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F. NACHLASSSTUNDUNG UND NACHLASSVERTRAG

2. Die Nachlassstundung

2.3 Wirkung der Nachlassstundung

Die Gewährung der Nachlassstundung hat verschiedene Auswirkungen, die di-rekt mit dem gerichtlichen Entscheid eintreten. Die Bewilligung der Nachlass-stundung wird gemäss Art. 296 SchKG durch Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt und im kantonalen Amtsblatt am Sitz der Gesellschaft öffent-lich bekannt gemacht und dem Betreibungsamt am Sitz der Gesellschaft sowie den für die Liegenschaften der Gesellschaft zuständigen Grundbuchämtern vom Gericht mitgeteilt, damit diese Ämter die Auswirkungen der Nachlassstundung bei ihrer Tätigkeit berücksichtigen können.

2.3.1 Einstellung von Betreibungshandlungen

Während der Nachlassstundung können gemäss Art. 297 Abs. 1 SchKG gegen die Gesellschaft keine Betreibungshandlungen durchgeführt werden und es kann auch kein Konkursverfahren eingeleitet werden199. Allerdings können gemäss Art. 297 Abs. 2 SchKG Arbeitnehmer für ihre Forderungen die Betreibung fort-setzen, wobei aber nur eine Betreibung auf Pfändung nicht aber auf Konkurs möglich ist. Überdies können grundpfandgesicherte Gläubiger Betreibung auf Pfandverwertung einleiten; Verwertungen können aber nicht vorgenommen werden.

2.3.2 Unterbrechung des Zinsenlaufs

Gemäss Art. 297 Abs. 3 SchKG hört mit der Bewilligung der Nachlassstundung der Zinsenlauf für alle nicht gesicherten Forderungen auf. Nur wenn der spätere Nachlassvertrag die Verzinsung vorbestehender Schulden vorsieht, wird der Zinsenlauf entsprechend fortgesetzt und beim Vollzug des Nachlassvertrages über die Zinsen abgerechnet.

197 Dazu im einzelnen hinten Ziff. F.2.4.

198 Eine Anfechtung ist möglich aufgrund mangelnder Fähigkeiten oder wegen Interessenkonflikten.

199 Damit diese Vorteile auch im Ausland (vor allem am Sitz allfälliger Zweigniederlassungen) zum Tragen kom-men, muss in den betreffenden Ländern ein Verfahren zur Anerkennung der schweizerischen Nachlassstun-dung durchgeführt werden.

2.3.3 Einschränkung der Verfügungsbefugnis der Gesellschaftsorgane

Auch nach der Gewährung der Nachlassstundung führen die Organe der Gesell-schaft das ordentliche Geschäft der GesellGesell-schaft weiter. Für die Veräusserung von Gegenständen des Anlagevermögens200, die Bestellung von Sicherheiten, die Eingehung von Bürgschaften zugunsten Dritter sowie unentgeltliche Verfü-gungen ist jedoch gemäss Art. 298 Abs. 2 SchKG die Zustimmung des Nach-lassgerichtes notwendig. Die Organe der Gesellschaft müssen für derartige Handlungen einen Bewilligungsantrag einreichen, der mit einem entsprechen-den Bericht und einer Empfehlung des Sachwalters dem Gericht vorgelegt wer-den muss.

Das Gericht kann die Handlungsfähigkeit der Gesellschaftsorgane weiter ein-schränken, indem es bestimmte Geschäftsführungshandlungen von der Zustim-mung des Sachwalters abhängig macht, wie z.B. Bestellungen bei Drittlieferan-ten oder die Aufnahme von KrediDrittlieferan-ten. Das Gericht kann den Gesellschaftsorga-nen die Geschäftsführung sogar gänzlich entziehen und diese dem Sachwalter übertragen.

Verstossen die Organe der Gesellschaft gegen die Beschränkung ihrer Hand-lungsfähigkeit oder gegen spezifische Weisungen des Sachwalters, so kann das Nachlassgericht gemäss Art. 298 Abs. 3 SchKG auf Anzeige des Sachwalters den Organen die Geschäftsführungsbefugnis entziehen oder auch die Nachlass-stundung widerrufen.

2.3.4 Massaverbindlichkeiten

Wird die Geschäftstätigkeit nach der Gewährung der Nachlassstundung fortge-setzt, so werden alle Schulden, die durch die Geschäftstätigkeit nach diesem Zeitpunkt entstehen, zu Massaverbindlichkeiten, sofern der Sachwalter die be-treffende Schuld bzw. Transaktion genehmigt hat201. Diese Massaschulden wer-den im Rahmen der Abwicklung des Nachlassvertrages bzw. beim Scheitern des Nachlassverfahrens im Rahmen eines Konkurses privilegiert behandelt; sämtli-che Aktiven, die nicht vor der Nachlassstundung gültig an Dritte verpfändet worden sind, müssen zur Deckung dieser Massaverbindlichkeiten aufgewendet werden, bevor die vor der Nachlassstundung entstandenen Schulden befriedigt werden können202.

