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6 ANALYSE DES DQA 2 -GENORTES

6.2.4 Heritabilitätsschätzung

Für die genetische Anfälligkeit eines Schafes, an Moderhinke zu erkranken, ergab sich unter Verwendung der in Abschnitt 6.1.4 beschriebenen Methoden zunächst ein

Wert von h2 = 0,03 ± 0,07. Nach Transformation dieses Wertes nach DEMPSTER und LERNER (1950) ergibt sich eine Heritabilität von h2 = 0,07 ± 0,13.

Für die einzelnen Gliedmaßen betrugen die Schätzwerte h2 = 0,12 ± 0,06 für den linken Vorderfuß, h2 = 0,05 ± 0,05 für den rechten Vorderfuß, h2 = 0,08 ± 0,04 für den linken Hinterfuß und h2 = 0,13 ± 0,06 für den rechten Hinterfuß.

Die genetischen Korrelationen zwischen den beiden Vorder- und den beiden Hintergliedmaßen lagen mit 0,99997 ± 0,004 bzw. 0,92384 ± 0,134 sehr hoch. Die Empfänglichkeit der Vorderextremitäten könnte somit durch andere genetische Ursachen bedingt sein als die Empfänglichkeit der Hintergliedmaßen. Beim Vergleich der vorderen linken mit der hinteren linken Gliedmaße ergab sich eine negative genetische Korrelation (rg = - 0,34 ± 0,23), während der Wert für die Korrelation von rechtem Vorderfuß und rechtem Hinterfuß 0,05 ± 0,32 betrug.

6.3 Diskussion

20 von insgesamt 23 in Neuseeland für den DQA2-Locus nachgewiesenen Nukleinsäure-Sequenzen (HICKFORD et al. 2004) waren bei den 508 in dieser Studie untersuchten Schafen vorhanden (vgl. Tab. 43).

Bei den in der vorliegenden Untersuchung nicht nachgewiesenen Nukleinsäure-sequenzen handelt es sich einerseits um das Allel T, und zum anderen um die beiden DQA2-ähnlichen Sequenzen 1301 und 1501, durch deren Kombination mit

„echten“ DQA2-Allelen die Allele J2’, J’ sowie Ja gebildet werden.

Allerdings wurde das Vorliegen dieser genannten Allele bereits in der deutschen Schafpopulation beobachtet (HICKFORD 2005, unveröffentlicht), so dass das Fehlen im hier dargestellten Untersuchungsgut möglicherweise durch die Beschränkung auf die drei Schafrassen Merinofleischschaf, Merinolandschaf und Schwarzköpfiges Fleischschaf begründet werden kann. In der Studie von HICKFORD und Mitarbeitern (2004) wurden dagegen knapp 2000 Schafe der Rassen Merino, Corriedale, Borderdale, Romney, Awassi und Finnische Landrasse untersucht.

Durch diese größere Vielfalt an untersuchten Schafrassen sind möglicherweise die Unterschiede bezüglich der prozentualen Häufigkeiten bedingt, die sich beim Vergleich zwischen der deutschen und der neuseeländischen Population ergaben:

während in der Studie von HICKFORD und Mitarbeitern (2004) G das am häufigsten nachgewiesene Allel (15,22 %) war, und dann die Allele H (13,20 %) und B2 (10,66 %) folgten, wurde in der vorliegenden Studie Allel D am häufigsten identifiziert (> 20 %, vgl. Tab. 44).

Für die DQA2-Allele S und F1, die in der untersuchten deutschen Schafpopulation in jeweils nur einem Fall nachgewiesen wurden (vgl. Tab. 43), ergaben sich auch in Neuseeland geringe Vorkommenshäufigkeiten von 1,49 % (S) bzw. 0,97 % (F1).

Insgesamt lässt sich festhalten, dass trotz gewisser Abweichungen in der Rangfolge in beiden Populationen einige Allele häufig (z.B. D, G, B1, E) und andere selten sind (z.B. S, F1). Bei einem Vergleich der Allelhäufigkeiten zwischen den neuseelän-dischen Fleischschafrassen (Romney, Coopworth u.a.) und den untersuchten einheimischen Merinofleischschafen gab es laut HICKFORD (2005, pers. Mitteilung)

erstaunlich große Übereinstimmungen. Allerdings ist nicht klar, auf welcher statistischen Basis diese Aussage entstanden ist.

