrer Rahmenbe-dingungen und ihrer Ausgangslage im Wettbewerb. Für die stationäre Versorgung sind Univer-sitätskliniken von großer Bedeutung, da sie 10 % aller stationären Fälle in Deutschland behan-deln.477 Schwierig ist an Universitätskliniken allerdings die Dreiteilung der Finanzierung in Bund/Land, Krankenkassen und Drittmittel. Niedergelassene Ärzte werden dagegen direkt von den KVn finanziert. Diese duale Art der Finanzierung wird stark kritisiert und der monistischen Finanzierung (Finanzierung über die Vergütung) gegenübergestellt. Es fehlen insgesamt eigen-verantwortliche Gestaltungsspielräume, so können Aufnahmekapazitäten und Betreuungsinten-sität nicht von den Hochschulen selber geregelt werden.

Die Einführung der DRGs verpflichtete die Krankenhäuser ab 2004 nach dieser Vergütungssys-tematik abzurechnen. Die Pauschalen werden u. a. nach der Schwere des Krankheitsbildes und den durchgeführten Maßnahmen gezahlt, grds. unabhängig davon, wie lange der Patient tat-sächlich stationär aufgenommen worden ist. Diese Abrechnungsänderung hat die durchschnitt-liche Verweildauer der Patienten in den Krankenhäusern verkürzt. 1991 lag die Verweildauer bundeseinheitlich bei 14,0 Tagen, 2008 waren es dagegen nur noch durchschnittlich 8,1 Tage.

Dass eine weitere Absenkung möglich ist, zeigt der internationale Vergleich. 2005 lag

477 Vgl. Ott (2005; S. 79)

mark bereits bei 3,6, Finnland bei 4,3, Schweden bei 4,8, die USA bei 5,7 und Österreich bei 5,8 Tagen durchschnittlicher Verweildauer. Die kürzere Verweildauer führte auch zu einem Bet-tenabbau in den Kliniken, so sind seit 1995 14 % weniger Krankenhausbetten aufgestellt wor-den.478

Die gesetzlichen Rahmenbedingen für den stationären Aufenthalt im § 39 SGB V sind nicht im-mer eindeutig. Der Paragraph gibt vor, dass eine ambulante Leistung der stationären vorzuzie-hen ist, eine genaue Definition was dies bedeutet, existiert jedoch nicht. So ist sektorenüber-greifende Versorgung sehr gut dafür geeignet, diese 'schwammigen' Schnittstellen zwischen den Sektoren zu schließen. Universitätskliniken sind dafür ideale Teilnehmer, denn sie halten rund um die Uhr ein umfassendes Versorgungs-, medizinisches Pflege- und Hotellerieangebot sowie medizinisch apparative Geräte vor. Außerdem verfügen sie bereits über Erfahrungen in-nerbetrieblicher Integration, Behandlungsstandards, arbeiten berufsgruppenübergreifend 479 und können mit begleitenden Studien die Veränderungen der Versorgung belegen. Die Kliniken selbst sind seit der Einführung der DRGs an erhöhter Integration interessiert, um Patienten spä-ter von vorgelagerten Einrichtungen zu übernehmen und nach dem stationären Aufenthalt frü-her an nachgelagerte Einrichtungen abzugeben. So gehen neueste Forschungen auch davon aus, dass Universitätskliniken zunehmend engere Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen eingehen werden. Allerdings sind hierfür Strategien erforderlich. Die Entwicklung solcher Stra-tegien für eine klare Positionierung im Markt ist in Konsumbranchen weltweit etabliert. Für Krankenhäuser war es dagegen bis vor kurzem nicht denkbar, sich überhaupt mit diesem The-ma zu beschäftigen, da die Branche wie von selbst wuchs.

Nach den Überlegungen zu einer Strategie war im Anschluss die Frage nach der Organisations-form auf theoretischer Basis zu erörtern. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich deshalb mit Gedanken zu Zentrumsstrukturen. Insgesamt ist aufgezeigt worden, dass generell in der Wirt-schaft ein Trend hin zur Spezialisierung zu beobachten ist. In diesem Zusammenhang ist im medizinischen Bereich zunehmend eine Zentrenbildung zu finden. Eine Entwicklung der Ver-sorgung entlang der medizinischen Fachbereiche ist nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr müssen flexible Organisationsformen geschaffen werden, die sich an den Patienten und den Entwick-lungsprozessen anpassen können. Idealerweise schließen sich dabei verschiedene Kliniken oder Abteilungen zu Profilzentren (Organisationsverbünden) zusammen. Je nach Bedarf ist ein Zusammenschluss zu einem patienten-/problemorientierten oder einem ressourcenorientierten Zentrum möglich. Ersteres ist darauf ausgerichtet, komplexe Krankheitsbilder zu behandeln, Letzteres sieht die gemeinsame Nutzung apparativer Einrichtungen vor.

Die theoretischen Forschungsergebnisse bilden nach Meinung der Verfasserin dieser Arbeit ei-ne sehr gute Grundlage, um konkrete Untersuchungen in ausgewählten Branchen durchzufüh-ren.

478 Vgl. Rosnow / Steinberg (2002; S. 384), Statistisches Bundesamt Deutschland (2008), Statistisches Bundesamt Deutschland (2009), Neubauer et al. (2007; S. 69), Berlin (2008b) und Statistik-Berlin (2008a)

479 Vgl. Schräder / Zich (2006; S. 60 f.) und Wasem (2003; S. 6 f.)

Als Schwerpunkt der Arbeit wurden neben den theoretischen Untersuchungen empirische Ana-lysen durchgeführt. Porters Wettbewerbsforschungen zeigten, dass die fünf Wettbewerbskräfte eine entscheidende Rolle bei einer strategischen Positionierung spielen. Die Abnehmer sind ei-ne dieser Kräfte. Krankenkassen sind als Abei-nehmer von Universitätskliniken identifiziert wor-den. Daher wurde, aufgrund der theoretisch festgestellten Relevanz der sektorenübergreifenden Versorgung und der Veränderungen der Situation von Universitätskliniken, für die Analysen eine Befragung der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland durchgeführt.

Dabei entschieden u. a. die Bezüge der Ziele und Erfolgsfaktoren über eine Empfehlung des Strategietyps. Der höchste Wichtigkeits- bzw. Einflusswert entschied über eine Zuordnung zu dem Bezug zur Qualitätsverbesserung in der Versorgung oder zur Kostensenkung. Die Zuord-nung zu dem Bezug zur Qualitätsverbesserung in der Versorgung deutet auf eine Differenzie-rungsstrategie, die Zuordnung zu dem Bezug zur Kostensenkung dagegen auf den Strategietyp Kostenführerschaft hin.

Der Fragebogen enthielt allgemeine Fragen zur aktuellen Situation von Selektivverträgen zur sektorenübergreifenden Versorgung, zu der Versorgung durch Universitätskliniken und spezielle Fragen zu diesem Themenbereich bezogen auf die ausgewählten Krankheitsbilder. Die Fragen

Der Fragebogen enthielt allgemeine Fragen zur aktuellen Situation von Selektivverträgen zur sektorenübergreifenden Versorgung, zu der Versorgung durch Universitätskliniken und spezielle Fragen zu diesem Themenbereich bezogen auf die ausgewählten Krankheitsbilder. Die Fragen