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2 ALLGEMEINES ZUR ENTGELTFORTZAHLUNG IM KRANKHEITSFALL

2.7 A NSPRUCHSDAUER

2.7.1.1 Anspruchsdauer bei Angestellten

2.7.1.1.2 Wiedererkrankung

Tage gedauert hat. Wenn die Beendigung aber von der Sphäre des Arbeitnehmers ausgeht, erfolgt keine Zusammenrechnung der Dienstzeiten vor und nach der Unterbrechung. Eine Einheitlichkeit der aufeinander folgenden Arbeitsverhältnisse liegt vor, wenn man aus den Umständen auf ihre sachliche Zusammengehörigkeit schließen kann. Außer Betracht zu bleiben haben aber Unterbrechungen, die gerade zum Zwecke der Verhinderung des Erwerbs von Anwartschaftszeiten herbeigeführt worden sind.229

Für den Fall eines Betriebsüberganges bestimmt § 3 Abs 1 AVRAG, dass der neue Inhaber als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die zum Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Durch die Eintrittsautomatik bleibt das Beschäftigungsverhältnis „in seinem wechselseitigen Rechte- Pflichten- Komplex aufrecht“230, weswegen die beim bisherigen Arbeitgeber zurückgelegten Dienstzeiten auch beim neuen Arbeitgeber als vollwertige Dienstzeiten für den Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall zu berücksichtigen sind.231 Die Vereinbarung einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses wegen des Betriebsüberganges, die für den Arbeitnehmer zum Verlust von Dienstzeiten führt, ist ungültig.232

2.7.1.1.2 Wiedererkrankung

Als Wiedererkrankungen oder Folgeerkrankungen bezeichnet man erneute Dienstverhinderungen innerhalb eines halben Jahres ab dem Wiederantritt des Dienstes nach einer Ersterkrankung. 233 Gemäß § 8 Abs 2 AngG hat der Angestellte bei einer Wiedererkrankung, soweit die Gesamtdauer der Verhinderungen die oben bezeichneten Zeiträume übersteigt, einen zusätzlichen Anspruch in halber Höhe. Im Ergebnis kommt es also zu einer Verlängerung der entgeltfähigen Zeiträume für den Angestellten.234 Der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 Abs 1 AngG wird dabei häufig als Vollanspruch, jener

229 So auch Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 29; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 171.

230 Schrank, Eintrittsautomatik bei Betriebsübergang (I), ecolex 1993, 541 (542).

231 Schrank, ecolex 1993, 542; Holzer/Reissner, Arbeitsvertragsrecht- Anpassungsgesetz2 (2006) § 3 Rz 1 ff;

Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 31; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 172.

232 Holzer/Reissner, Arbeitsvertragsrecht- Anpassungsgesetz2 (2006) § 3 Rz 136.

233 So etwa Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 33; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 93; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 136; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 186;

Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 8 E 22; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 402; Schrammel, Arbeitsrecht II6 149.

234 Vgl Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 137.

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nach § 8 Abs 2 AngG als ermäßigter Anspruch und beide zusammen als Gesamtanspruch bezeichnet.235

Die Formulierung des § 8 Abs 2 AngG hat häufig zu Auslegungsschwierigkeiten236 geführt, da der Wortlaut der Bestimmung mehrere Interpretationsvarianten zulässt. Nach der lange unbestrittenen alten Auslegung237 wird der Gesamtanspruch ohne Rücksicht auf Anzahl und Dauer der Dienstverhinderungen gewährt. Höhe und Dauer der Entgeltansprüche bei der Ersterkrankung sind dieser Auffassung nach im Abs 1 geregelt, während Abs 2 für Wiedererkrankungen einen zusätzlichen Anspruch auf die Hälfte des Entgelts des Abs 1 gewährt. Nach Konsumation des Vollanspruchs des Abs 1 schließt sich bei einer Wiedererkrankung unmittelbar der ermäßigte Anspruch des Abs 2 an. Dieser ist zwar in Bezug auf die Höhe um die Hälfte reduziert, die Gesamtdauer der beiden Fristen zusammen bleibt aber zur Gänze erhalten. Unabhängig von der zeitlichen Verteilung und der Dauer der einzelnen Dienstverhinderungen bleibt dem Angestellten daher der Gesamtanspruch gesichert.

Beispiel238: (Dienstzeit unter fünf Jahren) Die 1. Erkrankung dauert 2 Wochen:

Anspruch auf 2 Wochen volles Entgelt.

Die 2. Erkrankung (innerhalb der Halbjahresfrist) dauert 18 Wochen:

Anspruch auf 4 Wochen volles, 4 Wochen halbes Entgelt (Rest des Vollanspruchs);

6 Wochen halbes und 4 Wochen ein Viertel des Entgelts (ermäßigter Anspruch).

Nach der mittlerweile herrschenden Auslegung239 regelt § 8 Abs 1 AngG sowohl den Zeitraum, für den das Entgelt gebührt, als auch die Höhe des Entgelts. § 8 Abs 2 AngG regelt hingegen nur die Höhe, nicht jedoch die Dauer der Entgeltfortzahlung, wenn es innerhalb eines halben Jahres zu einer Wiedererkrankung kommt. „Dass in einem solchen Falle aber das Entgelt für einen längeren Zeitraum zu leisten wäre, als Abs. 1 vorsieht, falls die erste Erkrankung keine zehnwöchige Dienstverhinderung zur Folge hatte“, lässt sich nach

235 Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 230; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 138.

