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2 ALLGEMEINES ZUR ENTGELTFORTZAHLUNG IM KRANKHEITSFALL

2.5 A NSPRUCHSVORAUSSETZUNGEN

2.5.2.1 Fehlen einer gleichwertigen Form der Vorsorge oder Fürsorge

ausgegangen.146 Grobe Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn ein Arbeitnehmer in erheblich alkoholisiertem Zustand ein Fahrzeug in Betrieb nimmt und dadurch einen Unfall verursacht147 oder wenn er bei einem erkennbar betrunkenen Fahrer im Auto mitfährt und in der Folge bei einem Verkehrsunfall verletzt wird.148

Sportverletzungen werden grundsätzlich nicht als grob fahrlässig verursacht angesehen. Dies gilt sogar für Sportarten mit bekanntermaßen hohem Verletzungsrisiko, wie beispielsweise für Kampfsportarten.149 Bei manchen modernen Abenteuersportarten liegt es allerdings nahe, ihre Ausübung als „grob fahrlässige Selbstgefährdung“ zu qualifizieren. Es ist nämlich laut Holzer150 nicht immer einzusehen, warum bei diesen gefahrenträchtigen Sportarten der Arbeitgeber einen Teil des Verletzungsrisikos tragen soll.

2.5.2 Italien

2.5.2.1 Fehlen einer gleichwertigen Form der Vorsorge oder Fürsorge

Art 2110 c.c. sieht bei Krankheit oder Unfall eine Entlohnung oder Entschädigung seitens des Arbeitgebers für jene Fälle vor, in denen das Gesetz oder die Ständischen Vorschriften keine gleichwertigen Formen der Vorsorge oder der Fürsorge normieren. Aus der Formulierung dieser Vorschrift ergibt sich ein großer Unterschied zum österreichischen Recht, nämlich die Subsidiarität der Entgeltfortzahlung seitens des Arbeitgebers gegenüber den Leistungen der staatlichen Vorsorgeeinrichtungen. Im Gegensatz dazu kommt es im österreichischen Recht primär zu einer Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber und erst subsidiär, nämlich nach deren Erschöpfung, zu einer Auszahlung des Krankengeldes durch die Krankenversicherung.151

Im aktuellen italienischen System der sozialen Sicherheit hat der überwiegende Teil der abhängigen Arbeitnehmerschaft im Falle von Krankheit, (Arbeits-) Unfall oder Berufskrankheit das Recht auf Vorsorgeleistungen durch eine der Fürsorgeeinrichtungen, insbesondere seitens des INPS (Istituto Nazionale per la Previdenza Sociale), des Nationalen

146 So etwa Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 6; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7

§ 8, 219; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 100.

147 So etwa VwGH 82/08/0092 SozSi 1984, 441 = infas 1984, A 90; VwGH 88/08/0301 SVSlg 36.289.

148 So etwa VwGH 94/08/0065 ZASB 1999, 43.

149 Dazu etwa Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 220; Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 7; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 101.

150 Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 7.

151 Tomandl, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche 211.

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Instituts für Sozialfürsorge, oder seitens des INAIL (Istituto Nazionale per l` Assicurazione contro gli Infortuni sul Lavoro), des Nationalen Arbeitsunfallversicherungsinstituts. Beim Krankengeld des INPS handelt es sich um eine Lohnersatzentschädigung152. Einen Anspruch darauf haben jedenfalls die Arbeiter in den Sektoren Industrie und Handwerk, die Arbeiter, Angestellten und höheren Angestellten im Handel, die Lohnarbeiter im Kredit- und Versicherungswesen und die Lohnarbeiter und Tagelöhner in der Landwirtschaft.153 Von der Vergütung des INPS ausgeschlossen sind hingegen die Angestellten der Industrie und der Versicherungsanstalten, Handelsreisende und Handelsvertreter, die Beschäftigten von politischen Parteien und von Gewerkschaftsverbänden sowie Lehrlinge. Für diese Berufsgruppen existieren dafür eigene vertragliche Schutzvorschriften.154 Eine Änderung der Qualifikation des Arbeitnehmers im Laufe einer bestehenden Krankheit hat keinen Einfluss auf die Modalitäten für die Auszahlung des Krankengeldes. Maßgeblich für die Ermittlung der Krankenvergütung ist nämlich stets die Situation im Zeitpunkt des Beginns der Abwesenheit des Arbeitnehmers. Tritt eine Krankheit hingegen erst nach der Zuweisung einer neuen Qualifikation auf, so wird der Arbeitnehmer nach dem für diese Beschäftigungsart vorgesehenen Verfahren entschädigt.155

Das INPS wurde durch das R.D.L. 1827/35 als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit und autonomer Verwaltung gegründet.156 Neben der Gewährung der für diese Arbeit relevanten Entschädigung für den Krankheitsfall (indennità di malattia) bestehen die Aufgaben des Nationalen Instituts für Sozialfürsorge hauptsächlich in der Sicherung der Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenversicherung. Eine Pflichtversicherung besteht für alle Unternehmen, die abhängig Beschäftigte angestellt haben.

