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2 Güterwirtschaftliche Theorieansätze

2.4 Güterwirtschaftliche Analyse bei Betrachtung von Wohnungen als heterogene Güter

2.4.2 Das Filtering-Modell

Das Filtering-Modell ist die bedeutsamste Ausprägung des güterwirtschaftlichen Ansat-zes in der wohnungswirtschaftlichen und wohnungspolitischen Debatte. Ratcliffs Aus-führungen9 5 bezüglich des Filterns von Wohnungen werden als die historische Wiege der modernen wohnungswirtschaftlichen Argumentation betrachtet.96 In der deutschen Literatur wird der Begriff des Filtering-Prozesses häufig mit Sickerungsprozess über-setzt.97 Wenngleich die Begriffe als Synonyme verwendet werden, hat doch der Begriff des Sickerungseffektes eine andere Konotation, insoweit Sickerungen immer nur nach unten hin stattfinden, wohingegen es gerade Kern des Ansatzes ist, dass Wohnungen auch nach oben „sickern" können (filtering-up). Wie so häufig in der Geschichte der Ökonomie, ist auch der Kerngedanke nicht neu: Adam Smith beschreibt das 'Filtern' von Gebrauchsgütern bereits im Jahre 1776.

95 Ratcliff, Economics, S. 302-345.

96 Kühne-Büning, Interdependenzen, S. 125.

97 z. B. bei Wullkopf, § 2 MHG, S. 5.

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Unter Punkt 2.1 wurde die wichtigste Literatur in der Entwicklung des Filtering-Modells erwähnt. Im Folgenden wird in Anlehnung an Eekhoff, dem bedeutendsten deutschen Vertreter dieser Richtung, das Filtering-Modell umrissen.

Auf der Grundlage der Marktsegmentierung können sogenannte Filtering-Effekte darge-stellt werden. Kernaussage ist, dass in jedem Marktsegment bedingt durch die Nachfra-ge, die auf das vorhandene Angebot stößt, ein Gleichgewichtspreis entsteht und angebo-tene Wohnflächennutzungsmöglichkeiten der jeweiligen Segmente substituierbar sind, so dass es über einen Preismechanismus zu einer Interrelation zwischen den Segmenten kommt. Betrachten wir zunächst den einfachen Fall eines Wohnungsmarkts, der in fünf Segmente unterteilt wird. In Abbildung 13 sei der Wohnungsmarkt aufgrund der gege-benen Nachfrage- und Angebotsstruktur im Gleichgewicht.

Abbildung 14: Reaktion des Wohnungsmarktes auf eine Nachfrageerhöhung im Qualitätssegement S 4

Zu beachten ist, dass aus Abbildung 13 nicht ersichtlich wird, welches Marktvolumen sich hinter jedem Segment verbirgt, ein Datum, das bei einer quantitativen Analyse je-doch große Bedeutung hat. Die Berücksichtigung des Marktvolumens ist gerade für em-pirische Untersuchungen von besonderem Belang und beinhaltet weder hinsichtlich der Theorie noch seitens der Realisierung Probleme. So kann die Darstellung über ein

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dimensionales Diagramm erfolgen, bei der sich die dritte Dimension auf das Marktvo-lumen bezieht.

Kommt es nun zu einer Nachfragesteigerung in Segment 4 (beispielsweise aufgrund der Eröffnung einer neuen Hochschule und des damit verbundenen Zuzugs von Studenten), so werden zunächst die Preise in diesem Segment steigen, wie aus der Abbildung 14 hervorgeht.

Dass sich die Preise im Segment S4 erhöhen, folgt aus der Logik von Abbildung 7, wo-bei das Segment S4 für sich genommen wie ein Markt homogener Güter betrachtet wird.

