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2 ALLGEMEINES ZUR ENTGELTFORTZAHLUNG IM KRANKHEITSFALL

2.6 A NSPRUCHSHÖHE

Krankheiten ist. Diesbezüglich kann es also zu einer Gleichstellung mit einem tatsächlich kranken Arbeitnehmer kommen.163 Nach der Rechtsprechung kann der Arbeitgeber, ähnlich wie im österreichischen Recht, den Arbeitnehmer auf andere als die üblichen Tätigkeiten verweisen, sofern diese Aufgaben mit seinem Krankheitszustand vereinbar sind.164

2.5.2.3 Verschulden

Art 2110 c.c. enthält keine Regelung für eine verschuldete Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit. Die Lehre verneint einen Entgeltfortzahlungsanspruch teilweise bei grober Fahrlässigkeit, meist aber erst bei Vorsatz des Arbeitnehmers. Wie auch in Österreich obliegt es dem Arbeitgeber, den Beweis für das Verschulden des Arbeitnehmers bei der Herbeiführung der Arbeitsunfähigkeit bzw der Verschlechterung oder Verzögerung des Genesungsprozesses zu erbringen, während der Arbeitnehmer nur das Bestehen der Krankheit beweisen muss.165

Anders als im österreichischen Recht werden in Italien Organspenden hinsichtlich der Vergütung im Krankheitsfall ausdrücklich der Krankheit im engeren Sinne gleichgestellt:

Nach dem INPS- Rundschreiben Nummer 192/1996 kann bei einer Organspende mit der Auszahlung des Krankengeldes für den Zeitraum des Krankenhausaufenthaltes und, falls erforderlich, auch für die darauffolgende Genesungszeit fortgefahren werden. Vom Tatbestand der Organspende wird dabei auch die Entnahme von Stammzellen zum Zwecke einer späteren Transplantation umfasst, da ein solcher Eingriff ebenfalls einige Tage der Konvaleszenz zur Folge hat.166

2.6 Anspruchshöhe

2.6.1 Österreich

Gemäß § 8 Abs 1 AngG behält der Angestellte seinen Entgeltanspruch für den im Gesetz vorgesehenen Zeitraum. In dieser Bestimmung finden sich allerdings keinerlei Hinweise auf

163 Carinci in Cester, Diritto del Lavoro II 1146.

164 Cass. 29.7.1998, n. 7467 Giust. civ. Mass. 1998, 1620 = Mass. giur. lav. 1998, 830 = Dir. lav. 2000, II, 57 (Marazza) = Riv. it. dir. lav. 1999, II, 715 (Scognamilio); Galantino, Diritto del lavoro15 474.

165 Carinci in Cester, Diritto del Lavoro II 1145.

166 Vgl Circ. INPS n.192/1996 del 7.10.1996

http://www.inps.it/bussola/VisualizzaDoc.aspx?sVirtualURL=%2fCircolari%2fCircolare%20numero%20192%2 0del%207-10-1996.htm (12.11.2010).

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die anzuwendende Bemessungsmethode, die zu berücksichtigenden Zeiträume oder die vom Entgeltbegriff erfassten Vergütungsformen.167

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für den Entgeltfortzahlungsanspruch des Angestellten geht die hM168 vom so genannten Bezugsprinzip aus. Dabei richtet sich die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach dem zuletzt verdienten Entgelt, weswegen dieses Prinzip auch üblicherweise bei regelmäßigen Wochen- oder Monatsentgelten angewendet wird.169 Die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs der Arbeiter richtet sich hingegen nach § 3 EFZG und bemisst sich, anders als bei Angestellten, nach dem eher zukunftsorientierten Ausfallprinzip. Dem Arbeiter gebührt demnach während seiner Arbeitsverhinderung jenes Entgelt, das er erhalten hätte, wenn er in diesem Zeitraum gearbeitet hätte. Er soll dadurch wirtschaftlich so gestellt werden, wie es bei einem regelmäßigen Arbeitsverlauf der Fall gewesen wäre.170 Dieses Konzept wird von der hL171 als fiktives Ausfallprinzip (oder auch abgeschwächtes Lohnausfallprinzip172) interpretiert.

