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C. DIE PFLICHTEN DES VERWALTUNGSRATES IN DER

3. Rechtliche Rahmenbedingungen in der Unternehmenskrise:

3.4 Problematische Handlungen im Rahmen einer Sanierung

Auf der Basis der oben dargestellten Rechtsgrundlagen sollten Geschäftsleitung und Verwaltungsrat einer Gesellschaft, die sich in einer ernsten Finanzkrise be-findet, folgende Handlungen unterlassen bzw. diese so strukturieren, dass ein Risiko ausgeschlossen wird:

3.4.1 Veräusserung von Aktiven unter dem Verkehrswert

Veräussert eine Gesellschaft vor ihrem Konkurs Aktiven unter dem Preis, der bei einer Veräusserung im Konkursverfahren erzielt werden kann, so kann dies gemäss Art. 754 OR zu Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber Verwaltungs-rat und Geschäftsleitung der Gesellschaft führen. Überdies sind derartige Hand-lungen – wenn sie für die Gegenpartei erkennbar waren – gemäss Art. 286 bzw.

288 SchKG anfechtbar und können in extremen Fällen auch zu einer Bestrafung der verantwortlichen Organe gemäss Art. 164 StGB führen.

Daher sind für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung insbesondere Notverkäufe von Aktiven zur Liquiditätsbeschaffung problematisch, wenn diese

Transaktio-nen zu Preisen erfolgen, die unter dem Verkehrswert d.h. unter dem Preis lie-gen, der bei einem sorgfältigen Verkauf erzielt werden kann. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung müssen bei derartigen Transaktionen letztlich belegen, dass sie bei der Veräusserung sorgfältig vorgegangen sind, d.h. dass sie ver-schiedene Möglichkeiten zur Veräusserung abgeklärt haben, unter verschiede-nen vorhandeverschiede-nen Offerten diejenige mit dem höchsten Verkaufserlös ange-nommen haben und damit einen Preis erzielt haben, der über dem im Konkurs-verfahren erzielbaren Preis lag. Massgebend ist daher nicht ein theoretisch er-rechneter Verkehrswert, sondern der in der konkreten Situation des Unterneh-mens bzw. im Konkurs tatsächlich erreichbare Preis.

Falls eine Gesellschaft vom Konkurs bedroht ist und beabsichtigt, Tochterge-sellschaften, Betriebe oder andere wesentliche Aktiven an einen Dritten zu ver-kaufen oder an eine Auffanggesellschaft zu veräussern, empfiehlt es sich, die entsprechenden Probleme dadurch zu vermeiden, dass die Gesellschaft zunächst eine provisorische Nachlassstundung beantragt und erst nachher mit Zustim-mung des Nachlassrichters die betreffenden Aktiven veräussert. Erteilt das Nachlassgericht die Zustimmung, so sind Anfechtungs- wie auch Verantwort-lichkeitsklagen ausgeschlossen (dazu im Einzelnen Ziff. 3.1.5 vorne).

Unter dem Gesichtspunkt der Verschleuderung von Aktiven muss auch der Ver-kauf von Aktiven bzw. Betrieben und Betriebsteilen an von Dritten beherrschte Auffanggesellschaften kritisch analysiert werden; nimmt der Verwaltungsrat vor dem Konkurs eine derartige Transaktion vor60 und verlangt – allenfalls gerade zur Rettung möglichst vieler Arbeitsplätze – einen relativ geringen Preis, so führt eine derartige Transaktion zur Haftung, falls der Verwaltungsrat nicht be-legen kann, dass die Gesamttransaktion für das Unternehmen per Saldo günsti-ger war als die Verwertung im Konkurs, da durch die Übertragung auf die Auf-fanggesellschaft auch die privilegierten Forderungen der übergegangenen Ar-beitnehmer vermieden werden können.

3.4.2 Rückzahlung von Finanzschulden

Wenn eine Gesellschaft mangels Liquidität ihre fälligen Schulden nicht beglei-chen kann oder sogar das Risiko besteht, dass die Gesellschaft überschuldet ist, d.h. ihre Aktiven nicht genügen, um sämtliche fälligen und nicht fälligen Ver-bindlichkeiten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu decken, so dürfen Verwaltungs-rat und Geschäftsleitung keine Finanzschulden mehr zurückzahlen. Die Rück-zahlung einzelner Schulden würde das Haftungssubstrat für die übrigen Gläubi-ger vermindern, weshalb die Rückzahlung als GläubiGläubi-gerbevorzugung im Sinne von Art. 288 SchKG und in Extremfällen auch Art. 167 StGB betrachtet werden müsste und auch zur Haftung der Organe gemäss Art. 754 OR führen kann.

