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A. DAS UNTERNEHMEN IN DER KRISE

1. Ertragsschwäche, Illiquidität und Überschuldung – Symptome der

1.1 Ertragsschwäche als Ursache von Unternehmenskrisen

Die Ursache für die finanzielle Krise eines Unternehmens liegt normalerweise in ungenügenden Erträgen; aufgrund seiner Ertragsschwäche kann das Unter-nehmen seine Geschäftstätigkeit nicht mehr aus den selbst erarbeiteten Mitteln finanzieren und hat auch Schwierigkeiten, neues Fremd- oder Eigenkapital zu beschaffen. Je nach Zustand eines Unternehmens kann die Ertragsschwäche mehr oder weniger ausgeprägt sein:

1.1.1 Positiver Gewinn nach Steuern / ungenügende Eigenkapitalverzinsung Der Gewinn nach Steuern stellt letztlich das Entgelt dar, das die Aktionäre für die Zurverfügungstellung des Eigenkapitals erhalten. Ist dieser Gewinn ungenü-gend, d.h. ermöglicht er keine dem Risiko der Gesellschaft angemessene Ver-zinsung des für die Geschäftsführung notwendigen Eigenkapitals, so kann sich ein Unternehmen zwar grundsätzlich am Leben erhalten. Einem derartigen

Un-ternehmen ist es aber nicht mehr möglich, in normaler Weise Eigenkapital auf-zunehmen, da kein Investor bereit ist, das Eigenkapitalrisiko bei einer ungenü-genden Verzinsung auf sich zu nehmen1. Überdies ist es auch schwierig, Fremdkapital aufzunehmen und bestehende Fremdkapitalgeber werden versu-chen, ihr Engagement zu reduzieren, da der Zinsdeckungsgrad2 bei derartigen Unternehmen meist relativ tief ist. Eine derartige Situation verunmöglicht es, die weitere Expansion des Unternehmens zu finanzieren und führt – wegen der Rückführung von Fremdkapital – zu einer angespannten Liquiditätslage. Die Folgen ungenügender Eigenkapitalverzinsung können aber über die Verhinde-rung weiterer Expansion hinausgehen; wenn ein Unternehmen neues Kapital braucht, um Ersatzinvestitionen zu finanzieren, da der erarbeitete Cashflow für diese nicht ausreicht, so kann die ungenügende Rendite ein Unternehmen sogar zwingen, seine Geschäftstätigkeit aufzugeben oder massiv einzuschränken.

Weist ein Unternehmen mit ungenügender Ertragskraft ein im Verhältnis zum Fremdkapital sehr hohes Eigenkapital auf, so kann sich ein derartiges Unter-nehmen allerdings häufig noch sehr lange halten, da es ihm aufgrund der guten Bilanzrelationen und dank der Möglichkeit, Kreditgebern an den eigenen Akti-ven Sicherheiten einzuräumen, auch noch relativ lange möglich ist, Fremdkapi-tal aufzunehmen. Eine derartige Situation führt aber oft dazu, dass die notwen-digen Restrukturierungsmassnahmen solange hinausgezögert werden, bis sämt-liche stillen Reserven aufgebraucht und das Fremdfinanzierungspotential er-schöpft ist3. Während bei Unternehmen, die Verluste aufweisen, Aktionäre und Geschäftsleitung meist rasch zur Einsicht gelangen, dass Restrukturierungen nö-tig sind und deshalb auch harte Schritte unternehmen, liegt die Gefahr bei Un-ternehmen mit ungenügender Eigenkapitalrendite letztlich in dieser "schleichen-den Aushöhlung". Da noch kleine Gewinne ausgewiesen wer"schleichen-den, fehlt es an Leidensdruck und daher häufig auch an der Einsicht, dass harte Restrukturie-rungsmassnahmen notwendig sind und auch am Willen, derartige Massnahmen durchzusetzen. Wenn sich bei derartigen Unternehmen die Situation noch ein-mal verschlechtert und Massnahmen unabwendbar werden, ist es dann oft zu spät, um das Unternehmen zu retten.

