• Keine Ergebnisse gefunden

Die Bebauung eines Grundstücks mit positivem Aufgeld am Beispiel eines Bürogebäudes

5 Der optionstheoretische Ansatz

5.2 Die Bebauung von Grundstücken als optionstheoretische Problemstellung

5.2.2 Die Bebauung eines Grundstücks mit positivem Aufgeld am Beispiel eines Bürogebäudes

Unter Punkt 2.3.2 wurde erörtert, dass die Nachfrage nach Wohnflächen preis- und ein-kommenselastisch ist. Nur bei der Annahme einer unelastischen Nachfrage können hin-gegen Marktkonstellationen konstruiert werden, in denen es für den Grundstückseigen-tümer sinnvoll sein kann, ein Grundstück ungeachtet des positiven Aufgeldes zu bebau-en. Der Büroflächenmarkt ist nachfrageseitig ein sehr preisunelastischer Markt.

Wie bei Bone-Winkel und Sotelo277, Sotelo und Tiemann2 7 8 sowie Sotelo279 dargelegt, fragen Nutzer von Büroflächen Flächen als Produktionsfaktor nach. Anders als der Nut-zer einer Wohnung, für den die Nutzungsmöglichkeit ein Konsumgut bedeutet, und so-mit seine Konsumnachfrage in Abhängigkeit vom Einkommen begriffen werden kann, fragt ein Unternehmen Büroflächen nicht aufgrund gestiegener Umsätze oder Gewinne nach. Vielmehr wird jedes Unternehmen Flächen nur insoweit nachfragen, als diese

2 7 7 Bone-Winkel/Sotelo, Büroflächen, S. 199-205.

278 Sotelo/Tiemann, Büroflächen, S. 925-926.

279 Sotelo, Büroflächen, S. 1 f.

144

„gebraucht" werden, d. h. für den Produktionsprozess nötig sind.280 Die Nachfrage nach Büroflächen ist in hohem Maße preisunelastisch. Im Grunde hängt diese gar nicht vom Mietpreis der jeweils genutzten Fläche ab. Es muss begriffen werden, dass Unternehmen weder Flächen anmieten, weil diese momentan verfügbar sind, noch weil sie gerade günstig sind. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen:

Eine Berliner Anwaltskanzlei überlegt, einen weiteren Anwalt fest einzustellen. Der Anwalt würde Personalkosten einschließlich Lohnnebenkosten von ca. 150 TDM p. a.

verursachen und hätte einen Flächenverbrauch von ca. 20 m2. Wenn der Quadratmeter-preis 20 D M beträgt, entstünden Mietkosten von DM 4.800,- p. a.; kostet der Quadrat-meter hingegen 40 DM/m2, würden die jährlichen Mietkosten DM 9.600,- p. a. und bei einer Miete von 80 DM/m2 DM 19.200,- p. a. betragen. Es wird deutlich, dass die Frage, ob die Mietforderung 20 oder 80 DM/jn2 beträgt, bei Personalkosten von ca. 150 TDM (zuzüglich weiterer innerbetrieblicher Sach- und Personalkosten für Büroausstattung, Sekretariat, Gemeinkostenumlage etc.) praktisch keine Relevanz besitzt. Das heißt um-gekehrt, dass die Kanzlei bei schlechter Auftragslage keinen weiteren Anwalt einstellen wird, auch dann nicht, wenn der Mietpreis auf 5 DM/m2 sinken sollte. Innerbetriebliche Vorgänge bestimmen das Aufkommen und Nachlassen von Flächenbedarf. Als ein wichtiger Faktor stellt sich bei der Untersuchung der Nachfrageschwankungen die all-gemeine und branchenspezifische Konjunkturlage dar.

Empirisch zeigt sich, und dies bestätigt die Unelastizität der Nachfrage nach Büroflä-chen, dass es in Teilmärkten dauerhaft Leerstand geben kann. So verharrt die Leer-standsrate in Leipzig seit Mitte der neunziger Jahre bis zum Ende des Jahrzehnts bei ca.

30 %. Wäre die Büroflächennachfrage preiselastisch, würde die Fläche von den vorhan-denen Nutzern weitestgehend absorbiert werden. Auch die hohe Volatilität der Büromie-ten ist Indiz und Folge der äußerst geringen Preiselastizität der Nachfrage bei unelasti-schem Angebot. Ein weiteres Indiz für die fehlende Elastizität ist, dass der durchschnitt-liche Büroflächenverbrauch pro Mitarbeiter nur sehr wenig schwankt, obgleich Miet-preise und Leerstandsraten recht volatil sind.

