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Von 1563 bis 1579 befand sich die Stadt in der Hand des Moskauer Zaren

Im Dokument ,,Vom Polocker Venedig (Seite 27-33)

Mit der

Rückeroberung durch

den

polnischen König

und

Großfürsten

von

Litauen Stephan Báthory begann

eine

neue Phase

der

Annäherung

an

Ostmitteleuropa:

Die

Stadt wurde

auf

weitgehend neuen (bürger-)rechtlichen Grundlagen wiederer-richtet.

Sie

geriet

nun in

unmittelbare Berührung

mit den

östlichsten Ausläufern

der

Gegenreformation.

Die

Veränderungen,

die sich in der

frühen Neuzeit

im

kon-fessionellen

wie im

kommunalen Handlungsfeld abzeichneten, sind

für

Polock bisher nicht untersucht worden.6 Damals entstand auch

in

Polock

eine

jüdische

1 WERDT, V. (2003), S.256.

2 Vgl. BRACHMANN (1995), S.317–330, S.341; ENGEL (1995), S.17–21. DILCHER schreibt für den deutschsprachigen Raum von einer „Reihe von Stadtrechten, die ganz vom Stadtherrn her konzipiert sind“. DILCHER (1998), S.38, S.40f., S.43.

3 WERDT, V. (2003), S.259f.

4 Zum Städtewesen in Polen bis zu den Teilungen: BOGUCKA / SAMSONOWICZ (1986). Zu

Płock und Kalisz: RUSIŃSKI (Red.) (1977); GIEYSZTOR (Red.) (1960–1961); GIEYSZTOR (Red.) (21978).

5 THUM (1990), S.69–71. Damit sind Kommunikationsvorgänge gemeint, die nur zeitweise und meist in direkter persönlicher Präsenz der Akteure inszeniert wurden. Fehdefähig waren in der Rus’neben den Fürsten zumindest die Gefolgsleute der Fürsten respektive die muži“: die Bestimmungen des Rechts der Rus’berechtigten sie zum Abkauf der Fehde mit Bussen.

PR 2, Artikel 1, S.16f.; vgl. DILCHER (1996), S.214.

6 Vgl. die knappen sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Aufsätze im Sammelband:

PETRIKOV (Red.) (21987). Zwischenergebnisse zu politischer und religiöser kollektiver Kommunikation in Polock im 17. Jh.: ROHDEWALD (2002a); ROHDEWALD (2004).

A.IV Forschungsstand 27 Gemeinde. Jüdische Gemeinden waren

für die

Städte Ostmitteleuropas insgesamt

und

ganz besonders

für

Polen-Litauen charakteristisch.1

Fragen

nach

kommunalen Auseinandersetzungen

und

konfessionellen

Unru-hen

nehmen heute

in der

mitteleuropäischen Historiographie

zur spätmittelalterli-chen und

frühneuzeitlichen Stadtgeschichte

den

höchsten

Rang ein. So

wird

die

Entwicklung themengebundener Öffentlichkeiten

konfessioneller oder kommu-nalpolitischer

untersucht, die sich

je

nach Handlungsfeld auch durch „Zugäng-lichkeit

auszeichneten.2 Spätmittelalterliche

und

frühneuzeitliche Prozessionen werden

als

„repräsentierende Öffentlichkeit

“im

Sinne

von Kommunikationsräu-men

verstanden,

in

denen Ordnung, Herrschaft

und

Hierarchie

in

bestimmten

Si-tuationen hergestellt, bestätigt

und in der

Interaktion ausgehandelt wurden.3

Die

konfessionellen Gruppen bildeten

sich

gerade

im

„Wettstreit

, 4 den sie

immer demonstrativer untereinander austrugen. Durch diesen Wettstreit entstand

im 17.

Jh. in

mehrkonfessionellen Städten eine zwischenkonfessionelle Öffentlichkeit.

In ihr war der

„sakrale Raum

“ 5

jeder einzelnen Konfession

auf die

sakralen Räume

der

anderen Glaubensgruppen bezogen.

Um die

Polocker Geschichte

in

ostmittel-europäische Zusammenhänge einzuordnen, sind diese Fragenkomplexe

aufzugrei-fen.

Abgesehen etwa

von den

preußischen Städten

mit

einer überwiegend deutschsprachigen Bevölkerung6 sind

die

Formen

des

gemeindlichen

Zu-sammenlebens religiöser Gruppen jedoch auch

für die

wenigen großen Städte

Po-len-Litauens

in der

Regel

nur in

Überblicksdarstellungen umrissen.