Dieses orientiert sich am Verdienstausfall, der am Beginn der Dienstverhinderung zu erwarten ist, ohne aber dabei den Eintritt von unvorhergesehenen Umständen während der Arbeitsverhinderung zu berücksichtigen. Stellt sich also etwa im Nachhinein heraus, dass einem Arbeitnehmer wegen eines unvorhergesehenen Auftragsrückganges während seines Krankenstandes zu viele Überstunden ausbezahlt wurden, so kommt eine Rückforderung dieses Teils des Krankenentgelts nicht in Betracht.173

Das Entgeltfortzahlungsgesetz unterscheidet für die Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruches von Arbeitern außerdem zwischen drei Entlohnungsformen:

Zeitlöhner, deren Entgelt nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessen wird, erhalten dieses gemäß § 3 Abs 1 EFZG für die Dauer des Anspruchs unverändert weiter. Bei Leistungslohnbeziehern, deren Entgelt beispielsweise Akkord- oder Stücklöhne sind, ist die

167 Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 114.

168 Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 222; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 187 f;

Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 398; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 102; Lindmayr, AngG § 8 Rz 97;

AA Binder, ZAS 2007, 101 f; Eine Annäherung an das Lohnausfallprinzip des EFZG aus sozialpolitischen Gründen findet sich bei Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 16.

169 Vgl § 3 EFZG; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 113; Schrammel, Arbeitsrecht II6 144.

170 So etwa Drs in Zeller Kommentar § 3 EFZG Rz 2 ff; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 189;

Binder, ZAS 2007, 100 f; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 398; Lindmayr, Entgelt ohne Arbeit Rz 110 f.

171 So etwa Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 189; Drs in Zeller Kommentar § 3 EFZG Rz 4;

Binder, ZAS 2007, 101; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 398.

172 Binder, ZAS 2007, 101.

173 So etwa Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 398 f; Drs in Zeller Kommentar § 3 EFZG Rz 4; Cerny/Kallab, EFZG4 106.

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Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs gemäß § 2 Abs 4 EFZG mit dem Durchschnitt der letzten dreizehn voll gearbeiteten Wochen anzusetzen. Bei allen sonstigen Arbeitnehmern erfolgt die Berechnung gemäß § 3 Abs 2 und 3 EFZG nach dem fiktiven Arbeitsverlauf während der Dienstverhinderung.174

In den arbeitsrechtlichen Bestimmungen findet sich keine Legaldefinition des Entgeltbegriffs.

Für die Bemessung des fortzuzahlenden Entgelts ist daher vom äußerst weiten arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen: Dieser umfasst grundsätzlich jede Art von Vergütung, die der Arbeitnehmer als Gegenleistung dafür erhält, dass er dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.175 Vom Entgeltbegriff umfasst sind daher neben dem eigentlichen laufenden Gehalt auch sonstige regelmäßige oder einmalige, fixe oder variable Leistungen sowie erfolgsorientierte Entgeltarten.176

Einmalige Leistungsausschüttungen sind unter Berücksichtigung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch dem kranken Arbeitnehmer zu gewähren. Kommt es zu einer Neueinführung, einer Einschränkung oder einem Abbau von Zusatzleistungen während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, so wird auch der Entgeltfortzahlungsanspruch des erkrankten Arbeitnehmers von diesen Veränderungen erfasst, da dieser nicht besser oder schlechter gestellt werden darf als seine arbeitenden Kollegen.177

Variable Entgelte sind in Form einer Durchschnittsrechnung zu berücksichtigen. Primär ist ein kollektivvertraglich geregelter Zeitraum heranzuziehen. Subsidiär dazu ist ein repräsentativer Beobachtungszeitraum von dreizehn Wochen oder, bei größeren Schwankungen unterliegenden Entgeltteilen, einem längeren Zeitraum zugrunde zu legen.178

Provisionen sind nach Ansicht des OGH179 als variable Entgelte grundsätzlich in der Höhe des Durchschnitts der letzten zwölf Monate fortzuzahlen, da die Berechnung nach dem

174 Vgl § 3 EFZG; allg dazu Drs in Zeller Kommentar § 3 EFZG Rz 5 ff; Cerny/Kallab, EFZG4 104.

175 So etwa Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 115; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 277;

Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 223; Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 17; Lindmayr, Entgelt ohne Arbeit Rz 112; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 108;

Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 103; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 221; Lindmayr, Entgelt ohne Arbeit Rz 112.