200 Einschliesslich des finanziellen Anlagevermögens (Beteiligungen).

201 Die Zustimmung kann entweder dadurch verfolgen, dass der Sachwalter bestimmten Transaktionen wie z.B.

Verkäufen an Kunden generell zustimmt oder dass er anderen aussergewöhnlichen Transaktionen, wie z.B. der Aufnahme eines Kredites, einzeln zustimmt.

202 Dieses Privileg gilt auch gegenüber den gemäss Art. 219 SchKG privilegierten Forderungen; Massaverbind-lichkeiten gehen daher insbesondere auch den Forderungen von Arbeitnehmern vor, die vor der Nachlassstun-dung entstanden sind.

Durch die Möglichkeit, Massaverbindlichkeiten zu begründen, wird ein Unter-nehmen grundsätzlich wieder kreditfähig, soweit es noch irgendwelche freien Aktiven besitzt, was – zumindest in der Theorie – die Weiterführung des Ge-schäftes erleichtern sollte. In der Praxis wirkt die Eröffnung der Nachlassstun-dung jeweils aber derart abschreckend auf die Lieferanten, dass sie Bestellungen einer Gesellschaft in Nachlassstundung nur gegen Vorauszahlung ausführen und sich nicht darauf verlassen, dass ihre Forderungen als Massaschulden privile-giert werden. Dieses Verhalten ist natürlich vor allem auch darauf zurückzufüh-ren, dass die Lieferanten im Normalfall keine Kenntnis darüber haben, ob und in welchem Mass freie Aktiven vorhanden sind, welche zur Deckung von Massa-verbindlichkeiten beigezogen werden können.

Ein Unternehmen in Nachlassstundung kann mit Zustimmung des Sachwalters auch Kredite aufnehmen, die zu Massaverbindlichkeiten werden und entspre-chend privilegiert sind. Die Aufnahme eines derartigen Massakredites ermög-licht die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit, auch wenn Lieferanten keine Zah-lungsfristen mehr gewähren, da dann Einkäufe aus diesem Kredit finanziert werden können. Ein Massakredit kann auch gültig durch Pfandbestellung gesi-chert werden, sofern das Nachlassgericht dem Gesuch der Gesellschaft um Pfandbestellung zustimmt. Plant eine Gesellschaft ihr Geschäft mit Hilfe eines Massakredites weiter zu führen, so empfiehlt es sich das entsprechende Gesuch gleichzeitig mit dem Nachlassstundungsgesuch an das Nachlassgericht zu rich-ten.

2.3.5 Die Behandlung von Dauerschuldverhältnissen im Nachlassverfahren Mit der Revision des Nachlassrechts per 1.1.2014 wurde die Behandlung von Dauerschuldverhältnissen im Nachlassverfahren neu geregelt. Diese Regelung ist für die Durchführung von Nachlassverträgen wesentlich, da sie es ermöglicht diese Verträge unter bestimmten Umständen zu beenden.

Ein Dauerschuldverhältnis im Sinne des Nachlassrechtes liegt immer vor, wenn die Gegenpartei während einer längeren Zeit gleichbleibende oder ähnliche Leistungen erbringen muss, wie z.B. bei Miet-, Leasing-, Lizenz-, Franchise-, Distributions- oder Agenturverträgen203. Derartige Verträge können die Sanie-rung einer Gesellschaft erheblich erschweren, da einzelne langfristige Verträge das Unternehmen mit hohen Fixkosten belasten können204, die eine profitable Führung eines Unternehmens von vornherein verunmöglichen.

203 Nicht als Dauerschuldverhältnisse gelten allerdings Verträge, bei denen eine einzelne oder aus mehreren Leis-tungen zusammengesetzte Gesamtleistung während längerer Zeit erbracht wird, wie z.B. bei Werkverträgen über Gebäude oder Spezialmaschinen.

204 In der Praxis ergeben sich derartige Belastungen vor allem aus Mietverträgen für Objekte, die für das sanierte Unternehmen zu gross sind.

Die ausserordentliche Kündigung von Dauerschuldverhältnissen im Nachlassverfahren

Gemäss Art. 297a SchKG kann der Schuldner im Nachlassverfahren mit der Zustimmung des Sachwalters Dauerschuldverhältnisse jederzeit und unab-hängig der vertraglich vereinbarten und gesetzlichen Kündigungsregel kün-digen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Fortsetzung des betreffenden Ver-tragsverhältnisses die Sanierung verunmöglichen oder erheblich erschweren würde. Die Beurteilung ob diese Voraussetzung im Einzelfall gegeben ist, liegt im Ermessen des Sachwalters, der abklären muss, ob die Kosten, die mit der Weiterführung des betreffenden Vertrages verbunden sind, im Rah-men der Weiterführung des UnternehRah-mens gerechtfertigt werden können. In Zukunft ist daher zu erwarten, dass bei Nachlassverfahren alle Dauerschuld-verhältnisse gekündigt werden, die für das betreffenden Unternehmen unpro-fitabel sind.

