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Die Zeit zwischen 1387 und 1450 war somit nicht nur für den Adel, sondern auch für die sich in den 30er Jahren nur allmählich festigende Gruppe der Bürger

Im Dokument ,,Vom Polocker Venedig (Seite 108-113)

sowie

die

übrigen freien Städter

eine Zeit

wichtiger Umbrüche.

Erst in

dieser

Pe-riode teilte

sich die

Stadtbevölkerung unter mitteleuropäischen Einflüssen

in

un-terschiedliche rechtliche Großgruppen

mit

ständischen Privilegien.4

Der

Verlauf dieser Differenzierung

ist nun

anhand

der

Versammlungen

zu

untersuchen,

an

denen

die

sozialen Gruppen

im 15. Jh.

gemeinsame Handlungsspektren herausbil-deten.

C.II.3 „dass

sich alle

gemeinsam

an

jener Stelle versammeln,

wo sie sich seit lan-ger Zeit

versammeln

“5

Versammlungen

Schon

im 13. und 14. Jh. gab es

möglicherweise

beim

Abschluss

von

Friedens-verträgen einzelne Versammlungen

von

vielen Städtern außerhalb

des oben

be-schriebenen Zusammenhangs einer Krise fürstlicher Herrschaft.

Die

zitierten

Be-stimmungen

zur

Gerichtsbarkeit

in den

Verträgen

des 13. Jh. mit den

lateinischen Partnern lassen auch gerichtliche Zusammenkünfte

von

Städtern

mit

oder ohne Präsenz

von

fürstlichen Dienstleuten

als

denkbar erscheinen.

Aber

erst,

als der

Polocker Teilfürst

am

Ausgang

des 14. Jh.

durch einen Statthalter ersetzt worden war, wurden Versammlungen

der

städtischen Bevölkerung nachweislich häufig:

Für das 15. Jh. gibt es

Einzelhinweise

auf

etwa

70

Zusammenkünfte,

an

denen gemäß

der

Sprachregelung

der

Quellen,

die

über

sie

berichten, „

alle

Polocker

“ und

damit Mitglieder aller städtischen Gruppen teilnahmen. Versammlungen

ein-1 „Ot pana Vasilija Dmitrieviča i ot bojar Polockich i ot městičov i oto vsech muž

Poločan

vseho pospolstva“. PG 1, Nr. 51, 1435–1436, S.132.

2 Vgl. PG 1, Nr. 86, ca. 1448, S.173.

3 Vgl. GIERKE (1873), S.596.

4 CHOROŠKEVIČzeichnet wichtige Bestandteile des Wandels in der ersten Hälfte des 15. Jh.

nach. Vgl. PG 5, S.186f.; CHOROŠKEVIČ(1974b). Sie erkennt aber in der Entwicklung in

erster Linie die Kontinuität des Erbes der Kiewer Rus’und übersieht die Dimension des Um-bruches. CHOROŠKEVIČ(1982a), S.75; CHOROŠKEVIČ(1982b), S.205, S.208, S.219.

5 PG 2, Nr. 195, 1486, S.111.

zelner Stände lösten allgemeine Zusammenkünfte

in den 80er und 90er

Jahren

des 15. Jh.

rasch

und

nahezu vollständig

ab.

Im

Rahmen

des

neuen Machtdreiecks zwischen Großfürst, lokalem Statthalter

und

örtlichen privilegierten sozialen Gruppen bildeten

sich im 15. Jh. auf

älteren Grundlagen neue Formen kollektiven Handelns.

Mit

ihnen festigten

sich

gleich-zeitig Grenzen

und

Identitäten

der

neuen sozialen Gruppen. Diese allmähliche Auseinanderentwicklung

von

Interaktionsketten

und

neuen Handlungsfeldern

soll nun

untersucht werden.

C.II.3.1 Grundlagen

im

nordosteuropäischen Kontext

C.II.3.1.1

alle

Polocker

“ Zur

Teilnahme

an

Versammlungen

Um 1396

wurde

ein

Schreiben „

Vom

Polocker Statthalter Montihird

und von al-len

Männern

von den

Polotschanen (oto vsech mu

ž ot

Polo

č

an)

“ a n die

Rigaer geschickt,

das den

bestehenden Handelsvertrag

von 1392

bekräftigen sollte.1

Die

Formulierung „

alle

Männer

“in der

intitulatio

der

Urkunde erscheint dabei

als

wichtige Neuerung

im

Schreibstil

der

bisher

aus

Polock bekannten Urkunden.