Unterschiede zwischen der deutschen und der neuseeländischen Schafpopulation hätte man aus dem Grund erwarten können, dass in den beiden hier untersuchten Herden eine genetische Vorselektion durch die chronisch vorhandene Moderhinke denkbar gewesen wäre - ein Faktor, der bei der neuseeländischen Studie keine Rolle spielte. Obwohl beide Schafhalter die Frage verneinten, ob sie ihre Tiere seit dem Auftreten von Moderhinke-Infektionen bewusst auf Klauengesundheit selektiert hätten, ist es dennoch vorstellbar, dass vermehrt Tiere gemerzt oder verkauft wurden, die in ihrer Leistungsfähigkeit hinter den anderen Schafen der Herde zurückblieben, was bei an Moderhinke erkrankten Schafen häufig vorkommt.

Für den Fall, dass unbewusst eine züchterische Selektion auf Moderhinke-tolerante Tiere stattgefunden hat, würde man erwarten, dass DQA2-Allele, die mit einer hohen Moderhinke-Anfälligkeit assoziiert sind, auf Kosten derjenigen Allele verdrängt wurden, die das Toleranz-Phänomen begünstigen.

Es ist indes als unwahrscheinlich anzusehen, dass wenige Jahre einer nicht besonders intensiven züchterischen Selektion offensichtliche Veränderungen an einem solch polymorphen Genort bewirken. HICKFORD (2005, pers. Mitteilung) nimmt an, dass bedeutsame Pathogene wie z.B. Endoparasiten, D. nodosus, und Mycobacterium paratuberculosis im Laufe der Evolution einen sehr viel stärkeren Selektionsdruck auf die Entwicklung des MHC-Komplexes (AMILLS et al. 1998;

HICKFORD et al. 2000) und damit auf den DQA2-Genort ausgeübt haben und immer noch ausüben, als es durch eine züchterische Beeinflussung möglich wäre.

Das im Rahmen dieser Studie erstmalig nachgewiesene Allel B3 kam ausschließlich in Kombination mit dem Allel E und in Betrieb 2 vor. Innerhalb dieses Betriebes wurde es 12mal bei der Rasse Merinolandschaf und nur einmal bei einem Schwarzköpfigen Fleischschaf nachgewiesen. Da die Rassezuteilung aller Nicht-Herdbuchtiere in diesem Betrieb nach dem phänotypischen Erscheinungsbild erfolgte, besteht die Möglichkeit, dass dieses bisher unbekannte DQA2-Allel durch

die Kreuzung von Schwarzköpfigen Fleischschafen mit Merinolandschafen entstanden ist.

Die insgesamt hohe Zahl an nachgewiesenen DQA2-Allelen (vgl. Abschnitt 6.1.3) erschwerte die statistische Analyse. Einzelne Allele kamen so selten im Untersu-chungsgut vor, dass eine Zusammenfassung der Allele zu Gruppen nötig erschien, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.

Aufgrund der Untersuchungen von GLASS und Mitarbeitern (2000; 2004), die belegen, dass eine Duplikation der DQ-Gene bei Rindern zu einer verbesserten Immunantwort führt, wurden die vorliegenden DQA2-Allele zunächst zu zwei Klassen zusammengefasst, die aus duplizierten bzw. nicht duplizierten Allelen bestanden. Bei einem Vergleich dieser beiden Klassen ergab sich, dass das Vorliegen eines duplizierten Allels für einige der untersuchten Datensätze die Chance auf eine Moderhinke-Erkrankung zum Teil signifikant reduzierte (Tab. 50 u. 54). Das trifft vor allem auf Merkmale zu, bei denen auf eine Bewertung des Zwischenklauenspaltes verzichtet wurde („Klauen-Score ohne IDS“ und „Moderhinke pro Gliedmaße“).

