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H. ARBEITSRECHTLICHE ASPEKTE EINER SANIERUNG

3. Entlassungen

3.3 Massenentlassungen

3.3.1 Anwendungsbereich der Bestimmungen über Massenentlassung

Plant ein Arbeitgeber im Rahmen einer Restrukturierung die Entlassung einer grösseren Anzahl von Arbeitnehmern, so können zusätzlich zu den normalen

Vorschriften des Arbeitsrechts über die Kündigung von Einzelarbeitsverträgen noch die Vorschriften über Massenentlassungen zur Anwendung kommen. Eine Massenentlassung im Sinne von Art. 335d OR liegt vor, wenn ein Unternehmen Kündigungen ausspricht, die nicht im Zusammenhang mit der Person der be-troffenen Arbeitnehmer stehen und innert 30 Tagen mindestens die folgende Anzahl von Arbeitnehmern betreffen:

Total Arbeitnehmer Entlassene Arbeitnehmer

21 – 100 mind. 10

101 – 300 mind. 10%

> 300 mind. 30

Entlassungen von Arbeitnehmern bei Umstrukturierungen und Sanierungen, welche diese Grenzen überschreiten, fallen grundsätzlich unter die Vorschriften über Massenentlassungen.

Gemäss Art. 335e OR kommen die Bestimmungen über Massenentlassungen nicht für Betriebseinstellung zur Anwendung, die im Konkurs oder bei einem Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ausgesprochen werden. Bei privaten Sanierungen sowie bei ordentlichen Nachlassverträgen kommen diese Vor-schriften aber vollumfänglich zur Anwendung und erhöhen damit die Kosten für die Entlassung.

3.3.2 Verfahren bei Massenentlassungen

3.3.2.1 Informationen der Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmervertreter

Im Falle einer Massenentlassung muss das Unternehmen gemäss Art. 335f OR die Arbeitnehmervertreter250 oder – falls keine Arbeitnehmervertreter gewählt worden sind – die Arbeitnehmer selbst über die geplanten Entlassungen infor-mieren. Das Unternehmen muss dabei den Arbeitnehmervertretern bzw. den Ar-beitnehmern insbesondere die Gründe der Massenentlassung, die Zahl der be-troffenen Arbeitnehmer und den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgespro-chen werden, mitteilen. Gleichzeitig müssen auch Angaben über einen allfälli-gen Sozialplan gemacht werden. Diese Mitteilung muss schriftlich abgegeben werden. Zusätzlich muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmern bzw. dem Vertre-ter auf entsprechende Fragen hin auch noch alle weiVertre-teren Auskünfte erteilen, die für das Verständnis der Kündigungsgründe zweckdienlich sind.

250 Gemäss Mitwirkungsgesetz können bei grösseren Betrieben auf Verlangen der Arbeitnehmer Arbeitnehmerver-treter gewählt werden; in vielen Betrieben bestehen aber keine derartigen Vertretungen.

3.3.2.2 Konsultationsverfahren

Die Arbeitnehmervertreter bzw. die Arbeitnehmer müssen darauf die Möglich-keit haben, zu den geplanten Entlassungen Stellung zu nehmen und Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt bzw. ihre Folgen gemildert werden können. Den Arbeitnehmern bzw. deren Vertretern muss genügend Zeit eingeräumt werden, um Vorschläge auszuarbei-ten und einzureichen – je nach Tragweite der Massenentlassung und der Kom-plexität der betroffenen Betriebe ist eine Frist von 10 bis 15 Tagen angemes-sen251.

3.3.2.3 Entscheid des Arbeitgebers

Nach Vorlage der Vorschläge der Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber diese prüfen. Nachher kann er den endgültigen Entscheid über die Entlassung fällen.

Er ist dabei nicht an die Vorschläge der Arbeitnehmer gebunden, sondern kann nach eigenem Ermessen entscheiden, d.h. entweder die angekündigten Massenentlassung definitiv bestätigen oder aber aufgrund der Vorschläge gewisse Modifikationen vornehmen. Der Entscheid ist den Arbeitnehmern bzw.

den Mitarbeitern mitzuteilen, wobei die Ablehnung der Vorschläge auch kurz begründet werden muss.

3.3.2.4 Mitteilung an das kantonale Arbeitsamt

Das Unternehmen muss gemäss Art. 335f Abs. 4 OR die Angaben, die es den Arbeitnehmervertretern bzw. den Arbeitnehmern über die geplante Massentlas-sung gemacht hat, auch dem kantonalen Arbeitsamt252 zustellen. Nach der Durchführung des Konsultationsverfahrens müssen dem kantonalen Arbeitsamt gemäss Art. 335g auch die Ergebnisse der Konsultation und der definitive Ent-scheid des Arbeitgebers mitgeteilt werden.