176 So auch Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 116; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 221; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 109.

177 Binder, RdW 1983, 46.

178 Schrammel, Arbeitsrecht II6 145; Binder, RdW 1983, 46; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 104.

179 So etwa OGH 8 Ob A 67/02i DRdA 2003/45 (Kallab) = ASoK 2003, 274; OGH 9 Ob A 365/93, DRdA 1994/47 (Andexlinger).

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Jahresdurchschnitt in der Regel zu einem befriedigenden Ergebnis führt. Provisionen aus Direktgeschäften, also solchen Geschäften, die ohne die Vermittlungstätigkeit des Angestellten abgeschlossen wurden, werden allerdings bei der Berechnung des Durchschnitts nicht berücksichtigt. Diese Provisionen fließen dem Arbeitnehmer nämlich während der Dienstverhinderung weiterhin zu.180

Überstundenentgelte sind grundsätzlich in der Höhe des Schnitts der letzten dreizehn Wochen fortzuzahlen.181 In diesem Beobachtungszeitraum muss sich bei der Verteilung der Überstunden eine „Tendenz zur Wiederholung oder Periodizität erkennen lassen“.182 Bei schwankender Überstundenzahl ist für die Entgeltberechnung vom Monatsdurchschnitt des letzten Jahres auszugehen.183

Natural- oder Sachbezüge unterliegen grundsätzlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und sind wertmäßig ins fortgezahlte Entgelt mit einzubeziehen. Stehen die betreffenden Leistungen dem Arbeitnehmer aber auch während der Krankheit zur Verfügung, wie dies etwa bei einer Dienstwohnung oder einem Dienstwagen der Fall ist, so ist ein finanzieller Ausgleich auch bei nur beschränkter oder mangelnder Nutzbarkeit dieser Objekte während der Arbeitsunfähigkeit nicht notwendig. 184 Der erkrankte Arbeitnehmer hat außerdem Anspruch auf Sachleistungen, beispielsweise Gutscheine oder andere Geschenke, die zu verschiedenen Festen überreicht werden.185

Zulagen, wie etwa Außendienst-, Gefahren- oder Strahlenzulagen, haben normalerweise Entgeltcharakter.186 Reine Aufwandsentschädigungen, wie etwa Fahrtkostenvergütungen, Nächtigungsgelder und Entfernungszulagen, sollen hingegen einen tatsächlich geleisteten finanziellen Aufwand des Arbeitnehmers abdecken und zählen wegen ihrer engen Verknüpfung mit der Arbeitsleistung nicht zum Entgelt.187 Dem Arbeitnehmer gewährte Zusatzleistungen sind aber nicht nach ihrer Bezeichnung als „Aufwandsentschädigung“ oder

180 So auch OGH 9 Ob A 603/93 DRdA 1995/12 (Geist) = Arb 11.172 = DRdA 1994, 426.

181 So etwa OGH 4 Ob 59/80 = Arb 9874 = ZAS 1981/17 (Müller) = DRdA 1981, 51; OGH 9 Ob A 20/99b Arb 11.859 = infas 1999, A 92 = RdW 1999, 471.

182 Binder, ZAS 2007, 103.

183 OGH 9 Ob A 20/99b Arb 11.859 = infas 1999, A 92; So auch Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 20; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 222; Dittrich/Tades, Angestelltengesetz23 § 8 E 13; AA Binder, ZAS 2007, 103, der den Einjahreszeitraum nicht für zweckmäßig hält.

184 Holzer in Marhold/G. Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 22; Binder, ZAS 2007, 108.

185 Binder, ZAS 2007, 108.

186 Binder, ZAS 2007, 107.

187 So etwa Binder, ZAS 2007, 107; ders, RdW 1983, 44; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 116;

Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 111; Lindmayr, Entgelt ohne Arbeit Rz 115.

