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H. ARBEITSRECHTLICHE ASPEKTE EINER SANIERUNG

I. DIE AUFFANGGESELLSCHAFT

4. Die Position der Auffanggesellschaft

Ziel der Auffanggesellschaft muss es sein, die für den Betrieb notwendigen Ak-tiven, Arbeitnehmer und Verträge zu übernehmen, aber die Übernahme weiterer Passiven zu vermeiden. Um diesen Zweck zu erreichen, muss der Kaufgegen-stand im Kaufvertrag entsprechend eng definiert werden und auch die Anwen-dung von Art. 181 OR ausdrücklich ausgeschlossen werden, da bei einer Be-triebsübernahme gemäss Art. 181 OR automatisch sämtliche Schulden des be-treffenden Betriebes auf den Übernehmer übergehen. Zusätzlich muss aber auch gegenüber Dritten jeder Eindruck einer Betriebsübernahme mit Aktiven und Passiven im Sinne von Art. 181 OR vermieden werden, um zu verhindern, dass sich diese nach dem Vertrauensprinzip auf die Anwendung von Art. 181 OR be-rufen können. Deshalb sollte auch in Bekanntmachungen gegenüber Kunden sowie im Rahmen einer öffentlichen Bekanntmachung (z.B. allfällige Pressemit-teilungen) ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass nur bestimmte Akti-ven und Verträge übernommen werden, aber keine Übernahme von AktiAkti-ven und Passiven vorliegt.

4.2 Vermeidung von Retentions- und Pfandrechten

Bei der Strukturierung des Kaufes muss im weiteren darauf geachtet werden, dass allenfalls Retentionsrechte auf den betrieblichen Aktiven lasten; Vermieter

277 Hotel, Kraftwerk etc.

können für ausstehende Forderungen ein Retentionsrecht an sämtlichen Gegen-ständen geltend machen, die sich in den gemieteten Räumen befinden. Das glei-che Recht haben auch Dritte, die im Rahmen eines Auftrages oder Werkvertra-ges Aktiven der Gesellschaft verarbeiten oder reparieren. Diese Retentionsrech-te können den Erfolg des Kaufs in Frage sRetentionsrech-tellen, da die ReRetentionsrech-tentionsrechRetentionsrech-te den Rechten der Auffanggesellschaft als Käuferin vorgehen. Daher muss bei einem Kauf mit allen Retentionsberechtigten direkt verhandelt werden, um sicherzu-stellen, dass keine Retentionsrechte geltend gemacht werden bzw. um die Re-tentionsrechte abzulösen. Letztlich muss in diesen Fällen ein Teil des Kaufprei-ses an die retentionsberechtigten Personen bezahlt werden, um deren gesicher-ten Forderungen direkt zu begleichen und so ihre Rechte an den betreffenden Gegenständen abzulösen. Das Gleiche gilt auch, wenn einzelne Aktiven ver-pfändet worden sind; auch hier muss die Auffanggesellschaft direkt mit den Pfandgläubigern verhandeln und das Pfandrecht durch eine entsprechende Zah-lung ablösen.

4.3 Arbeitsrechtliche Aspekte der Übernahme durch eine Auffanggesellschaft Im Rahmen der Übernahme durch eine Auffanggesellschaft muss ein Betrieb oft redimensioniert werden, um die Personalkosten zu senken. Dies gelingt einer Auffanggesellschaft am besten dadurch, dass sie von Anfang an nur selektiv diejenigen Arbeitnehmer übernimmt, die sie weiterbeschäftigen will. Diese Vor-stellung kann allerdings meist nicht durchgesetzt werden, da Art. 333 OR vor-sieht, dass der Erwerber eines Betriebes sämtliche Arbeitnehmer übernehmen muss, die direkt oder indirekt für den betreffenden Betrieb arbeiten, und dass er bei diesen Personen eine Solidarhaftung für sämtliche ausstehenden Ansprüche gegen den bisherigen Arbeitgeber trägt. Wie vorne in Ziff. H.5.2 gezeigt, kön-nen diese Probleme aber dadurch verhindert werden, dass die Auffanggesell-schaft den betreffenden Betrieb erst nach Genehmigung der Nachlassstundung erwirbt.