Mit

Aus-nahme Wilnas

und

Lembergs

gilt

dies ganz besonders

für die in der

östlichen Reichshälfte gelegenen Städte

mit

einer überwiegend ostslawischen Bevölke-rung.7

Wegen schwacher Königsherrschaften

und

mächtiger regionaler

Ständegre-mien

wird

in der

ostmitteleuropäischen Geschichtsregion allenfalls eine „dezen-trale

und

pluralistische

„Konfessionalisierung

beobachtet,8 will

man an dem

Konzept der „Konfessionalisierung

festhalten.9

Das

kirchliche und staatliche

1 HECKER (1991), S.186; KRÜGER (1992), S.28; CONZE (21993), S.100–104; DLUGOBORSKI (1988), S.268.

2 Einen auf „Zugänglichkeitbasierenden Öffentlichkeitsbegriff in der Kommunalpolitik ent-wirft: GIEL (1998), S.29–38.

3 U. a. gehörten ihr im Gegensatz zu „repräsentativer Öffentlichkeit“im Sinne von HABER-MAS nicht ausschließlich Herrschaftsträger an. LÖTHER (1998), S.443. Grundlegende theo-retische Überlegungen zu politischer Kommunikation in der frühneuzeitlichen Stadt:

SCHLÖGL (2004). Vgl. in diesem Band: ROHDEWALD (2004).

4 FRANÇOIS (1991), S.239f. Mit der Abgrenzung gegenüber anderen Konfessionen „wuchs

der nach außen gerichtete, demonstrative Charakter von Frömmigkeit.SCHLÖGL (1998), S.168.

5 Vgl. FROESCHLÉ-CHOPARD (1994), S.11.

6 MÜLLER (1997).

7 Vgl. WERDT, V. (1994; BARDACH (1992); vgl. das Projekt zu Wilna von D. FRICK (Berke-ley); jetzt: WÜNSCH / JANECZEK (Ed.) (2004).

8 EBERHARD (1999), S.102f.

9 Hier zunächst nur noch Angaben zum westlichen Europa: SCHMIDT (1992); REINHARD (1995); REINHARD (1997); SCHILLING (1999); REINHARD (1999). Zur anfechtbaren teleo-logischen Verschränkung des Konfessionalisierungskonzeptes mit einem in erster Linie zentralstaatlich-obrigkeitlich entworfenen „Fundamentalprozess“der

„Sozialdisziplinie-Drängen

auf

konfessionelle Einheitlichkeit blieb

in der

frühen Neuzeit auch

in

anderen europäischen „Zonen geringer Herrschaftsverdichtung

und

konkurrie-render Ansprüche

wenig erfolgreich.1 Dennoch besteht auch

für die

Städte Ostmitteleuropas

kein

Zweifel

an

einer starken Verflechtung

von

Religion

und

Politik.

Bei der

Untersuchung gerade dieser Regionen

ist der Blick auf

interkon-fessionelle Vorgänge,

auf

trans- oder überkonfessionelle Interaktion

und

hybride, heterogene Entwicklungen

zu

richten.2

Für das

kommunale Handlungsfeld bleibt dabei

für das 17. Jh.

weiterhin

die

Frage bestimmend, inwiefern

die

Vorstellungen

und

Verfahren kollektiven Handelns

dem in

westlichen Städten gelebten Kommu-nalismus (BLICKLE) gleichkamen.

Während

bei der

Betrachtung frühneuzeitlicher mitteleuropäischer Städte

oft

entweder konfessionellen oder kommunalpolitischen Auseinandersetzungen nachgegangen wird,

soll

hier

mit den

aufeinander folgenden Interpretationen

pri-mär

konfessioneller

und

primär kommunalpolitischer Konflikte

das

Verhältnis

von

Religion

und

Kommunalpolitik herausgearbeitet werden.

Eine

Einordnung

von

Polock

in

ostmitteleuropäische Zusammenhänge kann erst

auf

dieser

Grund-lage im

Vergleich

mit

anderen, ebenfalls

von der

Obrigkeit einer einzigen

Kon-fession beherrschten Städten

mit

religiösen Minderheiten

Ost- und

Westmitteleu-ropas erfolgen. Neuere Forschungen

zur

politischen Kultur deutscher frühneuzeit-licher Städte sind

für

dieses Kapitel wichtig.3

1772

wurde Polock

dem

Russländischen Reich zugeschlagen.