Entschädigungsanspruch der Gegenpartei aus dem betroffenen Vertrag Die Gegenpartei des gekündigten Vertrages hat Anrecht auf vollständige Entschädigung, d.h. auf Ersatz des positiven Interesses. Dies bedeutet, dass der betreffenden Gegenpartei alle finanziellen Vorteile ersetzt werden müs-sen, die bei der vertragskonformen Abwicklung des betreffenden Dauer-schuldverhältnisses entstehen würden205. Dieses positive Interesse wird bis zum Zeitpunkt berechnet, in dem das betreffende Dauerschuldverhältnis durch ordentliche Kündigung aufgelöst werden kann oder bei einer festen Dauer des betreffenden Vertrages bis zum Ablauf seiner Laufzeit. Die ent-sprechende Schadenersatzforderung ist aber keine Massaschuld, sondern nur eine Nachlassforderung, d.h. sie wird im Falle eines Liquidations- oder Pro-zentnachlasses nicht vollumfänglich honoriert.

Der Eintritt der Masse in Dauerschuldverhältnisse

Sind Schuldner und Sachwalter bei einem bestimmten Dauerschuldverhält-nis dagegen überzeugt, dass die Weiterführung für das Unternehmen positiv ist, so ist es auch möglich, dieses Dauerschuldverhältnis fortzusetzen und bei entsprechender Zustimmung des Sachwalters die Verpflichtungen des Unter-nehmens, die während des Nachlassverfahrens entstehen, zu Massaschulden zu machen. Eine derartige Entscheidung führt dazu, dass die Forderung des Vertragspartners im Rahmen des Nachlassvertrags mit grösster Wahrschein-lichkeit bezahlt werden, da sie gegenüber allen anderen Forderungen privi-legiert sind, was in den meisten Fällen dazu führen wird, dass er seine Leis-tungen in diesem Vertragsverhältnis auch weiterhin erbringen wird. Ein

205 Dieser Schadenersatzanspruch entspricht der Differenz zwischen den Erträgen, welche die Gegenpartei aus dem betreffenden Dauerschuldverhältnis hat und den Kosten, die zur Leistungserstellung anfallen. Von diesem Betrag müssen die Vorteile abgezogen werden, die durch schadensmindernde Massnahmen entstehen (bei ei-nem Mietvertrag z.B. Erträge der Vermietung des betreffenden Objektes an einen Dritten, bei eiei-nem Exklusiv-vertriebsvertrag die Verkäufe an Dritte etc.).

artiges Vorgehen ist immer dann angezeigt, wenn ein Dauerschuldverhältnis für die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens wesentlich ist – wie z.B. ein Lizenzvertrag für wichtige Produkte – und auch nicht zu einem Kostenproblem führt.

Rosinenpicken bei der Planung des Nachlassvertrages

Der Umstand, dass Schuldner und Sachwalter, die bei der Behandlung von Dauerschuldverhältnissen zwischen der Kündigung und der Anerkennung als Massaverbindlichkeit wählen können, gibt ihnen bei der Vorbereitung des Nachlassvertrages die Möglichkeit des "Rosinenpickens". Sie können dieje-nigen Dauerschuldverhältnisse, die für den Fortbestand des Unternehmens notwendig sind und günstige Kosten aufweisen, beibehalten und als Massa-verbindlichkeiten privilegieren, während sie Dauerschuldverhältnisse, die zu hohen Fixkosten führen und die Erzielung von Gewinnen nach der Sanie-rung erschweren, kündigen können. Dies ermöglicht es im Rahmen der Nachlassstundung Kosten zu senken und das Unternehmen zu restrukturie-ren, was für die erfolgreiche Führung des Unternehmens nach der Durchfüh-rung des Nachlassverfahrens wesentlich sein kann.

Keine Anwendung auf Arbeitsverhältnisse

Die oben dargestellten Regeln über Dauerschuldverhältnisse gelten gemäss dem letzten Satz von Art. 297a OR nicht für Arbeitsverhältnisse. Diese kön-nen auch im Rahmen einer Nachlassstundung bzw. eines Nachlassverfahrens nur unter Beachtung der gesetzlichen bzw. allenfalls längerer vertraglicher Fristen gekündigt werden. Immerhin sieht aber Art. 335k OR vor, dass die neu eingeführten Bestimmungen über Sozialpläne nicht zur Anwendung kommen, wenn eine Massenentlassung während eines Konkursverfahrens ausgesprochen wird oder in einem Nachlassverfahren erfolgt, das mit einem Nachlassvertrag abgeschlossen wird. Daher fallen bei derartigen Entlassun-gen neben der Lohnfortzahlung während der Kündigungsfrist immerhin kei-ne zusätzlichen Kosten an.