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2 ALLGEMEINES ZUR ENTGELTFORTZAHLUNG IM KRANKHEITSFALL

2.7 A NSPRUCHSDAUER

2.7.1.2 Anspruchsdauer bei Arbeitern

2.7.1.2 Anspruchsdauer bei Arbeitern

2.7.1.2.1 Ersterkrankung

Gleich wie bei den Angestellten ist der Entgeltfortzahlungsanspruch der Arbeiter nach der Dienstzeit gestaffelt. Der sechswöchige Grundanspruch erhöht sich nach einer Dienstzeit von fünf Jahren auf acht, nach einer Dienstzeit von 15 Jahren auf zehn und nach einer Dienstzeit von 25 Jahren auf zwölf Wochen. Über jeweils weitere vier Wochen hindurch hat der Arbeiter einen Anspruch auf das halbe Entgelt.256

Für die Bemessung der Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches sind gemäß

§ 2 Abs 3 EFZG Vordienstzeiten bei demselben Arbeitgeber zusammenzurechnen, sofern die Unterbrechungen nicht länger als jeweils 60 Kalendertage gedauert haben. Eine derartige Unterbrechung liegt nur dann vor, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien im betreffenden Zeitraum kein Arbeitsverhältnis besteht. Außerdem darf sie nicht durch Arbeitnehmerkündigung, durch einen unberechtigten Austritt oder durch eine vom Arbeitnehmer verschuldete Entlassung bedingt worden sein. Für die Zusammenrechnung ist es irrelevant, ob der Arbeiter während der Unterbrechung in einem Dienstverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber gestanden hat, solange nur der Unterbrechungszeitraum nicht länger als 60 Tage gedauert hat. Berücksichtigt werden bei der Zusammenrechnung nur die Zeiten des Arbeitsverhältnisses, nicht aber die Unterbrechungszeiträume. Das Zusammenrechnen beeinflusst außerdem die Lage des Arbeitsjahres nicht, da dafür nur der Beginn des letzten Dienstverhältnisses maßgeblich ist.257

2.7.1.2.2 Wiedererkrankung

Ein wesentlicher Unterschied zu den Entgeltfortzahlungsregelungen der Angestellten besteht bei den Arbeitern in der Dauer ihres Entgeltfortzahlungsanspruches bei wiederholten Dienstverhinderungen durch Krankheit oder Unglücksfall. Der Anspruch nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz stellt nämlich auf das Arbeitsjahr ab. Innerhalb dieses Zeitraumes steht dem Arbeiter insgesamt nur einmal der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer des § 2 Abs 1 EFZG zu. Im Gegensatz zum Angestellten erhält der Arbeiter im Falle einer Folgeerkrankung nicht neuerlich einen Anspruch im zeitlichen Ausmaß des Grundanspruches

256 Vgl § 2 Abs 1 EFZG.

257 Drs in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht (2006) § 2 EFZG Rz 12; Cerny/Kallab, EFZG4 82 f.

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gemäß § 2 Abs 1 EFZG, er kann gemäß § 2 Abs 4 EFZG nur einen allenfalls bestehenden Restanspruch nach Abs 1 ausschöpfen. Nach dem Verbrauch desselben besteht im jeweiligen Arbeitsjahr kein Anspruch mehr.258

Die sachliche Rechtfertigung der Unterschiede in der Anspruchsgestaltung ist nach Ansicht von Löschnigg259 schon wegen des weiten Geltungsbereichs des Entgeltfortzahlungsgesetzes in Zweifel zu ziehen. Dieses gilt nämlich für sämtliche Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsvertragsrechts und erfasst demnach auch mit typischen Angestelltentätigkeiten betraute Arbeitnehmer, die nur deshalb nicht dem Angestelltengesetz unterliegen, weil ihre Arbeitgeber in der taxativen Aufzählung des Angestelltengesetzes nicht genannt werden.

Damit kann eine identische Tätigkeit entweder dem AngG oder dem EFZG unterliegen. Dies könnte durch Sachlichkeitserwägungen gerechtfertigt werden, sofern die Unterschiedlichkeit des Arbeitgebers die unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die Ansprüche hervorruft.

Klare Differenzierungskriterien für die Arbeitgebereigenschaft sind aber dem Angestelltengesetz diesbezüglich nicht zu entnehmen.

