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Kapitel 4: Zustellung

IV. Moderne Zustellungsformen

6. Regelungen anderer Staaten

a) Österreich

Wie oben bereits beschrieben wurde, hat Österreich ein zentral eingerichtetes und gesetzlich veran-kertes Gerichtsverwaltungssystem, in welchem der Kontakt mit den Gerichten organisiert wird.

Teilnehmer an diesem System, wie z.B. Rechtsanwälte müssen eine bestimmte technische Ausstat-tung unterhalten. Seit Juli 1999 ist auch die „Gegenfahrbahn“ auf dem "Datenhighway der Justiz"

eröffnet: auch Zustellungen von gerichtlichen Schriftstücken sind im sogenannten "Rückverkehr"

elektronisch möglich.245 Durch gesetzliche Vorschriften246 ist dabei die Form der Datenübergabe an der zentralen Schnittstelle geregelt. Bei dieser zentralen Schnittstelle sind für alle Teilnehmer Post-kästen eingerichtet. Protokolldateien geben dabei Auskunft über den Zeitpunkt, ab dem ein zuzustel-lendes Dokument in einem Postkasten einsehbar war und wann der Adressat Einblick genommen hat. Die Möglichkeiten elektronischer Zustellung sind auf dieses geschlossene System begrenzt.

Parallel besteht die Möglichkeit herkömmlicher Zustellungen, die zum Teil durch die Parteien er-zwungen werden können, wenn diese einer elektronischen Zustellung widersprechen.

Grundsätzlich ist dieses in Österreich angewandte System eines der fortschrittlichsten. Aller-dings erfuhr das Internet, zu dem Zeitpunkt als dieses System ins Leben gerufen wurde, noch nicht

245 So der österreichische Bundesminister der Justiz auf einer Pressekonferenz v. 26. Juni 2000 über „Moderne Justiz – e-Justice“. Die Pressekonferenzunterlagen (s.4) sind abrufbar unter http://www.bmj.gov.at/aktuelles/index.html .

246 § 89b Abs. 2 Gerichtsorganisationsgesetz (siehe Anhang I, Nr.7) i.V.m. der Verordnung des Bundesministers der Justiz über den Elektronischen Rechtsverkehr - ERV 1995 (BGBl. II Nr. 559/1995), § 89c Gerichtsorganisations-gesetz.

eine derartige Verbreitung wie heute und die elektronische Signatur befand sich erst in ihren Anfän-gen. Fraglich ist daher, ob dem Beispiel Österreichs eines geschlossenes System zu folgen ist oder ob es nicht besser wäre, die nun vorhandenen Sicherungsstrukturen zu verwenden, die für ein offe-nes System geschaffen wurden. Dabei hat das geschlossene System Österreichs unter Sicherheitsas-pekten sicherlich Vorteile. Eine ausreichende Sicherheit wird aber auch durch die Verwendung der qualifizierten bzw. akkreditierten elektronischen Signatur erreicht. Rechtsanwälte, Ge-richtsvollzieher und ähnliche zuverlässige Berufsgruppen müßten sich dann nicht erst dem System anschließen, bevor das Gericht ihnen auf diesem modernen Weg gegen Empfangsbekenntnis zu-stellen kann. Andere Teilnehmer im justiziellen Bereich würden von diesem Vorteil ausgeschlossen.

Dies ist bei einer Sicherung durch die elektronische Signatur vermeidbar, so daß der Weg eines of-fenen Systems vorzuziehen ist. Ein geschlossenes System ist aus heutiger Sicht nicht als Vorbild zu nehmen. Auch ist es für die Beteiligten schon rein wirtschaftlich vorteilhafter, wenn das Gericht für die Zustellung elektronischer Dokumente den Weg der elektronischen Signierung wählt, da die Be-teiligten in diesem Fall die zur Überprüfung dieser Signatur erworbene Software nicht nur für die Zustellung und anderweitige Kommunikation mit dem Gericht verwenden können, sondern auch im übrigen beruflichen und auch privaten Verkehr. Dies ist bei dem geschlossenen System, wie es in Österreich angewandt wird, nicht möglich.

b) Die Vereinigten Staaten von Amerika

In den U.S.A. erfolgt die Klageerhebung durch Einreichung der Klage bei Gericht. In der Zustellung liegt eine bloße Benachrichtigung von dieser Tatsache, die durch jedermann und formlos, durch Übergabe, Zusendung per Post, oder auf andere Weise erfolgen kann.247 Somit ist jede Art der Zu-stellung erlaubt.

