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Vergleichbarkeit der elektronischen Signatur bei elektronischen Dokumenten mit der

Kapitel 1: Funktionsweise und rechtliche Beurteilung bestimmter Kommunikationstechno-

II. Rechtliche Beurteilung der elektronischen Signatur

5. Vergleichbarkeit der elektronischen Signatur bei elektronischen Dokumenten mit der

a) Vorliegen der Wesensmerkmale der Schrifturkunde bei elektronischen Dokumenten

Die Schrifturkunde zeichnet sich durch ihre Eigenschaften der Verkehrsfähigkeit und der Fäl-schungssicherheit aus, worauf ihre besondere Stellung im Zivilprozeß beruht.54

Nichtschriftliche Informationsträger wie Ton- und Bildträger sind mangels Fälschungs-sicherheit und/oder Verkehrsfähigkeit nicht dem Urkundenbeweis zugänglich. Für elektronische Dokumente stellt sich nun die Frage, ob sie ein dem Schriftdokument vergleichbares Maß an Ver-kehrsfähigkeit und Fälschungssicherheit besitzen.

Fälschungssicherheit bedeutet, daß nachträglich eingeführte Zeichen oder Radierungen rela-tiv leicht festzustellen sind.55 Eine nachträgliche Änderung ist bei nicht überschreibbaren Datenträ-gern (z.B. CD-ROMs) ausgeschlossen und bei mit qualifizierten oder akkreditierten elektronischen Signaturen signierten Dokumenten – wie oben dargestellt – nachweisbar. Eine dem Schriftdoku-ment zumindest entsprechende Fälschungssicherheit liegt somit bei mittels der digitalen Signatur verschlüsselten Dokumenten auch dann vor, wenn diese sich auf überschreibbaren Datenträgern befinden.

Mit Verkehrsfähigkeit ist die Möglichkeit gemeint, jederzeit vom Inhalt der in der Urkunde ver-körperten Gedankenerklärung Kenntnis zu nehmen.56 Daran fehlt es regelmäßig, wenn der

52 Siehe: http//www.un.or.at/uncitral/english/session/wg_ec/wp-79htm

53 Der Gesetzestext ist auszugsweise unten in Anhang I Nr. 3 abgedruckt. Der gesamte Text kann auf den Internet-seiten der UNCITRAL (www.uncitral.org) als pdf-Datei eingesehen werden.

54 MüKo-ZPO-Schreiber, § 415 Rd. 6.

55 MüKo-ZPO-Schreiber, § 415 Rd. 4.

56 MüKo-ZPO-Schreiber, § 415 Rd. 6.

liche Inhalt des Beweismittels nur durch aufwendige technische Hilfsmittel wahrnehmbar ist. Ton- und Bildträger werden daher auch mangels Verkehrsfähigkeit nicht als Urkunden angesehen.57 Zwar benötige man bei elektronischen Dokumenten das Hilfsmittel Computer zur Wahrnehmung ihres Inhalts. Wie Abel 58 und Müglich/Simon59 aber richtig erkennen, handelt es sich bei Compu-tern mit einem 3,5“Zoll- und einem CD-ROM-Laufwerk um ein heutzutage übliches Mittel der Kommunikation, welches es grundsätzlich dort gibt, wo Akten vorhanden sind, also in jedem Büro und jeder Behörde. Rechner können heutzutage kaum mehr als aufwendiges technisches Hilfsmittel betrachtet werden, da eine hinreichende Möglichkeit besteht, jederzeit vom Inhalt des Dokuments Kenntnis zu erlangen. Somit sind sowohl die Eigenschaft der Fälschungssicherheit als auch die der Verkehrsfähigkeit60 bei elektronischen Dokumenten ebenso wie bei der Schrifturkunde als vorhan-den anzusehen.

b) Erfüllbarkeit der Funktionen der eigenhändigen Unterschrift durch die elektronische Sig-natur

Fraglich ist, ob die qualifizierte bzw. die akkreditierte elektronische Signatur ein ausreichendes Ä-quivalent zu den Funktionen der handschriftlichen bzw. eigenhändigen Unterschrift darstellt. Die Schriftform erfüllt mehrere Funktionen. Es müssen allerdings nicht immer alle Funktionen gleich-zeitig erfüllt sein. Entscheidend ist die spezifische Funktion und der Zweck der jeweiligen Formvor-schrift. Im Folgenden werden die Funktionen dargestellt und ihre Erfüllbarkeit durch qualifizierte bzw. akkreditierte elektronische Signaturen dargelegt.