Nach der neueren Judikatur des OGH260 entsteht mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres bei ununterbrochener Fortdauer der krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, und zwar „auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen Ausschöpfung des Entgeltanspruches nach dem EFZG zuvor kein Entgelt mehr erhalten hatte.“ Gemäß

§ 2 Abs 8 EFZG kann aber durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung festgelegt werden, dass sich der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht nach dem Arbeitsjahr, sondern nach dem Kalenderjahr richtet. Diese Bestimmung normiert eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Rechte der Arbeitnehmer, die ihnen aufgrund des EFZG zustehen, unabdingbar sind.261

2.7.1.2.3 Sonderfall Arbeitsunfall oder Berufskrankheit

Ein weiterer Unterschied zwischen den Entgeltfortzahlungsbestimmungen von Arbeitern und Angestellten liegt in der Behandlung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Während

258 So etwa Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 188 f; Löschnigg in Resch, Aktuelle Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 18; Cerny/Kallab, EFZG4 76, 86; Drs in Zeller Kommentar § 2 EFZG Rz 14;

Schrammel, Arbeitsrecht II6 151; Lindmayr, Entgelt ohne Arbeit Rz 135; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 404;

Stärker, Arbeits- und Sozialrecht für die Praxis6 Rz 474.

259 Löschnigg in Resch, Aktuelle Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 18.

260 OGH 8 Ob A 163/98y ZAS 1999, 167 (Pernkopf) in Abkehr von OGH 8 Ob A 2132/96d DRdA 1998,42 (abl Pfeil) = ASoK 1997, 324 = infas 1997, A 102 = ecolex 1997, 686; AA Rothe, Neues Jahr - neuer Anspruch?, ecolex 2000, 518.

261 Vgl § 6 EFZG; Cerny/Kallab, EFZG4 93.

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26 entstand kein neuerlicher

das Angestelltengesetz ja Arbeitsverhinderungen durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit mit anderen Dienstverhinderungen in Beziehung setzt, nimmt das Entgeltfortzahlungsgesetz eine getrennte Betrachtung der Entgeltfortzahlungsansprüche vor.262 Der Arbeitnehmer hat nämlich gemäß § 2 Abs 5 EFZG bei einer Dienstverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, unabhängig von anderen Zeiten der Arbeitsverhinderung, einen Entgeltfortzahlungsanspruch von acht Wochen. Dieser Anspruch erhöht sich bei einer ununterbrochenen Dienstzeit von 15 Jahren auf eine Dauer von zehn Wochen. Er wird im Gegensatz zum Anspruch bei Krankheit oder Unglücksfall bei jedem neuen Anlassfall aufs Neue gewährt.263

Das Arbeitsjahr ist in diesem Zusammenhang nur dann von Bedeutung, wenn als Spätfolge desselben Arbeitsunfalls oder derselben Berufskrankheit ein neuerlicher Krankenstand auftritt.

Besteht nämlich ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen der wiederholten Arbeitsverhinderung und dem Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit, so werden die betreffenden Dienstverhinderungen innerhalb eines Arbeitsjahres wie normale Erkrankungen miteinander in Beziehung gesetzt. Da die Wiedererkrankung in einem solchen Fall als Bestandteil eines einheitlichen Geschehens gewertet wird, steht dem Arbeitnehmer innerhalb eines Arbeitsjahres ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur insoweit zu, als der Anspruch wegen Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit noch nicht verbraucht ist.264 Tritt jedoch die Folgeerkrankung erst im nächsten Arbeitsjahr auf, so gebührt dem Arbeitnehmer wieder der volle Entgeltfortzahlungsanspruch infolge eines Arbeitsunfalls.265

Nach der älteren Rechtsprechung des OGH 6

Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn die erste Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit ohne Unterbrechung in ein neues Arbeitsjahr hineinreichte. Seit seiner Entscheidung vom 7.6.2006 267 vertritt der OGH mittlerweile, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, eine Übertragung der zu § 2 Abs 4 EFZG angestellten Überlegungen auf § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG: Damit entstehe „auch bei einer ununterbrochenen

262 So etwa Löschnigg in Resch, Aktuelle Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 20; Drs in Zeller Kommentar

§ 2 EFZG Rz 16.

