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Gehen wir von der Annahme aus, dass Wissenschaft methodengeleitetes Forschen voraus-setzt (vgl. Döring/Bortz: 2016: 85), dann stellt sich die Frage, wo man empirische Forschung in der Sozialwirtschaft findet. Angesichts der sehr prominenten Bedeutung von empirischen Forschungsvorhaben im Feld der Sozialwissenschaften ist es bemerkenswert, dass sich in

den beteiligten sozialwirtschaftlich relevanten (Bezugs-) Disziplinen (wie etwa der Organi-sationsforschung, Hochschulforschung, Sozialen Arbeit usw.) im deutschsprachigen Raum ein eigenständiges Forschungsfeld etablieren konnte, das sich explizit mit empirischen Me-thoden und wissenschaftlichem Arbeiten beschäftigt (vgl. Liebig et al. 2017: 5-7). Nach Lie-big et al. steht dies jedoch im Gegensatz zur empirischen Sozialforschung, in der die Be-gutachtung der Methodologie ein fester Bestandteil der akademischen Lehre und For-schung ist (vgl. ebd.: 5). Wie aber erlangen WissenschaftlerInnen und Studierende Zugang zu diesen Forschungsgebieten, bzw. wie treten Studierende aus der eigenen Disziplin her-aus und somit in eine andere Disziplin ein, ohne ihre Mutterdisziplin zu vergessen bzw.

deren Themengebiete unberücksichtigt zu lassen? Wie gelingt es ihnen, die eigene fachli-che Orientierung zu behalten und den Bogen zwisfachli-chen fachlifachli-chen Disziplinen zu schlagen?

Die empirische Hochschulforschung im Allgemeinen ist bis heute keine eigenständige wis-senschaftliche Disziplin (vgl. Hertwig 2014: 10). Alexandra Hertwig (2014) beschreibt in ih-rem Werk „Forschungsmethoden und Publikationsmuster der deutschsprachigen Hoch-schulforschung“, dass Hochschulforschung eine „multi- und interdisziplinäre organisierte Forschung ist, die durch ihren Gegenstandsbezug auf die Hochschule und Hochschulsys-teme thematisch abgeleitet wird.“ (Hertwig 2014: 10) Forschende sowie Studierende, die im Rahmen ihrer Abschlussarbeit wissenschaftliche Texte verfassen, bringen unterschied-liche disziplinäre Kompetenzen ein und gehen über das eigene Feld hinaus – und öffnen es damit gleichzeitig –, um Muster, Rahmenbedingungen, Phänomene und systemische Eigenschaften des beforschten Bildungsinstitutes, aber auch des Feldes aufzudecken (vgl.

ebd.: 10). Dabei sprechen VertreterInnen von interdisziplinären (vgl. Baur 2014: 167, vgl.

Hertwig 2014: 8 und Axel Sahlheiser 2014: 814) und infradisziplinären Kompetenzen von WissenschaftlerInnen bzw. Studierenden im Zuge der empirischen Forschung. Spannend gestaltet sich der Diskurs bzgl. einer Erforschung der Infradisziplinarität6, die sich nicht nur zwischen den Disziplinen (sogen. Transdisziplinen), sondern auch darüber hinaus be-schreiben lässt, um sich explizit der gemeinsamen Grundlagen zu versichern (vgl. Berr 2018: 48f.). Ziel sei es laut Karsten Berr (2018), eine grundlegende Basis für alle Disziplinen zu schaffen, die sich auch einer eigenen infradisziplinären Sprache bediene, dies stelle jedoch eine große Herausforderung dar (vgl. Berr 2018: 61).

6 Der Ausdruck „infradisziplinär“ stammt von Paul Lorenzen (1974) und bezeichnet die in allen Disziplinen und fachdisziplinären Tätigkeiten zugrunde liegenden Basis (vgl. Balsiger 2005: 145).