Freilich hatten sich schon 1186 gemäß

der

Chronik

„ alle“

Polotschanen

im

ve

če

versammelt,

und

auch

in der Vita der

Evfrosinija war,

wie

erwähnt, wiederholt

von

„allen Bojaren

“,

der

ganzen Burgstadt

“ und

dem

ganzen Land

“ die

Rede.

Auch in

Pskov

und

Novgorod waren analoge Formeln

in den vom 13. Jh. an

er-haltenen Urkunden üblich. Dennoch sind erst

für die Zeit nach 1390

Polocker

Ur-kunden erhalten,

in

denen

die

Formel

„ alle “

verwendet wurde.

Im

ganzen

15. Jh.

blieb

sie im

schriftlichen Verkehr

der

Polocker

mit Riga

wesentlich. Ihre Über-nahme

in den

Schreibstil

der

Polocker

ist eng mit den

Urkundenformeln Rigas

zu

verbinden,

wo sie, wie in den

meisten westlichen Städten,

seit der

Etablierung

der

Rechtsstadt

im 13. Jh.

üblich

war

(

universi cives

“ ).

Den

Polocker Absendern musste sehr daran gelegen sein,

von den

Rigaer Empfängern gleichermaßen

und mit

ähnlichen oder

den

Rigaern verständlichen Mitteln

und

Verfahren

als

legitimiert angesehen

zu

werden.

Der

Formelbestandteil

„ aller “ hob den

Anspruch

der

Absender hervor,

als

Einheit aufzutreten.

Er

stand

für ein

entstehendes kollektives Bewusstsein

von

Interessen,

die

gemeinsam

ge-tragen

und nach

außen vertreten wurden.

Eine

Versammlung wirklich aller

Perso-nen der

entsprechenden Gruppen

ist

damit aber nicht anzunehmen:

Ein

Dekret

des

Großfürsten schrieb

1486 den

damals bestehenden ständischen Gruppen

für

ihre Versammlungen

zur

Steuererhebung, aber auch

für

ihre anderen Zusammenkünfte vor,

dass sie unsere herrschaftlichen Angelegenheiten alle einig und gemeinsam erledigten (vsi z

hodoju pospolu spravljali) wie von alters her, und dass sich alle gemeinsam an jener Stelle

ver-1 PG 1, Nr. 17, 1396, S.64.

C.II Macht zwischen Statthaltern und Städtern bis um 1490 109

sammeln, wo sie sich seit langer Zeit versammeln. (...) in allen Sachen sollen sie sich so beraten (radilis’), wie wir ihnen das Recht dazu gegeben haben.“1

Damit sind

für die

zweite Hälfte

des 15. Jh.

Versammlungen

an

einem (nicht näher benannten) bestimmten Platz2

als

Gewohnheit belegt sowie

ein

Aufruf

zur

möglichst vollständigen Anwesenheit.

Es

bleibt aber unwahrscheinlich, dass wirklich alle

und

etwa auch

die

Dienstgruppen,

die

noch

zu

Ende

des 15. Jh. mit der

Burgstadt

die

Landesabgaben leisteten

und in der

Nähe

der

Burgstadt lebten, jeweils vollständig anwesend waren, wenn

es bei der

gerichtlichen Versammlung

– wie so oft – nur um

Handelsangelegenheiten

der

Elite

der

Städter ging.

Viel

eher kamen

in

Polock

wie in

anderen genossenschaftlich organisierten Gemein-wesen

so

viele zusammen, dass

sie für alle

gelten konnten.

Ein

Beschluss dieser

noch

nicht korporativen

und

auch nicht repräsentierenden, sondern genossen-schaftlichen Versammlung einer lediglich

in der

konkreten Situation hergestellten

„Gesamtvielheit

“ der

Leute

am

gewohnten

Ort und im

Rahmen

der

gewöhnlichen

und

damit rechtsmäßigen Handlungsweisen verpflichtete auch

die

Abwesenden.3

Den

Polockern

war zu

Beginn

des 15. Jh. die

Formel

„ alle “ im

Verkehr

mit Riga

auch

in

ihrer Verwendung

als

„technische Formel

“4 seit

langer

Zeit geläu-fig: Um

1400 stand

sie

längst nicht mehr

für die

alte Identität

der

Bürgerschaft

als

Gesamtvielheit

mit der

Versammlung aller Bürger.

Nach der

Institutionalisierung

des

Rates brachte

sie

vielmehr seinen Anspruch

auf die

Vertretung

der

„Gesamt-einheit

“ der

Städter

als pars pro

toto

für die

Korporation

der

Stadt

zum

Aus-druck.5

In Riga ist

bereits

1226 ein Rat

nachgewiesen.

