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D. DIE PRIVATRECHTLICHE SANIERUNG

5. Beiträge der Gläubiger

5.7 Forderungsverzicht

5.7.1 Funktion und Anwendungsbereich des Forderungsverzicht 5.7.1.1 Der Forderungsverzicht von Drittgläubigern

Bei Sanierungen sind Gläubiger oft auch zu partiellen Forderungsverzichten be-reit, falls der verbleibende Teil ihrer Forderung im Rahmen der Sanierung sofort bezahlt wird oder der Gläubiger anderweitig für den Verzicht kompensiert wird, indem er Genussscheine, Besserungsscheine oder Optionen erhält. Ein Forde-rungsverzicht ist allerdings auch dann möglich, wenn die Gläubiger gleichzeitig das gesamte Aktienkapital übernehmen, da ihnen dann die Vorteile des Forde-rungsverzichts über die Aktienposition wieder selbst zukommen.

Gläubigerverzichte werden manchmal aber auch im Rahmen eines Verkaufs der sanierungsbedürftigen Gesellschaft vorgenommen; übernimmt ein Dritter eine sanierungsbedürftige Gesellschaft und zahlt dabei die Schulden der Gesellschaft zurück bzw. bringt genügend neue Mittel in die Gesellschaft ein, um deren Bo-nität massiv zu verbessern, so sind die Gläubiger häufig bereit, erhebliche For-derungsverzichte zu leisten.

Ein Forderungsverzicht stellt für einen Gläubiger immer die letztmögliche Mas-snahme dar, da er mit einem derartigen Verzicht auf seine relativ gut geschützte Rechtsposition als Gläubiger verzichtet und das Unternehmensrisiko über-nimmt. Ein Gläubiger ist deshalb von vornherein zu einem derartigen Schritt nur bereit, wenn er die Überzeugung gewonnen hat, dass sowohl Unternehmen wie auch Aktionäre alle ihnen zumutbaren Schritte unternommen haben, um die

Sa-nierung ohne Gläubigerverzicht zu bewerkstelligen bzw. dass auf keine andere Art die Situation der Gläubiger verbessert werden kann.

5.7.1.2 Der Forderungsverzicht von Aktionären

Grundsätzlich anders als beim Verzicht von Drittgläubigern präsentiert sich die Situation beim Verzicht auf Aktionärsdarlehen; Aktionäre können durch den Verzicht auf Aktionärsdarlehen ihre Eigenkapitalposition meist direkt verbes-sern, weshalb ihnen ein entsprechender Verzicht leichter fällt als einem Dritt-gläubiger. Der Forderungsverzicht stellt in diesen Fällen letztlich auch keine Leistung eines Gläubigers dar, sondern eine Leistung eines Aktionärs, der wie beim Einschuss neuen Eigenkapitals seine eigene Position verbessert.

Forderungsverzichte werden auch häufig zur Sanierung von notleidenden Toch-tergesellschaften im Konzernverhältnis verwendet, deren Eigenkapital durch den Verzicht auf Intercompany Loans erhöht wird154.

5.7.2 Wirkung des Forderungsverzichts

Ein Forderungsverzicht führt direkt zu einer Verminderung des Fremdkapitals und kann damit eine Überschuldung ausgleichen. Normalerweise wird dabei vorgesehen, dass sämtliche in die Sanierung einbezogenen ungesicherten Fi-nanzgläubiger auf den gleichen Prozentsatz ihrer Forderungen verzichten.

5.7.3 Kompensation der Gläubiger für den Forderungsverzicht 5.7.3.1 Genussscheine

Den Gläubigern, die im Rahmen einer Sanierung auf Forderungen verzichten, können als Gegenleistung für den Forderungsverzicht Genussscheine im Sinne von Art. 657 OR abgegeben werden. Die Gesellschaft ist in der Gestaltung der betreffenden Genussscheine bzw. der mit den Genussscheinen verbundenen Rechte relativ frei155, was den Beteiligten ermöglicht, eine der konkreten Situa-tion angepasste Lösung zu finden.