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„Entgelt“, sondern nach ihrer tatsächlichen Funktion zu bewerten. Bei überhöhten Aufwandsentschädigungen kann ein in ihnen enthaltener Entgeltbestandteil, der über die effektive Kostendeckung hinausgeht, herausgelöst und den Entgeltfortzahlungsbestimmungen unterworfen werden.188

Unzulässig ist wegen der einseitig zwingenden Wirkung der Entgeltfortzahlungsvorschriften die Verknüpfung von Zusatzleistungen mit der tatsächlichen Betriebsanwesenheit und der Erbringung von Arbeitsleistungen.189 Das Wesen dieser so genannten Anwesenheitsprämien besteht darin, dass sie den Arbeitnehmern nur bei tatsächlicher ununterbrochener Arbeit während eines bestimmten Betrachtungszeitraumes überhaupt oder jedenfalls in vollem Ausmaß gewährt werden. Bei Fehlzeiten kommt es, unabhängig von deren Berechtigung oder vom Verschuldensgrad, zum Entfall oder zur Minderung der Vergütung. Solche Anreizsysteme sollen dem Absinken der Arbeitsmoral und in der Folge Missbräuchen bei Krankmeldungen entgegenwirken. Sie widersprechen aber eindeutig dem Schutzzweck der Entgeltfortzahlungsregelungen, da sie auch tatsächlich kranken Arbeitnehmern nahe legen, aus finanziellen Gründen ohne Rücksicht auf ihre Erkrankung zu arbeiten. 190 Die Vereinbarung einer Anwesenheitsprämie führt allerdings nur zur Teilnichtigkeit: Die Anwesenheitsbedingung ist zwar unwirksam, der Arbeitnehmer hat aber auch dann Anspruch auf die zugesagte Prämie, wenn er die unzulässige Bedingung nicht erfüllt.191

2.6.2 Italien

Gemäß Art 2110 c.c. steht dem Arbeitnehmer die Entlohnung oder eine Entschädigung in dem Ausmaß zu, wie sie von den Sondergesetzen, Ständischen Vorschriften, Gebräuchen oder von der Billigkeit bestimmt sind. Diese Sonderbestimmungen sehen für Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Regelungen vor.192

Allgemein wird die Vergütung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall entweder vom INPS oder vom Arbeitgeber geschuldet. Wie bereits unter Punkt 2.5.2.1 erwähnt, haben nicht alle

188 So etwa Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht 116; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht10 279;

Binder, ZAS 2007, 107; ders, RdW 1983, 50; Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 § 8, 221.

189 OGH 8 Ob A 72/04b Arb 12.545 = DRdA 2006/34 = JBl 2006, 126 = ASoK 2006, 39 = ecolex 2005/378;

Binder, Die Entgeltbemessungsgrundlage für Nichtarbeitszeiten, RdW 1983, 44 (46); ders, ZAS 2007, 106.

190 So etwa Petrovic, Sind Anwesenheitsprämien zulässig?, SWK 1989, B I 36; Dittrich/Tades,

Angestelltengesetz mit den wichtigsten Nebengesetzen23 (2006) § 8 E 1c; Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 12; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 110; Rauch, Arbeitsrecht für Arbeitgeber8 (2009) 212.

191 Drs in Zeller Kommentar § 8 AngG Rz 12; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I8 § 8 Rz 110.

192 Suppiej/de Cristofaro/Cester, Diritto del Lavoro3 271.

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Arbeitnehmergruppen in den verschiedenen Wirtschaftssektoren einen Anspruch auf das Krankengeld des INPS. In solchen Fällen trifft die Verpflichtung zur Zahlung der Krankenvergütung grundsätzlich allein den Arbeitgeber. Dies gilt allerdings nur, sofern die Kollektivverträge dies vorsehen. Nach den Regelungen der Kollektivverträge richtet sich dann auch die Höhe der geschuldeten Vergütung. Hat der Arbeitnehmer aber Anspruch auf Auszahlung des Krankengeldes des INPS, so beschränken sich die Kollektivverträge darauf, eine Pflicht des Arbeitgebers zur Ergänzung dieser Bezüge vorzusehen.193