Deshalb müssen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung in einer derartigen

60 Dazu hinten Ziff. F.3.1.2.

tion das Gespräch mit allen Finanzgläubigern suchen, um im Rahmen eines Stillhalteabkommens61 bzw. eines umfassenden Sanierungsplans die Gleichbe-handlung der Gläubiger sicherzustellen.

Ein Unternehmen, das nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um sämtliche Finanzschulden zu bezahlen, kann aber immer noch Löhne und Sozialversiche-rungsbeiträge zahlen, da diese im Konkursfall ohnehin privilegiert wären und deshalb den übrigen Gläubigern durch diese Zahlungen kein Schaden entsteht.

Es kann aber auch Kreditoren aus der operativen Geschäftstätigkeit begleichen, da ohne die Zahlung der Kreditoren die Weiterführung des Geschäftsbetriebes nicht mehr möglich ist und den Gläubigern dadurch ein Schaden entsteht62. 3.4.3 Nachträgliche Sicherung von Forderungen

Häufig versuchen Gläubiger in einer Krisensituation des Unternehmens für ihre bereits bestehenden Forderungen noch Sicherheiten zu erlangen und verspre-chen dafür der Unternehmung, auf eine fristgerechte Erfüllung ihrer Forderun-gen zu verzichten und diese entsprechend zu stunden. Die nachträgliche Leis-tung von Sicherheiten ist gemäss Art. 288 SchKG anfechtbar, kann gemäss Art.

754 OR zur Haftung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung und im Extrem-fall auch zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäss Art. 167 StGB führen.

Daher sollten Verwaltungsrat und Geschäftsleitung auf die Leistung derartiger Sicherheiten verzichten. Sieht ein Sanierungsplan im Gegenzug zu einem teil-weisen Forderungsverzicht oder zu einer Verlängerung der Rückzahlungsfristen die Sicherung der Restforderungen vor, so können Verwaltungsrat und Ge-schäftsleitung einer derartigen Transaktion nur zustimmen, wenn der Verzicht der Gläubiger eine allfällig bestehende Überschuldung beseitigt bzw. mit den neu vereinbarten Zahlungsfristen die Liquidität der Gesellschaft gesichert ist und kein Konkurs mehr droht, da in diesem Fall für die übrigen Gläubiger keine Nachteile entstehen.

3.4.4 Debt/Asset-Swap

Die Tilgung von Forderungen durch die Übertragung von Aktiven an einen Gläubiger ist für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung problematisch, da eine derartige Transaktion nicht nur zu einer Anfechtung gemäss Art. 286 bzw. 288 SchKG führen kann, sondern auch zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit ge-mäss Art. 754 OR und sogar zur strafrechtlichen Verfolgung gege-mäss Art. 167 StGB.

61 Dazu Ziff. D.5.1 hinten.

62 Falls eine Gesellschaft allerdings überschuldet ist, darf sie auch die Kreditoren nicht mehr bezahlen, da sie aufgrund der Überschuldung ohnehin ihren Geschäftsbetrieb einstellen muss.

Trotz dieser Probleme kann der Debt/Equity-Swap in einem Sanierungsplan ein wesentlicher Schritt zur Bilanzrestrukturierung darstellen, wenn auf diese Weise durch die Übergabe schwer verkäuflicher Aktiven erhebliche Schulden getilgt werden können. Der Verwaltungsrat kann auf derartige Sanierungsschritte aller-dings nur eingehen, wenn diese Massnahmen im Rahmen eines Sanierungsplans getroffen werden, der gesamthaft die Überschuldung des Unternehmens und damit die Grundlagen von Haftung- und Anfechtungsansprüchen beseitigt. Die-ses Ziel wird beispielsweise dadurch erreicht, dass der Debt/Equity-Swap mit einem teilweisen Verzicht verbunden wird bzw. die Aktiven zu einem Preis übertragen werden, der die Bilanz – allenfalls zusammen mit anderen Mass-nahmen – saniert.

3.4.5 Aufnahme von gesicherten Krediten

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann auch die Gewährung von Sicherheiten für neu aufgenommene Gelder gemäss Art. 288 SchKG angefoch-ten werden, wenn der Kreditgeber im Zeitpunkt der Kreditgewährung ernsthafte Zweifel an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens haben musste, da die neuen Mittel in diesem Fall zur Zahlung nicht gesicherter Forderungen verwen-det werden und damit das Haftungssubstrat der ungesicherten Gläubiger ver-mindern. Diese Praxis ist insbesondere für Darlehensgeber gefährlich, die bereit sind, gegen entsprechende Sicherheiten Sanierungskredite zu gewähren, da sie mit der Anfechtung ihre Sicherheit verlieren. Daher sollten derartige gesicherte Kredite nur vereinbart werden, wenn die zur Verfügung gestellten Mittel und die Sanierungspläne von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur nachhaltigen Gesundung des Unternehmens führen und diesem ermöglichen, die Forderungen seiner Gläubiger regulär zu erfüllen.