• Keine Ergebnisse gefunden

Im folgenden Kapitel wird auf die wissenschaftliche und akademische Textproduktion von Studierenden, konkret auf das Feld der Qualifikationsschriften (Testsorte Masterarbeit) im akademischen Feld eingegangen.

4.1. Textsorten als Produkt von Studierenden

Hinsichtlich der Frage, wie Textsorten im akademischen Bereich entstehen, legt Kirsten Adamzik (2018: 33) dar, dass Forschung in der Regel an Instituten stattfindet. Das können Universitäten, Fachhochschulen, aber auch Forschungsabteilungen in privatwirtschaftli-chen Organisationen sein. Wer als akademischeR WissenschaftlerIn arbeiten will, muss

zunächst eine Hochschulausbildung überdurchschnittlich erfolgreich absolvieren und ins-besondere herausragende Bachelor- und Masterarbeiten verfassen, sogenannte „Individu-elle Qualifikationsschriften“ an Hochschulen, die zu den akademischen Textsorten zählen (vgl. Adamzik 2018: 33/43). Wichtig ist, dass wissenschaftliche Textsorten als Bestandteil einer „gesellschaftlichen Gesamtkommunikation“ verstanden werden. Denn jede akademi-sche, wissenschaftliche Arbeit kommuniziert einen inhaltlichen Schwerpunkt, untermauert einen Standpunkt oder eröffnet eine neue Perspektive (vgl. Adamzik 2018: 1).

Hinsichtlich einer allgemeinen kommunikativen Kompetenz formuliert Christoph Fasel (2013): „Wer sich jemand anderem mitteilen will, tut dies in einer ganz bestimmten Form und benötigt dazu bestimmtes Werkzeug.“ (vgl. Fasel 2013: 7) Aber wie sieht diese Form bzw. dieses Werkzeug bei einer akademischen Textsorte aus und wie werden diese Anfor-derungen textuell realisiert? Unter „Text“ versteht Fasel (2013: 7) grundlegend ein sprach-liches Gebilde, das folgende drei Merkmale aufweist: Ein Text muss schriftlich fixiert sein, mehrere Sätze umfassen und Kohärenz aufweisen. Daraus lässt sich schließen, dass ein Text das Muster einer schriftlichen Einheit aufweist, die mehrere aufeinanderfolge Sätze beinhaltet, die inhaltlich und thematisch aufeinander aufbauen und Zusammenhänge auf-zeigen (siehe auch Lena Decker 2017: 21f.). Akademische Textsorten werden im Rahmen aller Felder erstellt und reichen von verschriftlichten Daten hin zu Audiodaten und visuellen Datentypen, wie etwa Dokumente von Transkripten, historischen Dokumente, Primär- und Sekundär-Dokumente, Videos, Audiodateien, Interviews, aber auch die für die Sozialwirt-schaft wichtige Organisationsdaten (vgl. Baur/Blasius. 2014: 54-55).

4.2. Masterarbeit als akademische und wissenschaftliche Textsorte

Jeder Text verfolgt nach Helmut Gruber, Peter Muntigl, Martin Reisig, Markus Rheindorf und Karin Wetschanow (2006: 5) ein Ziel und hat einen Zweck. Dieser Zweck wird nicht individuell gewählt, sondern von der Diskursgemeinschaft vorgegeben. Masterarbeiten ver-folgen den Zweck einer Prüfungs- oder auch Qualifikationsarbeit. Studierende, die im Rah-men ihrer akademischen Ausbildung einen akademischen Grad anstreben, tun dies im Zuge einer eigenständig verfassten Masterarbeit (vgl. Gruber et al. 2006: 15). Dennoch gibt es unterschiedliche Gründe bzw. Motive, warum Studierende einen Masterstudiengang be-suchen und im Zuge dessen eine Masterarbeit schreiben. Individuelle Motive reichen von der Erlangung eines akademischen Grades bis hin zu persönlichen sowie beruflichen Inte-ressen (vgl. Gruber et al. 2006: 20). Laut Manuel René Theisen (2017: 31) werden meist Masterstudiengänge im bisherigen Studienzweig oder in einem angrenzenden Feld (Be-zugsdisziplinen) besucht. Die Anfertigung einer schriftlichen Masterarbeit ist dabei ein obli-gatorischer Teil des Studienabschlusses (vgl. Theisen 2017: 32).