Zweck der Genussscheine ist es dabei immer, den Gläubigern, die bei einer Sa-nierung Leistungen zugunsten der Gesellschaft erbracht haben, Vorteile zu-kommen zu lassen, falls die Sanierung Früchte trägt und das Unternehmen wie-der floriert. Häufig weisen Genussscheine ähnliche Vermögensrechte (Recht auf Dividenden- und Liquidationsausschüttung) auf wie Aktien, manchmal

154 Wie oben in Ziff. D.5.3 dargestellt, ist allerdings in diesen Fällen ein Rangrücktritt aus steuerlichen Gründen häufig wesentlich günstiger; ein Forderungsverzicht drängt sich aber dann auf, wenn sich bei realistischer Be-urteilung zeigt, dass sich die Bilanzsituation der Gesellschaft nicht innert vernünftiger Zeit wesentlich verbes-sert wird, und deshalb die nachrangigen Darlehen langfristig ungedeckt bleiben würden.

155 Gemäss Art. 657 OR kann den Genussscheininhabern ein Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn oder auch ein Recht auf den Bezug neuer Aktien verliehen werden.

fen sie aber auch das Recht auf Zahlung einer festen Summe (z.B. in Höhe des ursprünglichen Forderungsverzichtes und allfälliger Zinsen), falls das Unter-nehmen wieder über genügend Eigenmittel verfügt. Mit den Genussscheinen können gemäss Art. 657 OR allerdings keine Stimm- oder Mitgliedschaftsrechte verbunden werden und die Genussscheine dürfen auch keinen Nennwert aufwei-sen.

Genussscheine können nur aufgrund einer statutarischen Basis ausgegeben wer-den, weshalb die Generalversammlung zu ihrer Ausgabe eine entsprechende Statutenrevision beschliessen muss. Verspricht eine Gesellschaft den Gläubi-gern zur Kompensation eines Forderungsverzichtes Genussscheine auszustellen, so wird der betreffende Verzicht daher meist nur unter der Bedingung ausge-sprochen, dass die Generalversammlung die Statuten entsprechend ändert und so die notwendigen Genussscheine schafft.

In der Praxis werden Genussscheine heute aber kaum mehr ausgegeben, da sie in steuerlicher Hinsicht, wie hinten in Ziff. G.4.1 dargestellt, äusserst ungünstig sind – Besserungsscheine oder die Abgabe von Optionen sind aus steuerlicher Sicht wesentlich günstiger.

5.7.3.2 Besserungsscheine

Um den Gläubigern im Fall späterer Erfolge wieder den Verzichtsbetrag auszu-zahlen, können aber auch Besserungsscheine ausgegeben werden. Besserungs-scheine sind bedingte Schuldanerkennungen, in denen festgehalten wird, dass die Forderung, auf die der Gläubiger verzichtet hat, wieder vollumfänglich auf-lebt, wenn die Gesellschaft nicht mehr überschuldet ist und einen Gewinnvor-trag erarbeitet hat, der zur Deckung des betreffenden BeGewinnvor-trages ausreicht. Ein Besserungsschein kann einem Genussschein, der vorsieht, dass bei besserer Fi-nanzlage der ursprüngliche Verzichtsbetrag zurückbezahlt wird, sehr ähnlich sein; Genussscheine sind aber gesellschaftsrechtliche Titel, deren Schaffung in den Statuten vorgesehen werden muss, weshalb für die Ausgabe ein Generalver-sammlungsbeschluss notwendig ist. Besserungsscheine sind dagegen schuld-rechtliche Titel, die der Verwaltungsrat nach einem entsprechenden Verzicht ohne Generalversammlung ausgeben kann.

Obwohl sowohl bei einem Rangrücktritt wie auch bei einem Forderungsverzicht mit Ausgabe von Besserungsscheinen156, die ursprüngliche Forderung des Gläubigers nach einer Gesundung des Unternehmens wieder ausbezahlt wird, haben diese beiden Sanierungsmassnahmen unterschiedliche Auswirkungen auf die Bilanz des Unternehmens: Im Falle des Forderungsverzichts mit Ausgabe von Besserungsscheinen muss die Gesellschaft die betreffende Forderung nicht mehr als Passivum aufführen und auch die potentiellen Forderungen der

156 Bzw. bei entsprechend strukturierten Genussscheinen.

biger aus Besserungsscheinen nicht passivieren, da diese erst entstehen, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind, d.h. das Unternehmen wieder über genügend eigene Mittel verfügt.157 Demgegenüber muss eine mit einem Rang-rücktritt belastete Forderung weiterhin in voller Höhe in der Bilanz aufgeführt werden. Damit wirkt sich ein Forderungsverzicht mit Ausgabe von Besserungs-scheinen wesentlich positiver auf das Bilanzbild aus als ein blosser Rangrück-tritt, obwohl beide Sanierungsmassnahmen wirtschaftlich für Gesellschaft und Gläubiger die gleiche Wirkung haben. Wie weiter hinten dargestellt wird, weist der Forderungsverzicht mit Ausgabe von Besserungsscheinen jedoch erhebliche steuerrechtliche Nachteile gegenüber dem Rangrücktritt auf, da die späteren Leistungen der Gesellschaft an die Inhaber von Besserungsscheinen wie Aus-schüttungen besteuert werden.

