• Keine Ergebnisse gefunden

E. SANIERUNGSMASSNAHMEN BEI OBLIGATIONENANLEIHEN

3. Sanierung im Rahmen der Gläubigergemeinschaft

3.1 Sanierung mit Gläubigerversammlung als "Spezialnachlassverfahren"

Das Obligationenrecht sieht in Art. 1164ff. OR ein Verfahren vor, bei dem die Gläubigergemeinschaft der Obligationäre mit Mehrheitsbeschluss die Anlei-hensbedingungen ändern kann und diese Änderungen auch für die Obligationäre gelten, die den Änderungen der Anleihensbedingungen nicht zugestimmt haben.

Bei diesem Verfahren handelt es sich in dogmatischer Sicht um eine spezielle Art des Nachlassverfahrens, da einerseits die Einleitung des Verfahrens zu einer Stundung bezüglich aller Forderungen aus den betroffenen Anleihensobligatio-nen führt, andererseits aber auch gegen den Willen bestimmter Obligationsgläu-biger mit Mehrheitsentscheid in bestehende vertragliche Rechte eingegriffen wird. Im Gegensatz zu dem im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Kon-kurs geregelten Nachlassverfahren173, das immer die Gesamtheit aller Gläubiger betrifft, bezieht sich das in Art. 1164ff. OR vorgesehene Verfahren aber nur auf die Anleihen, für die es durchgeführt wird. Deshalb kann dieses Verfahren auch im Rahmen einer privaten Sanierung durchgeführt werden und diese ergänzen.

Die Kombination des Verfahrens nach Art. 1164 ff. OR mit einer privaten

geboten werden. Dies führt zu einer beschleunigten Ausübung von Wandel- und Optionsrechten und einer ent-sprechenden Stärkung des Eigenkapitals.

172 Wenn eine Gesellschaft z.B. ein Angebot zum Umtausch von Obligationen in Aktien macht, so führt der Um-tausch von Obligationen zu einer Stärkung des Eigenkapitals der Gesellschaft und zu einer Verringerung ihrer Verschuldung. Dies verbessert die Position der Obligationäre, welche das Angebot nicht annehmen. Damit ent-steht eine Situation, bei der die einzelnen Obligationäre zwar hoffen, dass möglichst viele Obligationäre das Angebot annehmen, selbst aber keinen individuellen finanziellen Anreiz zur Annahme des Angebotes haben.

Dieses Problem kann nur beseitigt werden, wenn das Umtauschangebot derart attraktiv ist, dass sein Wert den Kurs der verbleibenden Obligationen nach der Sanierung übersteigt.

173 Dazu im einzelnen Abschnitt F. hinten.

nierung ist insbesondere deshalb gut möglich, weil bei diesem Verfahren – im Gegensatz zum normalen Nachlassverfahren – auch kein Sachwalter eingesetzt wird, der in die Unternehmensführung eingreift.

3.2 Das Verfahren gemäss Art. 1164ff. OR 3.2.1 Einleitung des Verfahrens

Das betroffene Unternehmen setzt das Verfahren nach Art. 1164ff. OR in Gang, indem es eine Einladung zu einer Gläubigerversammlung veröffentlicht. Die Formalitäten der Einberufung sind in der Verordnung über die Gläubigerge-meinschaft bei Anleihensobligationen im Einzelnen geregelt. Diese Verordnung sieht insbesondere vor, dass die Einberufung der Gläubigerversammlung min-destens zwei Mal im Schweizerischen Handelsamtsblatt und in den öffentlichen Blättern veröffentlicht werden muss, die in den Anleihensbedingungen als Pub-likationsorgane aufgeführt worden sind. Die zweite öffentliche Einladung muss dabei mindestens 10 Tage vor dem Versammlungstermin erfolgen. Bekannte Gläubiger sind im Weiteren durch eingeschriebenen Brief einzuladen. Die Trak-tanden der Gläubigerversammlung sind mit der Einberufung selbst oder durch eine zweite Ankündigung mindestens 10 Tage vor der Versammlung bekannt-zugeben.

3.2.2 Stundung der Ansprüche

Vom Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung zur Gläubigerversammlung an werden sämtliche fälligen Ansprüche der Anleihensgläubiger bis zur Beendi-gung des Verfahrens gestundet, womit auch die Folgen eines "Defaults" und ei-ner entsprechenden Fälligstellung der Anleihe durch den Lead Agent vermieden werden können. Analog zur Nachlassstundung bei einem vollstreckungsrechtli-chen Nachlassvertrag tritt damit ein Rechtsstillstand ein, der es dem betroffenen Unternehmen ermöglichen soll, einen Sanierungsvorschlag ohne Druck eines Betreibungsverfahrens auszuarbeiten und diesen der Gläubigerversammlung zu präsentieren. Im Gegensatz zur Nachlassstundung nach SchKG bezieht sich die-se Stundung aber nur auf die betreffende Obligationenanleihe; alle anderen Gläubiger können weiterhin ihre Forderungen auf dem Betreibungsweg geltend machen.