Unumgänglich ist für Theisen (2017: 32), dass Masterarbeiten eine formale, obligatorische Struktur haben, die in der Textlinguistik oft als „Muster“ bezeichnet wird. Das Grundmuster von Masterarbeiten beinhaltet ein Abstract, eine Einleitung, einen Hauptteil, einen Metho-denteil und einen Ergebnisteil und weist eine spezifische formale Struktur der Zitation, des Layouts, Umfangs, Stils und der Argumentation vor. Jedenfalls müssen sie selbstständig erarbeitet werden. Nach Gruber et al. (2006: 21) sind akademische Texttypen allgemein durch Problemlösungs- und Handlungsstrukturen bestimmt. Diese textsortenspezifischen Charakteristika sind an kommunikativen, institutionellen, zweckgebundenen Ordnungen orientiert, die das Ziel verfolgen, einen Erkenntnisgewinn zu erlangen oder eine Informati-onslücke zu schließen (vgl. ebd.: 19). Masterarbeiten weisen einen vertiefenden wissen-schaftlichen, aber auch methodischen Schwerpunkt auf und müssen den wissenschaftli-chen Gütekriterien entsprewissenschaftli-chen (vgl. ebd.: 18). Diese sind ihrerseits Forschungsgegen-stand der vorliegenden Arbeit. Aber was ist wissenschaftliches Arbeiten?

4.3. Wissenschaftliches Arbeiten

Im prominenten Forschungswörterbuch von Krapp (1982), in diesem – Grundbegriffe wis-senschaftlicher Texte beschrieben werden, kommt der Begriff Wissenschaft nicht vor. Der Grund dafür sieht Norbert Franck (2017: 270) in der kontroversen Diskussion, dass Wis-senschaft häufig mit empirischer Forschung gleichgesetzt wird.

„Die Gleichsetzung von Wissenschaft und empirischer Forschung ist auch heute noch anzutreffen. Die Vorstellung von einem Modell wissenschaftlicher Forschung hält sich zwar hartnäckig, aber faktisch bestimmt ein Methodenpluralismus den wissenschaftsall-tag.“ (Franck: 2017: 270)

Nach Franck (2017) hat dies vor allem zwei Gründe, nämlich einerseits, dass Methoden immer eine Gegenstandangemessenheit besitzen müssen − was in der Wissenschaft un-bestritten ist − und andererseits Forschung keinen kontinuierlichen Prozess darstellt. Hin-sichtlich dieses Prozesses geht Franck (2017) davon aus, dass Methoden, die heute zuläs-sig sind, bereits morgen verworfen werden können. Aber auch veraltete Methoden können morgen neu entdeckt werden (vgl. Franck 2017: 271). Bei beiden Aussagen scheiden sich jedoch die Meinungen, was laut Franck (2017) kontroverse Debatten zwischen VertreterIn-nen derselben Fachdisziplin auslöst − aber auch zwischen VertreterInVertreterIn-nen grundlegender Paradigmen (Empirismus, Positivismus, Pragmatismus usw.). Für die wissenschaftliche Redlichkeit ist es daher unumstritten und wesentlich, dass man diese Debatten zumindest in der eigenen Disziplin kennt (vgl. ebd.: 271).

Fraglich ist, ob Studierende in Masterstudiengängen sich dessen bewusst sind, welches Paradigma sie durch den Einsatz einer speziellen Methode annehmen bzw. an welchem Paradigma sich eine Fachhochschule orientiert, wenn diese sich überhaupt auf ein digma festlegen will oder kann. Zudem erschwert sich eine Zuordnung zu einem Para-digma, denn eine Masterarbeit ist eine meist einmalige und punktuelle wissenschaftliche Qualifikationsschrift und orientiert sich nicht zwangsläufig oder stringent an einem digma. Prekär gestaltet sich laut Döring und Bortz (2016) die Zuordnung zu einem Para-digma auch dann, wenn es um Mixed-Methods-Ansätze geht, die sich nicht einfach einem Paradigma zurechnen lassen (vgl. Döring/Bortz 2016: 110). Unbestritten ist jedoch, dass sich Studierende im Zuge ihrer Masterarbeit mit dem aktuellen Forschungsstand auseinan-dersetzen und diesen in der Masterarbeit wiedergeben müssen (vgl. Handbuch Masterar-beit 2019). Die VertreterInnen bestimmter Paradigmen (wie Max Weber, Nobert Elias oder Émile Durkheim) ergänzen die Debatte über den gesicherten Einsatz empirischer Metho-den dahingehend, dass qualitative und quantitative empirische MethoMetho-den keinen Gegen-satz darstellen und sich vielmehr im Rahmen konkreter Forschungsvorhaben ergänzen soll-ten (vgl. Döring/Bortz 2016: 100)

Um allen Ansprüchen an eine wissenschaftliche Arbeit gerecht zu werden, so postuliert Franck (2017), müssen drei wesentliche Merkmale erfüllt werden. Wissenschaftliches Ar-beiten umfasst eigenständiges Denken und Forschen, das auf begründete und nachvoll-ziehbare Ergebnisse abzielt, die sich ihrerseits auf bereits gewonnene Forschungserkennt-nisse und eine fundierte Theorie beziehen und diese in Verbindung zueinander setzen (vgl.