236 Vgl dazu etwa schon Schwarz, Die Ansprüche des Angestellten bei wiederholter Erkrankung, DRdA 1952, 15 (15 ff); Waas, Noch einmal: Der Entgeltanspruch bei wiederholter Erkrankung, DRdA 1960, 80; ders, Die Entgeltansprüche des Angestellten bei wiederholter Dienstverhinderung, ÖJZ 1953, 396; Gerharter, Der

Entgeltanspruch des Angestellten bei abermaliger Dienstverhinderung, DRdA 1965, 273; dazu auch Martinek/M.

Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 229 f; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 138.

237 So etwa Schwarz, DRdA 1952, 15 ff; ders, ÖJZ 1953, 396 ff; Gerharter, DRdA 1965, 273 ff.

238 Siehe Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 140.

239 Grundlegend dazu OGH 4 Ob 75/51 SZ 24/189; allg dazu auch Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 33; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 141; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 94 ff; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 230 f; Lindmayr, AngG § 8 Rz 100.

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Auffassung des OGH240 „weder aus dem Wortlaute des Gesetzes entnehmen, noch sind rechtspolitische Gründe zu finden, die eine solche Regelung rechtfertigen könnten“. Nach der herrschenden Auffassung ist zu beachten, dass für Wiedererkrankungen erst ein allenfalls verbliebener Restanspruch aus Abs 1 ausgeschöpft und danach der ermäßigte Anspruch aus Abs 2 verbraucht wird. Beide Ansprüche zusammen gehen aber nicht über das zeitliche Limit des Abs 1 hinaus. Der Unterschied zur alten Auslegung besteht also darin, dass auch bei Wiedererkrankungen die zeitliche Begrenzung des Abs 1 als Maximalzeitraum einzuhalten ist. Die Entgeltfortzahlungsdauer ist daher in den ersten fünf Dienstjahren pro Anlassfall auf jeweils zehn Wochen pro Dienstverhinderung beschränkt.241

Beispiel242 : (Dienstzeit unter 5 Jahren) Die 1. Erkrankung dauert 2 Wochen:

Anspruch: 2 Wochen volles Entgelt.

Die 2. Erkrankung (innerhalb der Halbjahresfrist) dauert 18 Wochen:

Anspruch: 4 Wochen volles, 4 Wochen halbes Entgelt (Rest des Vollanspruchs);

2 Wochen halbes Entgelt (ermäßigter Anspruch).

Anhand solcher Beispiele wird deutlich, dass es durch die herrschende Auffassung zu einer sozialpolitisch fragwürdigen Ungleichbehandlung der Angestellten kommen kann. Je kürzer die Ersterkrankung ausfällt, desto mehr verringert sich nämlich der Gesamtanspruch, da der Angestellte insgesamt nur einen kürzeren Fortzahlungszeitraum ausschöpfen kann als bei einer langen Ersterkrankung.243

2.7.1.1.2.1 Beginn der Halbjahresfrist

Während die eben beschriebene Zusammenrechnung der Ansprüche nach Abs 1 und Abs 2 nur bei zumindest zwei Dienstverhinderungen „innerhalb eines halben Jahres nach

240 Siehe OGH 4 Ob 75/51 SZ 24/189.

241 Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 33; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 141; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 94 f; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 186 f;

Schrammel, Arbeitsrecht II6 150; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 232.

242 Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 142.

243 Krit zu dieser Auswirkung der herrschenden Auffassung etwa Schwarz, DRdA 1952, 18, der die

einschränkende Interpretation als „rechtsirrig“ bezeichnet; ders, ÖJZ 1953, 401, der die neue Interpretation als

„weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch mit der Absicht des Gesetzgebers vereinbar“ beurteilt; Gerharter, DRdA 1965, 275 f, dessen Ansicht nach die neue Interpretation „den Grundsatz der Gleichheit“ verletzt, „indem der Zufall in der Dauer der Dienstverhinderung die Höhe des Gesamtanspruches bestimmt“; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 292; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 232;

Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 403, der anhand zweier Beispiele die „sozialpolitische Fragwürdigkeit der seit Jahrzehnten vertretenen Auffassung“ beschreibt.

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Wiederantritt des Dienstes“244 erfolgt, kommt für „neuerliche“ Ersterkrankungen, also Dienstverhinderungen außerhalb dieses zeitlichen Rahmens, wieder der Vollanspruch des Abs 1 zum Tragen.245 Um also jene Dienstverhinderungen bestimmen zu können, die miteinander in Beziehung zu setzen sind, ist eine Fixierung jenes Zeitpunktes notwendig, der mit „Wiederantritt des Dienstes“ gemeint ist. Die hM246 versteht darunter den Tag des Wiederantrittes des Dienstes nach dem Ende der ersten Dienstverhinderung. Alle Dienstverhinderungen, die innerhalb des darauffolgenden halben Jahres eintreten, zählen dann als Wiedererkrankungen. Dies gilt zumindest, solange der erste neuerliche Krankheitstag noch innerhalb dieser Halbjahresfrist liegt.247 Wenn der erste Tag der neuen Dienstverhinderung hingegen auf ein Datum nach Ablauf dieses halben Jahres fällt, so handelt es sich um eine neuerliche Ersterkrankung.248

Für die Entstehung eines neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs verlangt § 8 Abs 2 AngG einen zwischenzeitigen Dienstantritt und in der Folge eine neuerliche Dienstverhinderung. Läuft die Halbjahresfrist hingegen während eines Krankenstandes aus, so ist dies irrelevant und führt nicht zu einem neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Außerdem muss der Arbeitnehmer bei Antritt des Dienstes arbeitsfähig sein: Ein eintägiger Wiederantritt des Dienstes ohne Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit löst keinen neuen Entgeltanspruch aus, sondern führt vielmehr zu einer Zusammenrechnung der Krankheitstage wie bei einer fortlaufenden Dienstverhinderung.249

2.7.1.1.3 Koppelung von Arbeitsunfall oder Berufskrankheit mit einer gewöhnlichen