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2 LITERATURÜBERSICHT

2.1 Moderhinke

2.1.3 Epidemiologie

2.1.3.1 Einfluss von Umweltfaktoren

Die trockene und unverletzte interdigitale Haut ist für eine Infektion mit D. nodosus kaum empfänglich. Die entscheidenden Einflussfaktoren, die sich auf Manifestation und Übertragung der Erkrankung prädisponierend auswirken, wurden von BEVERIDGE bereits 1941 beschrieben, haben aber bis heute Gültigkeit (DEPIAZZI et al. 1998). Dabei handelt es sich um:

• anhaltende Feuchtigkeit über einen Zeitraum von vier bis fünf Tagen

• eine durchschnittliche Tagestemperatur von 10°C oder mehr

• üppige Weiden (hohe Tierzahlen, Feuchtigkeit wird besser zurückgehalten)

• Verletzungen der interdigitalen Haut durch raue, steinige Böden

Eine herabgesetzte Empfänglichkeit der Tiere liegt sowohl bei heißen, trockenen Bedingungen als auch bei sehr tiefen Temperaturen vor. Letzteres lässt sich dadurch erklären, dass bei Kälte weniger Blut durch die Klauen fließt, und die geringere Oberflächen-Temperatur zum einen das Eindringen und zum anderen die Vermehrung des Moderhinke-Erregers erschwert (STEWART 1989).

D. nodosus ist als obligatorisch anaerober Erreger in der Umwelt nur kurze Zeit überlebensfähig, wobei diesbezügliche Angaben von wenigen Stunden bis zu zwei Wochen reichen (BEVERIDGE 1941; ABBOTT u. MAXWELL 2002).

2.1.3.2 Einfluss von Geschlecht, Alter und Körpergewicht

Generell zeigen sich erwachsene Tiere empfänglicher als Lämmer (WOOLASTON 1993) und Böcke empfänglicher als Auen (SKERMAN 1986; RAADSMA et al. 1993).

Beide Phänomene wurden von verschiedenen Autoren vor allem mit dem Körpergewicht (BEVERIDGE 1941; RAADSMA et al. 1993), aber auch mit dem geschlechtsspezifischen Verhalten (SKERMAN et al. 1988) der Tiere in Zusammenhang gebracht. Eine andere mögliche Ursache wurde im Rahmen eines Herdenversuches entdeckt: Weibliche Jungschafe weisen in Folge einer polyvalenten Impfung mit einer D. nodosus Vakzine durchweg höhere Antikörpertiter auf als Jungböcke derselben Kohorte (RAADSMA et al. 1996), so dass sie unter Umständen auch auf eine natürliche Infektion hin besser reagieren können. Dazu kommt, dass die Gesamtfläche der Klauenhornröhrchen bei weiblichen Tieren rasseunabhängig größer zu sein scheint als bei männlichen Tieren. Dadurch ist das Wasseraufnahmevermögen bei den Auen geringer, was in einer herabgesetzten Empfänglichkeit resultiert (ERLEWEIN 2002).

Liegen der Infektion sehr virulente Bakterienstämme zu Grunde, können Lämmer trotz der relativen Altersresistenz bereits im Alter von zehn Tagen klinische Moderhinke-Erscheinungen zeigen (PIRIZ et al. 1992).

SCHULER (1996) konnte bei seinen Untersuchungen in Tiroler Bergschafzucht-betrieben weder geschlechts- oder altersspezifische Unterschiede in der Infektions-stärke noch eine Präferenz bestimmter Extremitäten ermitteln, obwohl die Klauen der Vordergliedmaßen eine größere durchschnittliche Röhrchenfläche aufweisen und somit theoretisch weniger anfällig sein müssten als die der Hintergliedmaßen (ERLEWEIN 2002).

2.1.3.3 Infektionsquellen und Übertragung A Übertragung von Schaf zu Schaf

Die direkte Übertragung von Schaf zu Schaf spielt die entscheidende Rolle im Infektionsgeschehen. Eine besondere Gefahr stellen dabei chronisch und latent infizierte Schafe dar, die unter Umständen selbst keine Lahmheitserscheinungen

zeigen und so Stall- und Weideflächen unerkannt kontaminieren können (EGERTON u. PARSONSON 1969; GLYNN 1993; DEPIAZZI et al. 1998).

B Direkte Übertragung durch andere Tierarten

Zwischen Ziegen und Schafen ist eine natürliche Übertragung in beide Richtungen möglich, wobei die Ziegen sowohl mit bösartigen als auch mit gutartigen Stämmen (s. Kap. 2.1.5) infiziert sein können. Allerdings äußert sich eine Infektion bei dieser Tierart in den seltensten Fällen so dramatisch wie beim Schaf (GHIMIRE et al. 1996, 1999). In den meisten Fällen liegt bei den Ziegen eine hochgradige interdigitale Dermatitis vor. Nur gelegentlich kommt es zu einer Unterminierung des Sohlenhorns (CLAXTON u. O'GRADY 1986).

Die Ursache für die vergleichsweise mildere Verlaufsform ist laut GHIMIRE und Mitarbeitern (1999) darin zu sehen, dass das Stratum corneum der Haut im Interdigitalspalt von Ziegen wesentlich dicker ist als das der Schafe. Aber selbst wenn diese primäre Barriere durchbrochen ist, schützt eine angeborene Resistenz die Ziegen vor schwerwiegenden Ablösungen des Horns. Es könnte allerdings ein zusätzlicher Aspekt sein, dass Ziegen feuchte Böden in einem viel höheren Maß meiden als Schafe (GANTER 2004, pers. Mitteilung). Auf jeden Fall sind Ziegen in geplante Sanierungsprogramme einzubeziehen. Die Beurteilung der Virulenz der Erreger anhand klinischer Veränderungen kann an ihnen allerdings nicht erfolgen (NEW SOUTH WALES FARMERS' ASSOCIATION 1991).

