• Keine Ergebnisse gefunden

Vermögensmarktwirtschaftliche Aspekte in der Literatur

4 Der vermögensmarktwirtschaftliche Theorieansatz

4.1 Vermögensmarktwirtschaftliche Aspekte in der Literatur

Wie schon bei den vorangegangenen Übersichten zur Literatur lässt sich auch hier ver-zeichnen, dass sich das Schrifttum zwar mit der Thematik der vermögensmarktwirt-schaftlichen Aspekte auseinandergesetzt hat, dieses jedoch mehrheitlich aus anderen Perspektiven. Die aus der anderen Blickrichtung hervorgegangenen Begriffe sind nur bedingt in den hier vertretenen Ansatz integrierbar. Die Literatur befasst sich einerseits mit den Phänomenen der Zyklen. Hierzu zählen die Arbeiten von Wheaton2 0 0, Kaiser201, Grenadier202, Ball203, Barras204, Ball und Grilli205 und McGough und Tsolacos206.

Während Wheaton Zyklen letztlich über einen „demand shock" modelliert, geht Kai-ser207 deutlich weiter, setzt die Immobilienkrise von 1985-1993 ins Verhältnis zu jener von 1929-1934 und erkennt, dass Immobilienkrisen eben nicht nachfrage-, sondern an-gebotsbedingt entstehen und vertritt die Meinung, dass diese Angebotsüberausweitung durch Inflation und Inflationsrisiken verursacht seien.

Ball208 untersucht den Einfluss von Immobilienpreis- und Bauzyklen auf die räumliche Stadtstruktur am Beispiel von London, schlägt damit neue gedankliche Brücken zwi-schen bislang unabhängig voneinander argumentierenden Teildisziplinen der Immobi-lienwirtschaft, bleibt jedoch bei einer wirtschaftshistorischen Deskription stehen.

200 Wheaton, Cycles, S. 203-230.

201 Kaiser, Long Cycles, S. 232-257.

202 Grenadier, Cycles, S. 95-119.

203 Ball, London Property Markets, S. 859-877.

204 Barras, Economic Cycle, S. 183-197.

205 Ball/Grilli, UK Property Investments, S. 279-296.

206 McGough/Tsolacos, Building Cycles, S. 485-500.

207 Kaiser, Long Cycles, S. 232-257.

208 Ball, London Property Markets, S. 859-877.

113

Ball und Grilli209 kritisieren verschiedene Modelle zur Erklärung von Preis- und Bau-zyklen des Londoner Marktes und stellen ein eigenes Modell auf, das als unabhängige Variable die Marktpreise von Immobilien, die Differenz zwischen den Renditen der Immobilien und den Kapitalmarktzinsen, die kurzfristigen Änderungen des BIP, die Baukosten und die kurzfristigen Refinanzierungskosten wählt. Die Autoren halten ihr Modell jedoch selbst nicht für prognosefähig.

Barras210 fasst die Diskussion über Immobilienzyklen, welche auch sehr stark von ihm geprägt wurde, zusammen und stellt fest, dass Immobilienpreis- und Bauzyklen von ei-ner Fülle von makroökonomisch zu begreifenden Zyklen abhängen, von denen eiei-nerseits die „realwirtschaftlichen" und andererseits die „finanzwirtschaftlichen" Zyklen die ent-scheidenden Determinanten sind.

Neben der Frage der Immobilienzyklen und doch eng mit ihr verbunden findet sich in der Literatur, beispielsweise bei Hendershott und Turner211 die Thematik über die Be-wertung von Immobilien bzw. der Rentabilität von Wohn- bzw. Gewerbeimmobilien.

Hier wird in der Literatur das Phänomen der non-pekuniären Erträge beobachtet, ohne dieses als solches zu beschreiben.

Eine zweite Gruppe von Veröffentlichungen befasst sich mit der Frage, inwieweit Im-mobilien geeignet sind, Inflationsänderungsrisiken bzw. die Inflation selbst zu hedgen.

Hedgen bedeutet, Positionen einzugehen, die Risiken aus einer bestimmten Investition vernichten.212 Es lässt sich beispielsweise die Preisrisiken einer Aktienposition über den Kauf einer entsprechenden Put-Option absichern. Ebenso ist denkbar, jene realen Wert-veränderungsrisiken, die inflationär bedingt sind, abzusichern. Hedging ist die Vernich-tung von Risiken und setzt damit die Existenz von Risiken voraus. Die Veröffentlichun-gen zu diesem Thema sind zahlreich, so dass auch hier nur einige exemplarisch Veröffentlichun-genannt werden können. Bei diesen Veröffentlichungen zeigen sich insbesondere aus monetär-keynesianischer Sicht eine Fülle von Theoriedefiziten.

