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Der Banker und Finanzier Bernard Baruch sagte: „Sie müssen das Licht des Anderen nicht ausblasen, um das Ihre scheinen zu lassen“.156 Viele Unternehmen beeinflussen sich gegensei-tig, auch wenn sie ähnliche Produkte in einem Markt anbieten. Ein Unternehmen muss andere Unternehmen jedoch nicht unbedingt verdrängen, um erfolgreich zu sein. In der Industrie steigt bspw. die Nachfrage nach Intel-Chips, wenn leistungsfähigere Software von anderen Unter-nehmen entwickelt wird.157

Bei Untersuchungen zu Netzwerken im 21. Jahrhundert spielt die Frage nach dem Mix aus Ko-operation und Wettbewerb immer eine bedeutende Rolle.158 In Beziehung zu Netzwerken ste-hen auch die Untersuchungen zu dem in englischer Sprache geschaffenen Begriff 'Coopetition', welchen Ray Noorda maßgeblich prägte. Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Koope-ration (englisch: coopeKoope-ration) und Wettbewerb (englisch: competition), die zu einer strategi-schen Allianz wird. Er sagte: „Sie müssen gleichzeitig konkurrieren und kooperieren“.159

Die Spieltheorie kann als Ausgangsbetrachtungspunkt gesehen werden und bietet gleichzeitig eine Vorgehensweise für Coopetition. Entstanden ist die Spieltheorie zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Damals fand eine Art Katz-und-Maus-Spiel zwischen der britischen und der deut-schen U-Bootmarine statt. Hier wurden erstmals Konzepte entwickelt, um der Gegenseite in der Trefferquote überlegen zu sein. Diese Theorie fand später auch bei anderen Kriegsaktivitäten Anwendung. 1944 veröffentlichten Morgenstern / von Neumann dann ihre Spieltheorie unter dem Titel: 'Theory of Games and Economic Behavior'.160 Diese Theorie ist im Laufe der Jahre fortlaufend weiterentwickelt worden. Grundelemente der Spieltheorie sind Spieler, Mehrwert, Regeln, Taktiken, und Spielraum (englisch: Players, Added Value, Rules, Tactics, Scope; abge-kürzt: PARTS).161 In der Spieltheorie zur Coopetition existieren verschiedene Spieler: Kunden, Lieferanten, Konkurrenten und Anbieter von Komplementen. Komplemente auf dem Markt ein-zuführen ist eine Vorgehensweise der Coopetition. Es geht darum, ergänzende Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Auf diese Weise werden beide Produkte attraktiver. Es geht folg-lich im Markt nicht darum, offene Konkurrenz zu schaffen, sondern den Markt zu vergrößern.

Neue Komplemente zu kreieren kann jedoch sehr schwer sein.162

Teilnehmer/Spieler haben in der Regel mehrere Rollen inne. So können sie Konkurrent und Komplementär gleichzeitig sein. Autoverkäufer siedeln sich heute bspw. oftmals nicht in unter-schiedlichen Stadtteilen an, sondern eröffnen ihre Läden direkt nebeneinander an einer Straße einer Stadt. Sie sind direkte Konkurrenten, doch profitieren sie auch von den anderen Anbie-tern. Jemand, der ein Auto einer bestimmten Marke kaufen möchte, sieht sich aufgrund der