Für das

ge-samte Zarenreich fehlen befriedigende Untersuchungen

zu

Städten vergleichbarer Größe.

Auch die

Gouvernementshauptstädte

und

selbst

die

beiden Hauptstädte sind bisher lediglich

in

Teilbereichen untersucht worden

– von

Polock ganz

zu

schweigen.4

Von

besonderem Interesse

ist für

diesen Zeitraum

die

nach

1785

beginnende Teilhabe

der

Juden

an den

Einrichtungen

der

Gemeinde. Dieser kom-plexe Prozess

ist

bisher

nur in

Überblicksdarstellungen

und

eher beiläufig

zur

Sprache gekommen, aber

für

keine Stadt

der

Region genügend untersucht wor-den.5 Auch

die

Frage, inwiefern

sich

Polock

in der

ersten Hälfte

des 19. Jh. we-gen der

Gestaltung

der

lokalen Selbstverwaltung

und des

Assoziationenwesens aufgrund

des

frühneuzeitlichen ostmitteleuropäischen historischen Erbes

von

ver-gleichbaren zentralrussischen Städten unterscheiden lässt,

ist

letztlich

den

For-rung“und einer frühneuzeitlichen „Modernisierung“: GREYERZ, V. (2000), S.71–82, S.102– 110.

1 MAURER (1999), S.103.

2 Vgl. GREYERZ, V. (2003) (Hg.); darin zur Konfessionalisierung der Juden: LAUER (2003).

3 GIEL (1998), S.29–38; vgl. SCHWERHOFF (1994); ROGGE (1994); SCHREINER (1991). Mit Prozessionen, insbesondere, falls der Magistrat an ihnen teilnahm, konnte das Ideal der kom-munalen Eintracht oder auch eine „Sakralgemeinschaftinszeniert werden. Der Begriff steht

für die Verflechtung von Politik und Religion, von der in der Historiographie zur frühen Neu-zeit in der Regel ausgegangen wird. LÖTHER (1999), S.1f. Tatsächlich war aber der Zusam-menhang sakraler und kommunaler Handlungsfelder zumindest in multikonfessionellen Städten mit einer rechtlich fragmentierten Bevölkerungsstruktur komplexer.

4 Vgl. HILDERMEIER (1998), S.140; vgl. die knappen Aufsätze im Sammelband: PETRIKOV (Red.) (21987).

5 Vgl. STANISLAWSKI (1983). Zu den Anfängen der rechtlichen Integration: REST (1975).

A.IV Forschungsstand 29

schungen

zur

deutschen Stadtgeschichte entlehnt.1

In

diesem Zusammenhang wird

eine

Untersuchung auch russländischer Stadtgesellschaften

als

„lokale Veran-staltung

gefordert. Exemplarisch

sei die

Gruppe

der

Bürger,

die im

Vereinswe-sen

aktiv waren,

zu

erforschen.2 Dabei

ist

nach

der

„Bürgerlichkeit

(KOCKA)

des

Handelns

der

Akteure

zu

fragen.3

Auch

diese Fragen sind

für

Polock

– wie für die

anderen

in

Russland eingegliederten Städte Polen-Litauens

– noch

weitgehend unbeantwortet.

Von

besonderem Interesse

ist die

Überlegung,

ob sich im

Asso-ziationenwesen

nur

ethnokonfessionelle Grenzen festigten oder

ob

diese auch überschritten wurden.

In der

Verflechtung

des

Vereinswesens

mit

kommunalpoli-tischen Handlungszusammenhängen wird

dank prosopographischer Untersu-chungen

– in

mitteleuropäischen Städten eine lokale Elite

als

soziales Netzwerk fassbar.4 Ebenso sind

die

Formen

des

politischen Engagements oder

die

politi-sche

Bürgerlichkeit

(HETTLING)

der

ethnokonfessionellen Gruppen

der

Stadt

zu

bestimmen.5

Von

Bedeutung wird

für

diesen

wie

auch

für die

anderen Zeitabschnitte sein, inwieweit

die

ethnokonfessionellen Gruppen

der

Stadtbevölkerung

im

Zusam-menleben Interaktionsformen entwickelten,

um sich

(nicht

nur in

Krisensituatio-nen)

auf

gemeinsame Nenner

zum

kollektiven Handeln

im

Interesse

der

Stadt

zu

einigen.