2.6.2.1 Höhe des Krankengeldes

Gemäß Art 6 Abs 5 D.P.R. 1825/1924 ist bei Angestellten (impiegati) die Höhe der Entgeltfortzahlung im Falle von Krankheit oder Unfall nach dem Dienstalter gestaffelt: Nach dieser Bestimmung besteht bei einer Betriebszugehörigkeit von bis zu zehn Jahren ein Anspruch auf das volle Entgelt für das erste Monat und ein Anspruch auf das halbe Entgelt für die zwei darauffolgenden Monate. Bei einem Dienstalter von über zehn Jahren hat der Angestellte hingegen Anspruch auf das volle Entgelt für die ersten zwei Monate und einen Anspruch auf die Hälfte desselben für die darauffolgenden vier Monate.194 Mittlerweile finden sich aber in den Kollektivverträgen weitgehend günstigere Regelungen verglichen mit dieser ursprünglichen Bestimmung aus dem Jahr 1924.195

Anders als bei Angestellten wird bei Arbeitern (operai) die Vergütung im Krankheitsfall vom INPS geschuldet. Konkret wird das Krankengeld allerdings, in der vom einschlägigen Kollektivvertrag vorgesehenen Höhe und für die von ihm vorgesehene Dauer, vom Arbeitgeber vorausgezahlt und dann erst mit den fälligen INPS Beiträgen verrechnet.196 In einigen Ausnahmefällen, beispielsweise bei Arbeitern im Landwirtschaftssektor, wird die Entschädigung hingegen direkt vom INPS ausbezahlt.197 Das Krankengeld des INPS wird in jedem Fall erst ab dem vierten Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit gewährt,198 wohingegen die ersten drei Tage eine Art Karenzfrist (periodo di carenza) bilden. Die Kollektivverträge sehen für diesen Zeitraum in der Regel die Zahlung des vollen Entgelts

193 Falasca, Manuale di Diritto del Lavoro 265; Meroni/Motta, Manuale di consulenza del lavoro53 1064.

194 Vgl Art 6 Abs 5 D.P.R. 1825/1924.

195 So etwa Carinci/Tamajo/Tosi/Treu, Diritto del lavoro II5 329.

196 Hofmann/Coslovich, Arbeitsrecht in Italien 126.

197 Vgl Art 1 Abs 6 L.n. 33/1980.

198 Circ. INPS n. 178/1985 del 8.8.1985

http://www.inps.it/bussola/VisualizzaDoc.aspx?sVirtualURL=%2fCircolari%2fCircolare%20numero%20178%2 0del%208-8-1985.htm (23.11.2010).

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durch den Arbeitgeber vor.199 Die Höhe des Krankengeldes wird mit einem proportionalen Anteil des Entgelts festgesetzt und ist von der Krankheitsdauer abhängig: So beträgt das Krankengeld innerhalb der ersten zwanzig Krankheitstage 50 Prozent des durchschnittlichen Tagesentgelts. Ab dem 21. Tag erhöht sich die Entschädigung auf 66,66 Prozent des durchschnittlichen täglichen Entgelts.200 Die Kollektivverträge sehen aber in der Regel eine Ergänzung dieser Beträge durch den Arbeitgeber vor und gleichen damit die finanzielle Situation der Arbeiter an jene der Angestellten an.201 Während einige Kollektivverträge die Höhe des Ergänzungsbetrages mit einem prozentuellen Anteil des Entgelts festlegen, sehen andere vor, dass dem Arbeitnehmer jenes Entgelt in vollem Umfang gesichert werden muss, das er erhalten hätte, wenn er in diesem Zeitraum gearbeitet hätte.202