1.1.2 Negativer Nachsteuergewinn, positiver Cashflow

Zum Teil weisen Unternehmen zwar einen Verlust auf, können aber immer noch einen positiven Cashflow4 aufweisen. Der Ertrag, den diese Unternehmen aus

1 Neue Eigenkapitalgeber werden verlangen, dass ihnen durch günstige Ausgabebedingungen oder eine vorheri-ge Kapitalherabsetzung vorheri-gevorheri-genüber den bisherivorheri-gen Aktionären eine Vorzugstellung einvorheri-geräumt wird, so dass auf das neue Eigenkapital ein höherer Anteil am Gewinn entfällt als auf das bisher bestehende.

2 (Gewinn + Zins) : Zins = Zinsdeckungsgrad.

3 Eine derartige Situation konnte bis ca. 2000 bei verschiedenen ehemals erfolgreichen Textil- und Maschinen-unternehmen beobachtet werden; diese hatten in den vorangehenden Jahrzehnten dank hohen Erträgen ein sehr hohes Eigenkapital geäufnet.

4 Gewinn + Abschreibungen = Cashflow.

ihrer Geschäftstätigkeit erzielen, deckt damit zwar noch die direkten Barausga-ben des Unternehmens einschliesslich der Fremdkapitalverzinsung, deckt aber nur noch einen Teil der Abschreibungen. Falls dieser Cashflow die notwendigen Ersatzinvestitionen des Unternehmens deckt, kann sich das Unternehmen grund-sätzlich noch aus eigener Kraft erhalten, die Gesellschaft kann aber ohne tief-greifende Verbesserung der Ertragssituation unter normalen Bedingungen kein Eigenkapital mehr aufnehmen. Überdies werden die Fremdkapitalgeber wegen der durch die Verluste verschlechterte Bonität des Unternehmens auch versu-chen, ihr Engagement zu verringern und Kredite zurückzuführen. Damit wird sich einerseits die Liquidität des Unternehmens verschlechtern, andererseits wird es dem Unternehmen aber auch nicht mehr möglich sein, eine Expansion zu finanzieren. Sofern der restliche Cashflow die Ersatzinvestitionen nicht deckt, ist das Unternehmen gezwungen, seine Geschäftstätigkeit einzuschränken bzw. ganz auf eine Fortführung zu verzichten.

Die ausgewiesenen Verluste vermindern im Weiteren das Eigenkapital, was die Bilanzrelationen verschlechtert und den Verwaltungsrat allenfalls, wie in Ziff.

C.2.3 hinten beschrieben, schon aus rechtlichen Gründen zu Sanierungsmass-nahmen zwingen kann.

Muss ein Unternehmen Verluste ausweisen, so zwingt dies Verwaltungsrat und Unternehmensleitung normalerweise dazu, Restrukturierungs- bzw. Sanierungs-schritte einzuleiten, da die Aktionäre und Fremdkapitalgeber einen entsprechen-den Druck ausüben werentsprechen-den. Weist ein Unternehmen allerdings ein sehr hohes Eigenkapital aus, so kann es sich allenfalls – wie vorne in Ziff. A.1.1.1 gezeigt – durch den Verkauf und die Verpfändung von Aktiven noch länger über Wasser halten. Wenn dadurch die notwendigen Massnahmen hinausgezögert werden, führt dies aber letztlich nur zu einer Verschlimmerung der Krise, da die Proble-me dann zu spät angegangen werden.

1.1.3 Negativer Cashflow (cash drain)

Ein Unternehmen, das einen negativen Cashflow ausweist, kann aus seiner Be-triebstätigkeit nicht einmal mehr die laufenden Ausgaben des Geschäftes de-cken. Ein derartiges Unternehmen erleidet durch die Fortsetzung seiner Ge-schäftstätigkeit einen dauernden Liquiditätsabfluss und ist somit kurzfristig in seiner Existenz gefährdet, da ihm nicht nur die Mittel zur Finanzierung der not-wendigen Ersatzinvestitionen fehlen, sondern es nicht einmal die Mittel hat, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Ist die vorhandene Liquidität einmal ausgeschöpft und kann auch nicht kurzfristig durch den Verkauf von Aktiven Liquidität beschafft werden, so kann ein Unternehmen in einer derartigen Situa-tion seinen Betrieb nur aufrechterhalten, wenn neue Mittel zugeführt werden, was eine sofortige und konsequente Sanierung notwendig macht.

