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Verkauf des Betriebes vor einem Konkurs bzw. Nachlassverfahren

H. ARBEITSRECHTLICHE ASPEKTE EINER SANIERUNG

I. DIE AUFFANGGESELLSCHAFT

3. Der Zeitpunkt der Übertragung: Vor oder nach Beginn des Konkurs- bzw

3.1 Verkauf des Betriebes vor einem Konkurs bzw. Nachlassverfahren

Wenn der Verwaltungsrat feststellen muss, dass die Gesellschaft überschuldet und eine Sanierung der gesamten Gesellschaft aussichtslos ist, kann er vor einer Konkurseingabe im Sinne von Art. 725 OR die betrieblichen Aktiven oder die Aktiven eines Teilbetriebs an eine Auffanggesellschaft verkaufen, die das Un-ternehmen weiterführt.

266 Der betreffende Dritte befindet sich in einem gewissen Interessekonflikt; einerseits ist er aus ökonomischen Gründen an einem möglichst tiefen Preis interessiert, andererseits richten sich aber Anfechtungsklagen primär gegen ihn und können zur Rückabwicklung des Kaufs führen. Daher muss auch dem Dritterwerber daran gele-gen sein, dass der Preis so gestaltet wird, dass die Transaktion nicht angefochten werden kann. Wenn immer möglich sollte daher ein kurzes Auktionsverfahren mit mehreren Bietern durchgeführt werden, um sicherzu-stellen, dass tatsächlich der höchste Marktpreis erreicht wird. Alternative ist natürlich die Übertragung wäh-rend einer provisorischen Nachlassstundung, bei der die Zustimmung des Richters die spätere Anfechtung aus-schliesst.

Grundsätzlich muss der Verwaltungsrat für den Verkauf des Betriebes oder ei-nes wesentlichen Teilbetriebes der Gesellschaft zwar die Zustimmung der Gene-ralversammlung einholen, da es sich bei einem derartigen Schritt um eine Li-quidation bzw. TeilliLi-quidation des Unternehmens handelt und die Generalver-sammlung gemäss Art. 736 OR allein für den Liquidationsentscheid zuständig ist. Nach bundesgerichtlicher Praxis kann ein Verwaltungsrat einer überschulde-ten Gesellschaft aber auch ohne Zustimmung der Generalversammlung handeln, falls der Zeitdruck eine Einberufung der Generalversammlung nicht mehr er-laubt oder aber die Generalversammlung nicht handlungsfähig sein wird. Das Bundesgericht geht davon aus, dass in einer solchen Situation die Aktionäre wegen der unmittelbaren konkursamtlichen Liquidation gar kein schützenswer-tes Interesse mehr daran haben, eine Liquidation zu verhindern.

3.1.2 Haftungsrisiken

3.1.2.1 Haftungsrisiken beim Verkauf an eine Tochtergesellschaft

Überträgt der Verwaltungsrat vor dem Konkurs einer Gesellschaft einen Betrieb an eine Tochtergesellschaft, die als Auffanggesellschaft fungiert, so hat er grundsätzlich keine Haftungsprobleme bezüglich des Übertragungswertes bzw.

Verkaufspreises, da die wirtschaftliche Substanz des Betriebes der Konkurs- bzw. Nachlassmasse in Form der Aktien der Tochtergesellschaft erhalten bleibt.

Er darf allerdings keine ungesicherten und nicht-privilegierten Schulden auf die Tochtergesellschaft übertragen, da auf diese Weise die übertragenen Gläubiger gegenüber den übrigen Gläubigern bevorzugt werden, weil sie von der Auffang-gesellschaft zu 100% bezahlt werden, während die übrigen Gläubiger nur die Konkursdividende erhalten. Dies würde Anfechtungs- und Haftungsansprüche nach sich ziehen. Die Übertragung gesicherter und privilegierter Forderungen267 hat dagegen keine negativen Folgen, da diese auch in einem Konkurs vollum-fänglich bezahlt würden, weil in diesen Fällen die Übernahme durch die Auf-fanggesellschaft nicht zu einer Bevorzugung führt.

3.1.2.2 Haftungsrisiken beim Verkauf an eine Drittgesellschaft

Verkauft der Verwaltungsrat einen Betrieb vor der Eröffnung des Konkurs- oder Nachlassverfahrens an eine von Dritten beherrschte Auffanggesellschaft zu ei-nem Preis, der unter dem Verkehrswert liegt, so setzt er sich dem Vorwurf aus, dass er Aktiven verschleudert und die Interessen der Gesellschaft nicht genü-gend gewahrt hat. In einer derartigen Situation müssen die einzelnen Verwal-tungsratsmitglieder nicht nur entsprechende Haftungsklagen der Gläubiger ge-mäss Art. 754 OR, sondern im Extremfall auch eine strafrechtliche Verfolgung im Sinne von Art. 164 StGB befürchten. Ein Verkauf zu einem Wert unter dem

267 Insbesondere die Forderungen der Arbeitnehmer.

Verkehrswert kann aber auch zu einer Anfechtung der Übertragung gemäss Art.

286 oder 288 SchKG führen268.