Dieses Ergebnis erscheint vor dem Hintergrund plausibel, dass die humorale Immunantwort der Schafe erst im Anschluss an eine Unterminierung von Klauenhorn eine entscheidende Rolle spielt (EMERY et al. 1984a). Somit können Moderhinke-tolerante Schafe zwar an einer interdigitalen Dermatitis erkranken; im Gegensatz zu den voll empfänglichen Tieren sind sie allerdings in der Lage, die Ablösung des Klauenhorns von der Lederhaut durch eine effektive Immunantwort zu einem Zeitpunkt im Infektionsgeschehen zu beenden, an dem noch keine länger anhaltenden Leistungseinbußen der Tiere zu erwarten sind.

Beim Vergleich einzelner Allele gegeneinander ergaben sich für Datensatz 6 signifikante Unterschiede in der Form, dass das Vorhandensein der Allele G und J2 mit einer geringeren Chance auf das Bestehen einer Moderhinke-Infektion verbunden war als das Vorliegen der Allele E und L (Tab. 55). Diese Ergebnisse sind nur eingeschränkt generalisierbar, da sie lediglich für einen der untersuchten Datensätze und innerhalb davon nur für zwei der untersuchten Merkmale in

Erscheinung traten. Allerdings grenzten sich die Allele J2 und E bereits ohne Verwendung eines statistischen Tests von den übrigen Allelen ab: Bei der Betrachtung der am häufigsten nachgewiesenen Genotypen (Tab. 45) war erkennbar, dass der Genotyp E/D mit relativ hohen Score- und TWDS-Mittelwerten in Verbindung stand, während beim Vorliegen des Genotyps J2/D vergleichsweise niedrige TWDS-Werte und Scores nachgewiesen wurden. Ein weiterer Hinweis darauf, dass das Vorliegen des Allels J2 möglicherweise in einer geringeren Anfälligkeit gegenüber einer Moderhinke-Infektion resultiert, findet sich bei der Gegenüberstellung der gesunden und erkrankten, im Auslauf gehaltenen Merinofleischschafe aus Betrieb 1. Obwohl das Verhältnis gesunder zu kranker Tiere in dieser Haltungsform 2 zu 1 betrug, kam das Allel J2 bei 15 klauengesunden und nur bei 3 akut an Moderhinke erkrankten Schafen vor (Tab. 46).

Da diese Resultate in ihrer Gesamtheit die Vermutung zulassen, dass zwischen dem DQA2-Haplotyp eines Schafes und dessen Moderhinke-Empfänglichkeit ein Zusammenhang besteht, ist die Bezeichnung des DQA2-Genortes als „genetischer Marker“ für die Moderhinke-Empfänglichkeit (HICKFORD 2001) eingeschränkt nachvollziehbar.

Im Rahmen des von HICKFORD (o.Jg.) entwickelten DQA2-Genmarker-Tests erhält jedes genotypisierte Schaf aufgrund des diploiden Chromosomensatzes zwei Zahlen zwischen 1 und 5 zugeordnet, wobei 5 für die höchste Empfänglichkeit steht. Ein Tier mit einem Genotyp von 1/1 wird als Moderhinke-tolerant bezeichnet und gibt diese Eigenschaft an seine Nachkommen weiter (vgl. Kap. 2.5.3, Tab.3). Dadurch wird deutlich, dass jedem der über 20 nachgewiesenen DQA2-Allele eine Zahl zwischen 1 und 5 zugewiesen wurde.

Aufgrund der Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Studie können lediglich vier der miteinander verglichenen Allele als förderlich (J2, G) oder hemmend (E, L) für eine Moderhinke-Toleranz beschrieben werden. Da der Homozygotiegrad bei den genannten Allelen in der untersuchten Schafpopulation gering war (vgl. Tab. 56, Anhang), kann keine abschließende Aussage darüber getroffen werden, ob es bezüglich der Moderhinke-Toleranz ein größerer Vorteil ist, wenn ein überlegenes

Allel homozygot vorliegt (z.B. J2/J2), oder ob ein solcher Nutzen erst durch eine bestimmte Kombination von verschiedenen Toleranz-bedingenden Allelen entsteht.

Da die Arbeitsgruppe um RAADSMA (1996) zu dem Ergebnis kam, dass der Genotyp der Schafe die Reaktion auf jedes einzelne präsentierte Antigen beeinflusst, besteht die Möglichkeit, dass ein aus zwei heterozygoten, duplizierten Allelen zusam-mengesetzer DQA2-Haplotyp für eine effektive Immunantwort auf eine vergleichs-weise große Zahl an unterschiedlichen D. nodosus-Serogruppen vorteilhaft ist.