Die

Gesamtheit

der

Bürger

als

Gemeinde trat

in

aller Regel

nur in den

Formeln gemeinsam

mit dem Rat auf ( „ de

gemene borgere

“;

„universi cives

“;

„universitas

“;

„communitas civium

“;

„tota communitas civitatis

“; „ arm und

reich

“; am

häufigsten „commune civitatis

“ ).6 Von 1375 an ist

etwa

für

Krakau bekannt, dass

in

Urkunden nebst

dem

Stadtrat auch

die

„communitas

“ und die

„universitas civitatis

erschienen

( „ cale

pospólstwo

“;

„tota communitas

“;

„totius universitatis civitatis

“ ).7

Damit sind aber,

wie

dargelegt, keine Gemeindeversammlungen belegt, sondern

nur die

Ver-1 „(...) a dela by naši h(ospo)d(a)rs

skie vsi z

hodoju pospolu spravljali po davnomu, a symalis(’) by vsi pospolu na tom meste, hde pered tym syimyvalis(’) zdavna. (...) vo vsich by rečach radilis’tak, kak my im pravo dali.“PG 2, Nr. 195, S.111.

2 Bis ins 15. Jh. können sich die Versammlungen auf den Platz vor der Sophienkathedrale in der Burg konzentriert haben. Da sich die Versammelten in der zweiten Hälfte des 15 Jh. als die Stadt Polock bezeichneten, die sich von der Burg unterschied, dürften die Versammlun-gen nach der Mitte des 15. Jh. im Großen Posad stattgefunden haben.

3 Vgl. GIERKE (1873), S.476f., S.489, S.590f. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Fehlende gerügt wurden.

4 Vgl. GIERKE (1873), S.598. Allgemeine Bürgerversammlungen waren im Ostseeraum vor allem in der ersten Zeit nach der Gründung der Rechtsstädte zu Beginn des 13. Jh. verbreitet, bevor der städtische Rat ihre Kompetenzen an sich zog. EBEL (1978), S.185, S.189–194.

5 GIERKE (1873), S.590–595; I. REITER, „Repräsentation“, in: HRG 4, Sp.904–911, hier Sp.905.

6 BUNGE, V. (1878), S.88f.; vgl. ZÜHLKE (2002), S.94.

7 WYROZUMSKI (1992), S.418. In Wilna wurde der Begriff „pospólstwo“erst später verwen-det. DRUŽCYČ(1929), S.381; zu mhd. „gemeine“: LEXER (381992), S.60.

wendung

der

Formel

im

technischen Sinn:

Nach 1400 ist auch für Riga

nicht mehr

von

einer Bürgerversammlung

bei

alltäglichen Gerichtsverfahren auszugehen.

Die

Polocker waren damals

noch

weit davon entfernt, einen Stadtrat

zu

haben,

der als

korporatives Gremium

für die

geschlossene Gesamteinheit

der

Stadt han-delte.1

Im

Kontakt

mit Riga war

ihnen aber

die

technische Verwendung

der For-mel

soweit bekannt, dass

sie sich mit

einer gewissen Anzahl

von

Versammelten begnügten,

um in den

Dokumenten

als „ alle “

handlungsfähig aufzutreten, ohne tatsächlich

ein

korporatives Repräsentationsgremium

zu

besitzen. Auch

in

Polock versammelten

sich

offenbar

wie in

westlicher gelegenen mitteleuropäischen Städten,

die

(noch) keine Schöffenverfassung besaßen,

an den

regelmäßigen

Ge-richten „nicht

alle

Bürger, sondern

nur

eine

zum

Urtheilfinden hinreichende

An-zahl.

“2

Weitere Aspekte

von

Versammlungsformen nach

1390

werden

mit

zusätzlichen Quellen

zur

Aushandlung

des

Vertrages

mit Riga von 1406

umrissen.

Dieser Vertrag sollte

die

schriftliche Sprachanwendung sowie insgesamt

kollekti-ves

Handeln

im

handelsrechtlichen Kontext entscheidend prägen.

C.II.3.1.2 „Älteste

“ und

„upperste

“– Zur

Führung

von

Versammlungen

1399

verfügte Großfürst Vytautas

in

einem Schreiben

in der

ostslawischen Urkun-densprache,

dass in Polock die Polotschane, gute Leute (dobrym ljudem), das Kreuz darauf zu küssen haben, dass sie den Deutschen im Handel und bei der Waage und in allen Handelsangelegenhei-ten alles im Recht tun (što im činiti němcem vse u pravdu).“3

Deutlicher

als in

allen früheren Texten beschrieb

er

damit eine Beteiligung

der

„Polotschane

“ am

rechtlichen Regeln alltäglicher, örtlicher Handelsangele-genheiten.