Abschlußfunktion

Die Abschlußfunktion (auch Garantiefunktion genannt) bringt zum Ausdruck, daß die Willenserklä-rung räumlich und zeitlich abgeschlossen ist,61 also nicht mehr einen bloßen Entwurf darstellt. Sie kann durch die qualifizierte bzw. akkreditierte elektronische Signatur zweifellos erfüllt werden, da hierbei ein Hash-Wert aus dem Gesamttext gebildet, signiert und dem Text angehängt wird. Aber auch durch einfache elektronische Signaturen wird sie erfüllt.

57 MüKo-ZPO-Schreiber, § 415 Rd. 6 (zu audiovisuellen Bändern).

58 Abel, MMR 1998, 644, 647.

59 Müglich/Simon, K&R 2000, 282, 287.

60 A.A. Redeker, NJW 1984, 2390, 2394.

61 BGHZ 113, 48, 51.

Perpetuierungsfunktion

Das Schriftformerfordernis führt dazu, daß die Unterschrift und vor allem der Text fortdauernd und lesbar in einer Urkunde wiedergegeben werden und einer dauerhaften Überprüfung zugänglich sind.

Hierdurch wird gewährleistet, daß eine Information über die Erklärung nicht nur flüchtig möglich ist und die Erklärung dokumentiert werden kann. Die dauerhafte Lesbarkeit und Überprüfung des Tex-tes ist auch bei einem elektronisch signierten Dokument gewährt. Die Befürchtung, daß ein Doku-ment aufgrund der Fortentwicklung des (Textverarbeitungs-) Programms, mit dem es erstellt wurde, in Zukunft nicht mehr gelesen werden kann, ist nicht begründet. Die modernen Programme haben nämlich grundsätzlich die Fähigkeit, auch auf älteren Versionen erstellte Dokumente bearbeiten zu können. Die Möglichkeit der Zerstörung des elektronischen Dokuments ist hier unbeachtlich, da auch ein herkömmlich Papierdokument nicht unzerstörbar ist.

Echtheitsfunktion

Die Echtheitsfunktion soll die Urheberschaft des Ausstellers der Erklärung gewährleisten. Durch die Überprüfung der akkreditierten elektronischen Signatur mittels des öffentlichen Schlüssels wird die Echtheit bestätigt, sofern die beiden Hash-Werte übereinstimmen. Durch die mathematisch-logische Verbindung zwischen Text und Signierung steht dann fest, daß die Erklärung von dem Signierenden herrührt und nicht nachträglich verändert wurde. Hier obliegt es dem Erklärenden, sicherzustellen, daß er die Signatur in einer vertrauenswürdigen Umgebung erstellt, damit ihm nicht ein Text zur Signierung untergeschoben wird, den er auf dem Bildschirm nicht sehen kann. Die akkreditierte elektronische Signatur gewährleistet dabei nicht nur die Echtheit der Willenserklärung selbst, son-dern auch die des Dokuments.62 Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil sich die Echtheitsfunktion der eigenhändigen Unterschrift im Laufe der technischen Entwicklung als immer anfälliger erwie-sen hat.

Verifikationsfunktion

Die Verifikationsfunktion steht im engen Zusammenhang mit der Echtheits- und der Identitätsfunk-tion. Sie wird dadurch erreicht, daß der Empfänger eines Dokuments die Möglichkeit hat zu über-prüfen, ob die unverwechselbare Unterschrift echt ist, z.B. durch einen Unterschriftenvergleich.

62 Bizer, DuD 1992, 169, 172.

Dies ist durch die Überprüfungsverfahren bei der akkreditierten elektronischen Signatur problemlos möglich.

Warnfunktion

Die Warnfunktion soll den Unterzeichner vor Übereilung schützen. Dabei zielt sie gerade auf den in Rechtsfragen Unkundigen ab und nicht auf den Rechtsverkehr zwischen Rechtsanwälten und Ge-richt. Durch das Unterzeichnen wird der Erklärende auf die rechtliche Verbindlichkeit und die per-sönliche Zurechnung der unterzeichneten Erklärung aufmerksam gemacht. Die Erfüllung dieser Funktion durch eine normale elektronische Signatur ist zweifelhaft. Der bloße Computerbefehl per Mouse-Click genügt ihr jedenfalls nicht. Um ein Dokument zu signieren muß hingegen die Chipkar-te eingeschoben und der Zugang mitChipkar-tels PIN-Eingabe freigegeben werden, ein Mouse-Click allein genügt hier nicht. Die Warnfunktion kann, wenn man sie nicht schon durch das Erfordernis der Chipkarten-Verwendung und der Eingabe der PIN erfüllt sieht,63 zweifellos dadurch erfüllt werden, daß in den Fällen, in denen die Unterschrift diese Funktion erfüllen soll, der Verwender der qualifi-zierten bzw. akkreditierten elektronischen Signatur auf die Bedeutung der Signatur aufmerksam gemacht wird und er die Kenntnisnahme hiervon mit Erstellung einer weiteren Signatur bestätigen muß. Eine solche Abfrage würde technisch keine Probleme aufwerfen. Da der hieraus resultierende Mehraufwand nur gering wäre, würde der Vorteil elektronischer Erklärungen dadurch nicht ab-nehmen.

