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Der Einfluss der Anleihensbedingungen auf privatrechtliche

E. SANIERUNGSMASSNAHMEN BEI OBLIGATIONENANLEIHEN

1. Der Einfluss der Anleihensbedingungen auf privatrechtliche

Die Bedingungen von Obligationenanleihen sehen praktisch immer vor, dass der Lead Agent die Anleihe fällig stellen kann, wenn der Schuldner mit der Zahlung von Zinsen oder Tilgungen in Verzug ist und eine – sehr kurze – Nachfrist ("Grace Period") abgelaufen ist ("Default"). Normalerweise wird der Begriff des

"Defaults" in den betreffenden Anleihensbedingungen aber noch wesentlich weiter definiert. Gemäss den meisten Anleihensbedingungen berechtigt bereits einer der folgenden Vorfälle den Lead Agent dazu, die Obligationenanleihen mit sofortiger Wirkung fällig zu stellen165:

165 Die Frage, welche Ereignisse den Lead Agent zur Kündigung einer konkreten Anleihe berechtigen und wie diese Ereignisse genau definiert sind, muss jeweils aufgrund der konkreten Anleihensbedingungen abgeklärt werden; diese variieren von Fall zu Fall, wobei auch Unterschiede im Ermessen bzw. in der Handlungspflicht des Lead Agent bestehen.

Verzug des Schuldners bezüglich Zahlungspflichten bei anderen Finanz-schulden ("Cross-Default")

Praktisch alle Obligationenanleihen sehen vor, dass der Lead Agent die An-leihe fällig stellen kann, wenn der Schuldner bezüglich seiner Zahlungsver-pflichtungen bei anderen Finanzschulden in Verzug ist166. Eine derartige Klausel erschwert Sanierungsbemühungen insofern, als ein liquiditätsbeding-ter Verzug in der Rückzahlung von Bankkrediten zur Fälligkeit der Obligati-onenanleihe führen kann. Daher muss bei Unternehmen, die Obligationenan-leihen ausgegeben haben, schon früh mit den betroffenen Gläubigern das Ge-spräch gesucht werden, wenn mangels Liquidität Finanzgläubiger nicht zu-rückbezahlt werden können. Bereits eine vorläufige Fristverlängerung für die Rückzahlung der betreffenden Finanzschulden verhindert den Cross-Default und gibt der Unternehmungsleitung dann die Zeit, eine Gesamtsanierung auszuhandeln.

Der Abschluss eines Stillhalteabkommens mit Gläubigern

Die überwiegende Mehrzahl aller Obligationenanleihen sieht vor, dass diese vom Lead Agent fällig gestellt werden können, wenn das Unternehmen mit anderen Gläubigern ein Stillhalteabkommen abschliesst167. Eine solche Klau-sel führt dazu, dass ein Stillhalteabkommen nur abgeschlossen werden kann, wenn der Lead Agent zustimmt; andernfalls würde der Abschluss des Still-halteabkommens sein Ziel nicht erreichen, sondern selbst zur Fälligkeit der Anleihen der Gesellschaft führen. Lead Agents nehmen zu Stillhalteabkom-men normalerweise eine zustimStillhalteabkom-mende Haltung ein, da StillhalteabkomStillhalteabkom-men das Unternehmen vor Abflüssen von Liquidität schützen und so den Unter-nehmenswert erhalten, was auch für die Anleihensgläubiger positiv ist. Prob-lematisch für die Anleihensgläubiger sind letztlich nur Stillhalteabkommen, die eine Rückführung der Kredite durch Verkäufe von Aktiven vorsehen.

Daher wird der Lead Agent seine Zustimmung zu einem Stillhalteabkommen meist davon abhängig machen, dass die Obligationengläubiger beim Verkauf von Aktiven am Veräusserungserlös angemessen beteiligt werden.

Verkauf von wesentlichen Aktiven

Fast immer wird in den Anleihebedingungen vorgesehen, dass der Lead Agent die Anleihe fällig stellen kann, wenn ein Unternehmen wesentliche Aktiven oder Tochtergesellschaften veräussert168. Diese Klausel führt zu Problemen, wenn eine Stillhalte- oder Sanierungsvereinbarung vorsieht, dass

166 Zum Teil wird dabei eine Mindestgrösse der betreffenden Finanzschuld definiert. Häufig wird auch eine

"Grace Period" vorgesehen, so dass technische Verzögerungen von wenigen Tagen keinen Cross Default aus-lösen können.

167 Diese Klausel wird meistens insofern präzisiert, als das Stillhalteabkommen einen bestimmten Prozentsatz der gesamten Gläubiger umfassen muss, so dass die Stundung einzelner Kredite noch nicht zu einem Problem führt.