Letztlich ist dabei immer entscheidend, ob der Verwaltungsrat durch den Ver-kauf an eine Auffanggesellschaft einen höheren Ertrag löst als bei einer Kon-kursverwertung – d.h. beim Verkauf von Einzelaktiven – und ob es keine andere Möglichkeit gibt, die betreffenden Aktiven vor dem Konkurs teurer zu verkau-fen. Um dieses Haftungsrisiko zu minimieren, empfiehlt es sich, dass der Ver-waltungsrat vor einem Verkauf an eine von Dritten beherrschte Auffanggesell-schaft mehrere Angebote einholt und so einen "Marktpreis" etabliert, oder dass der Wert des Betriebes vorgängig durch einen unabhängigen Experten geschätzt wird.

Die Übernahme des Betriebes durch eine von Dritten beherrschte Auffangge-sellschaft muss grundsätzlich gegen Barzahlung erfolgen; eine Verrechnung mit Forderungen, die die Auffanggesellschaft gegenüber der überschuldeten Gesell-schaft allenfalls hat, ist zu vermeiden, da die Tilgung des Kaufpreises durch Verrechnung gemäss Art. 287 SchKG anfechtbar wäre und der Verwaltungsrat sich im Übrigen dadurch haftbar macht, dass er die Gläubiger, denen er eine Rückführung ihrer Forderung durch Verrechnung ermöglicht, gegenüber den anderen Gläubigern bevorzugt.

Der Verwaltungsrat muss ebenfalls darauf achten, dass nur Aktiven und keine Schulden, wie z.B. Bankdarlehen oder Kreditoren, übertragen werden; eine der-artige Übertragung, die einerseits zu einer Verringerung des Kaufpreises und andererseits zur vollständigen Zahlung der betreffenden Gläubiger durch die Auffanggesellschaft führt, würde wegen der Bevorzugung der von der Auffang-gesellschaft übernommenen Gläubiger zur Haftung des Verwaltungsrates füh-ren. Unproblematisch ist allerdings die Übernahme von privilegierten269 und ge-sicherten Schulden, sofern diese in einem Konkursverfahren ebenfalls vollum-fänglich befriedigt werden, da in diesem Fall die übrigen Gläubiger nicht be-nachteiligt werden.

3.1.3 Probleme im Zusammenhang mit den Belange von Arbeitnehmern

Wie vorne in Ziff. H.5.1 dargestellt, sieht Art. 333 OR vor, dass bei einer Über-nahme eines Betriebes oder eines Betriebsteils grundsätzlich alle Arbeitsver-hältnisse, die sich auf den betreffenden Betrieb bzw. Betriebsteil beziehen, übergehen und dass der Übernehmer des Betriebes auch für sämtliche Ansprü-che der Arbeitnehmer haftet, die vor der Übertragung entstanden sind. Diese Bestimmung führt beim Kauf eines Betriebes durch eine Auffanggesellschaft zu verschiedenen arbeitsrechtlichen Problemen:

268 Vgl. dazu im einzelnen vorne Ziff. C.3.1.1 und C.3.1.3.

269 Insbesondere Schulden gegenüber Arbeitnehmern.

• Die Auffanggesellschaft übernimmt sämtliche Arbeitnehmer des betroffenen Betriebes, d.h. auch diejenigen, deren Arbeitsplatz im Rahmen der Übernahme abgebaut werden soll, so dass sie die während der Kündigungsfrist anfallenden Saläre tragen muss. Übernimmt eine Auffanggesellschaft einen von mehreren Betrieben der konkursiten Gesellschaft, so erfasst Art. 333 OR auch Personen, die im Rahmen der Zentralverwaltung hauptsächlich für den erworbenen Be-trieb tätig waren, wie z.B. ein Buchhalter, der sich im Rahmen der zentralen Buchhaltung um die Debitoren- und Kreditoren-Buchhaltung des betroffenen Betriebes gekümmert hat oder einen Mitarbeiter der IT-Abteilung, der die Ser-ver dieses Betriebes betreut hat. Die Anwendung von Art. 333 OR kann daher dazu führen, dass nicht nur alle Arbeitnehmer des erwerbenden Betriebes über-nommen werden, sondern allenfalls noch weitere Arbeitnehmer, die der Auf-fanggesellschaft gar nicht bekannt sind und mit denen sie gar nicht gerechnet hat.

• Die Auffanggesellschaft haftet für sämtliche vorbestehenden Forderungen der Arbeitnehmer des Betriebes (Löhne, Spesen, Schadenersatzzahlungen etc.), wobei diese Haftung sowohl für diejenigen Arbeitnehmer gilt, die sie tatsäch-lich übernehmen will, wie auch für die weiteren zum Betrieb zugehörigen Ar-beitnehmer.

Die Auffanggesellschaft übernimmt die Arbeitsverträge mit unveränderten vertraglichen Bestimmungen, so dass sie allfällig notwendige Salärsenkungen oder Änderungen der Ar-beitsbedingungen erst im Rahmen einer Änderungskündigung und der entsprechenden Ver-zögerung durchsetzen kann270.