209 Ball/Grilli, UK Property Investments, S. 279-296.

210 Barras, Economic Cycle, S. 183-197.

211 Hendershott/Tumer, Capitalisation, S. 109-122.

212 Downes, Dictionary, S. 254.

114

Limmack und Ward2 1 3 untersuchen empirisch anhand von Daten aus dem Vereinigten Königreich, ob Immobilien geeignet sind, Inflationsrisiken zu hedgen. Dabei unter-scheiden die Autoren zwischen erwarteter und unerwarteter Inflation. Sie kommen zum Ergebnis, dass Immobilien insbesondere die erwartete Inflation hedgen können. Die Hö-he der erwarteten Inflation wird dabei anhand von Nominalzinsen gemessen.

Hoesli, MacGregor, Matysiak und Nanthakomaran214 untersuchen die kurzfristigen Hedge-Qualitäten von Immobilien für die erwartete und unerwartete Inflation mit dem Resultat, dass Immobilien Inflation zwar schlechter hedgen als Aktien, jedoch besser als Anleihen. Immobilien sollen insbesondere eine unerwartete Inflation im kurzfristigen Bereich hedgen können, sofern nicht nur die Miet-, sondern auch die Kapitalwerte in die Betrachtung einbezogen werden.

Barber, Robertson und Scott215 gehen den Inflations-Hedge-Eigenschaften mit einer Langzeituntersuchung nach, die sich auf den britischen Markt in der Zeit von 1967 bis 1994 bezieht. Auch sie stellen fest, dass Immobilien im Stande sind, unter Einbeziehung der Kapitalwerte vor allem unerwartete Inflation zu hedgen.

Ein Problem aller empirischen Untersuchungen liegt - neben der unzureichenden theo-retischen Fundierung - in der Beschaffung geeigneter Daten. So ist es zum einen sehr schwer, unerwartete und erwartete Inflation zu messen. Messbar ist primär nur ex-post die tatsächliche Inflation. Sobald Erwartungen gemessen werden sollen, müssen An-nahmen getroffen werden, die sich letztlich auf die Konstanz von Realzinsen reduzieren lassen. Aber bereits die Messung der Immobilien-Performance ist kein triviales Pro-blem, vor allem dann nicht, wenn über einen langen Zeitraum Daten nötig sind und zu-dem noch zwischen Miet- und Kapitalwerten unterschieden werden soll.

Die Problematik der Datenerhebung zur Immobilienperformance ist sicherlich auch ein entscheidender Grund dafür, dass mit dem Aufkommen der REITs die Forscher die No-tierungen dieser Papiere als Maß für die Performance von Immobilien herangezogen

213 Limmack/Ward, Inflation, S. 47-55.

214 Hoesli/MacGregor/Matysiak/Nanthakumaran, Inflation-Hedging, S. 27-57.

215 Barber/Robertson/Scott, Property and Inflation, S. 59-76.

115

haben. Damit wird jedoch implizit eine Gleichsetzung der Performance von Immobilien mit jener von in Immobilien investierten Anlagevehikeln vorgenommen, was wiederum unterstellt, dass die Frage der Finanzierung von Immobilien irrelevant sei, dass also an-ders formuliert die Performance eines und jedes in Immobilien investierten Anlageme-diums jener der Immobilie entspräche. Schließlich können und müssen Anlagevehikel als Finanzierungsform von Immobilien begriffen werden. Dass die Finanzierung einer Immobilie und damit auch die Frage, ob eine Immobilie oder ein Anlagevehikel betrach-tet wird, nicht relevant sei, ist jedoch unrichtig. Die Finanzierung einer Immobilie ist re-levant, wie bei Schulte, Schäfers, Hoberg, Homann, Sotelo, Vogler216 sowie Sotelo217

als auch Berry, McGreal, Sieracki, Sotelo218 und Sotelo219 ausführlich dargelegt wird.

Yobaccio, Rubens und Ketcham220 untersuchen die Hedgeeigenschaften von REITs über einen Zwanzigjahreszeitraum von 1972 bis 1992 und kommen zum Ergebnis, dass REITs erwartete bedingt, unerwartete Inflation praktisch gar nicht hedgen können und zuweilen gar ein „perverse hedging", d. h. konkret sinkende Preise bei steigender Infla-tion zu beobachten sei. Während Liu, Hartzell und Hoesli221 diese Ergebnisse bestäti-gen, erkennen bereits Chatrath und Liang222, dass die beschriebenen Phänomene tatsäch-lich mit dem Einfluss der Aktienmärkte insgesamt auf die Bewertung der REITs zu-sammenhängen und damit die Finanzierungsform von Immobilien eben doch nicht irre-levant ist, vielmehr die Verwendung von REITs als Maß für die Performance und damit auch für die Hedge-Eigenschaften von Immobilien ungeeignet sind.