Auch

hier gilt, dass keine Kreisstädte

– und

selbst Gouvernements-hauptstädte bisher lediglich

in

wenigen Pionierstudien

– mit

einer ähnlichen

Fra-gestellung untersucht worden sind.6

Auch für das

ausgehende

19. Jh. ist von

unterschiedlichen Öffentlichkeiten

in der

Stadt auszugehen.

So

werden Kommunikationszusammenhänge innerhalb

von

Vereinen

als

„kleine Öffentlichkeit

“,

Massenmedien

als

„mittlere

sowie eine übergreifende „große Öffentlichkeit

unterschieden.7 „Patriotische

“ und

revolu-tionäre Demonstrationen sind neben

mit

nationaler Bedeutung aufgeladenen reli-giösen Prozessionen

und

Pogromen

zu

untersuchen.

Die

Darstellung

soll

darüber Aufschluss geben,

ob von der

Entstehung einer gemeindlichen oder politischen Öffentlichkeit gesprochen werden kann,

die

große Teile

der

Stadtbevölkerung

er-fasste

und

ethnokonfessionelle Grenzen überwölbte. Querverweise

auf die

Vor-gänge

des 17 Jh. und

Vergleiche

mit

zentralrussischen Städten sollen

eine

über-regionale Einordnung ermöglichen.

Die

Untersuchungsteile

zu den

unterschiedlichen Zeiträumen sollen

als

De-tailstudien gelten,

die sich

ganz

in die

zeitspezifischen Kontexte vertiefen.

Erst die

Ergebnisse dieser Untersuchungen können

als

Grundlage dienen, Veränderungen

1 Vgl. zur Frage von Wandel und Kontinuität zwischen Tradition und Moderne in deutschen Städten: GALL (Hg.) (1991); GALL (Hg.) (1993); vgl. KOCKA (1988), S.28f. Sowohl das Frankfurter als auch das Bielefelder Projekt zur Erforschung des Bürgertums berücksichtigten den jüdischen Anteil am Bürgertum kaum. Vgl. VAN RAHDEN (2000), S.25.

2 HAUSMANN (2002a), S.33f.; HILDERMEIER (2000b); HILDERMEIER (2003a).

3 HILDERMEYER (2003b), S.90.

4 Vgl. HEIN (1993).

5 HETTLING (1999), S.3f.

6 Vgl. den Sammelband ZORIN (Otv. red.) (2000); darin: CHĖFNER (2000); HÄFNER (1996);

HÄFNER (2004); HAUSMANN (Hg.) (2002); HAUSMANN (1998); HAUSMANN (2002a);

HAUSMANN (2002b); HILDERMEIER (2003a); NARSKIJ (1995).

7 Vgl. HOFMANN / WENDLAND (2002), S.13–18; NEIDHARDT (1994), S.10f.

im

Verhältnis lokaler Geschichte

zu

Geschichtsräumen

zu

identifizieren.

Erst

dann wird

der

Versuch einer makrohistorischen Zuordnung unternommen werden können,

die

nicht

von

vornherein

von

einer

bis ins 20. Jh.

ungebrochenen longue durée

der

Strukturen

des

ostslawisch-byzantinischen Erbes ausgeht.

A. V

QUELLEN

Die

wichtigsten Quellen

für das 12. Jh.

sind Chroniken.

In

ihnen wurden

u. a.

zentrale soziale Situationen „okkasioneller Öffentlichkeit

(THUM) (re-)kon-struiert,

die in der

mittelalterlichen Gesellschaft ausschlaggebend

für das

Aushan-deln, Produzieren

und

Reproduzieren herrschaftlicher Beziehungen waren.

Die

älteste Chronik

ist die so

genannte Nestorchronik (PVL).

In den

frühen Passagen dieses

zu

Beginn

des 12. Jh.

zusammengestellten Sammelwerks sind Überreste mündlicher Sagentraditionen überliefert, aber auch bereits annalistische Notizen.

Von der

Mitte

des 11. Jh. an

können zeitgenössische Aussagen angenommen wer-den.1

Jede

Chronik

ist in

erster Linie

das Werk von

meist geistlichen Chronisten,

die nur

selten unmittelbar

an den

Ereignissen teilgenommen haben,

von

denen

sie

berichten. Ihre stark historiographisch (heilsgeschichtlich und rhetorisch) bedingte Sicht

ist

aber ernst

zu

nehmen

als eine

Wahrnehmungsform

von

damaligen Ereig-nissen

– und

nicht nur, weil kaum alternative Quellen vorhanden sind. Lediglich

die

meist ebenfalls

von

Geistlichen verfassten Urkunden,

die vom 13. Jh. an

existieren, waren stärker

an der

Konstruktion

von

Handlungshorizonten

in

kon-kreten Situationen beteiligt.