4.4 Steuerliche Belastung der Auffanggesellschaft 4.4.1 Emissionsabgabe

Wird eine Auffanggesellschaft gegründet oder erhöht eine Gesellschaft ihr Ka-pital, um als Auffanggesellschaft einen Betrieb einer notleidenden Gesellschaft zu übernehmen, so muss die betreffende Gesellschaft gemäss Art. 6 Abs. 1 lit. j StG keine Emissionsabgabe auf den neu geschaffenen Beteiligungsrechten bezahlen, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind279:

• Die Gesellschaft, die den Betrieb auf die Auffanggesellschaft überträgt, muss eine Unterbilanz im Sinne von Art. 725 Abs. 1 OR aufweisen, d.h. gemäss

279 Kreisschreiben Nr. 32 der EStV vom 23. Dezember 2010; Ziff. 3.3.1.

letzter Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz müssen gesetzliche Reserven und Kapital zu weniger als 50% gedeckt sein.

• Beim übertragenen Betrieb muss es sich um eine Einheit handeln, die eine gewisse organisatorische Selbständigkeit aufweist und alle Mittel hat, die zur Erstellung ihrer Leistungen notwendig sind.

Grundsätzlich ist das gesamte neugeschaffene Kapital von der Emissionsabgabe befreit. Die EStV behält sich allerdings eine Besteuerung vor, wenn der Betrag des neuen Kapitals über die Bedürfnisse des neuerworbenen Betriebes hinaus-geht278 und ein Rechtsmissbrauch vorliegt, weil dieses Kapital zur Finanzierung anderer Aktivitäten benutzt wird.

4.4.2 Mehrwertsteuer

Beim Verkauf von Aktiven auf die Auffanggesellschaft wird grundsätzlich die Mehrwertsteuer erhoben, da eine Lieferung von Gegenständen im Inland vor-liegt. Die Auffanggesellschaft ist jedoch berechtigt, die bezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer zum Abzug zu bringen. Soweit im Rahmen einer Reorganisation ein Gesamt- oder Teilvermögen übertragen wird, kann die Zahlung und Rück-forderung der Mehrwertsteuer jedoch unterbleiben und ein Meldeverfahren durchgeführt werden.

Voraussetzung des Meldeverfahrens ist, dass die übertragenen Aktiven eine or-ganische Einheit bilden, mit denen eine betriebliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, und dass eine Reorganisation stattfindet, d.h. eine Gründung, Liquidation oder Umstrukturierung. Beide Voraussetzungen werden normalerweise bei der Übertragung eines Betriebes bzw. Betriebsteiles an eine Auffanggesellschaft er-füllt. Daher entfällt bei derartigen Transaktionen normalerweise die Liquiditäts-belastung, die durch die Zahlung und die spätere Rückführung der Mehrwert-steuer entsteht. Soweit Unsicherheiten über die Durchführung des Meldeverfah-rens bestehen, weil nur sehr wenige Aktiven übertragen werden, so kann diese Frage mit der EStV vorgängig abgeklärt und das Ergebnis der Abklärung in ei-nem private ruling festgehalten werden.

4.4.3 Verlustvorträge

Da die Auffanggesellschaft eine neue Gesellschaft ist, kann sie die Verlustvor-träge der überschuldeten Gesellschaft, von der sie den Betrieb übernommen hat, nicht übernehmen; die Auffanggesellschaft ist grundsätzlich ein neues Steu-ersubjekt, das mit seiner Gründung neu in die Steuerpflicht eintritt.

278 Massstab ist das minimal erforderliche Eigenkapital nach dem Kreisschreiben Nr. 6 der EStV vom 6. Juni 1997.

4.4.4 Staatliche Förderungsmassnahmen

In gewissen Kantonen ist es zum Teil möglich, für die Gründung einer Auffang-gesellschaft gewisse steuerliche Erleichterungen oder sogar Finanzierungshilfen von der kantonalen Wirtschaftsförderung zu erhalten. Ob derartige Unterstüt-zungen möglich sind, sollte deshalb immer vor der Gründung einer Auffangge-sellschaft individuell abgeklärt werden. Ebenfalls abgeklärt werden sollte, ob von der Arbeitslosenversicherung Umschulungsbeiträge bezahlt werden können, wenn Arbeitnehmer übernommen werden, die umgeschult werden müssen.