156 Brandenburger / Nalebuff (2008; S. 22)

157 Vgl. ebenda (S. 23)

158 Vgl. Kilduff / Tsai (2003; S. 8)

159 Brandenburger / Nalebuff (2008; S. 23)

160 Vgl. Morgenstern / von Neumann (1944)

161 Vgl. Brandenburger / Nalebuff (1998; S. 64 - 66) und Brandenburger / Nalebuff (1999; S. 57 - 71)

162 Vgl. Brandenburger / Nalebuff (2008; S. 33 - 41)

zen Wege häufig noch bei angrenzenden Händlern um, ggf. wird er letztlich dort fündig. Die Spieltheorie und ihre Anwendung kann als angewandte Mathematik verstanden werden. Bei Kartenspielen können Ergebnisse durch Wahrscheinlichkeiten berechnet werden.163 Spieltheo-rie als mathematische Reinform kann als Methode zur StruktuSpieltheo-rierung bei strategischen Ent-scheidungen dienen. Beringhaus et al. sind der Meinung, sie sei ein Instrument für das Mana-gement von Unternehmen.164 Brandenburger / Nalebuff sehen dagegen Coopetition weiterfüh-rend als eine Möglichkeit, auf viele verschiedene Weisen das 'Spiel' zu verändern. Durch Coo-petition können die Spieler/Wettbewerber oder der Einsatz verändert werden. Verändert ein Un-ternehmen seinen Konkurrenten, der ein Substitut zum eigenen Produkt anbietet, hin zu einem Komplementär (der die eigenen Produkte ergänzt), entsteht für beide Unternehmen eine win-win-Situation. Eine solche Vorgehensweise ermöglicht u. U. Wettbewerbsvorteile.165

Coopetition ermöglicht also, rechtlich selbstständigen Unternehmen durch eine Kooperation Multiplikationseffekte zu erlangen. Diese können unterschiedlicher Art sein, wie gemeinsame Vertriebskanäle, Produktionsstätten oder Servicezentren. Bronder hat hierzu Motive aufgeführt, die Unternehmen dazu bewegen, eine solche Art der Kooperation einzugehen. Es handelt sich um Zeit- und Know-How-Vorteile, Marktzutritt, Kostenvorteile und Kompetenzgewinn. Beson-ders wichtig ist nach einer Entscheidung für eine strategische Allianz die Partnerselektion (siehe hierzu Abschnitt 3.1 Kooperationsformen und Vernetzung). Hier müssten die Profile der infrage kommenden Unternehmen und wettbewerbliche Auswirkungen analysiert werden.166

Mögliche Coopetition-Partner bzw. -Anspruchsgruppen, die ein Krankenhaus zu beachten hat, sind in Abbildung 3-1 aufgezeigt. Die Gruppen können dabei als Stakeholder betrachtet werden.

Die Wichtigkeit der Gruppen nimmt von innen nach außen ab. Die verschiedenen Gruppen, die sich zwiebelschalenartig um das Krankenhaus ranken, sollten jedoch nicht nur als Konkurrenten oder als Bedrohung angesehen werden. Es können ebenso komparative Konkurrenzvorteile aufgebaut werden.167

163 Vgl. Brandenburger / Nalebuff (2008; S. 55 - 66)

164 Vgl. Beringhaus et al. (1996; S. 519)

165 Vgl. Brandenburger / Nalebuff (1999; S. 57 - 71), Brandenburger / Nalebuff (1997; S. 28 - 35) und Heskett et al. (1990)

166 Vgl. Bronder (1993; S. 19 - 40 und S. 83 - 99)

167 Vgl. Braun von Reinersdorff (2007; S. 41)

Krankenhaus

Abbildung 3-1: Stakeholder-Management als 'Zwiebelschalenmodell' Quelle: Braun von Reinersdorff (2007; S. 41

)

Neben den Partnern für Coopetiton sind im nächsten Schritt die tatsächlichen Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit von Bedeutung. Littig hat ermittelt, dass die Kooperationsziele 'Ressour-cenbündelung', 'Synergieeffekte' und 'Zugang zu neuen Kunden' von größter Wichtigkeit für den Erfolg sind. Im Bereich der mittleren Wichtigkeit sehen Unternehmen 'Zugang zu Know-How', 'Produktentwicklung' und 'Markterschließung' an. Von untergeordneter Wichtigkeit sind indessen 'Allianzen gegen weitere Konkurrenten', 'Überleben am Markt', 'bessere Auslastung' und 'Kos-tenreduktion'.168

Dass Konkurrenten die eigene Wettbewerbssituation stärken können, ist ebenfalls als Coopeti-tion zu werten. Porter spricht in diesem Zusammenhang von 'guten' Konkurrenten. Ein aktiver Verzicht auf Marktanteile ist bei solchen Konkurrenten durchaus erstrebenswert, da sie in der Lage sind, die gesamte Branche positiv zu beeinflussen. 'Gute' Konkurrenten dienen für den Kunden als Vergleichsmaßstab, so kann das eigene Unternehmen an diesen Richtlinien seine Differenzierung ausbauen. Dem Kunden fällt es auf diese Weise leichter, den geschaffenen Wert der Differenzierung wahrzunehmen. Neben der Differenzierung geben Branchenführer den gefolgten Unternehmen einen Preisschutz. Außerdem bietet ein Konkurrent, der aufgrund von hohen Kosten auch einen hohen Preis ansetzt, einem Unternehmen, das zu niedrigeren Kosten produziert, die Möglichkeit, den eigenen Preis für ein bestimmtes Produkt gleichfalls höher an-zusetzen. So erlangt er selbst einen erheblichen Kostenvorteil.169