5.7.3.3 Optionen

Wenn Gläubiger auf ihre Forderung bzw. einen Teil ihrer Forderungen verzich-ten, so kann dieser Verzicht auch dadurch kompensiert werden, dass ihnen lang-fristige Optionen zum Erwerb von Aktien eingeräumt werden. Damit derartige Optionen aber tatsächlich einen wirtschaftlichen Wert darstellen, müssen sie aber einen Ausübungspreis aufweisen, der relativ tief ist, so dass der Gläubiger auch eine reale Möglichkeit hat, durch den späteren Verkauf bzw. die Ausübung der Optionen einen Gewinn zu erzielen, der ihn für den Forderungsverzicht kompensiert. Da der Ausübungspreis von Optionen, die zum Bezug neuer Ak-tien berechtigen, gemäss Art. 624 OR aber nicht unter dem Nominalwert der Aktien liegen kann158, muss zu diesem Zweck der Nominalwert der Aktien im Rahmen der Sanierung auf einen Betrag herabgesetzt werden, der unter dem Wert der Aktien nach der Sanierung liegt159.

Optionen müssen durch die Schaffung von bedingtem Kapital im Sinne von Art.

653 ff. OR abgesichert werden. Gemäss Art. 704 OR ist für die Schaffung eines bedingten Kapitals die Zustimmung von zwei Dritteln der Aktionäre, die gleich-zeitig mindestens 50% des Nennwerts der ausgegebenen Aktien halten, notwen-dig. Alternativ können Optionen aber auch durch die Hinterlegung von Aktien der bisherigen Aktionäre gesichert werden, sofern ein Teil ihrer Aktien zur För-derung der Sanierung zur Verfügung stehen. In diesem Fall ist selbstverständ-lich kein Beschluss der Generalversammlung notwendig.

Die Gewährung von Optionen ist für die Bilanz der Gesellschaft letztlich güns-tiger als die Gewährung von Besserungsscheinen oder Genussscheinen, die ein Recht zur Auszahlung der Verzichtsbetrages geben, da diese bei entsprechend

157 Im Zeitpunkt, in dem die entsprechende Bedingung erfüllt wird, muss der Betrag, der zu Gunsten der Besse-rungsscheine ausbezahlt wird, entsprechend passiviert werden.

158 Gemäss dieser Bestimmung dürfen Aktien nicht unter dem Nennwert ausgegeben werden.

159 Dies dürfte meist möglich sein.

positiver Entwicklung der Gesellschaft zu Forderungen führen, die bilanziert werden müssen und so die Bilanz der Gesellschaft relativ lange belasten wer-den. Üben die Optionsinhaber dagegen Optionen aus, so führt dies nicht zu ei-nem Abfluss von Mitteln, sondern zu einer Verstärkung des Eigenkapitals160, was für das Unternehmen positiv ist. Aus ökonomischer Sicht finanzieren die Aktionäre durch eine entsprechende Verwässerung ihrer Eigentümerposition die Leistung an die Inhaber der Optionen.

Die Ausgabe von Optionen ist – genau gleich wie der Debt/Equity Swap – aber nur sinnvoll, wenn die betreffenden Aktien verkauft werden können. Damit ist die Ausgabe von Optionen vor allem bei einer Publikumsgesellschaft interes-sant, bei der die Aktien später am Markt verkauft werden können. Bei einer nicht kotierten Gesellschaft sind Optionen nur dann interessant, wenn die Akti-onäre der Gesellschaft mit den Gläubigern vereinbaren, dass diese nach der Sa-nierung verkauft wird, sodass die Gläubiger dann durch die Ausübung ihrer Op-tionen und den Verkauf der entsprechenden Aktien einen Gewinn erzielen kön-nen, der sie für die in der Sanierung erbrachten Leistungen kompensiert.