Auch Wildwiederkäuer gelten als empfänglich. In Deutschland kommen für die Übertragung vorrangig Mufflons in Frage (NATTERMANN et al. 1991, 1993), in Gebirgslagen aber auch Steinböcke (GIACOMETTI 2002).

Von Rindern können regelmäßig D. nodosus-Stämme isoliert werden, die sowohl artifiziell als auch unter Feldbedingungen auf Schafe übertragbar sind, wobei bei den Rindern selbst in der überwiegenden Zahl der Fälle entweder keinerlei klinische Klauenveränderungen oder eine geringgradige interdigitale Dermatitis festzustellen ist. Solche Stämme haben bisher beim Schaf überwiegend gutartige Formen der Moderhinke (s. Kap. 2.1.5.1) hervorgerufen (WILKINSON et al. 1970; RICHARDS et al. 1980; STEWART et al. 1983a; THORLEY u. DAY 1986). Sind Rinderklauen

hingegen mit bösartigen Stämmen infiziert (MITCHELL et al. 1992), kommt es zu persistierenden, schwer therapierbaren Ulzerationen im Zwischenklauenspalt und in ganz seltenen Fällen auch zu einer Unterminierung von Ballenhorn. Allerdings führen diese Veränderungen beim Rind nicht zwangsläufig zu Lahmheiten, weshalb die Diagnose häufig erst durch eine genaue Untersuchung der angehobenen Klaue gestellt werden kann. Somit stellen Rinder eine zwar geringe, aber dennoch ernstzunehmende Bedrohung eines geplanten Sanierungsprogrammes dar (ABBOTT u. MAXWELL 2002).

Gelegentlich wird auch von D. nodosus-Infektionen beim Schwein berichtet (WRIGHT et al. 1972; PENNY et al. 1980; PIRIZ et al. 1996; SORI 2005), die allerdings nicht zu den für die Wiederkäuer typischen Symptomen führen. Vielmehr zeigen diese Tiere Läsionen innerhalb der weißen Linie, wodurch eine Infektion des kaudalen Bereichs der Klaue möglich wird. Durch Aufsteigen der Entzündung kommt es häufig zu einer Zusammenhangstrennung der Haut-Hornverbindung im Kronsaumbereich.

C Indirekte Übertragung

Durch erkrankte Tiere kontaminierte Weiden bergen für Schafe, die bisher nicht mit D. nodosus in Kontakt gekommen sind, aber deren Zwischenklauenspalt durch Entzündung oder Verletzung vorgeschädigt ist, ein hohes Infektionsrisiko. In einem solchen Fall ist es ausreichend, wenn die Prävalenz in der Überträger-Herde < 1 % beträgt, und die bislang gesunde Herde eine Stunde auf der kontaminierten Fläche verbringt. Nachgewiesen wurde eine solche indirekte Übertragung bisher allerdings nur, wenn die Beweidung durch die an Moderhinke erkrankten Tiere weniger als 24 Stunden zurücklag (WHITTINGTON 1995). Bei höherer Prävalenz und längerer Expositionsdauer ist es denkbar, dass auch nach über 24 Stunden noch Infektionen auftreten können, da D. nodosus aus Schlamm und isoliertem Läsions-Material auch noch nach fünf bis sieben Tagen nachgewiesen werden kann (BEVERIDGE 1941).

Eine Übertragung von D. nodosus durch Kleidung und Autoreifen scheint eher unwahrscheinlich, sofern nicht ganze infizierte Klauenstücke verschleppt werden.

Nicht desinfizierte Transportfahrzeuge und Klauenmesser können dagegen eine Gefahr für gesunde Tiere darstellen.

Häufig erkranken Schafe nach dem Treiben über mit Rindergülle gedüngten Flächen an einer interdigitalen Dermatitis. Insofern könnten die in der Gülle aufgrund eventueller Mortellaro-Erkrankungen der Rinder vorhandenen Spirochäten das Auftreten von Moderhinke-Infektionen zumindest begünstigen (GANTER 2005, pers.

Mitteilung). Eine generelle Beteiligung von Spirochäten entweder als prädis-ponierender Faktor oder als Sekundärerreger der Moderhinke wird von mehreren Arbeitsgruppen postuliert (BEVERIDGE 1941; NAYLOR et al. 1998; COLLIGHAN et al. 2000; DEMIRKAN et al. 2001; DAVIES 2002; EDWARDS et al. 2003; DHAWI et al. 2005), was laut ABBOTT und LEWIS (2005) unter anderem daran liegt, dass die eigenständige, wahrscheinlich durch Treponemen verursachte Erkrankung Contagious Ovine Digital Dermatitis (CODD) früher die irreführende Bezeichnung Severe Virulent Ovine Footrot trug, die von manchen Autoren auch heute noch verwendet wird. Auch wenn die Ätiologie von CODD noch nicht abschließend geklärt ist und eine krankheitsassoziierte Anwesenheit von D. nodosus nachgewiesen wurde (MOORE et al. 2005), lässt sich diese Erkrankung klinisch von der klassischen Moderhinke-Infektion abgrenzen (WINTER 2004a): Bei der CODD ist die primäre Läsion stets am Kronsaum zu finden; von dort aus breitet sich die Infektion nach distal aus, woraus eine komplette Ablösung der Hornkapsel resultiert. Der Zwischenklauenspalt ist nur in seltenen Fällen vom Entzündungsgeschehen betroffen.