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Obwohl zur Bekämpfung der Moderhinke eine große Anzahl an lokalen und systemischen Behandlungsvorschlägen sowohl für Einzeltiere als auch auf Herdenbasis existieren (ABBOTT u. MAXWELL 2002; HOSIE 2004; WINTER 2004b;

ABBOTT u. LEWIS 2005), stellt die Eradikation von D. nodosus eine für viele Schafhalter unlösbare Aufgabe dar.

Aus diesem Grund wurden in Teilen von Australien und Neuseeland (NEW SOUTH WALES FARMERS' ASSOCIATION 1991; GREER 2005), aber auch in der Schweiz (BERATUNGS- UND GESUNDHEITSDIENST FÜR KLEIN-WIEDERKÄUER 2003) nationale Bekämpfungsstrategien entwickelt.

Dabei herrscht innerhalb von New South Wales/Australien die Übereinkunft, dass Stämme, welche die so genannte „gutartige“ Form der Moderhinke (vgl. Kap. 2.1.5) hervorrufen nicht zu behandeln seien, da die Kosten für entsprechende Therapie-maßnahmen unter Umständen den durch die Erkrankung verursachten ökonomi-schen Schaden überschreiten.

Nach klinischen Gesichtspunkten lag in beiden in dieser Studie untersuchten Herden die bösartige Form der Moderhinke vor (vgl. Kap. 4.3.1). Aber auch bei einer Unterschreitung der von STEWART (1989) festgelegten Schwelle für die klinische Bestimmung der Virulenz wäre gemäß den in der vorliegenden Untersuchung erzielten Ergebnissen eine Bekämpfung der entsprechenden Stämme angezeigt. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass ein Bakterien-Isolat, welches in einer Herde nur milde Symptome hervorruft, bei Tieren mit einer abweichenden Empfänglichkeit oder unter anderen Umweltbedingungen weit größeren Schaden anrichtet als in der Ursprungsherde (EGERTON u. RAADSMA 1993). Wie groß der Einfluss von Umweltfaktoren auf die Virulenz des Erregers ist, wurde besonders bei der Betrachtung der beiden unterschiedlichen Haltungsformen in Betrieb 2 deutlich: Die Prävalenz der im Stall gehaltenen Tiere betrug 36,36 %, während die Schafe in Weidehaltung nur zu 7,62 % an Moderhinke erkrankt waren (vgl. Kap. 4.3.2).

Hierzulande steht der höhere individuelle Wert der Tiere sowie der Tierschutz-gedanke (KÜMPER u. STUMPF 2000) einigen in Australien und Neuseeland erprobten Sanierungsmaßnahmen (SKERMAN u. MOORHOUSE 1987; STEWART 1989) entgegen, die z.B. das Merzen der kompletten Herde oder die artifiziellen Erzeugung eines hohen Moderhinke-Infektionsdrucks als züchterische Selektionsgrundlage vorsehen.

Auch die Empfehlung, den kommerziell erhältlichen Impfstoff (Footvax®, ESSEX Tierarznei, München) einzusetzen, stößt bei vielen Schafhaltern auf Ablehnung.

Diese wird bedingt durch die vor allem in Form von Injektionsreaktionen auftretenden Nebenwirkungen, die wiederum auf das als Adjuvans zugesetzte Mineralöl zurückzuführen sind (vgl. Kap. 5.3.4). Um den Einsatz eines Impfstoffes attraktiver zu gestalten, wurden in dieser Studie zunächst die Wirkungen und Nebenwirkungen kommerzieller und bestandsspezifischer Vakzinen miteinander verglichen.

Zur Verringerung der Injektionsreaktionen wurde bei der Produktion der stallspezifischen Impfstoffe gemäß der Empfehlung von MARTIN-PALOMINO und Mitarbeitern (2004) Aluminiumhydroxid als Adjuvans eingesetzt. Dadurch konnte eine signifikant niedrigere Rate von Impfschäden an der Injektionsstelle erzielt werden (Kap. 5.2.2). Wie groß der Einfluss der eingesetzten Impfstoffe auf den zu beobachtenden Rückgang der Moderhinke-Infektionen im Untersuchungszeitraum war, lässt sich aufgrund des Versuchsaufbaus nicht in genauen Zahlen darstellen (Kap. 5.2). Fest steht jedoch, dass sowohl in der Gruppe der kommerziell geimpften als auch in der Gruppe der bestandsspezifisch geimpften Schafe ein signifikanter Rückgang an Moderhinke-Infektionen zu verzeichnen war.

Da für eine Herstellung stallspezifischer Vakzinen weder Zulassung, Chargen–

prüfung noch Wirksamkeitsnachweis nötig sind (SIGGE 2002), ist der Einsatz solcher Impfstoffe mit gewissen Risiken behaftet. Bei einer zu hohen Menge an eingesetztem Antigen kann nicht nur die resultierende Antigenkonkurrenz (RAADSMA et al. 1994b;

HUNT et al. 1995) die Wirksamkeit des Impfstoffes schmälern, sondern es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass die Masse der injizierten Lipopolysaccharide zu einer Sepsis und damit zum Verenden der geimpften Tiere führt (GANTER 2005, pers. Mitteilung).