Für das 12.

(und weniger auch

für das 15. Jh.)

berichten

die

Chroniken ver-hältnismäßig häufig über Polock (PSRL 1

– 4,

17).2 Einzelne Abschnitte gaben

so-gar zu

vermuten, dass

in

Polock selbst Chroniken verfasst wurden.3

Das ve č e des 12. Jh. ist für

Polock

mit

diesen Texten vergleichsweise

gut

dokumentiert.

Für die

übrigen Städte

des

heute weißrussischen Gebietes fehlen vergleichbare Belege

für ve č e

während

der

Kiewer Zeit. Wichtig

ist

zudem

die vor der

Mitte

des 13. Jh.

verfasste

Vita der

Heiligen Evfrosinija, einer Polocker Fürstentochter

des 12. Jh.4 Auch im 13. und 14. Jh.

reißt

der

Quellenfluss

nie

ganz

ab. Für

diese

Zeit

sind neben Chroniken Verträge

mit

westlichen Partnern

von

Bedeutung (HEINRICH VON LIVLAND, SG, PRP, PG 1).

Zum 15. Jh.

liegen außergewöhnlich viele schriftliche Zeugnisse

vor –

dank

der

immer dichteren Kommunikation

mit

Riga. Damit kann

der

Prozess

der

Kommunegenese

vor und

nach

der

Verleihung

des

Stadtrechts ausführlich

disku-tiert werden

– im

Gegensatz

zu

vielen westslawischen Städten Ostmitteleuropas, deren entsprechende Historiographie unter Quellenmangel leidet.5

Von

unschätz-barem Wert

ist die

Quellenedition,

für die

Anna

L.

CHORO

Š

KEVI

Č

verantwortlich 1 STENDER-PETERSEN (51993), S.97–117; ZERNACK (1967), S.41–44.

2 Zur Quellenkritik: JABLONOWSKI (1955), S.59–72; ULAŠČIK (1985).

3 ČAMJARYCKI (1965).

4 PSRL 21, 1, S.206–219; VORONOVA (1987), S.14.; ARLOŬ(1992), S.6. Die Vita wird als

„teilweise sehr vertrauenswürdigeingeschätzt. MÜHLE (1991), S.232, S.237, S.220.

5 LUDAT (1958), S.552.

A.

V

Quellen

31

zeichnete:

Alle vom 13. Jh. bis 1511 an

Polocker Adressaten gerichteten Doku-mente

und alle

Schreiben,

die von

Polockern ausgestellt worden waren, fanden Eingang

in die

Sammlung

(PG

1

– 6). Von den 331

Schriftstücken wurden

110

erstmals gedruckt.

Die

erhaltenen Quellen stammen meist

aus

Rigaer Archiven oder

aus

Beständen

der

Verwaltung

des

Großfürstentums.1 Weitere Quellen

zur

ersten Hälfte

des 16. Jh.

sind

in

Editionen

des 19. Jh.

(AJuZR, ALRG,

AZR)

ent-halten. Vorzüglich ediert wurde

in den 20er

Jahren

des 20. Jh. ein

Polocker

Lan-desgerichtsbuch

aus den 30er

Jahren

des 16. Jh. (BA 2).2 Zu den

Beziehungen

mit Riga bis ins 16. Jh.

sind neben

den PG die

Bände

des RLU, des HUB und des

LECUB ergiebig.

Diese Dokumente ermöglichen

eine

ausgiebige Untersuchung

der allmähli-chen

Festigung kollektiver Interessenvertretung

in

Polock

im

Kontakt

mit

Riga.

Nachdem

1498 der

Stadtrat

als

korporative Behörde institutionalisiert worden war, verschiebt

sich aber das

Interesse

von der

Kommunikation

mit Riga auf

Interaktionsvorgänge innerhalb

der

Korporationen

von

Polock

und

zwischen die-sen.

Magistratsbücher

des 16. Jh.

liegen heute nicht mehr vor.3

Die 1905

sorgfältig herausgegebene Revision

des

Landes Polock

von

1552

(PR

1552) enthält

für die

Sozialgeschichte grundlegendes Material.4

Bis 1563 ist

Polock

im

Vergleich

zu

anderen Städten

der

Region sehr

gut mit

Quellen versorgt,

die

zudem größtenteils ediert sind.