Lorenzen (1974) betrachtet dabei „Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie als die grundlegenden Schritte, durch die die Wissenschaften in Gang kommen“. Diese Teile bilden sich im infradiszip-linären Wissen ab (vgl. Berr 2018:48)

Neben Hertwig (2014) befassen sich auch DissertantInnen mit der Empirie und unterschied-lichen Forschungsfragen bezüglich empirischer Methodenansätze. In der Doktorarbeit von Claus Stefer (2013) beispielsweise, „Die Gegenstandsangemessenheit empirischer Daten-erhebungsmethoden“, wird eine solche Evaluierung durchgeführt (vgl. Stefer 2013: 1).

Sichtbar wird in seiner Dissertation, welche Faktoren Studierende dazu bewegen, eine pas-sende Methode zu wählen (vgl. Stefer 2013: 22, 25). Dabei steht jedoch nicht der tatsäch-liche verschriftlichte Einsatz der Methode im Fokus, sondern die Diskussion des Erwägens einer Methode und eines Forschungsdesigns (vgl. ebd.: 2013: 11,185).

Nach Hertwig (2014: 14) lässt sich die Hochschulforschung in vier wesentliche Aspekte gliedern: Analysen beschäftigen sich mit den Entwicklungen im Hochschulwesen, der Lehre und einer disziplinübergreifenden Forschung an Hochschulen (insbesondere der in Hert-wigs Arbeit relevanten Methodenlehre, in der „Analyse und Entwicklung von Kompetenzen, Curricula, Qualitätsmessungen, Forschung und Lehre“ einen dieser möglichen Aspekte wieder spiegelt). Hinzu kommen Analysen von AkteurInnen an Hochschulen sowie deren Kommunikation und die Erforschung von Strukturen im Hochschulbereich.

Die von Hertwig (2014) identifizierten Themenschwerpunkte der Hochschulforschung las-sen sich auch in Masterarbeiten der Studierenden der FH Campus Wien finden. Das zeigt etwa die Masterarbeit von Elisabeth Doppler (2013), eine Sekundäruntersuchung „Zur Si-tuation erwerbstätiger Studierender im Bereich Sozialmanagement und Sozialwirtschaft in Österreich“. Auch Petra Hirzinger (2012) beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit „Das So-zialmanagement in der Weiterbildung der Fachhochschulen für Soziale Arbeit in der deutschsprachigen Schweiz“ mit dem Feld der Hochschule. In der bereits erwähnten Mas-terarbeit von Linda Spitzl (2015) wurden Themenschwerpunkte im Studiengang Sozialwirt-schaft und Soziale Arbeit an der FH Campus Wien aus den Masterarbeiten der Jahre 2010 bis 2014 abgleitet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich auch Studierende im Rahmen ihrer Ausbildung mit Hochschulforschung befassen und sich über ihre Disziplin hinaus mit deren wissenschaftlichen Themenfeldern auseinandersetzen. Wie aber sieht dies mit Themen der empirischen Sozialforschung aus?

Im englischsprachigen Raum hat sich Malcolm Tight (2003, 2012) mit den empirischen Me-thoden an Hochschulen thematisch auseinandergesetzt und identifiziert, welche traditionel-len qualitativen und quantitativen Befragungsinstrumente, Dokumentenanalysen und sta-tistischen Analyseverfahren eingesetzt werden. Er bildete dabei acht Kategorien, die er mit Felddaten und demografischen Daten in Verbindung setzte. Dabei stellt er eine verstärkte Integration von bisher unterrepräsentierten Forschungsansätzen, Erhebungsinstrumenten und Auswertungsmethoden von Methoden und Methodologien fest (vgl. Tight 2012: 194).

5.1. Diskurs Methoden der empirischen Sozialforschung

Die empirische Methodenlehre hat in der akademischen Ausbildung nach Nina Baur und Jörg Blasius (2014: 41) einen unverzichtbaren Stellenwert, dabei orientiert sich die Metho-denforschung und Lehre an den Bedürfnissen des jeweiligen Studienganges. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass jeder Studiengang auf Grundlage der Disziplin und der Feldbe-schaffenheit eigene Instrumente, aber auch Methoden besitzt. Weiters ist das Feld der So-zialwirtschaft, wie Grunwald (2017) es beschreibt, geprägt durch Organisationsdaten, die sich erforschen lassen (vgl. Grunwald 2017).