2.6.2.2 Berechnung des Krankengeldes

Art 2110 c.c. enthält als zentrale Bestimmung zur Entgeltfortzahlung keine Legaldefinition des Entgeltbegriffes.203 Gemäß Art 2099 c.c. kann das Entgelt aber, wie auch in Österreich, sowohl aus einem Geldbetrag als auch aus anderen Gütern oder Vorteilen bestehen. Der Arbeitnehmer kann nach dieser Bestimmung auch durch eine Beteiligung am Gewinn oder an den Erzeugnissen sowie durch eine Provision entlohnt werden.204

Die Berechnung der Höhe des Krankengeldes erfolgt in Italien auf Basis des durchschnittlichen täglichen Entgelts (retribuzione media giornaliera). Gemäß Art 12 L.n. 153/1969 ist für die Bestimmung des durchschnittlichen Tageseinkommens alles zu berücksichtigen, was der Arbeitnehmer in Geld oder in Form von Naturalleistungen als Vergütung für seine Arbeitsleistung bekommt. Einbezogen werden auch Vergütungen für außerordentliche Leistungen sowie Bezüge mit wiederkehrendem Charakter, wie etwa das 13.

Monatsgehalt, Sonderzulagen und wiederkehrende Prämien.205 Die Grundlage für die Ermittlung des durchschnittlichen Tagesentgelts bildet die Vergütung, die der Arbeitnehmer in dem der Krankheit unmittelbar vorangegangenen Monat erhalten hat. Wird das Entgelt

199 Carinci in Cester, Diritto del Lavoro II 1191; Suppiej/de Cristofaro/Cester, Diritto del Lavoro3 271.

200 Vgl Circ. INPS n. 178/1985 del 8.8.1985

http://www.inps.it/bussola/VisualizzaDoc.aspx?sVirtualURL=%2fCircolari%2fCircolare%20numero%20178%2 0del%208-8-1985.htm (23.11.2010); so auch Carinci in Cester, Diritto del Lavoro II 1191; Suppiej/de

Cristofaro/Cester, Diritto del Lavoro3 271; Galantino, Diritto del lavoro15 356.

201 Galantino, Diritto del lavoro15 356; N.N., Lavoro 2010: Guide e Soluzioni 673.

202 Meroni/Motta, Manuale di consulenza del lavoro53 1081.

203 Vgl Art 2110 c.c.; so auch Carinci in Cester, Diritto del Lavoro II 1196.

204 Vgl Art 2099 c.c.; Suppiej/de Cristofaro/Cester, Diritto del Lavoro3 120.

205 Vgl Art 12 L.n. 153/1969.

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nach Wochen bemessen, so wird für die Berechnung die Vergütung der vorangegangenen vier Wochen herangezogen.206 Darüber hinaus sind etwa auch Akkordlöhne zu ermitteln. Nicht berücksichtigt werden hingegen in diesem Monat erhaltene Entgeltbestandteile, die zwar wiederkehrenden Charakter haben, sich aber auf einen Zeitraum von mehreren Monaten beziehen.207 Art 2110 c.c. überlässt es in Ermangelung einer genaueren Entgeltdefinition den Kollektivverträgen, auch Elemente mit eindeutigem Entgeltcharakter von der Berechnungsgrundlage auszuschließen.208

Die so ermittelte Gesamtvergütung in dem der Krankheit unmittelbar vorangegangen Monat wird dann durch die Anzahl der zu entlohnenden Tage dividiert. Erfasst werden dabei nicht nur die Tage, an denen tatsächlich gearbeitet wurde, sondern auch Urlaubs- oder Feiertage, für die eine wie auch immer geartete Vergütung geschuldet wird.209 Die Regeln für die Berechnung variieren dabei nach der Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Arbeitnehmerkategorie:210 Während bei Angestellten das durchschnittliche Tagesentgelt ein Dreißigstel des ermittelten Monatsgehaltes beträgt, wird bei den Arbeitern der ermittelte Gesamtbetrag nicht durch einen fixen Divisor, sondern durch die jeweilige Anzahl an Arbeitstagen dividiert. Das auf diese Weise ermittelte durchschnittliche Tagesentgelt wird bei allen Arbeitnehmergruppen schlussendlich noch um die monatlichen Anteile der Bezüge mit wiederkehrendem Charakter, wie etwa des 13. Monatsgehaltes, ergänzt.211