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Die Anwendung der klassischen Optionspreistheorie auf den Bodenmarkt

5 Der optionstheoretische Ansatz

5.2 Die Bebauung von Grundstücken als optionstheoretische Problemstellung

5.2.1 Die Anwendung der klassischen Optionspreistheorie auf den Bodenmarkt

Optionspreistheorie bietet teilweise Algorithmen zur Bewertung des Optionswertes, also der Summe aus dem inneren und dem äußeren Wert einer Option, teilweise jedoch nur Zufallsbäume zur Abschätzung der Werte. Als bahnbrechend kann der von Black/Scholes entwickelte Algorithmus zur Bewertung von Aktienoptionen bezeichnet werden, insoweit erstmals über ein Arbitrageprozess faire Preise für Optionen errechnet werden konnten.

Der von Black/Scholes entwickelte Algorithmus ist nicht geeignet den Wert eines Grundstückes mathematisch zu errechnen. Die Bewertungsformel von Black/Scholes gilt zunächst nur für Aktienoptionen (europäische und amerikanische), bei denen die Aktie während der Laufzeit der Option keine Dividende ausschüttet. Später wurden auch Modelle für die Fälle entwickelt, dass Ausschüttungen während der Laufzeit erfol-gen.270 Grundstückswerte können sich jedoch nicht wie Aktienoptionen mit Ausschüt-tung verhalten, da nach Hull271 die Besonderheit an der Ausschüttung nicht die Divi-dende selbst, sondern der Kurs der Aktie ex DiviDivi-dende ist. Immobilien haben aber keine

269 Titman, Urban Land, S. 505-514.

270 Für die europäische Aktienoption siehe Hull, Options, S. 258 und filr die amerikanische Option sie-he Roll, American Call Options, S. 251-258 sowie Whaley, Valuation, S. 207-211.

271 Hull, Options, S. 257.

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Verkehrswerte vor und nach Mietzahlungen; dies bereits deswegen, weil die Mieten i. d.

R. monatlich gezahlt werden. Grundstücke als Optionen sind vielmehr wie amerikani-sche Währungsoptionen zu begreifen, bei denen unterschiedliche Verzinsungen in den jeweiligen Währungsräumen vorhanden sind. Das Geld in der Landeswährung entspricht dann der einen, die Investition in die Immobilie der anderen Währung. Für die Bewer-tung amerikanischer Währungsoptionen gibt es bis dato keinen Algorithmus, vielmehr muss mit Approximationen gearbeitet werden, was auch Titman272 tut.273 Doch selbst wenn man in einer Approximation mit dem Algorithmus von Black und Scholes arbei-ten wollen würde, wären relativ strenge Marktannahmen zu treffen. So ist ein risikoloses Hedge-Portfolio ebenso Bedingung wie fehlende Transaktionskosten als auch die Ran-dom-Walk-Annahme über den Verkauf der Vermögenswerte.2 7 4 Es ist unstrittig, dass die genannten Voraussetzungen für Immobilienmärkte nicht in Reinform anzutreffen sind.

Zum Verständnis von Immobilienmärkten sind hingegen optionstheoretische Überle-gungen unabdingbar. Schließlich ist die Identifizierung eines Grundstücks als Option nicht davon abhängig, ob die Marktbedingungen derart vollkommen sind, dass eine faire Bewertung mit mathematischen Formelapparaten errechnet werden oder sich als Markt-preis ergeben kann. Ebenso waren auch Aktienoptionen als Finanzderivate bereits sol-che, als die betriebliche Finanzwirtschaft noch nicht in der Lage war, den Wert einer Aktienoption mittels Arbitrageüberlegungen mathematisch zu begreifen und unter be-stimmten Annahmen über die Vollkommenheit der Märkte auch faire Preise zu berech-nen.

Dass sich Preise von Grundstücken in der Tendenz wie Optionen verhalten, hängt nicht vom Bewusstseinszustand der Marktteilnehmer hierüber ab: Die Preise von Grundstü-cken müssen sich auch dann entsprechend ihres Optionscharakters verhalten, wenn die Marktteilnehmer nicht in dem Bewusstsein handeln, dass Grundstücke Optionen sind.