Von Eiff beschreibt die Steigerung des Unternehmenswertes eines Krankenhauses mit diesem Vorgehen: Während einer Fusion oder des Verkaufs kann so z. B. die eigene Verhandlungspo-sition verbessert werden.170 Doch hängt der Erfolg der Beziehungspflege eines Netzwerks

168 Vgl. Littig (1999; S. 49)

169 Vgl. Porter (2000; S. 268 - 278)

170 Vgl. von Eiff (2002; S. 44 - 49)

wie eines Unternehmens selbst maßgeblich von den Fähigkeiten ab, wie ein Unternehmen ge-managt wird.171 Bei den strategischen Veränderungen geht von Eiff wiederum von Porters fünf Wettbewerbskräften aus. In der Umsetzung der Coopetition werden mit Lieferanten Kooperatio-nen und mit Konkurrenten strategische Allianzen geschlossen. Bei Ersatzprodukten kann eine Umwandlung erfolgen, sie sind danach keine Bedrohung mehr, sondern dienen als Komple-mentoren zur Geschäftsfelderweiterung.172

171 Vgl. Sydow (1992; S.1)

172 Vgl. von Eiff (2002; S. 44 - 49)

4 Transaktionskosten bei unternehmensübergreifenden Leistungen

Kooperationen der sektorenübergreifenden Versorgung sind Beispiele für die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen. In diesem Zusammenhang fallen für die Koordination von Leistungen Kosten an. Zu diesen sogenannten Transaktionskosten gibt es eine Reihe Forschungsergeb-nisse und Untersuchungen. Dieser Abschnitt vermittelt einen kurzen Überblick.

Bei der Definition des Begriffes 'Transaktionskosten' gibt es keine Einigkeit in der Literatur oder feststehende Elemente, die hierunter subsumiert werden könnten. Das Grundgerüst für diesen Gedankenansatz bildet ein arbeitsteilig organisiertes Wirtschaftssystem, das Spezialisierungs-vorteile nutzt, wobei das Prinzip der individuellen Nutzenmaximierung angenommen wird.173 Coase konzentriert seine Überlegungen in der Marktwirtschaft dahingehend, dass in einer „ar-beitsteilig organisierten Wirtschaft individuelle und dezentrale Entscheidungen koordiniert wer-den müssen“.174 Allgemein gefasst sind darunter alle Kosten, die im Rahmen einer bestimmten Transaktion und Koordination anfallen, zu verstehen. Die Entstehung ist sowohl auf volkswirt-schaftliche als auch betriebswirtvolkswirt-schaftliche Arbeitsteilung einer sachlichen und zeitlichen Aufga-be zurückzuführen. Als Grundlage dient immer ein Vertrag zwischen verschiedenen Unterneh-men im Markt.175

Eine einfache Übersetzung des Begriffes Transaktionskosten aus dem englischen 'transaction cost' darf nach Grote nicht gleichgesetzt werden mit dem Kostenbegriff aus dem betrieblichen Rechnungswesen. Im Letztgenannten werden Kosten periodenbezogen dargestellt. Außerdem wird ihnen direkt ein bewertbarer Faktorverzehr zugeordnet. 'Cost' dagegen umfasst auch erlit-tene Nachteile und Schäden, dem Rechnungswesen ist dies jedoch fremd.176 Fuchs sieht dies ähnlich und weist auf eine Unterscheidung zwischen Transaktionskosten und Organisationskos-ten hin.177 Diesen Rahmen des Kostenverständnisses verfolgen verschiedene Forscher, so dass Transaktionskosten als Opportunitätskosten interpretiert werden können.178

„Opportunitätskosten ergeben sich im Rahmen einer indirekten Bewertung des Ressourcenein-satzes nach dem entgangenen Ertrag der nächstgünstigsten Ressourcenverwendung“.179 Windsperger geht noch weiter und vertritt die Meinung:

