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2 ALLGEMEINES ZUR ENTGELTFORTZAHLUNG IM KRANKHEITSFALL

2.7 A NSPRUCHSDAUER

2.7.1.1 Anspruchsdauer bei Angestellten

2.7.1.1.1 Ersterkrankung

demselben Arbeitgeber.213 Je nach Dauer des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses kommt es demnach zu einem stufenweisen Anstieg der Entgeltfortzahlungsdauer.214

2.7.1.1.1 Ersterkrankung

Bei erstmaliger Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unglücksfall gebührt dem Angestellten bei einer Dienstzeit von unter fünf Jahren das volle Entgelt für die Dauer von sechs Wochen. Dieser Anspruch erhöht sich ab einer Dienstzeit von fünf Jahren auf acht, von 15 Jahren auf zehn und von 25 Dienstjahren auf zwölf Wochen. Für jeweils weitere vier Wochen hat der Angestellte Anspruch auf das halbe Entgelt.215 Dem Gesetzgeber kommt es dabei nicht auf das Ausmaß der Arbeitszeit an. Das Wochenkontingent bleibt also auch bei Teilzeitbeschäftigung und kürzeren Arbeitswochen gleich.216 Der Anspruch erhöht sich auch im Zuge eines so genannten „Etappensprunges“, wenn der Angestellte während einer Erkrankung die für die Verlängerung des Entgeltfortzahlungsanspruchs maßgebliche Dienstzeit erreicht. Ist der bisherige Anspruch zu diesem Zeitpunkt bereits erschöpft, gebührt ihm daher trotzdem das volle Entgelt gemäß § 8 Abs 1 AngG und das halbe Entgelt gemäß

§ 8 Abs 2 AngG für jeweils weitere zwei Wochen.217

Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten verlängert sich der sechswöchige Anspruch um die Dauer der verursachten Dienstverhinderung, höchstens aber um zwei Wochen.218 Diese Privilegierung wirkt sich nur in den ersten fünf Jahren des Dienstverhältnisses aus und erhöht den Entgeltfortzahlungsanspruch auf bis zu acht Wochen volles und vier Wochen halbes Entgelt. Nach einer Dienstzeit von fünf Jahren werden Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle wie sonstige Erkrankungen behandelt.219

Strittig ist, ob in den Entgeltfortzahlungszeitraum fallende Feiertage zu einer Verlängerung der Fortzahlungsdauer führen. Der OGH bejaht diese Frage bei Arbeitnehmern, die dem

213 Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 125; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 229;

Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 91.

214 Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 125.

215 Vgl § 8 Abs 1 AngG.

216 Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 24; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 90.

217 OGH 4 Ob 96/81 Arb 10.077 = DRdA 1983/15 (zust Csebrenyak) = ZAS 1982/32 = ÖJZ EvBl 1982/155; so auch Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 24; Binder, ZAS 2007, 109; Drs in Zeller

Kommentar § 8 AngG Rz 92; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 146.

218 Vgl § 8 Abs 1 AngG.

219 So etwa Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 132 ff; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 99 ff;

Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 229; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 402; AA Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht I 126, dessen Ansicht nach die Verlängerung vernünftigerweise auch für die längeren Fristen gelten muss.

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EFZG unterliegen, und beruft sich dabei auf § 9 Abs 2 ARG, wonach dem Arbeitnehmer jenes Entgelt gebührt, das er erhalten hätte, wenn die Arbeit nicht wegen eines Feiertages oder wegen Ersatzruhe ausgefallen wäre. Fällt ein Arbeitstag auf einen Feiertag, so sei es ohne Belang, ob der Arbeitnehmer am betreffenden Tag krank oder gesund ist, nachdem die Arbeit von vornherein ausfällt. Würde man im Falle einer Kumulation von Feiertag und Krankenstand allein das EFZG heranziehen, würde dies nach Ansicht des OGH zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von gesunden und kranken Arbeitnehmern führen.220 Binder221 lehnt diese Ansicht ab: Sowohl beim Krankenstand als auch beim Feiertag fehle es an der Arbeitspflicht, wobei sich eine Kollision beider Ansprüche „nicht im Sinne einer zeitlichen Kumulation des Entgeltanspruchs auswirken“ dürfe. Die Entgeltfortzahlungsregelungen für den Krankheitsfall seien im Vergleich zu den Feiertagsbestimmungen die spezielleren und würden diese wegen der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers überlagern.

2.7.1.1.1.1 Berechnung der anzurechnenden Dienstzeit

Als Dienstzeiten gelten grundsätzlich die Zeiten eines aufrechten Arbeitsvertragsverhältnisses zum selben Arbeitgeber. Der maßgebliche Ausgangspunkt für den Erwerb der Anwartschaft für die krankheitsbedingte Entgeltfortzahlung ist der vereinbarte Vertragsanfang. Die tatsächliche Arbeitsaufnahme oder der Abschluss des Arbeitsvertrages ist für die Berechnung der Dienstzeit hingegen irrelevant. Ausschlaggebend ist die ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses, wobei regelmäßig das durchgehende Bestehen des Arbeitsvertrages genügt. Deshalb bleiben bloße Unterbrechungen der Arbeitsleistung wie bei Urlauben und Krankenständen außer Betracht. Dasselbe gilt für echte Karenzierungen, weil bei diesen nur die Hauptpflichten ruhen, während das Arbeitsverhältnis selbst aufrecht bleibt. Zeiten des Präsenz- oder Zivildienstes während eines aufrechten Vertragsverhältnisses sind ebenfalls für die Berechnung heranzuziehen. Anders wird hingegen die Zeit einer Elternkarenz nach