So ist gleichfalls das Nachfrageverhalten eines Konsumenten ebenso dann preis-elastisch, wenn dieser das Konzept der Preiselastizität nicht theoretisch durchdrungen

272 Titman, Urban Land, S. 507 f.

273 Hull, Options, S. 285.

274 Siehe Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft, S. 505.

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hat oder, frei nach Paul Samuelson: Billardkugeln verhalten sich auch dann nach geo-metrischen Regeln, wenn sie selber nicht der Geometrie mächtig sind, was wohl auch der Regelfall sein dürfte.

Obgleich die Werte der Optionspreise aufgrund fehlender Daten nicht genau zu berech-nen sind und die Märkte selbst nicht die für die Berechnung erforderliche Transparenz und Vollkommenheit haben, ist die Annahme, dass sich Grundstücke als Optionen zu-mindest tendenziell wie solche in perfekten Kapitalmärkten verhalten, naheliegend.

Die Besonderheit von Grundstücken als Optionen liegt darin, dass die Restlaufzeit stets unendlich ist. Ausnahmen hiervon sind bei Grundstücken gegeben, bei denen das vor-handene Baurecht eingeschränkt wird, ein Vorgehen, welches regelmäßig zu Schadener-satzansprüchen der Grundstückseigentümer führt (in der Bundesrepublik Deutschland

§§ 39 und 42 BauGB) und deswegen auch nur in Ausnahmefällen anzutreffen ist.

Auf der anderen Seite gibt es Rechtsinstrumente, welche die Implementierung einer öffentlichrechtlich festgelegten Baupflicht (in der Bundesrepublik Deutschland §§ 175 -179 BauGB) ermöglichen, Instrumente, welche als eine Reaktion auf den Optionscha-rakter von Grundstücken verstanden werden können, die in der Praxis aber ebenso keine nennenswerte Relevanz aufweisen, da sich die meisten Grundstücke als Optionen aus dem Geld befinden.

Auf der Ebene der güterwirtschaftlichen Argumentation wird gebaut, d. h. ein Flächen-angebot erstellt, wenn der Nutzen, den die Fläche stiftet, zu einem Wert führt, der höher ist als die notwendigen Kosten zur Erstellung der Fläche. Auf dieser Argumentation ba-siert insbesondere auch das güterwirtschaftliche Konzept des Filtering-Modells. Steigt beispielsweise im obersten Preissegment die Miete über die zur Finanzierung notwendi-ge Annuität, wird das Flächenannotwendi-gebot erweitert, bis sich Annotwendi-gebot und Nachfranotwendi-ge wieder ausgleichen.

Die güterwirtschaftliche Argumentation übersieht dabei, dass zum Bauen jeweils ein Grundstück notwendig ist, dessen Wert sich mit steigenden Mieten ebenso erhöht. In der Praxis ist der Zusammenhang zwischen dem Ertragswert oder Vergleichswert einer

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mobilie einerseits und dem Wert eines Grundstückes andererseits nicht völlig unbe-kannt. So zeigt sich dieser Zusammenhang beispielsweise auch bei der gerade in angel-sächsischen Staaten weit verbreiteten und unter Punkt 5.1.2 behandelten Residualme-thode zur Berechnung von Grundstücks werten.

Den Folgerungen aus dem optionstheoretischen Ansatz wird man nicht gerecht, wenn angenommen wird, dass Bauinvestitionen dann getätigt werden, wenn die Differenz zwischen dem Ertragswert und dem Residuum besonders groß ist, wenn also eine ge-wisse Mindestmiete am Markt erzielt werden kann;275 vielmehr wird bei steigenden Er-tragswerten in jedem Fall auch der innere Wert der Option steigen und möglicherweise zusätzlich noch der äußere. Die Frage, wann Bauinvestitionen erfolgen, kann in die Fra-ge, wann eine Option ausgeübt wird, übertragen werden.

