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3 MITTEILUNGS- UND NACHWEISPFLICHTEN DES ARBEITNEHMERS

3.4 V ERHALTEN IM K RANKENSTAND UND K RANKENSTANDSKONTROLLE

Eigene Sanktionen sind für den Fall vorgesehen, dass der Arbeitnehmer seiner Anzeigepflicht gegenüber dem Arbeitgeber bei Auftreten eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit nicht bzw nicht rechtzeitig nachkommt: Erfährt der Arbeitgeber nämlich nicht anderweitig von der Dienstverhinderung und meldet diese deshalb nicht ordnungsgemäß dem INAIL, so verliert der Arbeitnehmer solange den Anspruch auf das Krankengeld, bis der Arbeitgeber tatsächlich vom betreffenden Dienstverhinderungsgrund Kenntnis erlangt.355

3.4 Verhalten im Krankenstand und Krankenstandskontrolle

3.4.1 Österreich

Ein im Krankenstand befindlicher Arbeitnehmer ist verpflichtet, den auf die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit abzielenden Anweisungen seines behandelnden Arztes tunlichst Folge zu leisten. Er darf diesen jedenfalls nicht so schwerwiegend zuwiderhandeln, dass der Krankheitsverlauf negativ beeinflusst oder der Genesungsprozess verzögert werden könnte.356 Sind aber ausdrückliche ärztliche Anordnungen für das Verhalten im Krankenstand aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung entbehrlich, so darf der Arbeitnehmer die generell üblichen Verhaltensweisen nicht „betont und offenkundig verletzen“ und dadurch den Heilungsprozess gefährden.357

Handelt der Arbeitnehmer den ärztlichen Auflagen oder den allgemein üblichen Verhaltensweisen offenbar zuwider, so setzt er unter Umständen einen Entlassungsgrund.

Als Entlassungstatbestände kommen bei Angestellten die Vertrauensunwürdigkeit gemäß

§ 27 Z 1 3. Fall AngG und bei Arbeitern die beharrliche Pflichtverletzung nach

§ 82 lit f 2. Fall GewO in Betracht. Bei beiden Arbeitnehmergruppen besteht auch noch die Möglichkeit der Entlassung wegen des ungerechtfertigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz, und zwar bei Angestellten aufgrund des pflichtwidrigen Unterlassens der Dienstleistung gemäß

§ 27 Z 4 1. Fall AngG und bei Arbeitern aufgrund des unbefugten Verlassens der Arbeit gemäß § 82 lit f 1. Fall GewO.358 Häufig besteht das zur Entlassung führende Fehlverhalten des Arbeitnehmers in einem Nebenerwerb oder einer Freizeitaktivität während des

355 Vgl Art 52 D.P.R. n. 1124/1965.

356 So etwa OGH 9 Ob A 112/97d Arb 11.645 = DRdA 1998/23 (Mayr); OGH 9 Ob A 144/01v DRdA 2002/38 (Naderhirn) = infas 2002, A 7; allg dazu etwa Andexlinger, Fehlverhalten im Krankenstand, RdW 1987, 334 (334); Schrank, ZAS 2003, 161 ff; Heinz-Ofner, DRdA 2007, 12; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 406.

357 OGH 14 Ob A 38/87 ZAS 1989/5; OGH 9 Ob A 144/01v DRdA 2002/38 (Naderhirn) = infas 2002, A 7; so auch Heinz-Ofner, DRdA 2007, 12; Andexlinger, RdW 1987, 334; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 406.

358 Heinz-Ofner, DRdA 2007, 15 ff; Schrank, ZAS 2003, 161; Andexlinger, RdW 1987, 334 f.

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Krankenstandes.359 So leuchte es beispielsweise laut OGH360 jedermann ein, dass ein Arbeitnehmer, der aufgrund eines „Hexenschusses“ arbeitsunfähig ist und wegen seiner Beschwerden mit Injektionen behandelt wird, nicht gleichzeitig Feldarbeiten verrichten darf.

Dabei spiele es auch keine Rolle, ob das Fehlverhalten tatsächlich zu einer Verlängerung des Krankenstandes führt, da die schlichte Eignung des Verhaltens zur Verzögerung des Heilungsprozesses genügt.