Die Erfahrung zeigt, dass sich eine enge Zusammenarbeit mit dem kantonalen Arbeitsamt lohnt, da dieses Massnahmen dann einleiten kann, um Arbeitnehmer an neue Stellen zu vermitteln und so Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Gerade Massnamen wie die Einrichtung von Beratungscentern oder Vermittlungsstel-len, die zu einer schnellen Weiterbeschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer beitragen, können die sozialen Auswirkungen von Entlassungen mildern und de-ren Akzeptanz in der Öffentlichkeit erhöhen.

251 Die kantonalen Arbeitscenter und Gerichte weisen in diesem Punkt allerdings eine unterschiedliche Praxis auf.

Die Tendenz geht heute klar zu längeren Fristen, d.h. zu 15 Tagen.

252 Zuständig ist das kantonale Arbeitsamt im Kanton, in dem sich der von der Massentlassung betroffene Betrieb befindet.

3.3.3 Kündigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse

Nach der Durchführung des Informations- und Konsultationsverfahrens können die Kündigungen den betroffenen Arbeitnehmern zugestellt werden.

Sofern die Verträge der gekündigten Arbeitnehmer nicht längere Kündigungs-fristen vorsehen, endet das Arbeitsverhältnis frühestens 30 Tage nach der An-zeige der beabsichtigten Massenentlassung an das Kantonale Arbeitsamt. Reicht der Arbeitgeber die gesetzlich notwendige Anzeige dem Arbeitsamt verspätet ein oder unterlässt diese sogar vollständig, so führt dies dementsprechend zu ei-ner Verlängerung der Kündigungsfrist und der Lohnfortzahlungspflicht.

3.3.4 Sanktionen bei Verletzung der Vorschriften über Massenentlassungen Werden bei Massenentlassung die Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter nicht in-formiert und/oder wird die Konsultation unterlassen bzw. nicht genügend Zeit für die Konsultation eingeräumt, so gilt die betreffende Kündigung gemäss Art.

336 Abs 2 lit c OR als missbräuchlich. In diesem Fall muss der Arbeitgeber ge-mäss Art. 336a Abs 3 OR zusätzlich zur Zahlung des Lohnes während der Kün-digungsfrist eine Entschädigung von bis zu zwei Monatslöhnen pro Arbeitneh-mer bezahlen. Daher empfiehlt es sich dringend, bei jeder Kündigung, die unter die Vorschriften der Massenentlassungen fällt, diese Vorschriften genau einzu-halten und den Arbeitnehmern insbesondere genügend Zeit zur Konsultation einzuräumen253.

Die Verletzung der Anzeigepflicht gegenüber dem kantonalen Arbeitsamt führt, wie oben dargestellt, dazu, dass die ausgesprochenen Kündigungen nicht in Kraft treten und daher Arbeitsverhältnisse und Lohnfortzahlungspflichten weiter bestehen.

3.3.5 Zeitplan

Das Verfahren zur Massenentlassung muss bei der Planung derartiger Entlas-sungen berücksichtigt werden, so dass die oben dargestellten Sanktionen ver-mieden werden können. Im Einzelnen ist dabei folgender Zeitplan einzuhalten:

• T254 – 25 Tage: Schriftliche Information der Arbeitnehmervertretung bzw. der Arbeitnehmer, evtl. Informationsveranstaltung; die Arbeitnehmer bzw. Vertre-ter werden gleichzeitig aufgefordert, innert einer Frist von 10 bis 15 Tagen im Sinne der Konsultation Vorschläge einzureichen.

253 Je nach Grösse des Unternehmens dürfen zur Konsultation 10 bis 15 Tage genügen.

254 T = Monatsende.

• T – 10 Tage: Konsultation mit den Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmervertre-tern: Die eingereichten Vorschläge werden mit den Arbeitnehmern bzw. und Vertretern besprochen. Der Arbeitgeber fällt seinen Entscheid.

• T – 5 Tage: Übergabe bzw. Versand der Kündigungen255

• T – 5 Tage: Zustellung der Mitteilung an das Arbeitsamt

Gesamtarbeitsverträge sehen häufig detailliertere Regelungen über die Konsul-tation bei Massenentlassungen vor. Soweit ein derartiger Gesamtarbeitsvertrag auf ein Unternehmen anwendbar ist, müssen die entsprechenden Bestimmungen zusätzlich zu den oben geschilderten gesetzlichen Bestimmungen über Massen-entlassungen eingehalten werden.

3.4 Ansprüche der Arbeitnehmer aus beruflicher Vorsorge