2 8 0 Zugleich kann angenommen werden, dass verschiedene Flächen unterschiedlich gut als

Produktionsfaktor dienlich sein können. Die Dienlichkeit einer Bürofläche als Produktionsfaktor kann sich aus der Lage, dem Zuschnitt, der Ausstattung etc. ergeben. Hieraus lassen sich unterschiedliche Mietpreise in einem Büromarkt ableiten. Für unser Beispiel reicht es, von einem homogenen Gut auszugehen.

145

Aufgrund der hohen Volatilität der Mietpreise sind die Aufgelder von Bürogrund-stücken i. d. R. höher als jene von WohngrundBürogrund-stücken. Bei der Bebauung eines Gewer-begrundstücks wird dementsprechend viel Aufgeld vernichtet. Trotzdem kann es im Bü-romarkt zu einer Angebotsausweitung kommen, sofern bzw. obgleich folgende Annah-men gelten:

1. Es herrschen zwischen allen Marktteilnehmern homogene Erwartungen über die künftige Mietpreisentwicklung.

2. Es besteht Unsicherheit über die Mietpreisentwicklung.

3. Alle Anbieter von neu zu erstellenden Büro flächen haben die gleiche Kostenstruktur.

4. Die Nachfrage nach Büroflächen ist sehr preisunelastisch.

5. Es können rechtlich und wirtschaftlich wirksame bzw. tragfähige Zeitmietverträ-ge abZeitmietverträ-geschlossen werden.

Die Annahmen 1. bis 3. entsprechen der eines vollkommenen Markts, in dem sich grundsätzlich keine Überrenditen erwirtschaften lassen. Die Annahmen 4. und 5. sind Voraussetzung, um überhaupt Angebot entstehen zu lassen.

Wir gehen von einem Dreiperiodenmodell aus und befinden uns in to. Der Markt erwar-tet homogen eine Mietpreissenkung um 50 % in Periode 3, die von t2 bis t3 gehe.

Zugleich sei diese Erwartung mit Unsicherheit gegeben, d. h. dass der Markt beispiels-weise von einem Korridor ausgeht, in dem die Mieten in Periode 3 sinken werden. Es kann, muss aber nicht angenommen werden, dass die erwartete Volatilität der Mieten jener der Vergangenheit entspricht. Zur Vereinfachung nehmen wir ferner an, dass die Anfangsrenditen von Büroobjekten konstant bleiben. Wir unterstellen, dass zur Bebau-ung eines Grundstückes eine Periode nötig ist und dass Mietverträge über Büroflächen eine Laufzeit von zehn Perioden haben.

Betrachtet man nun die Entscheidungssituation des Grundstückseigentümers in Periode to. Abbildung 28 veranschaulicht die Erwartungen bezüglich Mieten und Grundstücks-wert für den Fall keiner Bautätigkeit. Der GrundstücksGrundstücks-wert ist zwischen innerem und äußerem Wert aufgeteilt. Das Aufgeld bleibt prozentual konstant.

146

Abbildung 28: Die Erstellung eines Bürogebäudes

Werte

= Ertragswert des Grundstücks _ jj^gj-gj. ^e r t jgj. Option Grundstück s Wert des Grundstücks

Es zeigt sich, dass die Senkung des Grundstückswerts aufgrund der erwarteten Mietsen-kung in Periode 3 einen höheren Betrag ausmacht als der äußere Wert der Option Grundstück im Zeitpunkt to. In dieser Konstellation wird der Grundstückseigentümer bereit sein, sein Aufgeld in to durch Bebauung des Grundstückes in der 1. Periode zu op-fern, da er dann die in ti fertiggestellte Immobilie noch zum alten Preis vermieten kann und so einen Ertragswert erhält, der ihm für sein Grundstück einen Residualwert ge-währt, der eben in t3 noch höher ist als der ursprünglich erwartete Grundstückswert ohne

Bebauung. Auch bei homogenen, mit oder ohne Unsicherheit verbundenen Erwartungen werden die Mieter die noch hohen Mieten in ti akzeptieren, weil diese Mieten ein gü-terwirtschaftliches Marktergebnis sind, welches sich graphisch aus dem Schnittpunkt

147

der unelastischen Angebotskurve mit der fast unelastischen Nachfragekurve ergibt.