Die auftretenden hohen Verluste führen im weiteren auch zu einer direkten Re-duktion des Eigenkapitals und damit zu akuten Bilanzproblemen mit den in Ziff.

C.2.3 dargestellten Folgen5. 1.1.4 Gründe der Ertragsschwäche

Weshalb es im konkreten Fall zu einer Ertragsschwäche kommt, hängt von der individuellen Situation des Unternehmens ab. Meist ist es eine Mischung von betrieblichen und ausserbetrieblichen Faktoren, die zu einer ungenügenden Um-satzrendite führen. Einzelne dieser Faktoren sind kurzfristig-zyklischer Natur (z.B. Nachfrageeinbruch im Halbleitermarkt), während andere Faktoren lang-fristig-strukturell bedingt sind, wie z.B. dauernde Veränderungen in den Kos-tenstrukturen der Branche, dem Verhalten der Kunden oder aber ein interner Mangel an innovativen Produkten. Zum Teil kommt es aber auch zu finanziellen Krisen, weil das Management im Aufbau eines neuen Geschäftsbereiches die zeitliche Verschiebung von Ertrag und Aufwand falsch eingeschätzt hat; zwar wurde für die Startphase des Geschäftes ein Verlust einkalkuliert, für den ent-sprechende Mittel bereitgestellt worden sind. Die Höhe der Anlaufkosten wurde aber unterschätzt oder die zukünftigen Erträge bzw. die Geschwindigkeit, mit der diese realisiert werden, überschätzt, was dann zu entsprechenden Finanzie-rungslücken führt. Dieser übermässige Optimismus bei der Gründung von Un-ternehmen ist typisch für Phasen positiver Konjunkturentwicklung bzw. Boom-phasen. Gerade 1998/99 und 2005/06 sind viele Unternehmen gegründet wor-den, bei denen die Anlaufkosten unter- und die Geschwindigkeit, mit der Erträ-ge realisiert werden können, überschätzt worden sind.

1.1.5 Frühes Erkennen der Ertragsschwäche

Problematisch ist, dass Ertragsprobleme in einer ersten Phase häufig verschleiert werden und damit entsprechende Gegenmassnahmen regelmässig zu spät einge-leitet werden. Der Erfolgsdruck, der auf dem Management aller Stufen lastet, führt oft dazu, dass Ertragsprobleme durch die Überbewertung von Lagern, Wa-re in Arbeit oder ProjektabWa-rechnungen verschleiert werden oder Kosten durch die Verschiebung von Unterhalts- und Reparaturarbeiten auf einem unrealistisch tiefen Niveau gehalten werden. Je nach Geschäftstätigkeit und Reportingwesen können auf diese Weise Ertragsprobleme ein bis zwei Jahre verschleppt werden.

In diesen Fällen wird das Problem häufig erst sichtbar, wenn das Unternehmen illiquid wird, da trotz der künstlichen buchhalterischen Erhöhung der Erträge die Barmittelzuflüsse nicht erhöht werden. Um eine derartige Situation zu vermei-den, sollten Unternehmen Reportingsysteme und Controllingmechanismen

5 Die Bilanzsituation derartiger Unternehmen wird meist noch dadurch erheblich verschärft, dass Abschreibun-gen auf Lager und AnlagevermöAbschreibun-gen notwendig werden, da die Verlustsituation zeigt, dass das Anlagevermö-gen (insbesondere immaterielle Werte) in der Zukunft nicht die erhofften Erträge ermöglichen und das Waren-lager tendenziell überbewertet hat.

richten, die es verunmöglichen, Ertragsprobleme zu verschleppen, so dass Ge-genmassnahmen frühzeitig ergriffen werden können. Gelingt es Management und Verwaltungsrat, Ertragsprobleme früh zu erkennen, so ist es meist möglich, die Situation durch geeignete Massnahmen zu korrigieren, ohne dass es zu einer eigentlichen finanziellen Krise des Unternehmens kommt.