„Wenn die Transaktionskosten Aufwendungen und Opportunitätskosten der Koordination sind, dann gehen in die Opportunitätskosten nicht nur die entgangenen Erträge, sondern auch die entgangenen Produktionskosteneinsparungen aufgrund der unvollständigen Information ein“.180

173 Vgl. Picot / Dietl (1990; S. 178 f.) und Hauser (1991; S. 110)

174 Osterheld (2001; S. 93)

175 Vgl. ebenda (S. 101), Sundermeier (1992; S 20 - 29) und Richter (1990; S. 576 - 580)

176 Vgl. Grote (1990; S. 35)

177 Vgl. Fuchs (1994; S. 42 f.)

178 Siehe hierzu Picot (1982), Picot / Dietl (1990), Williamson (1996; S. 6 - 9), Hauser (1991; S. 110 f.) und Grote (1990; S. 35)

179 Grote (1990; S. 35)

180 Windsperger (1998; S. 270)

Darüber hinaus sagt er, dass die Effizienz der Produktion von der Effizienz der Koordination ab-hängt.181

Entstehen Produkte oder Leistungen in einem Netzwerk, ist das nie ohne Kosten möglich, da es sich um komplexere Strukturen handelt.182 Williamson unterteilte darüber hinaus die Transakti-onskosten in ex ante und ex post, also in Kosten vor und nach einer Transaktion.183 Eine Defini-tion, die ebenfalls im Gesundheitswesen, insbesondere für sektorenübergreifende Versorgung, angewendet werden kann, stammt von Picot / Dietl:

„Transaktionskosten sind die im Zusammenhang mit der Bestimmung, Übertragung und Durch-setzung von Verfügungsrechten entstehenden Kosten“.184

Transaktionskosten werden in idealtypische Schritte eines zu koordinierenden Ablaufes einer Aufgabe unterteilt. Es beginnt mit den Schritten Anbahnungs-, Informations- und Entschei-dungstransaktionskosten, es folgen Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten während der tatsächlichen Aufgabe und schließlich endet der Prozess mit Disincentivetransak-tionskosten.185

Richter vertritt die Auffassung, dass Transaktionskosten in Kosten der Marktbenutzung und Be-nutzung von Nichtmarktorganisationen (Einrichtungen des öffentlichen Dienstes) zu unterteilen sind.186 Ferner sind Transaktionskosten der Marktbenutzung:

„Suchkosten, Inspektionskosten, Verhandlungs-, Entscheidungskosten und Kosten der Überwa-chung von Leistungspflichten und ihrer Durchsetzung“.187

Kosten im Zusammenhang mit Nichtmarktorganisationen sind dagegen:

„Kosten der Leitung, der Informationsverarbeitung, der Kommunikation und Überwachung, die Vertretungskosten bei Auseinanderfallen von Management und Anteilseigentum“.188

Sektorenübergreifende Versorgung bedingt schon durch ihre Art unterschiedliche Leistungserb-ringer. In einer arbeitsteiligen Organisationsstruktur müssen individuelle und dezentrale Ent-scheidungen koordiniert werden.189 Durch zunehmende Spezialisierung der Leistungserbringer;

auch im Gesundheitswesen, wächst der Bedarf an Koordination.190 So sind Transaktionskosten immer ein Bestandteil von sektorenübergreifender Versorgung. Vor den Reformen im Gesund-heitswesen zur Öffnung der Sektorengrenzen wurde versucht, Transaktionskosten zu bündeln und zu reduzieren. Transaktionskosten für standardisierte Kollektivverträge sind bei einer reinen Kostenbetrachtung des Koordinationsbedarfs günstiger als eine Vielzahl von Einzelverträgen.191

181 Vgl. Windsperger (1998; S. 270)

182 Vgl. Dyer (1997; S. 535)

183 Vgl. Oehm (1993; S. 31)

184 Picot / Dietl (1990; S. 178)

185 Vgl. Picot (1982; S. 270), Osterheld (2001; S. 109 - 111) und Swoboda (2003; S. 47 - 49)

186 Vgl. Richter (1995; S. 136)

187 Ebenda (S. 136)

188 Ebenda (S. 136)

189 Vgl. Osterheld (2001; S. 93)

190 Vgl. Neubauer (2004; S. 807 - 808)

191 Vgl. Osterheld (2001; S. 93)

5 Neue Versorgungsformen