Unter Berücksichtigung dieser Risiken scheint es lohnenswert, in zukünftigen Studien die Leistungsfähigkeit bestandsspezifischer Impfstoffe zu verbessern und das Herstellungsverfahren zu beschleunigen. Zu diesem Zweck empfiehlt sich die Etablierung einer routinemäßige Labordiagnose von D. nodosus, durch die im Idealfall auf die langwierige und dadurch teure (OLSON et al. 1998) Kultivierung der Keime verzichtet werden kann. Viel versprechende Ansätze in diese Richtung bieten verschiedene Methoden der PCR-Untersuchung (CAGATAY u. HICKFORD 2005;

MOORE et al. 2005), mit deren Hilfe es möglich ist, innerhalb von 24 Stunden nicht nur den Erreger zu identifizieren, sondern zusätzlich die Virulenz (LIU u. WEBBER 1995) und den Serotyp (DHUNGYEL et al. 2002) zu ermitteln.

Auch wenn die Herstellung entsprechender Vakzinen nicht ohne eine Kultivierung von D. nodosus möglich ist, könnte durch eine einfach und schnell durchzuführende Serotypisierung der Bakterien in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob sich Art und Anzahl der in der Herde vorhandenen Serotypen verändert haben und somit eine Anpassung der Antigenzusammensetzung des Impfstoffes erfolgen muss.

Allerdings scheint die eingeschränkte genetisch bedingte Fähigkeit, auf einen Impfstoff mit einer ausreichenden Immunantwort zu reagieren, die Effektivität von Vakzinen in einem viel höheren Maß zu beeinflussen als die Qualität oder die Quantität des entsprechenden Immunogens (O'MEARA et al. 1993).

Unter dieser Voraussetzung erlangt der Einsatz züchterischer Maßnahmen einen höheren Stellenwert als die Optimierung der Vakzinen.

Bezüglich der DQA2-Haplotypen der drei untersuchten Schafrassen ergaben sich nur geringe Unterschiede zum neuseeländischen Genpool (vgl. Kap. 6), so dass eine Detektierung der besonders empfänglichen Schafe mit Hilfe des Moderhinke-Genmarker-Tests auch hierzulande möglich erscheint (HICKFORD 2005, pers.

Mitteilung). Bevor man jedoch zum Einsatz eines solchen Zuchtprogrammes (GREER 2005) rät, empfiehlt es sich, alle in Frage kommenden Tierbesitzer darüber aufzuklären, dass Einzeltiere bei sehr hohem Infektionsdruck trotz nachgewiesener Moderhinke-Toleranz erkranken können (BULGIN et al. 1988). Die Selektion Moderhinke-toleranter Schafe anhand des in Neuseeland entwickelten Tests scheint

aber langfristig dazu beizutragen, dass die Kosten der Moderhinke-Bekämpfung wesentlich gesenkt werden, was vor allem durch eine Einsparung an Chemikalien, Impfstoffen und Antibiotika herbeigeführt wird (GREER 2005). Somit ist die Selektion auf eine geringe Moderhinke-Empfänglichkeit nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ökologischen Erwägungen heraus ein Mittel, das den Anforderungen an die moderne Tierproduktion in hohem Maße gerecht wird.

Die dargestellten Resultate lassen es zielführend erscheinen, zukünftig die beiden Maßnahmen Vakzination und züchterische Selektion kombiniert anzuwenden, da durch eine solche Vorgehensweise gewisse synergistische Effekte zu erwarten sind.

Dabei könnte nach folgendem Schema vorgegangen werden:

1) Zweimalige Impfung aller Tiere (Grundimmunisierung): Je nach Herdenstruktur (viel bzw. wenig Zukauf, Kontakt zu Wildwiederkäuern u./o. Rindern) kann diese mit einer bestandsspezifischen Vakzine oder mit Footvax® durchgeführt werden.

2) Analyse des DQA2-Allels aller zur Zucht eingesetzten Böcke: Tiere mit einer niedrigen Moderhinke-Toleranz sollten von der Zucht ausgeschlossen werden.

Unter Umständen wird durch diese Maßnahme der Zukauf neuer Böcke nötig, die dann ebenfalls auf ihre Moderhinke-Toleranz untersucht werden sollten.

Verbleiben dagegen hochempfängliche Böcke im Bestand, vererben sie die Empfänglichkeit an ihre meist zahlreichen Nachkommen und rufen so in erkankten Herden langfristig eine Infektionssituation hervor, die auch mit hohem Arbeitsaufwand kaum zu bekämpfen ist (GREER 2005).

