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Wichtige Regulierungen für Mieter

3 Theorieansätze der betrieblichen Finanzwirtschaft

3.5 Wohnungspolitische Handlungsempfehlungen aus dem finanzwirt- finanzwirt-schaftlichen Theorieansatz

3.5.2 Entwicklung mietrechtlicher Regulierungen zur Umsatz- Umsatz-maximierung des Transaktionsvolumens

3.5.2.2 Wichtige Regulierungen für Mieter

Ein Mieter, der eine Wohnung bewohnt, wird diese mit spezifischen Investitionen ver-sehen und dabei Kosten versenken.183 Spezifische Investitionen (oder auch Investitionen eingeschränkter Drittverwendungsfähigkeit) sind solche, die zum einen für einen poten-tiellen Nachnutzer nur einen eingeschränkten Wert darstellen und zum anderen nicht ohne weiteres von einer Wohnung in eine andere mitgenommen werden können. Als Beispiel können passende Gardinen, Einbauschränke, Teppichboden und andere Inves-titionen genannt werden.

Es entstehen im Laufe einer Wohndauer darüber hinaus auch spezifische Investitionen, die nicht an die Wohnung selbst, jedoch an den Standort gebunden sind. So kennt sich der Wohnungsnutzer in seiner Umgebung aus und weiß beispielsweise, wo er an seinem Standort am besten einkaufen kann, Informationen, für deren erneute Erlangung der Mieter zumindest Zeit aufwenden muss. In der Praxis bedeutet dies, dass man bei-spielsweise zu seinem angestammten Friseur geht und froh ist, nicht erneut an einem neuen Wohnstandort die Friseure ausprobieren zu müssen.

181 Exemplarisch sei die Habilitationsschrift von Paschke, Dauerschuldverhältnis, hierzu genannt.

182 Akerlof, Markets for Lemons, S. 488-500.

183 Zum Begriff der sunk costs: Krahnen, Sunk Costs.

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Diese spezifischen Investitionen in Wohnung und Wohnstandort müssen vom Mieter vorgenommen werden, wenn er nicht auf einem suboptimalen Nutzenniveau verbleiben will. Schließlich befindet sich ein Mieter, der weder Gardinen noch Schränke oder Tep-pichboden in die Wohnung einbringt oder sich keinen Friseur in der Nähe seiner Woh-nung sucht, auf einem suboptimalen Nutzenniveau.

Weil spezifische Investitionen des Mieters keine Drittverwendung haben, müssen diese als versunkene Kosten begriffen werden. Bei einem Wohnungswechsel entstehen dem Mieter somit neben den direkten Transaktionskosten wie Umzug etc. indirekte Transak-tionskosten in Höhe jener spezifischen Investitionen, welche nötig sind, um in der neuen Wohnung ein optimales Nutzenniveau zu erreichen. In Höhe dieser Kosten ist jeder Mieter an seine Wohnung wirtschaftlich gebunden. Hat der Vermieter ein unbedingtes Kündigungsrecht bzw. können echte Zeitmietverträge wahllos abgeschlossen werden, so kann der Vermieter vom Mieter bei einer anstehenden Beendigung des Mietverhältnis-ses im Rahmen einer Mietpreisneuverhandlung eine Miete verlangen, die um jenen an-nuitätisch verteilten Betrag über der ökonomischen Knappheitsmiete liegt, der sich bei Wechsel der Wohnung aus der Summe der erneut notwendigen spezifischen Investitio-nen sowie der weiteren direkten Transaktionskosten ergibt.

Diese Möglichkeit des opportunistischen Verhaltens durch den Vermieter wird der Mie-ter jedoch bereits beim Mietvertragsabschluss erkennen und antizipieren, weswegen der Mietmarkt insgesamt bei der Existenz befristeter bzw. wahllos kündbarer Mietverträge beeinträchtigt wird. Voraussetzung für einen funktionierenden Mietmarkt ist daher für den Mieter, nicht ohne im eigenen Verhalten liegende Gründe mit einer Kündigung durch den Vermieter rechnen zu müssen.

In der Literatur184 wird die Auffassung vertreten, dass diese Risiken in der Tat bestehen, sich der Mieter jedoch dadurch schützen kann, dass er Kraft seiner Marktmacht vom Vermieter bei Vertragsabschluss verlangt, dass dieser auf ein Kündigungsrecht im Rah-men einer vertraglichen Vereinbarung verzichtet.

184 So bei Eekhoff, Wohnungspolitik, Rd-Nr. 42-48.

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Unabhängig von der Frage, inwieweit Mieter tatsächlich diese Marktmacht haben (dies hängt u. a. von der jeweiligen Marktphase ab), kann dieser Auffassung aus einem ande-rem Grund nicht gefolgt werden. Wie es bei einem Kreditmarkt gute und schlechte Kre-ditnehmer (Kreditrisiken) gibt, kann man auch bei einem Mietmarkt von guten und schlechten Mietern (Risiken) sprechen, d. h. Mieter, die ein gutes bzw. ein schlechtes Risiko sind. Wenngleich Vermieter versuchen, anhand bestimmter Merkmale vorab zu erkennen, ob ein Mieter ein gutes oder ein schlechtes Risiko darstellt, kann doch davon ausgegangen werden, dass der einzelne Mietinteressent sein eigenes Risiko selbst besser einschätzen kann, als es der potentielle Vermieter vermag. Dies ergibt sich bereits aus der Verhaltensabhängigkeit des Risikos.