Für den

Zeitraum

von 1600 bis 1772

sind Ratsbücher

die

wichtigste Quellen-gruppe. Einige Dokumente

aus den

Ratsbüchern

der

Jahre 1633

– 1652

wurden bereits

1867

veröffentlicht

(ASD 1). Die

Ratsprotokolle geben Einblicke

in die

kommunale Interaktion

im

Rathaus

und

umfassen beispielsweise auch Zunft-satzungen.

Bis zum

Ende

des 19. Jh.

folgte

die

Edition

von 43 oft

umfangreichen Akten

aus

verschiedenen Magistratsbüchern

bis zur

ersten Teilung

Polen-Litau-ens; die

Jahre 1652,

1668 und 1676

wurden dabei ohne ersichtlichen Grund

be-sonders berücksichtigt (IJuM 4

– 6). Die

Auswahl der Quellen war allerdings

oft von

ethnokonfessionellen Überlegungen geleitet. Dennoch sind gerade

die

Doku-mente

zur

ersten Hälfte

des 17. Jh. von

Nutzen,

da die

zugrunde liegenden Rats-bücher schon

vor 1900

verloren gingen.5 Unerlässlich

war die

Sichtung

der

erhaltenen Ratsbücher

im

Minsker historischen Archiv (NHARB).

Bis

heute

sind

sechs Ratsprotokollbücher

des 17. Jh.

erhalten,

die alle

eingesehen werden konn-ten.6

Sie

enthalten

die

meisten Informationen,

die zum

kommunalen

Handlungs-feld

verfügbar sind. Diese Ratsbücher zählen

zu den

ältesten,

die

heute

noch für die

Städte

der

Region vorliegen.

Von den 44 aus dem 18. Jh. (f.

1823, vop.1)

er-1 PG er-1, S.5, S.21

2 ULAŠČIK (1973) führt kritisch in die Editionen ein. Eine Durchsicht der erst allmählich edierten litauischen Metrik würde sicher weitere einzelne Dokumente hervorbringen. Ganze Polocker Stadtgerichtsbücher sind gemäß dem Inventar aber nicht zu erwarten. Vgl.

GRIMSTED / SULKOWSKA-KURASIOWA (1984).

3 Der Polocker Stadtrat führte laut einem zeitgenössischen Beleg spätestens seit den 30er Jah-ren des 16. Jh. Magistratsbücher. BA 2, Nr. 361, S.257.

4 Von der Revision im Jahre 1580 blieb nur der erste Teil erhalten: OPZ, S.III.

5 MIENICKI (1939), S.92, S.100.

6 f. 1823, vop. 1 und 2: 1650, 1654–1657, 1672, 1676, 1682, 1684.

haltenen Büchern wurden fünf

zur

Stichprobe eingesehen.1

Für die

Untersuchung

der

konfessionellen Auseinandersetzungen erwiesen

sich

neben

ASD 1

trotz

er-heblicher editorischer Mängel

die

Bände

der VS als

unverzichtbar. Abgesehen

von den VS

wurden

in

allen Editionen

die

Quellen

in

ihrer Originalsprache ediert.

Zitate

aus den

Bänden

der VS

werden daher vermieden.

Eine

Ende

des 18. Jh.

abgeschriebene Satzung einer orthodoxen Jugendbruderschaft,

die 1651

gegründet worden war, blieb bisher unbeachtet

und ist

besonders hervorzuheben.2

Die

un-edierte Revision

von 1765

ermöglicht rechtsgeschichtliche

und

sozialgeschichtli-che

Einblicke

in die

städtische Sozialtopographie.3 Mehrere weitere, meist eben-falls konfessionell geprägte Editionen, konnten

für die

Stadtgeschichte nutzbar gemacht werden (MDAP,

DR,

SEUUB,

LB,

ALRG, AVAK,

ASD

etc.).

Für die

jüdische Geschichte

von

Polock erwiesen

sich

neben

den

genannten Quellen

die

Regesten

zur

jüdischen Geschichte

bis 1800

(RIN)

als

hilfreich.4

Eine bis

heute

nur in

Ansätzen untersuchte faszinierende Quelle sind

die

Beschlüsse

der

Ver-sammlung

der

wichtigsten jüdischen Gemeinden Litauens.

Sie

sind dank einer sorgfältigen hebräisch-russischen Paralleledition

aus dem Jahr 1909

zugänglich (PINKOS).

Die

Ergebnisse

für die Zeit von 1772 bis 1914

beruhen überwiegend

auf den

Im Dokument ,,Vom Polocker Venedig (Seite 27-33)