Die Versicherungsbeiträge werden anteilsmäßig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt, wobei sich die Höhe der Beiträge nach der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Kategorien oder Beschäftigungsformen richtet. Bei der Berechnung der Arbeitnehmerbeiträge variiert die Höhe der gesetzlichen Quoten auf die bezahlten Löhne je nach Unternehmenssektor, nach der Qualifikation des Dienstnehmers sowie nach der Anzahl der Arbeitnehmer im Unternehmen.157

152 Hofmann/Coslovich, Arbeitsrecht in Italien 126.

153 Meroni/Motta, Manuale di consulenza del lavoro53 1064; N.N., Lavoro 2010: Guide e Soluzioni 675.

154 Amoroso/Di Cerbo/Maresca, Diritto del lavoro I3 Art 2110 c.c. 1034.

155 Meroni/Motta, Manuale di consulenza del lavoro53 (2005) 1064 f; N.N., Lavoro 2010: Guide e Soluzioni 676.

156 Vgl Art 1 R.D.L. n. 1827/35.

157 Hofmann/Coslovich, Arbeitsrecht in Italien 107 ff.

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Das INAIL versichert den Arbeitnehmer gegen körperliche und finanzielle Schäden, die bei Unfällen oder Krankheiten auftreten, die mit der Arbeitstätigkeit zusammenhängen. Weiters befreit das Nationale Arbeitsunfallversicherungsinstitut den Arbeitgeber grundsätzlich von der Haftung für das schädigende Ereignis, es sei denn, die Schädigung wurde durch einen Verstoß gegen die Normen über die Gefahrenvorbeugung und die Hygiene am Arbeitsplatz hervorgerufen. 158 Der Pflichtversicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (assicurazione contro gli infortuni sul lavoro e le malattie professionali) unterliegen alle Arbeitgeber, die abhängig beschäftigte Arbeitnehmer eingestellt haben, und zwar hinsichtlich jener Tätigkeiten, die vom Gesetz als riskant eingestuft werden (attività o lavorazioni protette). Diese riskanten Aktivitäten werden ausführlich in Art 1 D.P.R. 1124/1965 aufgelistet und umfassen beispielsweise Bau- und Straßenarbeiten, den Betrieb von Deponien oder Lagerhäusern sowie Arbeiten bei der Müllabfuhr oder Straßenreinigung. Die Beiträge zur Unfallversicherung werden, wie auch in Österreich159, vom Arbeitgeber allein getragen.

In Österreich wird der Arbeitgeber im Gegenzug von jeder Haftung, ausgenommen für den praktisch bedeutungslosen Fall der vorsätzlichen Schädigung, befreit.160Die Höhe der Beiträge für die abhängig beschäftigten Arbeitnehmer wird in Italien auf der Basis ihres Arbeitsentgelts und der Gefährlichkeit der ausgeübten Tätigkeit berechnet.161

2.5.2.2 Arbeitsunfähigkeit

Eine Erkrankung befreit den Arbeitnehmer nur dann von der Arbeitspflicht, wenn sie eine qualifizierte, zeitlich bestimmte, konkrete und aktuelle Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Die Krankheit muss allerdings nicht zu einer Unmöglichkeit der Ausübung jeglicher Aufgaben oder Arbeiten führen, sondern braucht den Arbeitnehmer nur vorübergehend an der Leistung seiner vertraglich festgelegten und normalerweise ausgeübten Tätigkeiten zu hindern.162 Wie auch in Österreich erfolgt also eine subjektive Betrachtung der Arbeitsunfähigkeit, die in Bezug auf die konkreten Aufgaben des Arbeitnehmers beurteilt werden muss. Unter diesem Aspekt kann aber auch eine leichte Erkrankung die Erledigung der Arbeitsaufgaben für den Arbeitnehmer selbst oder für Dritte gefährlich machen. Deshalb kann auch ein eigentlich gesunder Arbeitnehmer aus Gründen der Hygiene oder der Krankheitsvorbeugung des Arbeitsplatzes verwiesen werden, sofern er ein potentieller Träger von Erregern infektiöser

158 Pagliero, Manuale del consulente del lavoro11 521.

159 Vgl § 51 Abs 3 ASVG; Grillberger, Österreichisches Sozialrecht8 62.

160 Vgl § 333 Abs 1 ASVG; Grillberger, Österreichisches Sozialrecht8 62.

161 Falasca, Manuale di Diritto del Lavoro 272.

162 Carinci in Cester, Diritto del Lavoro II 1145; N.N., Lavoro 2010: Guide e Soluzioni 665.

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Krankheiten ist. Diesbezüglich kann es also zu einer Gleichstellung mit einem tatsächlich kranken Arbeitnehmer kommen.163 Nach der Rechtsprechung kann der Arbeitgeber, ähnlich wie im österreichischen Recht, den Arbeitnehmer auf andere als die üblichen Tätigkeiten verweisen, sofern diese Aufgaben mit seinem Krankheitszustand vereinbar sind.164

2.5.2.3 Verschulden

Art 2110 c.c. enthält keine Regelung für eine verschuldete Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit. Die Lehre verneint einen Entgeltfortzahlungsanspruch teilweise bei grober Fahrlässigkeit, meist aber erst bei Vorsatz des Arbeitnehmers. Wie auch in Österreich obliegt es dem Arbeitgeber, den Beweis für das Verschulden des Arbeitnehmers bei der Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit bzw der Verschlechterung oder Verzögerung des Genesungsprozesses zu erbringen, während der Arbeitnehmer nur das Bestehen der Krankheit beweisen muss.165

Anders als im österreichischen Recht werden in Italien Organspenden hinsichtlich der Vergütung im Krankheitsfall ausdrücklich der Krankheit im engeren Sinne gleichgestellt:

Nach dem INPS- Rundschreiben Nummer 192/1996 kann bei einer Organspende mit der Auszahlung des Krankengeldes für den Zeitraum des Krankenhausaufenthaltes und, falls erforderlich, auch für die darauffolgende Genesungszeit fortgefahren werden. Vom Tatbestand der Organspende wird dabei auch die Entnahme von Stammzellen zum Zwecke einer späteren Transplantation umfasst, da ein solcher Eingriff ebenfalls einige Tage der Konvaleszenz zur Folge hat.166