Es liegt also eine asymmetrische Informationsverteilung zwischen Vermieter und Mieter bezüglich des Risikos vor, welches der Mieter als Vertragspartner beinhaltet. Wenn nun bei dieser Konstellation ein Mieter vom Vermieter verlangt, er solle auf Kündigungs-rechte verzichten, so würde der Vermieter damit auf die Möglichkeit verzichten, den Mieter loszuwerden, falls sich jener als ein schlechtes Risiko erweisen sollte, ohne dass sein Verhalten ausgeprägt genug ist, um im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten das Mietverhältnis zu kündigen. Während ein Mieter, welcher von sich weiß, dass er ein gu-tes Risiko ist, kaum bereit sein wird, eine Prämie für den Verzicht der Kündi-gungsmöglichkeit des Vermieters zu zahlen, wird jener Mieter, der weiß, dass er ein schlechtes Risiko darstellt, sofort bereit sein, eine Prämie für einen unkündbaren Ver-trag zu entrichten. Mehr noch: Je höher die Prämie ist, die der Mieter bereit ist für den Verzicht auf Kündigungsrechte des Vermieters zu zahlen, desto skeptischer muss der Vermieter werden.185 Und weiter: Je größer die asymmetrische Informationsverteilung und je geringer die Möglichkeiten des Vermieters, Mietern, die sich als schlechte Ri-siken erweisen, im Nachhinein unabhängig von der vertraglichen Regelung zu kündigen, desto eher kommt es zu einem Marktzusammenbruch.

Der hier beschriebene Marktmechanismus ist in der Literatur unter dem Begriff adverse Selektion von Akerlof1 8 6 eingeführt worden, ein Phänomen, welches zunächst auf

Ge-185 Ein Phänomen der Kreditrationierung, siehe Stiglitz/Weiss, Credit Rationing, S. 393-410.

186 Akerlof, Markets for Lemons, S. 494.

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brauchtwagenmärkten erkannt und dann beispielsweise auch auf Versicherungsmärkte übertragen worden ist.187

Die Weiterentwicklung des Modells der adversen Selektion ausgehend vom Modell des Marktversagens von Akerlof besteht darin, dass die Versicherungsnehmer bzw. in unse-rem Fall die Mieter Einfluss auf das Risiko haben, welches sie für den Versicherer bzw.

Vermieter bedeuten, während die Qualität der Gebrauchtwagen im Zeitpunkt des Ver-äußerungswunsches unabhängig vom zukünftigen Verhalten des Verkäufers ist. Damit wird der Begriff des moral hazard eingeführt. Unter moral hazard versteht man die Än-derung des Verhaltens nach Vertragsabschluss.188

Übertragen auf die Vermietung von Wohnungen stellt das Risiko, welches ein Mieter für den Vermieter impliziert, jene Größe dar, über die eine asymmetrische Informati-onsverteilung sinnvoll angenommen werden muss. Würden Prämien (Zuschläge zur Miete) das Risiko des Vermieters kompensieren, welches sich aus dem Verzicht des Kündigungsrechts ergibt, so kann davon ausgegangen werden, dass nur jene Mieter be-reit sind, diese Prämie zu zahlen, die von sich wissen, dass sie schlechte Risiken sind bzw. die vorhaben, sich entsprechend zu verhalten. Aufgrund der bei der adversen Se-lektion sich ergebenden Transaktionskosten würde das Transaktionsvolumen bei einer Regulierung, die Kündigungen des Vermieters oder echte Zeitmietverträge zuzulassen, abnehmen.

Hieraus folgt, dass gesetzliche Regelungen sinnvoll und notwendig sind, wonach einer-seits Mietverträge durch den Vermieter nicht willkürlich kündbar sind und anderereiner-seits, und dies ist nur eine logische Konsequenz hieraus, echte Zeitmietverträge nicht wahllos abgeschlossen werden dürfen.

Sogenannte „Besserverdiener" vom gesetzlichen Kündigungsschutz auszuschließen ent-stammt der Vorstellung, Mietrecht diene als soziales Korrektiv, und widerspricht den Funktionsbedingungen des Mietmarktes. Von der Marktlogik des Wohnungsmarktes her könnte man eher den gesetzlichen Kündigungsschutz für „Schlechterverdiener"

aufwei-187 Rothschild/Stiglitz, Imperfect Information, S. 629-649.

188 Spremann, Finanzierung, S. 93.

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chen, weil diese einerseits i. d. R. nur in einem geringen Umfang spezifische Investitio-nen in ihren Wohnungen vornehmen und andererseits ein geringes Einkommen ein schlechtes Kreditnehmermerkmal ist. So könnte argumentiert werden, dass Mietern mit schlechten Risikomerkmalen in der Anfangszeit der Vermietung durch den Vermieter gekündigt werden kann, so dass sozusagen ein Mietverhältnis auf Probe entsteht. Ein solches kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn man zum Ergebnis kommt, dass der Vermieter weniger Zeit benötigt, um die Risikoklasse, zu der der Mieter gehört, zu er-kennen, als der Mieter Zeit benötigt, spezifische Investitionen in der Wohnung vorzu-nehmen. Der Kündigungsschutz sollte keine sozialpolitisch zu begründende Regelung sein, sondern sollte als eine Funktionsbedingung für den Mietmarkt aufgefasst werden.

Der Mieter hat also im Wesentlichen das Interesse, im Laufe des Mietverhältnisses je-weils nicht mehr Miete als die Marktmiete189 zu entrichten. Hieraus ergibt sich sein Inte-resse am Kündigungsschutz.