Identitätsfunktion

Durch die eigenhändige Namensunterschrift soll der Aussteller der Urkunde erkennbar und identifi-zierbar werden. Allein eine elektronische Signatur kann die Identitätsfunktion der eigenhändigen Unterschrift zunächst nicht erfüllen. Wer Inhaber des zur Verschlüsselung eingesetzten Schlüssel-paares und somit Aussteller der Erklärung ist, ist aus dem Erscheinungsbild des signierten Doku-ments nicht erkennbar. Es muß die Verknüpfung des verwendeten Schlüsselpaares mit einer be-stimmten Person im Rechtsverkehr nachgewiesen werden. Bei der qualifizierten bzw. akkreditierten elektronischen Signatur wird die Identitätsfunktion daher über das Zertifikat der Zertifizierungsstel-le (Trusted Third Party) gewährZertifizierungsstel-leistet. Entscheidend ist die Vertrauenswürdigkeit der

63 So Erber-Faller in: Glade/Reimer/Struif, S. 122, die ein entsprechendes soziales Bewußtsein für die Rechtserheb-lichkeit derartiger Vorgänge in der Bevölkerung als noch keineswegs verbreitet ansieht.

rastruktur. Die elektronische Signatur kann nur kenntlich machen, daß der Text mit einer nur einer bestimmten Person zugeordneten Chipkarte signiert worden ist, nicht aber, wer tatsächlich die Chipkarte eingeschoben und die PIN eingegeben hat. Zu berücksichtigen ist aber, daß der Sig-naturschlüssel-Inhaber zum einen erhöhte Sorgfaltsobliegenheiten hat und zum anderen auch eine eigenhändige Unterschrift in der Weise nachgemacht werden kann, daß die Fälschung u.U. nicht erkennbar ist. Dieses Problem kann ebenfalls durch ein Zugangshindernis zum Private-Key in Form von biometrischen Merkmalen gelöst werden. Die Identitätsfunktion kann somit auch erfüllt wer-den.

Beweisfunktion

Die Beweisfunktion soll dem später Beweispflichtigen die Beweisführung über die erfolgte Erklä-rung erleichtern. Die Schriftform erleichtert dem Beweispflichtigen seine BeweisfühErklä-rung, sofern der Beweisgegner die Echtheit der Unterschrift nicht bestreitet (§§ 439 Abs. 1 und 2, 440 Abs. 1 ZPO).

Die Beweisfunktion gewährleistet die akkreditierte elektronische Signatur dadurch, daß der signierte Text nicht unbemerkt verändert, der Karteninhaber über das Schlüsselverzeichnis identifiziert und die technische Sicherheit des Verschlüsselungsverfahrens sowie der Endgeräte erbracht werden kann.64 Damit ältere Signaturen nicht aufgrund des Fortschritts – wie z.B. immer schneller werden-de Rechnern – unsicher werwerden-den, muß nach einem gewissen Zeitraum eine erneute Signatur vorge-nommen werden. Die Zeitbestimmung der Signatur wird bei jeder neuen Signatur erneut signiert.

Bei der Verwendung biometrischer Merkmale als Zugangserfordernis zur elektronischen Signatur bestehen auch keine Zweifel daran, daß der durch den Private-Key ausgewiesene Aussteller tatsäch-lich in persona die Signatur veranlaßt hat.

Wie Müglich/Simon richtig erkennen, wird im Ergebnis der Sinn des in den §§ 416, 440 ZPO implementierten Unterschriftserfordernisses durch die akkreditierte Signatur in einem viel höheren Maß erfüllt, als dies mit der eigenhändigen Unterschrift gelingen könnte.65

64 Rihaczek, DuD 1991, 572.

65 Müglich/Simon, K&R 2000, 282, 287.

Kapitel 2: Form- und fristgerechte Einreichung von Schriftstücken