Fraglich ist, ob die grobe Missachtung ärztlicher Anordnungen auch zu einem Verlust des Entgeltfortzahlungsanspruches für den Zeitraum der dadurch verursachten Verlängerung des Krankenstandes führen kann. Dies wird wohl zu bejahen sein: Nachdem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen seines groben Fehlverhaltens entlassen und damit auch seinen Entgeltanspruch mit sofortiger Wirkung beenden kann, muss es ihm erst recht möglich sein, zu einem gelinderen Mittel zu greifen und nur die Entgeltfortzahlung einzustellen.361

In Österreich liegt die Krankenkontrolle im Verantwortungsbereich der Krankenkassen. Die Rechtsgrundlagen für diese Überprüfungen finden sich in den Krankenordnungen der jeweiligen Versicherungsträger. 362 So bestimmt etwa § 48 der Krankenordnung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, dass diese gesetzlich berechtigt ist, sich davon zu überzeugen, dass die ärztlichen Anordnungen sowie die Regelungen der Krankenordnung vom Versicherten eingehalten werden. Den Arbeitnehmer trifft dabei die Verpflichtung, dem Krankenbesucher Einlass in seine Wohnung zu gewähren und ihm die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Die Krankenkasse ist gemäß § 49 dieser Krankenordnung berechtigt, den Gesundheitszustand des Erkrankten zu überprüfen, wobei dieser gegebenenfalls eine entsprechende Vorladung zu befolgen und sich einer Untersuchung zu unterziehen hat. Kann der Arbeitnehmer einer Einladung nicht folgen, so hat er dies gemäß § 49 der einladenden Stelle unverzüglich unter Beilage einer Bestätigung des behandelnden Arztes mitzuteilen.

Wird einer Vorladung ohne wichtigen Grund nicht Folge geleistet, so kann die Kasse die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten beenden.363

359 Heinz-Ofner, DRdA 2007, 16 ff.

360 OGH 14 Ob A 38/87 ZAS 1989/5 = WBl 1987, 250.

361 Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 185 f; so auch Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 9; zust Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 176; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 107.

362 Meggeneder, ASoK 2005, 118 ff.

363 Meggeneder, ASoK 2005, 118.

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Bei Verdacht eines Krankenstandsmissbrauchs sind auch Sonderkontrollen möglich, bei denen üblicherweise ein sofortiger Krankenbesuch durchgeführt wird.364 Gegebenenfalls kann sich der Arbeitgeber zur Überwachung des Arbeitnehmers auch einer Detektei bedienen.

Wird durch die Beobachtung aufgedeckt, dass tatsächlich ein Krankenstandsmissbrauch vorliegt, so kann der Arbeitnehmer zur Erstattung der Detektivkosten herangezogen werden, die für den Beweis des vertragswidrigen Verhaltens entstanden sind.365

3.4.2 Italien

Während einer krankheitsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers besteht im italienischen Arbeitsrecht kein absolutes Verbot, eine anderweitige Arbeitstätigkeit auf eigene Rechnung oder für einen Dritten auszuüben.366 In diesem Zeitraum ist aber zu beachten, dass die Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere die Treuepflicht nach Art 2105 c.c. und die Verpflichtung zur Redlichkeit nach Art 1175 c.c., trotz Unterbrechung der Arbeitspflicht weiterhin aufrecht bleiben. Daraus folgt aber, dass der Arbeitnehmer während der Krankheit keine Aktivitäten in Konkurrenz zum Arbeitgeber betreiben und diesem vor allem keinen Nachteil zufügen darf. Wie auch in Österreich darf der Arbeitnehmer vor allem keine Tätigkeiten ausüben, die seine Genesung verhindern oder verzögern.367

Bei einem Zuwiderhandeln kann der Arbeitnehmer auch in Italien einen Entlassungsgrund verwirklichen. Eine Entlassung durch den Arbeitgeber (licenziamento per giusta causa) ist nach Ansicht des Kassationsgerichtshofes 368 gerechtfertigt, wenn die Ausübung einer Arbeitstätigkeit auch nur potentiell zu einer Beeinträchtigung oder Verhinderung des Genesungsverlaufes und damit auch zu einer Verzögerung der Rückkehr in den Betrieb führt.