3) Einzeltierkontrolle: Vier Wochen nach abgeschlossener Grundimmunisierung sollte eine sorgfältige Kontrolle der Klauen aller Schafe erfolgen. Die Tiere, die infolge der Impfung und/oder eventuell zusätzlich durchgeführter Behandlungen nicht genesen sind, sollten geschlachtet werden.

4) Wiederholungsimpfung: Fünf Monate nach abgeschlossener Grundimmu-nisierung ist eine Wiederholungsimpfung aller bereits geimpften Tiere sowie die Grundimmunisierung der Lämmer, die im Betrieb verbleiben sollen, anzuraten.

5) Erneute Einzeltierkontrolle: Vier Wochen nach Abschluss der Grundimmu-nisierung bei den Lämmern empfiehlt sich eine erneute sorgfältige Kontrolle der Klauen aller Tiere mit anschließender Merzung therapieresistenter Schafe.

Falls Tierschutzaspekte nicht dagegen sprechen, ist es ratsam, zusätzlich zur Impfung keine weiteren Behandlungen durchzuführen. Auf diese Weise kann man weitgehend sicherstellen, dass Infektionen genetisch hochempfänglicher Tiere nicht durch unterstützende therapeutische Maßnahmen verschleiert werden.

Die konsequente Durchführung eines solchen Programms bringt möglicherweise den Vorteil, dass durch den Effekt der Impfung kurzfristig eine starke Verbesserung der Moderhinke-Situation in der Herde entsteht (vgl. Kap. 5). So kann der Zeitraum überbrückt werden, bis die langfristigen züchterischen Maßnahmen (Merzung der therapieresistenten Muttertiere, Einsatz der Moderhinke-toleranten Böcke) zum Tragen kommen. Die Impfung kann eingestellt werden, wenn über einen Zeitraum von mehreren Monaten keine Neuerkrankungen aufgetreten sind. Tritt dennoch wieder hoher Infektionsdruck auf, der zu Neuinfektionen führt, kann die Impfung bei vollständig grundimmunisierten Tieren auch noch nach mehreren Jahren wirkungsvoll aufgefrischt werden (WHITTINGTON u. EGERTON 1994).

Um einen Überblick über die bundesweit durchgeführten Sanierungsverfahren und ihre Effektivität zu erhalten, empfiehlt sich eine Zusammenarbeit der betroffenen Betriebe mit den entsprechenden Tiergesundheitsdiensten. Durch eine regelmäßige anonyme Veröffentlichung der Resultate könnten die bestandsbetreuenden Tierärzte einen wichtigen Beitrag zu Verbraucherschutz, Qualitätssicherung, Tierschutz sowie der Schaffung und Erhaltung eines hohen Gesundheitsstatus in der Herde (THELEN 1997) leisten.

Bisher liegen zwei Untersuchungen vor, die sich damit befasst haben, ob und in welcher Weise sich die Moderhinke-Toleranz auf bedeutende Produktionsmerkmale auswirkt. Aus diesen Studien ging hervor, dass kein Zusammenhang zwischen

Qualität bzw. Quantität der produzierten Wolle und der Moderhinke-Empfänglichkeit eines Schafes besteht (RAADSMA u. EGERTON 1993; RAADSMA 2000).

Des weiteren konnten bei einem zufälligen Moderhinke-Ausbruch bei drei Gruppen von australischen Schafen, die auf unterschiedlich starke Resistenz gegen den Nematoden Haemonchus contortus gezüchtet wurden, keine Unterschiede bezüglich ihrer Empfänglichkeit für Moderhinke festgestellt werden (WOOLASTON 1993).

Somit scheinen sich eine Resistenz gegen Ektoparasiten und die Moderhinke-Toleranz nicht gegenseitig auszuschließen.

Probleme für die züchterische Selektion auf Moderhinke-Toleranz würden sich vor allem dann ergeben, wenn sich herausstellen sollte, dass eine Zucht auf Moderhinke-unempfängliche Tiere nicht mit der in vielen Ländern bereits gesetzlich geforderten Scrapie-Resistenzzucht vereinbar wäre. Es liegen widersprüchliche Untersuchungsergebnisse vor, ob die Scrapie-Resistenz wie die Moderhinke-Toleranz mit dem ovinen MHC-Komplex in Zusammenhang steht (CULLEN et al.

1984; MILLOT et al. 1988; CULLEN 1989; DUGUID u. TRZEPACZ 1993).

Da es unwahrscheinlich ist, dass sich die angestrebte optimierte Immunantwort der Schafe gegen alle für diese Tierart wesentlichen Pathogene in gleichem Maße richten kann (RAADSMA et al. 1996), sollte in zukünftigen Studien überprüft werden, inwiefern eine ausgeprägte Immunreaktion auf D. nodosus-Antigen dazu führt, dass der Organismus auf andere bedeutende Antigene nur noch eingeschränkt reagieren kann.