2014 veröffentlichten die AutorInnen Baur und Blasius (2014) ein über 1000 Seiten starkes

„Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung“, in dem die Methoden der empiri-schen Sozialforschung beschrieben werden. Dieses Werk wurde auch im Handapparat „SE Angewandte empirische Sozialforschung“ des Studienganges SOWOSEC genutzt und wird Studierenden zur Erstellung der Masterarbeit empfohlen. Schon im ersten Kapitel dieses Handbuchs wird deutlich, dass es zwei wesentliche Unterscheidungen in der Methodenwahl der empirischen Sozialforschung gibt. Baur und Blasius (2014) gehen davon aus, dass ein Forschungsvorhaben qualitative und/oder quantitative methodische Merkmale aufweisen kann (vgl. Baur/Blasius 2014: 41), die auch in der vorliegenden Masterarbeit als potenzielle Kategorien herangezogen wurden.

5.2. Empirische Hochschulforschung im deutschsprachigen und internationalen Raum Im Rahmen einer Initiative des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung setzte der deutsche Bund im Jahr 2007 gezielt auf die Förderung der methodischen Kompetenzen im Hochschulbereich (vgl. Heinricht et. al. 2017: 6). Im Zuge dessen entstanden in den darauffolgenden Jahren vermehrt disziplinübergreifende Forschungsarbeiten, und an der Bielefelder School of Education (BiSEd) fanden im Frühjahr 2013 erste Forschungspraxis-tage im Bereich der empirischen Bildungsforschung statt, unter breiter Beteiligung unter-schiedlicher Disziplinen; eine Veranstaltung, die sich an Lehrende wie Studierende richtete.

Dabei handelte es sich um ein dreitägiges Forschungsprojekt, das „Methodentag“, „For-schungswerkstatt“ sowie „Doktoranden- und Peer-Beratung“ umfasste. Behandelt wurden die Themen Erhebungs-, Analyse- und Interpretationspraxen. Nach Martin Heinricht, Caro-lin Kölzer und Lilian Streblow (2017: 8) war das Ziel dieser Forschungspraxistage, einen reflektierten Umgang und Einsatz von Methoden zu vermitteln. Ein Metaziel bildete die Un-tersuchung unterschiedlicher fachdidaktischer Qualifikationsstufen, der Heterogenität der methodischen Zugänge sowie forschungsmethodisch-methodologischer Kompetenzen (vgl. Heinrich et al 2017: 7f.).

Das Österreichische Netzwerk Hochschulforschung bietet eine Plattform für Hochschulfor-scherInnen, die unabhängig und interdisziplinär agieren und zu Hochschulthemen forschen.

Die Ziele des Netzwerks sind es, Personen und Institutionen vernetzen, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Hochschulforschung und ihrer Tätigkeitsfelder zu schaffen, den wis-senschaftlichen Diskus anzuregen, Nachwuchs-WissenschaftlerInnen zu unterstützen und einen internationalen Diskurs anzuregen (vgl. HoFo 2019). Der HoFo-Beitrag von Pausits Attila, Aichinger Regina und Unger Martin (2019) – „Quo vadis, Hochschule? Beiträge zur evidenzbasierten Hochschulentwicklung“ (2019) – spiegelt den derzeitigen Stand der Hoch-schulforschung in Österreich wider (vgl. Pausits et al. 2019: 1). Auch international wird Hochschulforschung betrieben, wie z.B. das englische Pendant die „Society of Research of Higher Education“, kurz SRHE zeigt.