Bei der Bewertung des Verhaltens sind die Eigenschaften der betreffenden Krankheit sowie der auszuübenden Aufgaben im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Stellt sich aufgrund einer Arbeitstätigkeit während der krankheitsbedingten Abwesenheit heraus,

364 Meggeneder, ASoK 2005, 119.

365 So etwa OGH 4 Ob 67/80 Arb 9936 = ZAS 1981/29 = ÖJZ EvBl 1981/121; zust auch Rauch, Maßnahmen bei Verdacht des Krankenstandsmissbrauchs, ARD 5389/14/2003.

366 So etwa Cass. 17.7.1991, n. 7915 Riv. it. dir. lav. 1992, II, 942 = Mass. giur. lav. 1991, 542 = Giust. civ.

Mass. 1991, 7; Lauro in Napoletano, Lemmario Giuridico del Nuovo Diritto del Lavoro I 189.

367 So etwa Cass. 11.12.2001, n. 15621 Riv. giur. lav. 2002, II, 264 (D`Amore); Cass. 1.7.2005, n. 14046 Guida al lavoro 2005, n. 38, 26 = D&G 2005, 37, 31 = Giust. civ. Mass. 2005, 6; Cass. 6.10. 2005, n. 19414 Guida al lavoro 2005, n. 46, 50 = Orient. giur. lav. 2005, 4, 835 (Picciariello); Persiani/Proia, Contratto e Rapporto di lavoro5 138.

368 Cass. 11.12.2001, n. 15621 Riv. giur. lav. 2002, II, 264 (D`Amore); Cass. 1.7.2005, n. 14046 Guida al lavoro 2005, n. 38, 26 = D&G 2005, 37, 31 = Giust. civ. Mass. 2005, 6; Cass. 6.10. 2005, n. 19414 Guida al lavoro 2005, n. 46, 50 = Orient. giur. lav. 2005, 4, 835 (Picciariello); Lauro in Napoletano, Lemmario Giuridico del Nuovo Diritto del Lavoro I 189.

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dass die Krankheit nur vorgetäuscht ist, so rechtfertigt auch dies die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Dasselbe gilt, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu einer Verletzung des Konkurrenzverbotes führt. In solchen Fällen obliegt dem Arbeitnehmer der Beweis der Vereinbarkeit der anderweitig ausgeübten Arbeitstätigkeit mit der Krankheit, die ihn an der Leistung seiner geschuldeten Arbeitsleistung hindert.

Nach Ansicht des Kassationsgerichtshofes 369 hat ein krankheitsbedingt abwesender Arbeitnehmer, der die Ausübung einer Arbeitstätigkeit für einen Dritten beabsichtigt, seinem Arbeitgeber diese Arbeitsleistung anzubieten, sodass dieser ihm geeignete Aufgaben zuweisen kann, die mit seinem Zustand vereinbar sind. Diese Verpflichtung steht aber im Konflikt mit dem Recht des Arbeitnehmers, dem Arbeitsplatz bei einer krankheitsbedingten Unfähigkeit zur Erfüllung seiner Pflichten fernzubleiben. 370 Diese Problematik der Verweisung bei einer eventuellen Teilarbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers wird im österreichischen Recht, wie bereits erwähnt, mithilfe einer Interessensabwägung gelöst.

Gemäß Art 5 des Arbeitnehmerstatuts (Statuto dei lavoratori, eigentlich L.n. 300/1970371) obliegt die Krankenstandskontrolle in Italien, wie auch in Österreich, den zuständigen Sozialversicherungsträgern, genauer gesagt deren Aufsichtsstellen. Diese üben die Kontrolle auf Antrag des Arbeitgebers aus. Ermittlungen über die Arbeitstauglichkeit oder die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber selbst sind hingegen gemäß Art 5 Abs 1 dieser Vorschrift verboten. Diese Regelung soll vor allem die Unparteilichkeit der Gesundheitskontrolle schützen, welche nur durch die Einschaltung von neutralen Stellen gewährleistet werden kann.372 Um eine möglichst unverzügliche und effiziente Kontrolle zu gewährleisten, erfolgt die Überprüfung gemäß Art 5 Z 10 L.n. 638/1983 noch am selben Tag wie der Antrag des Arbeitgebers, und zwar auch an Sonn- und Feiertagen. Die Kontrollen können dabei nach Art 4 des Ministerialdekrets vom 15. Juli 1986373 täglich zwischen 10 und 12 sowie zwischen 17 und 19 Uhr erfolgen. Vorschriften in Kollektivverträgen dürfen dem Arbeitnehmer eine Pflicht zur Verständigung der Firma für den Fall auferlegen, dass er sich

369 Vgl Cass. 29.7.1998, n. 7467 Giust. civ. Mass. 1998, 1620 = Mass. giur. lav. 1998, 830 = Dir. lav. 2000, II, 57 (Marazza) = Riv. it. dir. lav. 1999, II, 715 (Scognamilio).