Die

„Guten Männer

sollten

sich mit

einem

Eid

nach innen

und

außen kollektiv verpflichten,

in

einem bestimmten rechtlichen Handlungsfeld verein-barte Interaktionsregeln einzuhalten.

Sie

stärkten

in

diesem

Akt für

oder

als „ die

Polotschane

ihren kollektiven Status

als

Rechtsträger.

Der Eid gab

ihrem Han-deln

in

diesem Handlungsfeld Legitimität.

Der

Einfluss

des

lokalen Herrschafts-trägers

und

seiner Amtleute ging damit

auf der

Ebene

der

schriftlichen Verein-barungen deutlich zurück. Analog sollten

in Riga

„gute Leute gegenüber

den

Po-lotschanen

“ die

Vereinbarungen beschwören.4

Wie im

Smolensker Vertrag

von

1229

waren

die

„guten Leute

eher

ad hoc

hinzugezogene, unbescholtene

und

angesehene Männer denn

ein

gefestigtes Führungsgremium.

1 Vgl. POST (1973), S.97.

2 PLANCK (1878), S.65.

3 1401 wiederholte Vytautas den Text auf niederdeutsch gegenüber den Rigaern, als er ihnen berichtete, er habe an die Polocker –und nicht an den lokalen Statthalter geschrieben, sie sollten den Rigaern auf den neuen Vertrag das Kreuz küssen: „Auch wisset, das wir den Ploczkern geschrebin haben, das zy euch crueczkossinge leisten zollen, euch und den ewirn glych czuu tuun an kowfmanschaczen und an den gewichten, alz das zcwischen euch und een gewonlich und recht ist.“PG 1, Nr. 31, 1401, S.88.

4 „(...) na tom, što im činit(i) němcem vse u pravdu“. PG 1, Nr. 26, 1399, S.80.

C.II Macht zwischen Statthaltern und Städtern bis um 1490 111 Ebenfalls

im

Zusammenhang

mit der

Kommunikation über einen neuen

Ver-trag

ist für das Jahr 1400 ein

Brief

von

Rigaer Boten

an den Rat von Riga

über-liefert.

Das

Schreiben

ist

eines

der

wenigen,

die

einen Einblick

in den

Ablauf einer Versammlung

von

Polockern geben.

In dem

Dokument berichteten

die Bo-ten dem Rat von

Gesprächen

mit dem

Großfürsten sowie

mit den

Polockern.

Der

Großfürst

und

seine Bojaren hätten

den

Rigaern befohlen,

„dat wij darhen toghen und voruoeren [vorführen, vorbringen, S. R.], wes wij mit en dege-dinghen [ver- oder unterhandeln, S. R.] kunden und gaff uns enen brieff mede an de ploskauwer dat sie den dutschen Copman laten soelden by alle syme alden rechte.“1

Die

Rigaer sollten laut ihrem Bericht

bei

ihrem

Gang nach

Polock

also

einen Brief

von

Vytautas

an die

Polocker

mit sich

geführt haben,

in dem

dieser „

die

Polocker

aufforderte,

die

deutschen Kaufleute

bei

ihren „alten Rechten

und ihrer Handelsfreiheit

zu

belassen. Dabei

ist

bemerkenswert, dass

der

Großfürst

die

Rigaer

mit

ihrer Forderung

und

seinem Unterstützungsschreiben nicht

zum

Statt-halter, sondern

vor „ die

Polocker

geschickt hatte.

Die

Rigaer erhielten folgende Reaktion

auf

ihre Maximalforderung,

die

immerhin

der

Großfürst unterstützt hatte:

„Unn die Ploskauwer segeden uns, se wolden erre sake tho hope [zu Hauf, zusammen, S. R.]

gadderen [versammeln, vereinigen, zusammenfassen, S. R.] unn erre clage uppe de dutschen.

Wante de Eldeste segget hijr dat in vortijden de Rat tho der Righe vorboden hebbe (...)“, dass Polocker in Riga mit Überseeischen handeln dürften.

„ Die

Polocker

antworteten

in

Abwesenheit

des

Statthalters

mit

einer

offen-bar

augenblicklich zusammengestellten „Klage gegen

die

Deutschen

“.

Daraus

ist auf

einen Beratungsvorgang

zu

schließen. Ausdrücklich

war die Rede

davon,

„ se

wolden

erre

sake

tho

hope gadderen

“:

Trat damit eine Menge

zu

einem Haufen, einer Gerichtsversammlung, zusammen?