5.3. Empirische Methodenspektrum an Hochschulen

Bereits zu Beginn jedes Bachelorstudiums gehören die empirischen Methoden der Sozial-wissenschaften zu den Pflichtgegenständen der universitären Ausbildung (vgl. Baur/Blasius 2014: 41). Je nach Studiengang liegt der Fokus dabei eher auf qualitativen oder quantitati-ven Aspekten. Die AutorInnen kritisieren dabei, dass es selten der Fall sei, dass beide Me-thodenschwerpunkte den gleichen Umfang und die gleiche Prominenz in der Ausbildung einnehmen und es in der Sozialwissenschaft daher bereits in der Ausbildung ein Ungleich-gewicht hin zu qualitativer Seite gäbe (vgl. ebd.: 41). Ein weiterer Aspekt, den die AutorIn-nen untersuchen, ist die länderspezifische PromiAutorIn-nenz von Methodenwahl und Methoden-ausbildung. Dabei beschreiben die AutorInnen, dass die BritInnen eher zu qualitativen Me-thoden, die Niederländer-Innen dagegen eher zu quantitativer Forschung neigen (vgl. Baur, Blasius 2014.42). Kritik äußern Baur und Blasius daran, dass zwar Methoden an jeder Hochschule unterrichtet werden, aber das Feld und die Bandbreite der Inhalte zu umfang-reich sei, als dass eine umfassende Lehre im Zuge eines Studiums möglich wäre und es daher noch sehr viel Entwicklungspotenzial im Bereich der Methodenforschung und -lehre gäbe (vgl. ebd.: 42).

5.4. Empirische Methodenforschung im internationalen Feld der Sozialwirtschaft

Die „European Conference on Research Methodology for Business and Management Stu-dies“ (ECRM) ist eine jährlich stattfindende internationale Konferenz, in deren Zuge jährlich ein Tagungsband mit aktuellen Forschungsergebnissen publiziert wird. Neben den gängi-gen wirtschaftlichen Themen stehen jedes Jahr auch sozialwirtschaftliche Themen auf dem Programm. Als Kriterium für einen möglichen Beitrag wird im Call for Papers als erster Punkt genannt:

„This includes papers: that discuss and assess at least one of a whole range of potential quantitative and qualitative research methods – including (but not limited to) such meth-ods as Mixed-Methmeth-ods, experimental design, critical theory, critical realism, grounded theory. Of particular (sic) interest are new methods for business research in the net-worked world, which may have a history in other disciplines but little application to busi-ness research questions. […].“ (ECRM Call for papers 2019)

Ein besonderes Interesse der ECRM liegt auf neuen Methoden für die Unternehmensfor-schung und OrganisationsforUnternehmensfor-schung im internationalen Feld, die durchaus Wurzeln in an-deren Disziplinen haben können, aber auf Fragen der Unternehmensforschung bislang we-nig Anwendung finden. Nötig ist dafür die Evaluation aller Aspekte der Methode: Verwaltung der Anwendung, Nachteile der Methode, mögliche Behandlung von Problemen, Verbesse-rung bestehender Antragsprozesse usw. (vgl. ECRM Call for paper 2019).

Im Zuge dieses Kongresses entstehen zahlreiche Proceedings, wie „ECRM 2018, 17th Eu-ropean Conference on Research Method in Business and Management Studys“ (vgl.

ECRM, 2018). Dank dieser Kongresse wird erstmals die Bandbreite der Methodenvielfalt in den Sozialwirtschaftswissenschaften deutlich. Neben den gängigen sozialwissenschaftli-chen empirissozialwissenschaftli-chen Methoden fördert und fordert dieser Kongress explizit neue und innova-tive Methoden im Bereich der Wirtschaftswissenschaften (vgl. ebd.:).

Auf Grund dieser Überlegungen und der beschriebenen Methodenheterogenität finden sich auch in der vorliegenden Masterarbeit eigene Kategorien für „spezielle ökonomische thoden und Forschungsvorhaben“ wieder. Auch wenn diese speziellen ökonomischen Me-thoden immer qualitative und quantitative Merkmale besitzen, werden in dieser Arbeit die speziellen Sozialwirtschaftlichen Methoden und Forschungsvorhaben gesondert betrachtet, da sie erste Erkenntnisse über den neuen und innovativen Einsatz von sozialwirtschaftli-chen Herangehensweisen geben können.