3.2.3 Mögliche Massnahmen

Bei einem Vorgehen gemäss Art. 1164ff. OR können nur die im Gesetz aus-drücklich vorgesehenen Massnahmen der Gläubigerversammlung vorgeschlagen und von dieser beschlossen werden:

• Stundung von Zinsen für eine Periode von bis zu 5 Jahren (mit zweimaliger Verlängerungsmöglichkeit)

• Erlass von bis zu fünf Jahreszinsen

• Ermässigung des Zinsfusses bis zur Hälfte des ursprünglich vereinbarten Zins-satzes oder Einführung eines ergebnisabhängigen ZinsZins-satzes

• Verlängerung der Amortisationsfrist um höchstens 10 Jahre

• Stundung der Anleihefälligkeit um höchstens fünf Jahre mit einmaliger Verlän-gerungsmöglichkeit

• Verzicht auf ursprünglich gewährte Sicherheiten

• Umwandlung von Obligationen in Aktien

• Vorzeitige Rückzahlung

Sanierungsmassnahmen, die im Gesetz nicht erwähnt werden, sind dagegen nicht zulässig. Daher ist es im Rahmen einer Gläubigerversammlung bei einer Obligationenanleihe insbesondere nicht möglich, ganz oder teilweise auf den Kapitalbetrag zu verzichten. Immerhin kann aber mit einer Kombination von Zinsreduktion und Stundung der Rückzahlung eine erhebliche Erleichterung für das Unternehmen erreicht werden, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen einem teilweisen Forderungsverzicht nahe kommt. Auch die Umwandlung von Obligationen in Aktien stellt eine erhebliche Erleichterung dar, die im Gegen-satz zu den anderen oben erwähnten Massnahmen auch eine Überschuldung be-seitigen kann.

Selbstverständlich können aber Massnahmen zugunsten der Obligationäre vor-gesehen werden, die nicht im Gesetz vorvor-gesehen sind. So können den Obligati-onären als Gegenleistung für die Stundung der Anleihefälligkeit höhere Zinsen geboten werden oder für die Reduktion des Zinsfusses zusätzlich Optionen offe-riert werden. Gerade derartige "Equity Kicker", welche dem Obligationär er-möglichen, vom "Upside-Potential" einer Sanierung zu profitieren, können die Akzeptanz der Transaktion erheblich verbessern.

3.2.4 Der Beschluss der Generalversammlung

Die Gläubigerversammlung kann Beschlüsse über Sanierungsmassnahmen mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln des im Umlauf befindlichen Obli-gationenkapitals fassen. Erreicht ein Antrag in einer Gläubigerversammlung nicht die erforderliche Stimmenzahl, so kann das Unternehmen gemäss Art.

1172 OR die fehlenden Stimmen durch schriftliche und beglaubigte Erklärungen binnen zwei Monaten nach dem Versammlungstag beibringen und dadurch noch nachträglich einen gültigen Beschluss erzielen174.

174 In der Praxis stellen die Gläubigerversammlungen bei Obligationenanleihen daher eigentlich nur Informations-veranstaltungen dar; die notwendige Mehrheit wird normalerweise erst in den nachfolgenden Wochen erreicht.

3.2.5 Der Bestätigungsentscheid des Nachlassgerichtes

Die von der Gläubigerversammlung beschlossenen Änderungen der Anlei-hensobligation werden rechtskräftig, wenn das kantonale Nachlassgericht175 der betreffenden Änderung der Anleihensbedingungen zustimmen. Die Genehmi-gung kann verweigert werden, wenn die Vorschriften über die Einberufung und Durchführung der Gläubigerversammlung verletzt worden sind, der Beschluss sonst wie auf unredliche Weise zustande gekommen ist, die Lage des Schuld-ners die beschlossene Änderung gar nicht erfordert hätte oder die gemeinsamen Interessen der Anleihensgläubiger nicht genügend gewahrt worden sind.

3.3 Vorgehen bei mehreren Obligationenanleihen

Häufig hat ein Unternehmen mehrere Obligationenanleihen ausstehend. In einer derartigen Situation ist es meist sinnvoll, sämtliche ausstehenden Anleihen in gleicher Weise in eine Sanierung einzubeziehen. Art. 1171 OR sieht für diesen Fall vor, dass das Unternehmen sämtlichen Gläubigergemeinschaften bezüglich der einzelnen Anleihen gleiche oder ähnliche Vorschläge unterbreiten kann und diese davon abhängig machen kann, dass sie von allen Gemeinschaften (d.h. be-züglich aller ausstehenden Anleihensobligationen) angenommen werden. In die-sem Falle gelten die entsprechenden Vorschläge als angenommen, wenn sie die Zustimmung von mindestens 2/3 des im Umlauf befindlichen Gesamtobligatio-nenkapitals erhalten, gleichzeitig von der Mehrheit der Gemeinschaften ausge-nommen worden sind und in jeder Gemeinschaft mindestens die einfache Mehr-heit des vertretenen Kapitals zugestimmt hat. Damit kann also in einem derarti-gen – allerdings etwas komplexen Abstimmungsverfahren – eine weitgehende Gleichbehandlung sämtlicher ausstehender Obligationen sichergestellt wer-den176.

175 Örtlich zuständig sind die Gerichte am Sitz der betroffenen Gesellschaft.

176 Die Massnahmen bei den einzelnen Anleihensobligationen hängen natürlich von deren Stellung (Sicherung, strukturelle oder ausdrückliche Subordination etc.) sowie auch von deren Laufzeit und den vereinbarten Zinsen ab.