168 Zum Teil wird der Begriff der wesentlichen Aktiven in den Anleihensbedingungen betragsmässig oder prozen-tual definiert; teilweise wird der Begriff aber offen gelassen ("sale of material assets").

bestimmte Aktiven verkauft werden und die freigewordenen Mittel zur Rückzahlung der Finanzgläubiger verwendet werden. Daher muss bei derar-tigen Vereinbarungen das Einverständnis des Lead Agent eingeholt werden.

Sofern solche Verkäufe und die entsprechenden Rückzahlungen die Anleihe-gläubiger der Gefahr aussetzen, dass am Ende keine Mittel mehr zur Tilgung der Obligationen vorhanden sind, wird der Lead Agent einer Stillhalte – oder Sanierungsvereinbarung nur zustimmen, wenn ein angemessener Anteil der Veräusserungserlöse169 in ein Sperrkonto zugunsten der Obligationengläubi-ger einbezahlt wird.

Gewährung von Sicherheiten an Finanzgläubiger ("Negative pledge/pari passu Klausel")

Sehr viele Anleihebedingungen enthalten eine "Negative pledge" Klausel, welche dem Unternehmen verbietet, andere Finanzgläubiger durch die Ver-pfändung von Aktiven oder ähnliche Massnahmen, Sicherheiten einzuräu-men. Zum Teil enthalten die Anleihebedingungen auch eine "pari passu"

Klausel, welche derartige Sicherheiten zulässt, aber verlangt, dass den Anlei-hegläubigern die gleiche Sicherheit eingeräumt wird. Sieht ein Sanierungs-konzept besicherte Bridge Loans vor, so kommt es zum Konflikt mit der Ne-gative Pledge- bzw. der Pari-Passu-Klausel, die normalerweise bei Anleiheo-bligationen vorgesehen wird. Meistens wird der Lead Agent aber sein Ein-verständnis zur Besicherung von Überbrückungskrediten erteilen, wenn klar ersichtlich ist, dass diese zur Rettung des Unternehmens dienen und die Aus-sichten auf Befriedigung der Obligationengläubiger entsprechend steigen.

Soweit ein Sanierungsplan allerdings vorsieht, dass im Rahmen einer Um-schuldung oder im Zusammenhang mit einem Forderungsverzicht bereits be-stehende Finanzschulden besichert werden sollen, wird der Lead Agent je-doch nur zustimmen, wenn auch die Anleihensobligationen anteilsmässig in gleicher Weise besichert werden.

Der Abschluss eines Vergleichs- bzw. Umschuldungsabkommens mit anderen Finanzgläubigern

Praktisch alle Anleihebedingungen sehen vor, dass der Lead Agent die An-leihe fällig stellen kann, wenn das Unternehmen Vergleichs- oder Umschul-dungsabkommen mit anderen Finanzgläubigern abschliesst. Diese Klausel zwingt die Gesellschaft immer dazu, den Lead Agent in die Planung eines Sanierungskonzeptes einzubeziehen und sein Einverständnis für den Ab-schluss einer Sanierungsvereinbarung einzuholen. Generell wird der Lead Agent derartigen Umschuldungen zustimmen, soweit die Existenz und lang-fristige Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft sichergestellt und die Rechte der Obligationengläubiger gewahrt werden. Daher wird der Lead Agent immer verlangen, dass die Obligationengläubiger an allfälligen Sicherheiten und

169 Entsprechend dem Anteil der Obligationenanleihe an den gesamten Finanzschulden.

Rückzahlungen, die in einem Sanierungskonzept zugunsten der Finanzgläu-biger vorgesehen werden, proportional beteiligt werden.

Die obigen Punkte zeigen, dass die Obligationenbedingungen genau analysiert werden müssen, bevor Sanierungspläne für ein Unternehmen, das Obligationen ausgegeben hat, ausgearbeitet werden. Der Lead Agent sollte dann möglichst früh in die Sanierungspläne einbezogen werden. Er sollte daher genau wie die übrigen Finanzgläubiger mit der Einladung zum ersten Bankenmeeting über die Finanzprobleme des Unternehmens und die Sanierungsbemühungen informiert werden, wobei ihm auch die gleichen Unterlagen wie den übrigen Finanzgläubi-gern zugestellt werden sollten. Sobald die Möglichkeit besteht, dass aufgrund bestimmter Ereignisse oder Sanierungsschritte bei der Anleiheobligation ein Default eintritt, sollte dem Lead Agent vorgängig ein formelles Gesuch um Zu-stimmung bzw. Verzicht auf die Fälligstellung übergeben werden. In diesem Gesuch sollte begründet und mit geeigneten Unterlagen auch belegt werden, dass die entsprechenden Sanierungsschritte die Situation der Obligationengläu-biger verbessern und bereits konkrete Vorschläge zur Wahrung der Interessen der Obligationengläubiger unterbreitet werden, falls das Unternehmen die Besi-cherung oder Rückzahlung von Finanzschulden vorsieht.

2. Der Einbezug von Anleihen in privatrechtliche Sanierungsmassnahmen