Die ohne Berücksichtigung der vorliegenden DQA2-Allele ermittelte genetische Anfälligkeit der untersuchten Merinofleischschafe, an Moderhinke zu erkranken, lag mit einem Wert von h2 = 0,07 ± 0,13 (vgl. Kap. 6.2.4) relativ niedrig. Für die einzelnen Gliedmaßen ergaben sich Schätzwerte zwischen h2 = 0,05 (± 0,05) und h2 = 0,13 (±

0,06). Damit liegen die hier nachgewiesenen Werte deutlich unter den von WOOLASTON (1993) für Merinoschafe ermittelten Heritabilitätsschätzwerten des Moderhinke-Scores von 0,20 ± 0,14. Der von SKERMAN und Mitarbeitern (1988) für Schafe der Rasse Romney geschätzte Wert von 0,14 ± 0,03 wurde in dieser Untersuchung bezogen auf den rechten Hinterfuß (h2 = 0,13 ± 0,06) und den linken Vorderfuß (h2 = 0,12 ± 0.06) annähernd erreicht.

Da RAADSMA (2000) infolge einer Schätzung der genetischen Variabilität bei australischen Merinoschafen feststellte, dass nach artifizieller Infektion mit einem virulenten D. nodosus-Stamm 34 % einer sehr resistenten und 79 % einer sehr empfänglichen Zuchtlinie an Moderhinke erkrankten, scheint die Selektion auf einer soliden genetischen Grundlage durchführbar zu sein (SIPOS et al. 2003).

Die genetischen Korrelationen zwischen den beiden Vorder- und den beiden Hintergliedmaßen waren in der vorliegenden Studie auffallend hoch (vgl. Kap. 6.2.4).

Zusätzlich wurde die Position der Gliedmaße, die bei den statistischen Auswertungen in den Kapiteln 4 und 5 keinen signifikanten Einfluss auf die untersuchten Klauen-merkmale hatte, durch Aufnahme der DQA2-Allele in das statistische Modell zumindest für einige Datensätze signifikant (vgl. Tab. 48 u. 49 sowie 51 - 53). Da aber von allen mit dieser Thematik befassten Arbeitsgruppen eine erhöhte

Moder-hinke-Empfänglichkeit der Schafe durch eine unzureichende Immunantwort begründet wird (BULGIN et al. 1988; OUTTERIDGE et al. 1989; RAADSMA et al.

1994a; RAADSMA et al. 1997), die für alle Gliedmaßen eines Schafes im gleichen Maße erfolgt, erscheint es nicht möglich für dieses Ergebnis eine plausible Erklärung zu finden.

HICKFORD (2005, pers. Mitteilung) äußerte angesichts der vorliegenden Untersu-chungsergebnisse, dass der von ihm entwickelte Test nahezu alle stark erkrankten Tiere auch als hochempfänglich detektiert hätte. Obwohl diese Aussage aufgrund der fehlenden Informationen über die Art der in Neuseeland durchgeführten Auswertung und die verwendeten statistischen Methoden nicht überprüfbar ist, besteht doch Grund zur Annahme, dass ein solcher Gentest auch in der deutschen Schafpopulation sinnvoll eingesetzt werden kann. Um diesbezüglich eine größere Sicherheit zu erlangen, sollte die Allelverteilung in zukünftigen Studien an einer größeren Zahl von Schafen untersucht werden, und zwar zum einen in Herden, in denen Moderhinke akut und erstmalig auftritt und zum anderen bei Schafen, die innerhalb eines langen Beobachtungszeitraums rezidivierend erkranken.

Im Rahmen solcher Untersuchungen könnte nachvollzogen werden, ob die Aussage von BOZKAYA (2001), dass die genetische Variabilität innerhalb des MHC-Komplexes durch den Einsatz von Hochleistungsrassen reduziert wird, auch für den DQA2-Genort zutrifft. Unter Umständen könnte dieses Phänomen zur immer wieder beschriebenen (BEVERIDGE 1941; EMERY et al. 1984a; RAHMANN 2003), aber im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht nachweislich höheren Empfänglichkeit der Merinoschafe beitragen.

7 Zusammenfassende Diskussion und