370 Amoroso/Di Cerbo/Maresca, Diritto del lavoro I3 Art 2110 c.c. 1064.

371 Für die Übersetzung vgl Runggaldier, Das italienische Arbeitnehmerstatut, ZfA 1978, 387 (399).

372 Galantino, Diritto del lavoro15 360; zum Aspekt des rigiden Arbeitnehmerschutzes in Italien vgl Runggaldier, Entwicklungstendenzen im italienischen Arbeitsrecht, DRdA 1984, 387 (388).

373 Vgl Art 4 D.M. 15 luglio 1986.

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während der genannten Kontrollzeiten von seinem Wohnsitz entfernen muss. Eine derartige Verständigung soll verhindern, dass Kontrollbesuche ins Leere gehen.374

Ist der Arbeitnehmer beim Kontrollbesuch ohne rechtfertigenden Grund abwesend, so verliert er gemäß Art 5 Z 14 L.n. 638/1983 den Anspruch auf das Krankengeld des INPS für die Dauer von bis zu zehn Tagen. Im Falle einer abermaligen ungerechtfertigten Abwesenheit verliert er nach dieser Vorschrift ferner 50 Prozent des Krankengeldes für die restliche Zeit der Arbeitsunfähigkeit.

Eine gerechtfertigte Abwesenheit kann etwa bei einem dringenden oder sogar bei einem

„normalen“ Arztbesuch vorliegen, sofern die Sprechstundenzeiten des Arztes mit den für die Kontrollbesuche vorgesehenen Zeitabschnitten kollidieren.375 Nicht als ungerechtfertigte Abwesenheit kann außerdem der Fall gewertet werden, dass sich der Arbeitnehmer bei Ankunft des Arztes an einem dem Wohnhaus zugehörigen Ort, beispielsweise in der Garage oder im Keller, befindet. Dies gilt allerdings nur, wenn der Arbeitnehmer noch erscheint, bevor sich der Arzt wieder vom Wohnhaus entfernt.376 Wurde die Krankheit bereits vom Kontrollarzt festgestellt, so besteht für den Zeitraum, auf den sich die Feststellung bezieht, keine weitere Verpflichtung des Arbeitnehmers, weitere Kontrollen durch Beachtung der dafür vorgesehenen Zeiten zu ermöglichen.377

Es ist umstritten, ob die ungerechtfertigte Abwesenheit des Arbeitnehmers beim Kontrollbesuch auch als ungerechtfertigte Abwesenheit vom Arbeitsplatz gegenüber dem Arbeitgeber einzustufen ist. Dies hätte zur Folge, dass der Arbeitgeber über den Arbeitnehmer Disziplinarstrafen verhängen könnte.378 Nach Ansicht von Galantino379 führt das Verhalten des Arbeitnehmers nicht automatisch zu einer ungerechtfertigten Abwesenheit und damit zu einer disziplinarischen Verantwortlichkeit des Betroffenen. Dem Arbeitnehmer sollte vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, das Bestehen des Krankheitszustandes auf andere Art zu beweisen. Dies stünde auch im Einklang mit dem Recht auf Verteidigung im Sinne von Art 24 der Verfassung.

374 Cass. 10.2.2000, n. 1481 Giust. civ. Mass. 2000, 289 = D&G 2000, 7, 13; Galantino, Diritto del lavoro15 362.

375 Galantino, Diritto del lavoro15 364.

376 Vgl Messaggio INPS n. 13385/1999 del 21.10.1999

http://www.inps.it/bussola/VisualizzaDoc.aspx?sVirtualURL=%2fMessaggi%2fMessaggio%20numero%201338 5%20del%2021-10-1999.htm (05.11.2010).

377 Galantino, Diritto del lavoro15 365.

378 Galantino, Diritto del lavoro15 365.

379 Galantino, Diritto del lavoro15 365.

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