1993 wurde durch die Federal Rules of Civil Procedure 4 (d)248 ein „waiver of service of pro-cess“-Verfahren eingeführt. Hiernach wird die Klageschrift dem Beklagten unter Mitteilung der Klageerhebung bei einem bestimmten Gericht durch die Post oder „other reliable means“ (z.B. Fax) mit einem vorbereitetenschriftlichenEmpfangsbekenntniszugesandt

.

Unterschreibt derEmpfänger dies und sendet es mittels beigefügtem Freiumschlag an das Gericht zurück, so verzichtet er auf for-melle Klagezustellung, verliert aber nicht die Möglichkeit, venue oder jurisdiction des Gerichts zu rügen (FRCP 4 (d) (1)). Der Beklagte wird per Formblatt über das Verfahren informiert.

247 Nagel/Gottwald, IZPR, § 7 Rdnr. 17.

248 Der Gesetzestext ist unten in Anhang I Nr. 3 abgedruckt.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß in den U.S.A. der Grundsatz der Zustellungsfreiheit herrscht.249 Bei der Zustellung wird in den Vereinigten Staaten das Hauptproblem im Zusammenhang mit der elektronischen Verfahrensführung darin gesehen, daß die Software derzeit nicht in der Lage sei, hinreichend Auskunft darüber zu geben, wann ein Beklagter Einsicht in die Klageschrift genommen hat. Als Lösung des Problems wird erwogen, zumindest für Rechtssubjekte, die professionell am Rechtsverkehr teilnehmen, das Erfordernis von Zustellungsbevollmächtigten für elektronische Sen-dungen einzuführen. Mit der hier vertretenen Erweiterung des Systems des Empfangsbekenntnis auf einen zuverlässigen Adressatenkreis kann dieses Problem einfacher gelöst werden.

c) Spanien

In Spanien ist das neue Zivilprozeßgesetz (LEC - Ley de Enjuiciamento Civil) zum 08.01.2001 in Kraft getreten, welches die allgemeinen Prozeßhandlungen aus dem LOPJ (Ley Orgánica del Poder Judicial) in das LEC einbringt. Das Gesetz enthält Regeln über den Einsatz neuer Technologien bei der Ausführung von Prozeßhandlungen. In Art. 152 LEC heißt es:

“Art. 152. Forma de los actos de communicación. Respuesta.

1. Los actos de communicación se practicarán por el Secretario Judicial o por el funcionario legalmente habilitado en quien delegue, en alguna de las formas siguientes, según disponga esta ley:

1.a (...)

2.a Remisión de lo que haya de comunicarse mediante correo, telegrama o cualquier otro medio técnico que permita dejar en los autos constancia fehaciente de la recepción, de su fecha y del contenido de lo comunicado.

3.a (…)“

Auch Spanien öffnet sich somit den modernen Kommunikationstechnologien im Rahmen der Zustellung, sofern der Nachweis des Empfangs, des Datums und des Kommunikationsinhaltes möglich ist.

249 Vollkommer, ZZP 80 (1967), 248, 253.

d) Italien

Art. 12 des Decreto del Presidente della Repubblica 10 novembre 1997, n. 513 (D.P.R. nr. 513), sieht für die Übertragung elektronischer Dokumente Methoden als zulässig an, die sicherstellen, daß der Empfang dieselben Wirkungen hat wie bei der Zustellung per Post. Er lautet:

“Art. 12 (Trasmissione del documento)

1. Il documento informatico trasmesso per via telematica si intende inviato e pervenuto al destinata-rio se trasmesso all'indirizzo elettronico da questi dichiarato.

2. La data e l’ora di formazione, di trasmissione o di ricezione di un documento informatico, redatto in conformità alle disposizioni del presente regolamento e alle regole tecniche di cui all'articolo 3, sono opponibili ai terzi.