§ 15 MSchG oder § 7c VKG behandelt, welche eine gesetzlich angeordnete Ausnahme darstellt. Bei der Elternkarenz wird nämlich nur der erste Karenzurlaub im Ausmaß von maximal zehn Monaten für die Begründung der Anwartschaft auf Entgeltfortzahlung anerkannt. Zeiten der Familienhospizkarenz nach §§ 14a und 14b AVRAG, für

220 OGH 9 Ob A 2060/96 infas 1997, A 8 = RdW 1996, 600; AA Schrank, Krankenstände: Verlängern Feiertage wirklich die Entgeltfortzahlungsdauer?, ecolex 2001, 387.

221 Binder, ZAS 2007, 109 f; Zu dieser Diskussion ausführlich auch Vogt, Nochmals: Feiertag im Krankheitsfall, ecolex 1993, 472 (473); ders, Replik: Feiertag im Krankheitsfall, ecolex 1994, 631 (632 f), nach dessen Ansicht sowohl das EFZG als auch das ARG anzuwenden sind, wobei Doppelbezüge zu vermeiden wären.

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Sterbebegleitung oder Begleitung von schwersterkrankten Kindern, werden bei der Berechnung der Dienstzeit voll berücksichtigt, nicht aber Zeiten der Bildungskarenz.222

Gesetzlich nicht geregelt wird die Frage, ob auch Zeiten einzubeziehen sind, in denen der Angestellte in einem unmittelbar vorausgegangenen Arbeitsverhältnis für denselben Dienstgeber als Arbeiter oder als Lehrling gearbeitet hat. Der Zweck der nach der Dienstzeit gestaffelten Dauer der Entgeltfortzahlung, nämlich die Belohnung der Treue zum Betrieb, spricht aber für eine Anerkennung aller vorigen Dienstzeiten beim selben Arbeitgeber.223 Laut Spielbüchler ist „für die maßgebliche Dauer des Arbeitsverhältnisses gleichgültig, ob es als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling zugebracht wurde“.224 Holzer225 gelangt zwar für Arbeiter zu demselben Ergebnis, erkennt aber Zeiten eines Lehrverhältnisses keinesfalls als relevante Dienstzeiten an, da das Angestelltengesetz gemäß seinem § 5 keine Anwendung auf Lehrlinge findet und außerdem auch das Entgeltfortzahlungsgesetz Lehrzeiten nicht als Anwartschaftszeiten anerkennt.

Kettenarbeitsverträge, also eine Aneinanderreihung von mehreren aufeinander folgenden Arbeitsverträgen zu demselben Arbeitgeber, werden wegen der Gefahr des Umgehens von zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen in der Regel in ein einheitliches, durchgehendes Arbeitsverhältnis umgedeutet.226 Problematisch wird erst eine „mehr oder weniger lange Unterbrechung“ zwischen den Beschäftigungsverhältnissen.227 Eine relevante Unterbrechung liegt grundsätzlich bei einer tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitsamt den üblichen Auflösungsvorgängen und einer „nach einiger Zeit“ erfolgten neuerlichen Vereinbarung eines Arbeitsvertrages vor.228 Nach dem Wortlaut des Angestelltengesetzes würde schon eine sehr kurze Unterbrechung zu einer Nichtberücksichtigung der vorangegangenen Dienstzeiten führen. Durch eine Beachtung der Wertungen des § 2 Abs 3 EFZG könnten aber sachlich ungerechtfertigte Ergebnisse vermieden werden: Nach dieser Bestimmung werden bei der Ermittlung der Dienstzeit die unterbrochenen Zeiten zusammengerechnet, sofern die Unterbrechung nicht länger als 60

222 So etwa Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 25 ff; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 168 ff.

223 So etwa Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 173; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 292.

224 Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 292.

225 Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 28, 32.

226 So etwa Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 29; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 171; allg dazu Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 56 ff; Spielbüchler in

Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 354 f; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 210 ff.

227 Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 29.

228 Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 171.

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Tage gedauert hat. Wenn die Beendigung aber von der Sphäre des Arbeitnehmers ausgeht, erfolgt keine Zusammenrechnung der Dienstzeiten vor und nach der Unterbrechung. Eine Einheitlichkeit der aufeinander folgenden Arbeitsverhältnisse liegt vor, wenn man aus den Umständen auf ihre sachliche Zusammengehörigkeit schließen kann. Außer Betracht zu bleiben haben aber Unterbrechungen, die gerade zum Zwecke der Verhinderung des Erwerbs von Anwartschaftszeiten herbeigeführt worden sind.229

Für den Fall eines Betriebsüberganges bestimmt § 3 Abs 1 AVRAG, dass der neue Inhaber als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die zum Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt. Durch die Eintrittsautomatik bleibt das Beschäftigungsverhältnis „in seinem wechselseitigen Rechte- Pflichten- Komplex aufrecht“230, weswegen die beim bisherigen Arbeitgeber zurückgelegten Dienstzeiten auch beim neuen Arbeitgeber als vollwertige Dienstzeiten für den Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall zu berücksichtigen sind.231 Die Vereinbarung einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses wegen des Betriebsüberganges, die für den Arbeitnehmer zum Verlust von Dienstzeiten führt, ist ungültig.232