In einer Untersuchungen von Larsen und McQueen2 2 3 wird richtigerweise die Parallele zum Hedge-Verhalten von Immobilien gegenüber der Inflation einerseits und Immobi-lienaktien (REITs) andererseits empirisch mit dem Inflationshedgeverhalten von Gold gegenüber Goldaktien verglichen. Die Autoren bestätigen, dass Gold, nicht aber

216 Schulte/Schäfers/Hoberg/Homann/Sotelo/Vogler, Betrachtungsgegenstand, S. 56-63.

217 Sotelo, Zusammenhänge, S. 206-209.

218 Berry/McGreal/Sieracki/Sotelo, Investment Vehicles, S. 430-443.

2 1 9 Sotelo, Immobilienaktiengesellschaften, S. 24-28.

2 2 0 Yobaccio/Rubens/Ketcham, Infaltions-Hedging, S. 279-297.

221 Liu/Hartzell/Hoesli, Inflation Hedge, S. 193-221.

222 Chatrath/Liang, REITs, S. 311-325.

223 Larsen/McQuenn, REITs, S. 285-297.

116

Goldaktien Inflationsrisiken hedgen können, was die These der Relevanz der Finanzie-rung untermauert. Bond und Seiler224 widmen sich demzufolge sodann wieder bewusst der Frage der Inflations-Hedge-Eigenschaften von Immobilien selbst. Sie kommen zum Ergebnis, dass Immobilien sehr wohl geeignet sind, Inflation zu hedgen, insbesondere, wenn diese unerwartet ist.

Auch jene Arbeiten, die nicht die Performance von REITs als Maß für die Performance von Immobilien zur Beantwortung der Frage, inwieweit Immobilien Inflationsrisiken hedgen können, haben nennenswerte Theoriedefizite. So können und brauchen nur Risi-ken gehedged werden. Demzufolge lässt sich eine sicher erwartete Inflation bereits for-mal gar nicht hedgen, insoweit bei einer sicher erwarteten Inflation eben keine Risiken bestehen. Dies wäre darüber hinaus auch gar nicht nötig, da - bestimmte Annahmen über homogene Erwartungen und Vollkommenheit von Kapitalmärkten vorausgesetzt -die negativen Effekte einer sicher erwarteten Inflation bereits über entsprechende nomi-nelle Zinsansprüche kompensiert werden könnten und würden. Wenn ein Bondholder sicher weiß, dass die Inflation in der nächsten Periode 5 % betragen wird, so wird die nominell verlangte und bei homogenen Erwartungen auch gezahlte Verzinsung der si-cher erwarteten Inflation Rechnung tragen.

Ein Hedgen von Inflation kann nur sinnvoll für das Risiko der Inflationsänderung vor-genommen werden. Dabei kann zwischen dem Risiko als Streuung um einen Erwar-tungswert und dem Eintreten einer unerwarteten Inflation unterschieden werden, wobei letzteres in der Literatur Eingang gefunden hat. Die Betrachtung der unerwarteten Infla-tion ist jedoch eine ex-post-Analyse, insoweit die unerwartete InflaInfla-tion mittels bestimm-ter Hypothesen über einen als konstant angenommenen Erwartungswert des Realzinses und ex-post schwankende Realzinsen konstruiert wird. Ex-ante kann es logischerweise keine unerwartete Inflationsänderung geben: Jede zukünftige Realisierung einer Inflati-on kann als Ausprägung der Streuung der erwarteten InflatiInflati-on gewertet werden.

Nur wenn die Inflation nicht sicher vorausgesagt werden kann, man formal betrachtet einen Erwartungswert für die Inflation und für die Streuung hat, ist ein Hedging über-haupt möglich und sinnvoll. Jeder Versuch, einen empirisch gesicherten Zusammenhang

224 Bond/Seiler, Inflation, S. 327-338.

117

zwischen der Höhe der Inflation und der Performance von Immobilien herzustellen muss scheitern, insoweit Immobilien eben nicht die Inflation, sondern nur das Risiko der Inflationsänderung zu hedgen vermögen. Nur weil tatsächlich ein empirischer und auch kausaler Zusammenhang zwischen der Höhe der Inflation und der Streuung der Inflation besteht, kommt es indirekt zu einem Zusammenhang zwischen der Performance von Immobilien und der Höhe der Inflation.

Nachdem die vorhandene internationale immobilienwirtschaftliche Literatur keine theo-retisch konsistente Grundlage zur Fundierung des vermögensmarktwirtschaftlichen An-satzes bietet, muss eine Anleihe aus anderen Bereichen vorgenommen werden. Die für diese Arbeit grundlegende Literatur ist daher keine immobilienspezifische, sondern jene, die aus der scientific Community der Berliner Schule um Hajo Riese stammt.225