Die in Abbildung 14 aufgezeigte Situation ist nicht stabil, weil Nachfrager dieses Seg-ments einen Preis bezahlen müssen, zu dem sie bereits Wohnflächen eines höheren Qua-litätsniveaus erhalten könnten. Andere Nachfrager werden aufgrund ihres Budgets sowie ihrer Präferenzen bei diesen Preisen Wohnungen aus dem Segment S5 vorziehen. Es kommt nun zur Interrelation zwischen den Wohnungssegmenten, mit dem Effekt, dass sich zunächst die Preise in den Segmenten S3 und S5 erhöhen. Abbildung 15 verdeut-licht die Lage:

Abbildung 15: Das Filtern der Nachfrage

S1 S2 S3 S4 S5 - Q

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Auch die Konstellation in Abbildung 15 ist nicht stabil, da hier nunmehr Nachfrager des Segmentes S3 einen höheren Preis entrichten müssen als Nachfrager aus dem Segment S2, obgleich dieses ein höheres Qualitätsniveau aufweist. Die gestiegene Nachfrage fil-tert also letztlich von Segment S4 bis zu Segment S1 durch, so dass sich schließlich eine Situation ergibt, in der ein neues Preisgleichgewicht in den Segmenten entsteht und zugleich die Preisunterschiede zwischen den Segmenten der jeweiligen Nachfrage ent-sprechen. Abbildung 16 zeigt die neue Gleichgewichtssituation:

Abbildung 16: Das neue Gleichgewicht nach Abschluss des Filtering-Prozesses

Die in der Abbildung 16 skizzierte Situation entspricht der der Abbildung 13, wobei einzig und allein die Preise in den Segmenten gestiegen sind. Das Angebot hat sich nicht verändert.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Filtering-Prozess ausschließlich unter dem Aspekt der Nachfrageänderungen betrachtet. Die volle wohnungspolitische argumentative Kraft entfaltet dieses güterwirtschaftliche Modell jedoch erst unter Einbeziehung von Ände-rungen des Angebots. Bei ÄndeÄnde-rungen des Angebotes muss zwischen dem sogenannten natürlichen Wandel und der seitens der Anbieter veranlassten Veränderung differenziert werden.

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Aus der Annahme, dass die abnehmende Qualität von Wohnungen durch das Baualter bedingt sei, folgt, dass die Qualität der einzelnen Wohnungen im Zeitablauf ständig sinkt und die Wohnungen durch die unterschiedlichen Segmente filtern. Dieser Prozess kann mittels verstärkter Instandsetzung aufgehalten und mittels Modernisierung sogar umgekehrt werden. Abbildung 17 zeigt das Filtering von Wohnungen.

Abbildung 17: Das Filtern von Wohnungen

Qualität

Phase 1 bis 4: normales „filtering"

Phase 4 bis 6: verstärkte Instandsetzung: kein „filtering"

Phase 6 bis 8: vernachlässigte Instandhaltung: beschleunigtes „filtering"

Quelle: Eekhoff, Wohnungsmarkt, S. 10.

In Abbildung 17 wird auf die Möglichkeit der Anbieter hingewiesen, Einfluss auf das Angebot der Wohnflächen zu nehmen. So lässt sich zum einen mittels verstärkter In-standhaltung der Prozess des Abnehmens der Qualität der Wohnungen unterbinden, es kann zum anderen durch Aussetzen von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnah-men der Prozess beschleunigt werden und es kann drittens die Wohnung in höhere Qua-litätssegmente mittels Modernisierungen überführt werden.

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Man geht davon aus, dass Anbieter in der Regel versuchen werden, mittels baulicher Maßnahmen (vermehrte Instandsetzung bzw. Modernisierung) oder Unterlassen von baulichen Maßnahmen ihre Wohnungen in das Segment zu überfuhren, in dem sie die beste Rendite erwirtschaften können. Wenn also das Mietdifferential zwischen einem Qualitätssegment und dem jeweils nächsten Qualitätssegment die für die Transformati-on der Wohnung notwendigen Aufwendungen, d. h. eine entsprechende Kapitalverzin-sung erwarten lässt, werden bauliche Investitionen getätigt und damit wird insgesamt eine Anpassung des Angebots an die Nachfrage vorgenommen.

2.4.3 Wohnungspolitische Handlungsempfehlungen unter der