263 Vgl § 2 Abs 5 EFZG; allg dazu auch Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 188 f; Cerny/Kallab, EFZG4 88 f; Löschnigg in Resch, Aktuelle Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 20; Lindmayr, Entgelt ohne Arbeit Rz 143. Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 405; Stärker, Arbeits- und Sozialrecht für die Praxis6 Rz 475.

264 Vgl § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG; so auch Cerny/Kallab, EFZG4 89; Marhold/Friedrich, Österreichisches

Arbeitsrecht 189; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 405; Schrammel, Arbeitsrecht II6 151; krit dazu Löschnigg in Resch, Aktuelle Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 21; Drs in Zeller Kommentar § 2 EFZG Rz 18.

265 So etwa Cerny/Kallab, EFZG4 89; Schrammel, Arbeitsrecht II6 151.

266 OGH 4 Ob 52/76 SZ 49/0 = SVSlg 25.208; krit Cerny/Kallab, EFZG4 90 f.

267 OGH 9 Ob A 13/06m Arb 12.612 = infas 2006, A 89 = ARD 5708/9/2006 = ecolex 2006/403.

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Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit mit dem Beginn eines neuen Arbeitsjahres jedenfalls ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch“.

Die Rechtslage beim Arbeitsunfall führt zu einer Privilegierung jener Arbeitnehmer, auf die das Entgeltfortzahlungsgesetz zur Anwendung kommt.268 Die günstigere Behandlung könnte mit einem höheren Unfallrisiko bei typischen Arbeitertätigkeiten begründet werden. Nachdem das Entgeltfortzahlungsgesetz aber, wie bereits erwähnt, nicht nur manuell ausgeübte klassische Arbeitertätigkeiten mit einem typischerweise höheren Unfallrisiko erfasst, kann die sachliche Rechtfertigung dieses Begründungsansatzes in Zweifel gezogen werden. Außerdem sollte laut Löschnigg269 für die Festlegung des Ausmaßes der Entgeltfortzahlungsansprüche der einzelnen Arbeitnehmer nicht nach einem statistischen Unfallrisiko, sondern nach der individuellen Betroffenheit differenziert werden.

Steht der Arbeiter gleichzeitig in Beschäftigungsverhältnissen zu mehreren Arbeitgebern, so hat er gemäß § 2 Abs 5 letzter Satz EFZG den erhöhten Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten nur gegenüber dem Arbeitgeber, bei dem die privilegierte Arbeitsverhinderung eingetreten ist. Gegenüber den anderen Arbeitgebern entstehen hingegen nur Ansprüche wie bei einer gewöhnlichen Krankheit. Der erhöhte Anspruch nach Abs 5 besteht aber dann gegenüber allen Arbeitgebern, wenn die Ursache der Arbeitsunfähigkeit nicht eindeutig einem der Arbeitgeber zugeordnet werden kann. Dieses Zuordnungsproblem kann beispielsweise bei Berufskrankheiten auftreten, wenn etwa der Arbeitnehmer in mehreren Arbeitsverhältnissen steht und dabei überall ähnliche Tätigkeiten ausübt oder mit denselben Arbeitsmitteln in Kontakt kommt.270

Für Kur- und Erholungsaufenthalte, die aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit bewilligt werden, gelten nicht die Regelungen des § 2 Abs 2 EFZG, sondern die Sondervorschriften des Abs 5. Einerseits besteht dadurch der Entgeltfortzahlungsanspruch bei jedem Anlassfall unabhängig von anderen Dienstverhinderungszeiten, andererseits sind aber in solchen Fällen auch die Bestimmungen des § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG über neuerliche Dienstverhinderungen innerhalb eines Arbeitsjahres anzuwenden.271

268 Löschnigg in Resch, Aktuelle Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 21; Jabornegg/Resch/Strasser, Arbeitsrecht3 Rz 444.

269 So etwa Löschnigg in Resch, Aktuelle Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht 21 f.

270 So etwa Cerny/Kallab, EFZG4 91; Lindmayr, Entgelt ohne Arbeit Rz 145.

271 Vgl § 2 Abs 6 EFZG; dazu auch Cerny/Kallab, EFZG4 91; Drs in Zeller Kommentar § 2 EFZG Rz 23.

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