Es ist an das

erwähnte

so

genannte

„Haufengericht

(

kopnyj sud

“ ) zu

denken. Anschließend wurde ihre Antwort,

die

unmittelbar

in

diesem Vorgang

in

Worte gefasst worden war,

von

einem oder mehreren „Ältesten

(

Eldeste

“) der

Polocker

den

Rigaer Boten vorgetragen.

Inhaltlich warfen

die

Polocker

den

Rigaern

vor,

dass diese

den

Polockern

in Riga

nicht gestatteten,

was sie für sich

selbst

in

Polock wünschten. Ausgehend

von

dieser rhetorisch versierten Argumentation entwickelte

sich ein umfangrei-cher

Wortwechsel.

In

seinem Verlauf sprachen

die

Gesandten

der

Rigaer

zu den

Polockern

„ sie

werren gudde

aide

lude

“ . Sie

kombinierten folglich

die

Ausdrücke

„Älterleute

“ und

„gute Leute

“ . Die

solchermaßen Angesprochenen nahmen

in der

Quelle

die

Funktion

von

Sprechern

im

Namen aller versammelten Polocker wahr:

Sie

traten

als

momentan Bevollmächtigte

der

Gesamtvielheit auf.2

1 RLU, Nr. 127, 1400, S.98. HILDEBRAND nennt ein weiteres, undatiertes und unediertes Dokument, das erwähnt, dass Rigaer Kaufleute wegen Handelsangelegenheiten angeblich in der ersten Hälfte des 15. Jh. vor „russischen Gemeindeältesten“in Polock vorsprachen. HIL-DEBRAND (1878), S.368, S.370. HILDEBRAND verweist als Beleg auf das Äußere Rigaer Ratsarchiv. Die Suche nach einer Edition der Quelle blieb erfolglos.

2 Vgl. GIERKE (1873), S.504.

Trotz dieser Wortführer konnten

die

Polocker

in den

Augen

der

Rigaer wäh-rend

der

Verhandlung aber nicht immer

eine

passende Antwort finden, stand doch

im

Brief

der

Rigaer: „alsus hadde wij viele wort

mit en, dat sie

nicht

wol ene

wijsten

wat sie dar

tieghen seggen soelden.

Offenbar fanden

in

solchen

Mo-menten weitere interne Beratungen

der

Polocker statt.

Mit dem

Dokument

ist

jedenfalls

eine

komplexe kollektive Meinungsbildung einer Menge

von

Polockern

und die

Vermittlung eines Beschlusses

der

versam-melten Polocker

in der

Gegenwart

der

Rigaer bezeugt.

In der

Situation wurde konkretisiert und letztlich durch Sprecher

als

Standpunkt „

der

Polocker

“ vertre-ten, was

diese

in der

vorgängigen Beratung

als

gemeinsame Meinung beschlossen hatten.

Der

Wortwechsel

der

Rigaer

mit den

Polockern fand „

mit

ihnen

statt,

und

damit nicht

nur mit

einem Wortführer

der

Polocker.

Am

Schluss

der

Ver-handlung stand

ein

klarer Wille

der

Polocker

– sie

übertrugen

den

Entscheid

in der

Angelegenheit

dem

Großfürsten.

Das

Dokument zeigt

ein

klares Bewusstsein

der

Polocker

von

gemeinsamen handelsrechtlichen Belangen. Erstmals können

für

selbstständiges kollektives Handeln

der

Polocker Verfahren

der

Beschlussfindung

und

Vertretung nachgewiesen werden.

Sie

wurden selbstverständlich

und

erfolg-reich eingesetzt, obschon

der

Statthalter

in der

gesamten Interaktion keine Rolle spielte.

Damit sind

um 1400 in der

Wahrnehmung

der

Deutschen erstmals

ein „

El-deste

“ , ein

„Ältester

“,

oder „gute

alte

Leute

belegt,

die der

Versammlung

der

freien Polocker beziehungsweise einer Vielzahl

von

Polockern

als

Wortführer vorstanden.

Im

Sprachgebrauch

der

Rigaer Kaufleute wurden aber

bald

auch

„Oberste

“ in

Polock beobachtet:

Um 1410

nannten

die

Rigaer

die

führenden Polocker Kaufleute die „uppersten koplude tho Ploscow

“.1

Schon

um

1398

spra-chen die

deutschen Kaufleute

die

Polocker

als „ ere

upperste

“ und „ al de

up-persten borgers

an.2

Sie

sind

mit den

„oversten

“in

Zusammenhang

zu

bringen,

vor

denen

gemäß

dem

Vertrag

von 1338 und

analog

zum

Vertrag

von 1229 –,

Im Dokument ,,Vom Polocker Venedig (Seite 108-113)