Franck 2017: 271). Wissenschaftliche Arbeiten müssen zudem eine Trennung zwischen Darstellung und Analyse aufweisen. Begriffe müssen geklärt werden, neue Erkenntnisse und Forschungen müssen überprüft werden und in Zusammenhang mit der Realität gestellt werden. Wissenschaft entwickelt sich nach Frank (2017) allerdings durch Kontroversen.

Denn die Darstellung von Argumentationen und Positionen von AutorInnen – die nicht nur die eigene Position untermauern – ist ebenfalls ein Qualitätskriterium wissenschaftlicher Arbeiten (vgl. ebd.: 273-274).

Wissenschaftliche Arbeiten unter auch Qualifikationsarbeiten fallen, sind in der Regel an Methoden gebunden und in wissenschaftlicher Fachsprache verfasst (Ulmi et al. 2014:

167). Dieser Auffassung schließt sich Franck (2017) an und postuliert, dass „wissenschaft-liches Schreiben“ als ein integrativer Begriff betrachtet werden muss, der eine Kombination aus empirischer Forschung und wissenschaftlicher Textproduktion darstellt und eine we-sentliche wissenschaftliche Kompetenz von Studierenden darstellt (vgl. Franck 2017:

271f.). Laut Marianne Ulmi, Gisela Bürki, Annette Verhein und Madeleine Marti (2014) über-zeugen hochwertige wissenschaftliche Arbeiten durch Intersubjektivität und Nachvollzieh-barkeit und lassen dadurch stabile Aussagen erkennen (Ulmi et. Al. 2014: 178).

4.4. Akademische Text- und Methodenkompetenz an Hochschulen

Dabei handelt es sich um die Kompetenz der „Wissensaneignung und der Wissensverar-beitung“ (Siebert-Ott et al. 2014: 207) im institutionalisierten Feld in Hinblick auf eine eigen-ständige Forschung unter Bezugnahme auf fremde Texte. Nach Olga Zlatkin-Troi-tschanskaia, Hans Anand Pant, Christiane Kuhn, Miriam Toepper und Lautenbach Corinna (2016: 194) existieren in der akademischen Kompetenzforschung an Hochschulen in Deutschland wenige Daten, ganz im Gegensatz zum angloamerikanischen Feld. Sie iden-tifizieren diese Lücke und das Phänomen als „Blackbox“ – Wissen darüber existiere zwar, es sei aber noch nicht erhoben worden (vgl. Zlatkin-Troitschanskaia et. al. 2016: 194).

Auf Grundlage diese Forschungslücke hat das Bundesministerium für Bildung und For-schung in Deutschland (BMBF) ein Förderprogramm ins Leben gerufen, das „KoKoHs“

(Kompetenzmodellierung und Kompetenzerfassung im Hochschulsektor). Dieses Förder-programm beschäftigt sich mit der Kompetenzerfassung wissenschaftlichen Arbeitens in über 70 Projekten in fünf Bereichen (Ingenieurswissenschaft, Wirtschafts- und Sozialwis-senschaften, BildungswisSozialwis-senschaften, LehrerInnenausbildung und MINT). Im Fokus steht dabei die Erforschung der im Zuge der Hochschulbildung erworbenen fachspezifischen und generischen Kompetenzen (vgl. Decker 2017: 72-73). Laut Zlatkin-Troitschanskaia et. al.

(2013: 108) sei das Ziel der wissenschaftlichen Kompetenzforschung die Erfassung von Kompetenzen von Studierenden und HochschulabsolventInnen unterschiedlicher Fachbe-reiche und Hochschulen hinsichtlich der Umsetzung und Darstellung von Methoden – aller-dings nur in Hinblick auf die Güte dieser Umsetzung und Darstellung, nicht die Methoden-vielfalt selbst. Die vorliegende Arbeit thematisiert ebenfalls methodische Kompetenzen und legt den Fokus auf die Beschreibung und Identifizierung von empirischen Forschungsvor-haben innerhalb der Sozialwissenschaften. Daher wird im folgenden Kapitel dezidiert auf empirische Forschungsvorhaben eingegangen.

5. Die empirisch-methodische Sozialforschung als Forschungsfeld: Diskussionen