3. La trasmissione del documento informatico per via telematica, con modalità che assicurino l'av-venuta consegna, equivale alla notificazione per mezzo della posta nei casi consentiti dalla legge. “

e) England

Im ordentlichen Verfahren des High Court sind drei Arten der Zustellung zu unterscheiden (R.S.C.

Ord. 65, rr 2, 4, 5). Persönliche Zustellung (personal service), Ersatzzustellung (substituted service) und die normale Zustellung (ordinary service).

Persönliche Zustellung wird in der Verfahrensordnung jeweils besonders angeordnet, und zwar insbesondere für alle verfahrenseinleitenden Schriftstücke wie der Writ-Klage usw.

Treten bei der persönlichen Zustellung Schwierigkeiten auf, kann der Kläger beim Vorverfah-rensrichter um die Genehmigung zur Anordnung der Ersatzzustellung im weiteren Sinne nachsu-chen (R.S.C. Ord. 64, r. 4). Er muß zu diesem Zweck dem Richter eine eidliche Versicherung (affi-davit) vorlegen. Diese soll den Nachweis darüber erhalten, daß die Writ-Klage ordnungsgemäß aus-gefertigt war, die persönliche Zustellung ernstlich versucht worden ist und die ersatzweise vorge-schlagene Art der Übermittlung die Writ-Klage aller Voraussicht nach dem Beklagten zur Kenntnis gelangen wird. Wenn der Richter dem Antrag stattgibt, ordnet er den Zustellungsmodus an, und zwar im allgemeinen entweder durch Zustellung per Post, öffentliche Zustellung oder Ersatzzu-stellung im engeren Sinne, d.h. an einen dem ZuErsatzzu-stellungsadressaten nahestehenden Empfänger. Das Gericht kann die Ersatzzustellung aber in jeder Form anordnen, die ihm angemessen erscheint. Da-nach wäre auch eine Zustellung per Fax oder E-Mail möglich.

f) Resümee der Erkenntnisse aus anderen Staaten

Auch in anderen Staaten ist eine Zustellung auf elektronischem Wege bereits möglich oder in Pla-nung. Als entscheidender Punkt wird grundsätzlich vorausgesetzt, daß der Nachweis der Zustellung möglich ist. Dies wäre bei der hier vorgeschlagenen Lösung eines Empfangsbekenntnisses bei der Zustellung an Personen eines Berufskreises, bei dem von erhöhter Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, der Fall.

Als Hauptproblem wird auch der Nachweis des Zustellungszeitpunktes genannt. Zur Lösung dieses Problems werden unterschiedliche Wege beschritten. Als mögliche Lösungen für Deutschland kön-nen nur diejenigen von Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika in Betracht kommen.

So entstand in Österreich ein geschlossenes System, bei dem eine Protokolldatei die Einsichtnahme in das sich im elektronischen Briefkasten enthaltenen Dokument festhält. In den von dem Grundsatz der Zustellungsfreiheit geprägten Vereinigten Staaten von Amerika wird die Lösung in einem Zu-stellungsbeauftragten für elektronische Sendungen gesehen.

Für die Zustellung in Deutschland können diese Lösungen jedoch nicht als Vorbild dienen. Auf-grund der Möglichkeit der Verwendung einer qualifizierten bzw. akkreditierten elektronischen Sig-natur ist von einem geschlossenen System abzuraten, da dieses weite Teile der am Gerichtsverkehr Beteiligten benachteiligen würde. Die Lösung der Erweiterung des Kreises zuverlässiger Adressa-ten, an den die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis möglich ist, ist dem vorzuziehen. Die Zustel-lung gegen Empfangsbekenntnis hat sich in Deutschland bereits bewährt. Auch die Vereinigten Staaten von Amerika scheinen eine derartige Lösung zu favorisieren, indem sie einen speziellen Zustellungsbeauftragten einführen wollen. Von diesem wird auch eine erhöhte Zuverlässigkeit ver-langt werden müssen, da ansonsten dessen Bestellung keinen Sinn machen würde.

Kapitel 5 : Beweisrechtliche Behandlung moderner