Amerikanische Währungsoptionen haben stets eine begrenzte Laufzeit, während der der Halter die Option stets ausüben kann. Der äußere Wert einer Option und damit auch der Wert der Option insgesamt ist von der Restlaufzeit, den Zinsen und der Volatilität der zugrunde liegenden Wechselkursschwankung abhängig. Solange Volatilität gegeben ist, hat die Option i. d. R. einen Wert, welcher über dem Residuum, d. h. dem inneren Wert der Option liegt. Wenn Halter von Finanzoptionen diese realisieren wollen, so werden die Optionen nicht vor dem Fälligkeitstermin ausgeübt, sondern auf Sekundärmärkten verkauft.

Amerikanische Währungsoptionen werden wenn sie nicht stark im Geld sind -grundsätzlich nicht vor dem Ende ihrer Laufzeit ausgeübt, da zuvor i. d. R. stets ein äu-ßerer Wert - auch Aufgeld genannt - gegeben ist, welcher bei Ausübung unwiderruflich verloren gehen würde. Amerikanische Währungsoptionen werden dann vor ihrem Ab-lauf ausgeübt, wenn aufgrund der Zinsdifferenzen die Opportunitätskosten des Haltens der Option zu groß werden. Die Opportunitätskosten (Zinskosten) beziehen sich auf den Wert der Option. Dieser wird um so größer, j e mehr die Option im Geld ist. Grund-stücke, insbesondere solche, die für den Mietwohnungsbau Verwendung finden, verfü-gen in der Regel über relativ geringe Werte im Verhältnis zu den Kosten der Errichtung

275 Expertenkommission Wohnungspolitik, Wohnungspolitik, S. 11 ff.

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des Gebäudes - Jenkis geht von ca. 10-15% Bodenanteil an den Gesamtkosten aus276

so dass in Verbindung mit der hohen vermögensmarktwirtschaftlich unter Punkt 4 be-gründeten Volatilität der Immobilienwerte zumindest für den Mietwohnungsbau davon ausgegangen werden kann, dass die Aufgelder der Grundstücke stets positiv sind.

Abbildung 27: Aufgeld einer Option im Zeitablauf Aufgeld

Da Grundstücke als Optionen eine unendliche Laufzeit haben, sollten sie eigentlich grundsätzlich gar nicht bebaut werden. Der besonders schwer zu erklärende Fall ist jener der Grundstücksbebauung, insoweit dabei systematisch das Aufgeld und damit Vermö-gen vernichtet wird.

Die Frage, ob ein Grundstück bebaut wird, hängt auch nicht von der relativen Knappheit von Bauland ab. Wenngleich es sicherlich richtig ist, dass die Schaffung von Bauland eine notwendige Voraussetzung für Bautätigkeit ist, bildet zugleich das Vorhandensein desselben keine hinreichende Bedingung für die Bebauung, insoweit die Ausweisung von Bauland zwar den inneren Wert der Option Grundstück beeinflusst, nichts aber an der Existenz von Aufgeldern ändern kann. Vielmehr kann sogar argumentiert werden, dass die Ausweisung von Bauland bodenwertsenkend wirkt und damit die Opportuni-tätskosten des Haltens der Option Grundstück derart sinken, dass die Aufgelder auch bei geringer Volatilität bestehen bleiben.

276 Jenkis, Wohnungswirtschaft, S. 34.

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Aus der optionstheoretischen Betrachtungsweise wird die Bebauung eines Grundstücks zu einem recht schwer erklärlichen Ereignis, weil jede Bebauung eines Grundstücks der Ausübung der Option gleichkommt, was bei einer unendlichen (Rest-) Laufzeit der Op-tion i. d. R. zu einem Verlust des Aufgeldes der OpOp-tion und damit zu einer Vermögens-vernichtung führt.

Im Folgenden werden Konstellationen untersucht, bei denen es bei rationalem Verhalten zu einer Grundstücksbebauung bei Vorhandensein positiver Aufgelder kommt. Weil dies ohne staatliche Interventionen im Mietwohnungsbau nicht erzielbar ist, wird zur Darstellung des Marktprozesses zunächst auf den Sonderfall des Baus von Büroflächen zurückgegriffen.

5.2.2 Die Bebauung eines Grundstücks mit positivem Aufgeld am