Formal wird bezogen auf Abbildung 28 gebaut, wenn A 2 > A 3. Dabei ist A 2 = A 1.

Das Ergebnis aus dem konstruierten Beispiel lässt sich wie folgt verallgemeinern: Bau-investitionen erfolgen, wenn der erwartete Wertverlust ohne Realisierung der Bauinves-tition höher ausfallt als der Verzicht des äußeren Werts der Option Grundstück (Aufgeld des Grundstücks). Selbstverständlich spielt es keine nennenswerte Rolle, inwieweit der Grundstückseigentümer selbst in der Lage ist, Projektentwicklung durchzuführen oder ob er das Grundstück einem Projektentwickler verkauft. Die Kalkulation differiert nur um die Transaktionskosten, die wirtschaftlich nicht vom Projektentwickler getragen werden.

Das konstruierte Beispiel lebt wesentlich von der Annahme, dass im Büromarkt echte und damit für beide Seiten verbindliche Zeitmietverträge geschlossen werden können.

Die Tatsache, dass solche Verträge empirisch auch zu beobachten sind, ist sicherlich nicht primär traditionell oder aus dem rechtlichen Umstand zu erklären, dass nur Ver-träge mit einer zehnjährigen Laufzeit für den Mieter indexierbar sind, sondern ist auf der Nachfragerseite durch die geringe Preiselastizität der Nachfrager in Verbindung mit dem Wunsch nach Befriedigung des Flächenbedarfs bei Kostensicherheit sowie auf der An-bieterseite von dem Wunsch, Sicherheit über die künftigen Einnahmen zu erhalten, be-dingt. Der Abschluss von langfristigen Zeitmietverträgen vernichtet für beide Seiten das Preisrisiko, welches angesichts der hohen Volatilität nicht unerheblich ist.

Das Ergebnis ist zunächst paradox: Es wird gebaut, wenn von sinkenden Preisen ausge-gangen wird. Jeder Grundstückseigentümer ist bemüht, vorhandene Aufgelder so schnell wie möglich zu opfern, d. h. zu bauen, um noch vor erwarteter Mietpreis- und damit Grundstückspreissenkung langfristige Mietverträge abschließen zu können. Selbstver-ständlich führt dieses bei homogenen Erwartungen und gegebener bzw. angenommener Markttransparenz dazu, dass sich der Prozess selbst noch beschleunigt, insoweit sich die Reaktion der Anbieter auf die erwarteten Mietpreissenkungen angebotsausweitend aus-wirkt und sich damit die Erwartung sinkender Mieten verstärkt, was wiederum zu einer erhöhten Angebotsausweitung führt. Diese Rückkoppelung verstärkt die Immobilien-preiszyklen nochmals erheblich.

148

Mit dem dargestellten Modell kann nunmehr beispielsweise das Marktverhalten am Ber-liner Büromarkt zu Beginn der neunziger Jahre analysiert werden. Mit dem Fall der Mauer kam es zu einer kurzfristigen Knappheit an Büroflächen. Die Miete schnellte auf fast 100 DM/m2 hoch. Die nun folgende Angebotsausweitung in Berlin wird oft mit fal-schen Erwartungen über die Nachhaltigkeit der Nachfrage und damit der Mieten erklärt.

Mit dem obigen Modell lässt sich das Phänomen unter der Annahme erklären, dass die Marktteilnehmer im Aggregat die richtige Erwartung hatten. Es lassen sich aus dem ge-wählten Ansatz, Grundstücke als Realoptionen zu begreifen, eine ganze Reihe weiterer Phänomene insbesondere beim gewerblichen Grundstücksmarkt analysieren.

An dieser Stelle dient der Rückgriff auf die Büroimmobilien nur der Konstruktion eines Beispiels, bei dem es sich lohnt, das Aufgeld eines Grundstücks durch Bebauung des-selben zu opfern. Grundstücke mit Aufgeld werden dann bebaut, wenn der damit ver-bundene Schaden durch Vernichtung des Aufgeldes geringer ist, als jener, der eintritt, wenn nicht gebaut wird. Im Falle der Büroimmobilie entstand der Schaden durch das Sinken des Grundstückswertes: Wenn erwartet wird, dass der innere Wert der Option stärker sinken wird, als das Aufgeld absolut ausmacht, kommt es zu einer Bautätigkeit.

5.2.3 Die Bebauung von Grundstücken mit Wohngebäuden und die